Fachartikel Installationstechnik

Die EMV in der NIN 2020 NIBT

Elektromagnetische Verträglichkeit

16.11.2020

Die EMV wird schon länger in diversen Schweizer Normen thematisiert. Bereits in der NIN 2015 wurde die EMV und gewisse installations­technische Aspekte berück­sichtigt. Die NIN 2020 NIBT nennt die Stör­beeinflus­sung noch ausführlicher und verweist vermehrt auf die aktuelle Normung, die zur Reduktion der elektro­magne­tischen Einflüsse beiträgt.

Grundsätzlich hat das Thema elektro­magne­tische Verträg­lichkeit und ihre Umsetzung Gesetzescharakter. In der Starkstromverordnung [1] wird in Art. 5 Störschutz Folgendes definiert:

1 Starkstromanlagen und die daran angeschlossenen elektrischen Einrichtungen dürfen, soweit dies ohne ausserordentlichen Aufwand möglich ist, in allen Betriebszuständen den bestimmungsgemässen Gebrauch anderer elektrischer Anlagen und Einrichtungen nicht in unzumutbarer Weise stören.
2 Störungsgefährdete Starkstromanlagen und die daran angeschlossenen elektrischen Einrichtungen dürfen, soweit dies ohne ausserordentlichen Aufwand möglich ist, in ihrem bestimmungsgemässen Gebrauch in allen Betriebszuständen nicht durch andere elektrische Anlagen und Einrichtungen in unzumutbarer Weise gestört werden.
3 Wer Starkstromanlagen, die andere el. Anlagen stören oder gefährden könnten, erstellen, betreiben oder ändern will, muss die Betriebsinhaber der anderen Anlagen von seinem Vorhaben rechtzeitig schriftlich benachrichtigen, damit im Voraus Schutzmassnahmen getroffen werden können.
4 Treten trotz Beachtung der anerkannten Regeln der Technik unzumutbare Störungen auf, die nur mit grossem Aufwand beseitigt werden können, so suchen sich die Beteiligten zu verständigen. Kommt keine Einigung zustande, so entscheidet das Departement. Es hört zuvor die zuständigen Kontrollstellen an.
5 Für die elektro­magne­tische Verträg­lichkeit gelten die Bestimmungen der Verordnung vom 25. 11. 2015 über die elektro­magne­tische Verträg­lichkeit.

Die im letzten Punkt genannte Verordnung, die VEMV SR 734.5 [2], definiert in Art. 2 Begriffe der elektro­magne­tischen Störung und Störfestigkeit. Die zwei zentralen Begriffe können auch so definiert werden:     

Die Elektro-Magnetische Verträg­lichkeit (EMV) ist die Fähigkeit einer elektrischen Einrichtung, in einer vorgegebenen elektro­magne­tischen Umgebung in beabsichtigter Weise zu arbeiten (Störfestigkeit), ohne dabei diese Umgebung durch elektro­magne­tische Wirkungen in unzumutbarer Weise zu beeinflussen (Störung).

Diese gegenseitigen Beeinflussungen können durch Kopplungen (galvanisch, induktiv, kapazitiv oder durch Strahlung) stattfinden.

Die neue NIN gilt im Sinne der Verordnung über elektrische Nieder­spannungs­installa­tionen NIV SR 734.27 [3] und definiert in Art. 3 «Grundlegende Anforderungen an die Sicherheit» und in Art. 4 «Grundlegende Anforderungen zur Vermeidung von Störungen».

Die EMV in der NIN 2020

In den Vorgänger-NIN 2005 und 2010 wurden nur wenige Aussagen zur EMV gemacht. Diese beschränkten sich auf allgemeine Beschreibungen wie «Vermeidung gegenseitiger Beeinflussung» oder «Alle elektrischen Betriebsmittel müssen den einschlägigen Anforderungen für die elektro­magne­tische Verträg­lichkeit entsprechen und mit den entsprechenden EMV-Normen übereinstimmen». Konkrete EMV-Massnahmen fehlten fast ganz, obwohl es bereits seit 1997 eine EMV-Verordnung gibt. In der NIN 2015 wurde schon Vieles konkreter.

In der NIN 2020 wird der EMV und der entsprechenden Störproblematik mehr Nachdruck verschafft. Die relevanten Grundlagen (z. B. Normen) sind erwähnt und die daraus resultierenden installations­technischen Massnahmen sind so auch verständlicher. Man kann davon ausgehen, dass der EMV nun in der neuen NIN die nötige Beachtung geschenkt wird, weil die Störproblematik in der aktuellen Starkstromverordnung Art. 5 [2], gestützt auf Art. 3 des Elektrizitätsgesetzes EleG SR 734.0 [4], genannt wird. Diese repräsentiert den Stand der Technik.

  • elektro­magne­tische Verträg­lichkeit (3.3.2): Alle elektrischen Betriebsmittel müssen den einschlägigen Anforderungen für EMV entsprechen und mit den entsprechenden EMV-Normen übereinstimmen.
  • Alle elektrischen Installationen müssen den Anforderungen zur Vermeidung schädlicher oder lästiger nichtionisierender Strahlung der NISV (SR 814.710) [5] genügen.
  • Planer und Errichter elektrischer Anlagen müssen gegebenenfalls Massnahmen berücksichtigen, welche die Wirkung induzierter Überspannungen und elektro­magne­tischer Störungen (EMI) verringern.
  • Daraus resultierend werden die nötigen Massnahmen definiert.


Der Abschnitt «Massnahmen gegen elektro­magne­tische Einflüsse (4.4.4)» enthält Anforderungen und Empfehlungen für die Vermeidung oder Reduzierung elektro­magne­tischer Störungen. Er richtet sich an Architekten und Planer, Errichter und Instandhalter elektrischer Anlagen.

In Abschnitt 4.4.4.2 werden Begriffe wie Potenzial­ausgleichs­anlage (BN), Potenzial­ausgleichs­ringleiter (BRC), kombinierte Potenzial­ausgleichs­anlage (CBN), Potenzial­ausgleich, Erdernetz, vermaschte Potenzial­ausgleichs­anlage (MESH-BN) und Parallel­erdungs­leiter erläutert. Siehe dazu auch den NIN-Abschnitt Erdung und Verbindung (2.1.13) mit den Begriffs-Spezifizierungen.

Im Abschnitt Reduzierung elektro­magnetischer Störungen (4.4.4.4) werden diverse Massnahmen beschrieben. Einige Wesentliche sind:

  • Es dürfen nur elektrische Betriebs­mittel verwendet werden, welche die Anforde­rungen der entspre­chenden EMV-Normen erfüllen.
  • Elektrische Betriebsmittel, die gegen elektro­magne­tische Störungen empfindlich sind, sollen nicht in der Nähe von Quellen starker elektro­magne­tischer Felder angeordnet werden. Beispiele solcher Quellen: Schaltgeräte für induktive Lasten, Elektromotoren, Schweissmaschinen, Umrichter und Regler, Kompensationsanlagen, Aufzüge, Transformatoren, Schaltanlagen und Leistungsverteiler mit Stromschienen.

Unter dem Titel «4.4.4.4.2 Massnahmen zur Reduzierung elektro­magne­tischer Störungen» werden diverse Massnahmen aufgeführt. Beispiele:

  • Installation von Überspannungs-Schutz­einrich­tungen und/oder Filtern für elektrische Betriebsmittel, die empfindlich gegen elektro­magne­tische Einflüsse sind.
  • Leitfähige Mäntel von Kabeln und Leitungen sollten mit der kombinierten Potenzial­ausgleichs­anlage (CBN) verbunden werden.
  • Induktions­schleifen sollten durch gemeinsame Verlegewege von Kabeln und Leitungen der Strom­versorgungs-, Signal- und Daten­übertra­gungs­strom­kreisen vermieden werden.
  • Leistungs- und Signalkabel sollten getrennt verlegt werden. Wo sie sich kreuzen, sollte die Kreuzung, wo immer praktikabel, unter einem rechten Winkel erfolgen.
  • Verwendung von Kabeln und Leitungen mit konzen­trischen Leitern, um die Induzie­rung von Strömen in den Schutzleiter zu reduzieren.
  • Verwendung von symme­trischen Mehr­ader­kabeln und -leitungen mit getrennten Schutzleitern (z. B. geschirmte Kabel und Leitungen) für die elektrischen Verbin­dungen zwischen Umrichtern und Motoren bei frequenz­gesteu­erten Antrieben.
  • Wenn ein Blitz­schutz­system errichtet ist, müssen Strom­versorgungs- und Signal­kabel und -leitungen mit einem minimalen Trennungs­abstand oder durch Verwendung einer Schirmung von den Blitz­ablei­tungen getrennt sein. Der Planer der Blitzschutz­anlage berechnet den Trennungs­abstand.
  • Wenn geschirmte Signal- oder Datenkabel und -leitungen verwendet werden, sollte darauf geachtet werden, das Fliessen von Fehlerströmen durch den geerdeten Schirm oder den geerdeten Leiter der Signal- oder Datenkabel und -leitungen zu begrenzen. Zusätzliche Leiter können notwendig sein, z. B. ein Parallelerdungsleiter zur Verstärkung des Schirms (Bild 1).

Auch in Bezug auf die TN-Netzsysteme ab der Verbindung der Anlage mit der öffentlichen Stromversorgung bis zu den Endstromkreisen ist die EMV relevant, insbesondere hinsichtlich der Vermeidung von Neutralleiterströmen. Es seien dazu einige wichtige Definitionen aus 4.4.4.4 genannt:

  • TN-C-Systeme dürfen in neu errichteten Gebäuden, die eine wesentliche Anzahl von IT-Betriebsmitteln enthalten oder wahrscheinlich enthalten werden, nicht verwendet werden. Es wird empfohlen, in bestehenden Gebäuden TN-C-Systeme nicht beizubehalten, wenn diese Gebäude eine wesentliche Anzahl von IT-Betriebsmitteln enthalten oder wahrscheinlich enthalten werden (4.4.4.4.3).
  • Anlagen in neu zu errichtenden Gebäuden müssen von der Einspeisung an als TN-S errichtet werden (Bild 2). In bestehenden Gebäuden, die bedeutende IT-Betriebsmittel enthalten oder wahrscheinlich enthalten werden und die aus einem öffentlichen Niederspannungsnetz versorgt werden, sollte ab dem Anfang der Installationsanlage ein TN-S errichtet werden (4.4.4.4.3).
  • Bei Mehrfachspeisungen darf zwischen dem PEN und dem PE nur eine Verbindung hergestellt werden (4.4.4.4.6.1) (Bild 3). Anmerkung: Mehrfachverbindungen sind nicht zulässig, sonst ist die Summe der Teilströme in der Anlage nicht mehr Null, und als Folge davon können magnetische Streufelder entstehen.
  • Die Wirksamkeit eines TN-S-Systems kann mit einer Differenzstrom-Überwachungseinrichtung (RCM) unterstützt werden. (4.4.4.4.3) (Bild 4).

Potenzialausgleich

Begriffe, die im Zusammenhang mit dem Potenzialausgleich und der Erdung verwendet werden, werden oft verwechselt oder falsch verstanden. In der neuen NIN werden sie präzisiert. Im Abschnitt Erdung und Verbindung (2.1.13) mit den 35 Begriffen unter 2.1.13.01 bis 2.1.13.35 sowie im Abschnitt Begriffe (4.4.4.2). Daraus seien einige EMV-relevante Begriffe erläutert:

  • Potenzialausgleich (2.1.13.19): Herstellen elektrischer Verbindungen zwischen leitfähigen Teilen, um Potenzialgleichheit zu erzielen.
  • Schutz-Potenzialausgleich (2.1.13.20): Potenzialausgleich zum Zweck der Sicherheit.
  • Funktionspotenzialausgleich (2.1.13.21): Potenzialausgleich aus betrieblichen Gründen, aber nicht zum Zweck der Sicherheit.
  • Funktionserdungsleiter (2.1.13.28): Erdungsleiter zum Zweck der Funktionserdung.
  • Potenzialausgleichsanlage BN (4.4.4.2.1): Miteinander verbundene leitfähige Konstruktionen, die einen «elektromagnetischen Schirm» für elektronische Systeme im Frequenzbereich von Gleichstrom (DC) bis zum unteren Hochfrequenzbereich (SRF) bilden.
  • Potenzialausgleichsleiter BRC  (4.4.4.2.2): Erdungssammelleiter in Form eines geschlossenen Rings. 
  • Kombinierte Potenzialausgleichsanlage CBN (4.4.4.2.3): Potenzialausgleichsanlage, die sowohl Schutz-Potenzialausgleich als auch Funktions-Potenzialausgleich herstellt.
  • Vermaschte Potenzialausgleichs­anlage MESH-BN (4.4.4.2.6): Verbindungs­netzwerk, bei dem alle beteiligten Rahmen, Gestelle und Schränke der Betriebsmittel und üblicherweise auch der Rückleiter der Gleichstrom­versorgung sowohl miteinander als auch an vielen Stellen mit der kombinierten Potenzial­ausgleichs­anlage (CBN) verbunden sind. Siehe dazu auch SN EN 50310.[6]

In Bezug auf die EMV seien zwei der obigen Begriffe ergänzend erläutert:

  • Funktionserdungsleiter: Dieser stellt eine Massnahme gegen EMV- Einflüsse dar. Elektronische Betriebs­mittel benötigen für ihren korrekten Betrieb eine Bezugs­spannung auf dem Potenzial der Erde. Diese kann durch diesen Leiter hergestellt werden, der u. a. dazu dient, einen störungsarmen Signalbezug in IT-Anlagen herzustellen.
    Die Leiter können durch ein Kabel gebildet werden. Für Betriebsmittel im Hochfrequenzbereich sind Metallstreifen oder flache Geflechte nötig. Verbindungen müssen so kurz wie möglich ausgeführt werden.
  • Potenzial­ausgleichs­leiter: Dieser bildet einen wesentlichen Bestandteil einer elektrischen Struktur. Hier bilden auch Kabeltragsysteme (5.4.3.2 Abs. 3) einen wichtigen EMV-Aspekt. Grossflächig durch­verbundene Kabelwannen und -pritschen tragen viel zur elektro­magnetischen Verträglichkeit bei. Sie können in den Potenzial­ausgleich einbezogen werden bzw. dürfen als Potenzial­ausgleichs­leiter verwendet werden, falls sie angemessen geschützt werden können gegen mechanische Beschädigung, chemische oder elektrochemische Zerstörung sowie elektro- und thermo­dynamische Kräfte, der Leitwert (Leitfähigkeit) des Kabeltragsystems ausreichend ist und die Verbindungen zwischen einzelnen Bauteilen die Vorgaben an eine Schutz­leiter­verbindung (Schutz gegen Selbstlockerung) einhalten.

Durch­verbundene Kabeltrag­systeme (Trassen) können unter diesen Vorgaben einen Ersatz für den geforderten Parallel­erdungsleiter als Verstärkung des Schirms bilden (Bild 1) und werden so Bestandteil einer kombinierten Potenzial­ausgleichs­anlage.

In Gebäuden mit mehreren Stockwerken wird empfohlen, auf jeder Etage eine Potenzialausgleichsanlage zu errichten (4.4.4.5.4). Dazu bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, die je nach Nutzung der Anlage angewendet werden können (Bild 5).

So ist als Beispiel in der Ebene 4 (b) ein vermaschtes sternförmiges Netzwerk dargestellt (4.4.4.5.3.4), welches hinsichtlich der elektromagnetischen Verträglichkeit für Anlagen mit einer hohen Dichte an empfindlichen Betriebsmitteln (z. B. informationstechnische Einrichtungen) zu empfehlen ist. Es gilt dabei:

  • Verwendung der Metallkonstruktion des Gebäudes (f in Bild 5), ergänzt durch ein quadratisches, durch Leiter gebildetes Netz oder ein verlegtes Gitternetz.
  • Maschenweite in Abhängigkeit vom Pegel (Schutzklasse) für den Blitzschutz und von der Störfestigkeit der Betriebsmittel jedoch nicht grösser als 2 m x 2 m im Bereich der empfindlichen Einrichtungen.
  • In besonderen Fällen, z. B. bei Rechenzentren, Serverräumen, sind Gitternetze mit engeren Maschen zu empfehlen (Bild 6). Bei der Verwendung solcher Netze ist in Bezug auf die EMV ein zuverlässiger Signalbezug bis zu den höchsten in Betracht kommenden Frequenzen gewährleistet.

Leiter, Stromkreise, Anordnung, Verlegung

Parallel geschaltete Leiter (5.2.3.5): Wenn zwei oder mehr Leiter pro Pol parallel geschaltet sind, müssen Massnahmen zur gleich­mässigen Aufteilung des Belastungs­stromes auf die Leiter getroffen werden. Hinsichtlich der magnetischen Beein­flussung ist ein definierter geometri­scher Aufbau (verdrillen, auskreuzen, symmetrisch) erforderlich. Es können dies sein:

  • Bei Parallelschaltung von mehradrigen Leitungen müssen die Aussenleiter der einzelnen Leitungen gleiche Querschnitte und gleiche Längen haben. Dadurch ist die gleich­mässige Aufteilung des Belastungsstromes auf die einzelnen Leiter gewährleistet. Durch Verdrillen der Leitungen werden die geometrische Anordnung und die magnetische Beein­flussung kompensiert und so die magnetischen Anforderungen erfüllt (5.2.3.5.1.1).
  • Bei Dreieck-Anordnung müssen die Aussenleiter pro Leitung so angeordnet und fixiert sein, dass sich ihre Lage nicht verändern kann. Die PE-, PEN- oder N-Leiter sind so anzuordnen, dass klar hervorgeht, zu welcher Leitung sie gehören. Die magnetischen Anforderungen lassen sich so erfüllen (5.2.3.5.1.2).
  • Bei der Anordnung der Leiter in einer Ebene sind die Leiter der einzelnen Leitungen in Abständen von 1/3 der Leitungslänge, bei Leitungen länger 20 m, auszukreuzen. Die magne­tischen Anforde­rungen lassen sich so erfüllen (5.2.3.5.1.2).

Die zu treffenden Mass­nahmen verhindern eine Beeinflussung von im Nahbereich platzierten Systemen (z. B. Steuer-, Regel- und Informations­technik). Sie stellen so, nebst den sicherheits­technischen Aspekten, auch eine Optimierung der EMV dar. Siehe dazu auch [7, 8].

Getrennte Verlegung von Stromkreisen (4.4.4.6): Wenn die Kenndaten der IT-Kabel und -Leitungen und ihre Verwendung bekannt sind, gelten die Anforde­rungen und Empfeh­lungen der SN EN 50174-2 Abs. 6.2 [9] bzw. die Normenreihe SN EN 50174 [9, 10, 11].

Wenn die Kenndaten der IT-Kabel und -Leitungen bzw. ihre Verwendung nicht bekannt sind, ist ein Mindestabstand zwischen Leistungskabeln und -leitungen und IT-Kabel und -Leitungen in Luft von 200 mm einzuhalten. Hier werden aktive Leiter, die auch zur informationstechnischen Anwendung verwendet werden, nicht als IT-Kabel oder -Leitungen betrachtet. Die Mindestabstände sind für diese Arten/Typen von aktiven Leitern nicht anwendbar (4.4.4.6.2 und 4.4.4, Tabelle 1).

Die Mindest­anforderungen an die Trennung durch Abstand gelten drei­dimensional. Wo jedoch IT-Kabel und -Leitungen sich kreuzen und die geforderten Mindest­abstände nicht eingehalten werden können, muss an der Stelle ihrer Kreuzung ein Winkel von 90° in jeder Richtung eingehalten werden. Die 90°-Kreuzung muss beibehalten werden über eine Länge, die dem geforderten Abstand der Trennung entspricht.

Leistungskabel und -leitungen und IT-Kabel und -Leitungen sollen nicht im selben Kabelbündel zusammengefasst werden. Einzelne Kabelbündel, elektromagnetisch durch Abstand und Trennstege, sollen voneinander getrennt sein (Bild 7).

Kabel­manage­ment­systeme

Kabelmanagementsysteme (4.4.4.7) gibt es in metallener und nichtmetallener Ausführung. Metallene Systeme bieten unterschiedliche Grade eines verstärkten Schutzes gegen elektromagnetische Störungen (EMI), vorausgesetzt, sie sind in Übereinstimmung mit Getrennte Verlegung von Stromkreisen (4.4.4.6) errichtet.

Bei der Auswahl des Kabel­manage­ment­systems (Art, Material, Form) sollte Folgendes berücksichtigt werden (4.4.4.7.2):

  • Die Stärke des elektromagnetischen Feldes entlang des Verlegewegs (Nähe von Quellen leitungsgebundener und ausgestrahlter Störungen).
  • Die zulässigen Pegel leitungsgebundener und ausgestrahlter Störaussendungen.
  • Die Bauart des Kabel- oder Leitungssystems (geschirmt, verdrillt, LWL).
  • Die elektromagnetische Störfestigkeit der angeschlossenen Betriebsmittel.
  • usw. gemäss 4.4.4.7.2
  • Nichtmetallene Kabel- und Leitungstragsysteme sind bei Lichtwellenleitern geeignet und wenn entsprechend der elektromagnetischen Umgebung die angeschlossenen Betriebsmittel mit der geforderten Festigkeit ausgewählt werden, bzw. bei Verwendung metallischer Ummantelungen gemäss 4.4.4.6.2 oder 4.4.4.6.3.

Bei metallenen oder kombinierten Kabel­manage­ment­systemen, als EMV-Massnahme, (4.4.4.Z1.1) gilt:

  • Sie müssen immer an beiden Enden an das örtliche Potenzialausgleichssystem angeschlossen werden.
  • Bei langen Verlegewegen (über 50 m) sind zusätzliche Verbindungen mit dem Potenzialausgleichssystem empfohlen. Alle Verbindungen müssen so kurz wie möglich sein.
  • Wenn das Kabelverlegungssystem aus mehreren Bauteilen besteht, sollte die Durchgängigkeit (Bild 8) (z. B. bei Stossstellen, Abzweigungen) durch wirksame Verbindungen zwischen benachbarten Bauteilen sichergestellt sein. Vorzugsweise sollten die Bauteile über den gesamten Umfang zusammengeschweisst werden. Verbindungen durch Nieten, Bolzen oder Schrauben sind erlaubt, wenn die Oberflächen gute Leiter sind (kein Farbanstrich und keine isolierende Abdeckung), sie gegen Korrosion geschützt sind und ein elektrisch guter Kontakt zwischen benachbarten Bauteilen sichergestellt ist.
  • Die Form der metallenen Abschnitte des Kabeltragsystems sollte über die ganze Länge gleich sein (Bild 9). Alle Verbindungen untereinander müssen eine niedrige Impedanz haben. Einzelne kurze Verbindungs­leitungen zwischen zwei Teilen eines Kabelverlegungs­systems führen örtlich zu einer hohen Impedanz und dadurch zu einer Abschwächung der elektro­magnetischen Schirm­wirkung des Kabeltrag­systems. Dies gilt auch bei Brand­abschnitt-Durch­führungen (Einstiegsbild).
  • Für Frequenzen ab wenigen MHz schwächen eine 10 cm lange Flechtverbindung zwischen zwei Teilen eines Kabelverlegungssystems die Schirmwirkung um mehr als den Faktor 10 (20 dB) ab. Bei jeder Erweiterung oder Änderung des Kabeltragsystems muss die elektromagnetische Verträglichkeit beibehalten werden.

Schutz bei Überspannungen

In den Abschnitten Schutz bei Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüsse von Schaltvorgängen (4.4.3) und Überspannungs-Schutzeinrichtungen (5.3.4) werden Vorgaben gemacht, welche in der NIN nicht direkt mit der EMV in Beziehung gebracht werden.

Allgemeines (4.4.3.1) beschreibt die Anforderungen für den Schutz elektrischer Anlagen bei transienten Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüsse, die über das Stromnetz übertragen werden, inklusive direkter Blitzeinschläge in das Versorgungssystem und bei transienten Überspannungen infolge von Schaltvorgängen.

Es beschreibt aber nicht die Anforderungen für den Schutz bei transienten Überspannungen bei direkten Blitzeinschlägen in Bauten und Anlagen oder bei Blitzeinschlägen neben den Bauten und Anlagen. Die folgenden Anmerkungen und NIN-Texte sind von Bedeutung:

  • Für den Schutz eines Baues oder einer Anlage sowie ihrer elektrischen Installation gegen direkte Blitzschläge und Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüsse sind die Normen SN EN 62305-1, -2, -3 und -4 anzuwenden [12] (4.4.3.5).
  • Um die Notwendigkeit eines Schutzes gegen Überspan­nungen infolge atmosphä­rischer Einflüsse zu bestimmen, kann mittels Risikoanalyse nach SN EN 62305-2 [12] (Blitzschutz – Teil 2: Risiko-Management) der Risikolevel (CRL) berechnet werden (4.4.3.5).
  • Ist die Errichtung von Über­spannungs-Schutz­einrich­tungen (SDDs) in der Nieder­spannungs­anlage erforderlich, dann wird die Errichtung von zusätzlichen Überspannungs-Schutzeinrichtungen (SPDs) auch für andere Systeme wie z. B. Telekommunikationsleitungen empfohlen (4.4.3.1.)


Besteht eine mögliche Störbeeinflussung (EMV) von empfindlichen elektrischen, informationstechnischen oder regeltechnischen Systemen durch transiente Überspannungen oder atmosphärische Einflüsse, ist eine Massnahme zu empfehlen. Der Planer entscheidet in Absprache mit dem Betreiber über allenfalls notwendige Überspannungs-Schutzmassnahmen.

Für die Auswahl und Errichtung von Überspan­nungs-Schutz­einrich­tungen (SPDs) ist Abschnitt 5.3.4.4 zu beachten. Folgende Definitionen sind wichtig:

  • SPDs müssen so nahe wie möglich am Speisepunkt der elektrischen Anlage errichtet werden.
  • Zum Schutz bei indirekten Blitz­einwirkungen und bei Schalt­überspan­nungen müssen SPDs Typ 2 verwendet werden.
  • Ist eine bauliche Anlage mit externem Blitz­schutz­system ausgerüstet, oder ist der Schutz bei Einwirkungen infolge direkter Blitzeinschläge anderweitig gefordert, müssen SPDs Typ 1 verwendet werden.
  • Der Speisepunkt der elektrischen Anlage kann z. B. der Ort sein, an dem die Einspeisung in das Gebäude eintritt, oder der elektrische Hauptverteiler.
  • Anmerkung: Beim Einsatz von SPDs zum Zwecke des Blitzschutzes sind auch die Vorgaben der Reihe SN EN 62305 [12] zu beachten (5.3.4.1).


Ein wichtiger Aspekt gegen elektromagnetische Einflüsse und eine optimale Funktionalität sind beim Einsatz von SPDs deren Anordnung und der Anschluss. Diese sind so kurz als möglich (niederinduktiv) und ohne Leiterschleifen auszuführen. Ausführlich wird dies im 3-teiligen Fachbeitrag [13] beschrieben.

NISV

In der aktuellen NISV SR 814.710 [5] (Ausgabe vom 1. Juni 2019) gelten bezogen auf die Massnahmen bei elektrischen Hausinstallationen gegenüber der Ausgabe 2012, welche der NIN 2015 zugrunde lag, andere Vorgaben. Der damalige Grundsatz, dass alle Anlagen und Installationen den Anforderungen zur Vermeidung schädlicher oder lästiger nichtionisierender Strahlung genügen müssen, gilt nach wie vor. Die aktuellen Definitionen lauten jedoch: 

Schutz bei Über-/Unterspannungen und Massnahmen gegen elektromagnetische Einflüsse (1.3.1.6)
4 Die Anlage muss einen angemessenen Immunitätspegel gegen elektromagnetische Störungen in der Form aufweisen, dass sie in der spezifizierten Umgebung ordnungsgemäss funktioniert. Die Auslegung der Anlage muss die erwarteten elektromagnetischen Ausdehnungen, die durch die Anlage oder installierte Betriebsmittel erzeugt werden, so berücksichtigen, dass die Anlage für die verwendeten oder die angeschlossenen elektrischen Verbrauchsmittel geeignet ist.
5 Elektrische Installationen sind im Sinne der Vorsorge so zu erstellen, dass das Magnetfeld an Orten, an denen sich Menschen regelmässig während längerer Zeit aufhalten, möglichst klein ist. Leistungsstarke Schaltgerätekombinationen dürfen nicht in der Nähe von Schlafbereichen angeordnet werden.

Dieser Grundsatz stützt sich auf das Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG, SR 814.01). Dieses verlangt, dass Einwirkungen, die für den Menschen schädlich oder lästig werden könnten, im Sinne der Vorsorge frühzeitig zu begrenzen sind (Art. 1 USG, Vorsorgeprinzip). Zu diesen Einwirkungen gehört nebst Luftverunreinigung, Lärm oder Erschütterungen auch die nichtionisierende Strahlung.

Nichtionisierende Strahlung umfasst alle Strahlungsformen, die – im Gegensatz zur ionisierenden Strahlung – nicht genügend Energie aufweisen, um die Bausteine der Materie und von Lebewesen (Atome, Moleküle) zu verändern. Zu nichtionisierenden Strahlung gehören elektrische und magnetische Felder.

Die Emissionen können je nach Quelle sehr unterschiedlich sein. Generell gilt, dass die Felder mit zunehmendem Abstand von der Strahlungsquelle abnehmen. Die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV, SR 814.710) [5] statuiert für Hausinstallationen die Minimierung der magnetischen Flussdichte an sogenannten Orten mit empfindlicher Nutzung (Anhang 1 Ziff. 42 NISV).

Anmerkung der Autoren: In der Aktuellen NISV (Ausgabe 2019) gibt es im Anhang 1 keine Ziffer 42. In Ziffer 4 wird dies beschrieben:

4 Elektrische Hausinstallationen
1 Die Bestimmungen dieser Ziffer gelten für Hausinstallationen nach Artikel 14 des Elektrizitätsgesetzes vom 24. Juni 1902 (SR 734.0) [4] unter Ausschluss von fest angeschlossenen sowie gesteckten ortsfesten Erzeugnissen.
2 Hausinstalltionen sind nach dem anerkannten Stand der Technik so auszuführen, dass die magnetische Flussdichte an den Orten mit empfindlicher Nutzung minimiert wird.
3 Als anerkannter Stand der Technik gelten insbesondere die Vorschriften der Niederspannungs-Installationsnorm (NIN).

Diese gesetzliche Vorgabe weicht wesentlich von der Definition in der NIN 2015 ab. Die aktuelle Vorgabe bedeutet, dass alle in der NIN 2020 beschriebenen Massnahmen nun auch NISV-relevant sind.

Für Transformatorenstationen ist in Bezug auf die NISV [5] in Anhang 1, Kapitel 2 festgelegt: 

24 Anlagegrenzwert
Der Anlagegrenzwert für den Effektivwert der magnetischen Flussdichte beträgt 1 mT.
25 Neue und alte Anlagen
1 Neue und alte Anlagen müssen im massgebenden Betriebszustand an Orten mit empfindlicher Nutzung den Anlagegrenzwert einhalten.

Diese Vorgaben sind für den Planer oder Errichter der Anlagen, in der Regel das energieliefernde Werk oder ein beauftragter Planer, verbindlich.

Besonderes

Die nachstehend beschriebenen Themen sind als EMV-Aspekte einzustufen, da sie mit allfälligen Störbeeinflussungen in einem Zusammenhang stehen.

Differenzstrom-Über­wachungs­einrich­tungen (RCMs): In IT-Systemen dürfen Differenzstrom-Über­wachungs­einrich­tungen (RCMs) alternativ zu Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) zum Schutz bei Brandrisiken eingesetzt werden (5.3.2.3). Sie können aber auch dort eingesetzt werden, wo Überwachungsfunktionen erforderlich sind, jedoch ohne Auslösung einer Abschaltung. Es sind dies z. B. die Wirksamkeit eines TN-S-Systems (4.4.4.4.3) oder Überwachen von Leck- und Erdschlusströmen (Bild 4).

Trennungsabstand (Näherung): Die Trennungsabstände zwischen Teilen des Blitzschutzsystems (Fangeinrichtungen und Ableitungen) und metallenen Teilen und elektrischen Anlagen innerhalb des zu schützenden Gebäudes sind in jedem Fall anzustreben (4.2.2.3. Abschnitt 13).

Bei folgenden Bauten, Bereichen und Anlagen müssen diese eingehalten werden:       

  • Feuergefährdete Bereiche
  • Explosions­gefährdete Bereiche
  • Technische empfind­liche Einrich­tungen (z. B. IT-Anlagen, Brand­melde­anlagen, Sicherheits­anlagen und dgl.)

Der geforderte Trennungs­abstand s nach innen muss bei folgenden Gebäude­konstruk­tionen nicht einge­halten werden, sofern diese als natürliche Ableitungen verwendet werden:

  • Bauten aus bewehrtem Beton
  • Stahlskelettbauten
  • Bereiche von leitend durch­verbun­denen Metall­fassaden.


Trennungsabstände sind gemäss Vorgabe (4.2.2.3 Abschnitt 13, 2.) zu berechnen. Für komplexe Bauten und Anlagen mit speziellen Anforderungen sind die Berechnungen gemäss SN EN 62305-3 [12] anzuwenden.

Resumé

In der NIN 2020 wird die EMV nun umfassender behandelt. Massnahmen zur Reduzierung der Stör­beeinflus­sungen, welche in der Normung schon seit langer Zeit bekannt sind, werden nun vermehrt nicht mehr mit «empfohlen» definiert, sondern sind als «müssen» oder zumindest als «sollte» vorgegeben. Für Architekten, Planer, Errichter und Instand­halter elektrischer Anlagen sind die in der neuen Techni­schen Norm definierten Vorgaben und Spezifizie­rungen verbindlich.

Die EMV ist ein Bestandteil der NIN. Diese gilt im Sinne von Art. 3 und Art. 4 der Verordnung über elektrische Nieder­spannungs­installa­tionen (NIV) [3].

Referenzen

[1] SR 734.2 (2019); Verordnung über elektrische Starkstromanlagen (Starkstromverordnung).

[2] SR 734.5 (2016); Verordnung über die elektromagnetische Verträglichkeit (VEMV).

[3] SR 734.27 (2019); Verordnung über elektrische Niederspannungsinstallationen (NIV).

[4] SR 734.0 (2019); Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (Elektrizitätsgesetz, EleG).

[5] SR 814.710 (2019); Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV).

[6] SN EN 50310 (2016); Telekommunikationstechnische Potentialausgleichsanlagen für Gebäude und andere Strukturen.

[7] Peter Bryner, «Parallel geschaltete Leiter – Anordnung, Verlegung und Schutz», Elektrotechnik 2/15 und 3/15.

[8] Christian Fischbacher, «NISV- und EMV-gerechte Starkstrominstallationen – Worauf es wirklich ankommt», Elektrotechnik 3/15.

[9] SN EN 50174-2 (2018); Informationstechnik – Installation von Kommunikationsverkabelung – Teil 2: Installationsplanung und Installationspraktiken in Gebäuden.

[10] SN EN 50174-1 (2018); Informationstechnik – Installation von Kommunikationsverkabelung – Teil 1: Installationsspezifikation und Qulitätssicherung.

[11] SN EN 50174-3 (2017); Informationstechnik – Installation von Kommunikationsverkabelung – Teil 3: Installationspraktiken im Freien.

[12] SN EN 62305-1, -2, -3, -4 (2011); Blitzschutz Teile 1–4.

[13] Josef Schmucki, «Überspannungen in NS-Installationen», Elektrotechnik 12/11, 1/12 und 2/12.

Literatur

Niederspannungs-Installationsnorm NIN 2020 NIBT (SN 411000:2020), www.electrosuisse.ch/de/nin-2020

Autor
Michael Arnold

ist Geschäftsführer.

  • ARNOLD Engineering und Beratung AG,
    8152 Opfikon
Autor
Martin Arnold

gründete die Arnold Engineering 1991.

  • ARNOLD Engineering und Beratung AG,
    8152 Opfikon

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