Die elektrischen Busse kommen
Globaler Trend, lokale Strategien
Die Dekarbonisierung ist nicht nur für die individuelle Mobilität ein Thema. Auch Busse verabschieden sich zunehmend vom Diesel. Wie liesse sich dieser Trend noch beschleunigen?
Jährlich veröffentlicht das Bundesamt für Statistik, BFS, Zahlen zu den neu zugelassenen Personenwagen. Diese zeigen auf, dass in den letzten Jahren der Anteil der Elektroautos deutlich gestiegen ist. Zwar wurde dieser Trend 2023 leicht gebremst, aber trotzdem kamen 20,7% rein elektrische Autos frisch auf die Strasse. Im Vorjahr waren es 17,7%.
Dieser Elektrifizierungstrend beschränkt sich aber nicht nur auf die individuelle Mobilität, sondern findet auch im öffentlichen Verkehr statt – obwohl er nicht als solcher durch das BFS ausgewiesen wird. In den lediglich alle fünf Jahre veröffentlichten ÖV-Zahlen wird für die urbane Mobilität nur zwischen Trams, Trolleybussen und Autobussen unterschieden. Bei Letzteren wird jedoch nicht nach Antriebsart differenziert.
Es überrascht, dass die Statistik des Individualverkehrs öfter und detaillierter erscheint, würde doch eine Gleichbehandlung die nachhaltigere Mobilitätsvariante stärker im Bewusstsein verankern. Denn der Grad der Elektrifizierung, mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien, ist im ÖV – bei Zügen, Trams und Trolleybussen – in der Schweiz praktisch unerreicht.
Beispielsweise transportieren Trams und Trolleybusse bei den Verkehrsbetrieben Zürich, VBZ, aktuell rund 80% der Fahrgäste rein elektrisch. Nun gilt es, den Anteil fossil angetriebener Fahrzeuge noch weiter zu senken und die restlichen Dieselbusse zu ersetzen. Wie die Dekarbonisierung im Zürcher Verkehrsverbund, ZVV, geplant ist, zeigt die untenstehende Grafik. Dieser Absenkungspfad dient den Verkehrsunternehmen im ZVV als Orientierung und legt bestimmte Meilensteine fest.
Das Ziel der Basler Verkehrs-Betriebe, BVB, ist noch ambitionierter: Ab 2027 soll der gesamte ÖV in der Rheinstadt komplett erneuerbar betrieben werden. Das gleiche Ziel hat sich auch Schaffhausen gesetzt. In anderen Schweizer Städten ist die Einführung von Elektrobussen ebenfalls geplant. Und nicht nur da, wie der englische Verkehrsplaner und Consultant Mark Sellin bestätigt: «Dieser Trend kann global beobachtet werden, vor allem in Europa und in Asien, aber er ist in der Schweiz sehr ausgeprägt, da die Strominfrastruktur für Trams und Trolleybusse meist bereits vorhanden ist.»
Die Elektrifizierung wird dabei schrittweise eingeführt – einerseits, um im Einsatz stehende Dieselbusse noch nutzen zu können, bis sie abgeschrieben sind. Dies erreichen die Busse je nach Verkehrsbetrieb und Nutzung nach zehn bis fünfzehn Jahren beziehungsweise manchmal weit über 1 Mio. km. Andererseits, um mit den elektrischen Bussen auf spezifischen Linien Erfahrungen zu sammeln, damit der Ausbau des Netzes sorgfältig ausgeführt werden kann.
Eine Frage der Topografie und Batteriegrösse
Jeder Verkehrsbetrieb stellt sich bei dieser Elektrifizierung die Frage, wie die Busse zu ihrem Strom kommen sollen. Wird nur über Nacht im Depot geladen, bei Gelegenheit konduktiv an den Haltestellen, während die Fahrgäste aus- und einsteigen, und länger an Endstationen, oder mit Oberleitungen während der Fahrt? Oder werden diese Ladearten kombiniert? Wo werden die Ladestationen schliesslich platziert und welche Leistung sollen sie liefern können?
Für das automatisierte Zwischenladen an den Haltestellen – und für entsprechend kleine Batterien, nämlich 72 kWh – hat sich beispielsweise Genf bei seinen elektrischen Gelenkbussen entschieden. Ab Mai 2013 wurde ein E-Bus auf einer Pilotstrecke beim Flughafen Genf eingesetzt, seit März 2018 fährt er regulär auf der Linie 23 zwischen Carouge und dem Genfer Flughafen. Zwölf der fünfzig Haltestellen sind mit Schnellladestationen ausgestattet, die während den 20 s des Aus- und Einsteigens 600 kW liefern. Zwei Ladestationen an den Endpunkten der Buslinie stellen 400 kW zur Verfügung. Da hier zwischen vier und fünf Minuten geladen wird, lässt sich rund 30 kWh übertragen. In der Nacht kann zudem im Busdepot von La Jonction mit 50 kW geladen werden. Nach einem anfänglichen Problem mit der Batteriekühlung, die die Inbetriebnahme des Tosa-Busses (Trolleybus Optimisation Système Alimentation) um vier Monate verzögerte, ist der Betrieb nun zuverlässig. Von März 2018 bis November 2023 lag die Verfügbarkeit über 98,7%. Das Genfer Fazit: Ein grosser Bus für 132 Passagiere mit einer kleinen Batterie ist für eine anspruchsvolle Linie geeignet.
In Basel wurde eine andere Ladestrategie gewählt: die Depotladung mit gelegentlichem Nachladen an voraussichtlich fünf Endhaltestellen, von denen schon zwei umgesetzt worden sind. Letzteres ist nötig, weil die Batteriekapazität für einen Betrieb ohne Zwischenladen noch nicht ausreicht. Zur Umsetzung dieser Strategie wird ein neues, vierstöckiges Grossdepot «Garage Rank» gebaut, das 2027 einsatzfähig sein soll. Bis dann sorgen die zwei Provisorien Klybeck und Messehalle 3 (Einstiegsbild) sowie die erwähnten Gelegenheitslader dafür, dass die Elektrobusse zu ihrer Energie kommen.
Eine interessante Alternative zu diesen Ladestrategien stellt die Nutzung bestehender Trolleybus-Oberleitungen zum Laden der Batterien dar. Auch hier gibt es verschiedene Ansätze: Während in Schaffhausen die Oberleitungen im Stadtzentrum entfernt und Gelegenheitsladestationen beim Hauptbahnhof installiert wurden, können die Busse ausserhalb des Zentrums aus den Oberleitungen Strom beziehen. Genau umgekehrt zu Zürich, wo die Busse die Oberleitungen im Stadtzentrum nutzen und in der Peripherie batteriebetrieben fahren. Die Nutzung der Oberleitungen hat den Vorteil, dass der Ladestrom kleiner ist. Zudem können die Leitungen dort platziert werden, wo der Energiebedarf am grössten ist, beispielsweise bei starken Steigungen.
In Winterthur, wo Trolleybusse seit 1938 betrieben werden, kommen in naher Zukunft zwei neue Linien hinzu, um einen Teil der Dieselflotte durch Batterie-Trolleybusse zu ersetzen. Aber auch da wird die Elektrifizierungsstrategie anschliessend mit Elektrobussen und dem Aufbau der nötigen Ladeinfrastruktur fortgesetzt.
Was geschieht mit ausgedienten Dieselbussen?
Für ausgemusterte Dieselbusse gibt es in der Schweiz je nach Verkehrsbetrieb und Zustand der Fahrzeuge verschiedene Strategien: Manchmal werden sie entsorgt oder an Zwischenhändler bzw. direkt an ausländische Verkehrsbetriebe verkauft, ab und zu an Organisationen für die Entwicklungshilfe veräussert. Über Zwischenhändler gelangen heute viele Busse nach Südost- und Osteuropa, wo die gut unterhaltenen Schweizer Occasionen beliebt sind. Gemäss Mark Sellin könnte sich dies aber bald ändern, denn auch dort gibt es den Trend, neue Busse zu beschaffen, die den strengen EU-Bestimmungen entsprechen. Denn EU-Mitgliedstaaten müssen nach der Richtlinie (EU) 2019/1161 (Clean Vehicles Directive CVD) sicherstellen, dass öffentliche Auftraggeber beim Kauf bestimmter Strassenfahrzeuge die Energie- und Umweltauswirkungen, einschliesslich der CO2-Emissionen, berücksichtigen.
Aus wirtschaftlicher Sicht mag der Verkauf der Busse ins Ausland sinnvoll sein, aber, wie der Empa-Forscher Harald Desing ausführt, aus Dekarbonisierungsperspektive nicht: «Das wesentliche Ziel der Umstellung auf elektrischen Antrieb ist die Dekarbonisierung, die auf diese Weise aber verzögert wird, bis auch die neuen Einsatzgebiete die Dieselbusse ausser Betrieb nehmen. Der Ersatz durch neue Elektrobusse verlangsamt zudem die Ausweitung des ÖV-Angebots, ein wichtiger Baustein der Energiewende. Schneller und ressourcenschonender ginge es, wenn die Dieselbusse direkt auf Elektroantrieb umgerüstet würden.» Harald Desing erhofft sich durch einen standardisierten Umbau stark sinkende Umrüstungskosten, schliesslich sei die Standardisierung der Bustypen und Bauweisen schon sehr weit. Bereits heute koste der Umbau eines Busses auf elektrischen Antrieb in Deutschland etwa so viel wie ein neuer Dieselbus, also etwa einen Drittel eines neuen Batteriebusses.
In England, wo laut Mark Sellin die Busse oft einige Jahre länger im Einsatz stehen als in der Schweiz, gibt es bereits Firmen, die Umbaukits anbieten, um Busse mit elektrischem Antrieb auszustatten. Dort werden die Busse oft in der Hälfte ihrer Lebenszeit gründlich überholt (midlife refurbishment), und dieser Zeitpunkt wird manchmal für ihre Elektrifizierung genutzt.
Ein Solarmobilitätsprojekt in Senegal
Ein noch umfassenderes urbanes Nachhaltigkeitsprojekt wird in Dakar durch das von Mandu dos Santos Pinto initiierte Schweizer Projekt Ecocar Solaire verfolgt. Erfahrungen hat Mandu am Projekt «Open Urban African House» gesammelt, wo es darum ging, Häuser zu bauen, die Städte entlasten können, weil sie mit ihrem eigenen Solarstrom versorgt werden und über geschlossene Wasserkreisläufe verfügen. Durch solche Häuser liesse sich besonders in sogenannten informellen Quartieren, also «Slums», die Lebensqualität steigern.
Da die Strassen in diesen Quartieren eng und schlecht unterhalten sind, decken dort oft privat betriebene Minibusse den Grossteil des öffentlichen Verkehrs ab – und verschlechtern die Luftqualität markant. Ein durch einen Kredit der Weltbank finanziertes Erneuerungsprogramm möchte diese Busse durch neue Dieselbusse ersetzen, obwohl es einerseits aus ökologischer Perspektive keinen Sinn macht und andererseits die alten Busse mechanisch noch in Ordnung sind. Schwierig ist bei diesen Minibussen die Beschaffung der Ersatzteile für die Motoren. Hier möchte das Projekt nun ansetzen und dies als Chance betrachten: Die langlebigen Cars Rapides sollen mit einem Elektroantrieb versehen und solar betrieben werden.
Dazu werden in Kürze im Switzerland Innovation Park in Biel zwei Pilotbusse umgebaut und als «Bewährungsprobe» von Zürich nach Dakar gefahren. Schliesslich sollen lokale Busse vor Ort umgerüstet werden, mit örtlichen Handwerkern und Schweizer Know-how. Ein grosser Teil des Projektes betrifft die Ladeinfrastruktur. Im Projekt sollen austauschbare Batterien zum Einsatz kommen. Die Busse fahren an eine Tankstelle, tauschen die Batterie aus, ohne lange Laden zu müssen, und können weiterfahren. Zudem kann die Qualität der Batterien überwacht werden, um eine lange Lebensdauer zu gewährleisten. Eine der Herausforderungen ist die Aufgabe, die Staubfreiheit bei den Umtauschbatterien sicherzustellen. Dies soll in der Pilotphase getestet werden.
Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit
Ob in Afrika oder der Schweiz, die Umstellung des Busverkehrs auf batterieelektrischen Antrieb ist eine wichtige Komponente der Dekarbonisierung. Für die Beteiligten ist sie oft Neuland. Das Know-how bezüglich Elektroplanung muss zuerst aufgebaut, Platz für neue Mittelspannungsleitungen und Transformatoren gefunden, die beste Ladestrategie evaluiert und die optimale Batteriegrösse gewählt werden. Erschwerend kommt die Befürchtung hinzu, man könne sich an ein spezifisches Busmodell binden, das unwirtschaftlich werden könnte, weil man technologische Entwicklungen beispielsweise bei den Batterien verpasst. Lohnt es sich eventuell, ein wenig zu warten, bis eine neue Fahrzeuggeneration kommt? Zudem wird die Planung durch die unklare Entwicklung bei den Fahrzeug- und Energiekosten sowie durch längere Lieferfristen bei den Fahrzeugen und der Ladeinfrastruktur erschwert. An Herausforderungen mangelt es nicht. Aber wenn sie gemeistert werden, steigern die praktisch emissionslosen elektrischen Busse die urbane Lebensqualität – und leisten ihren Beitrag zum Abschied von fossilen Treibstoffen.
Kommentare
Simon Schlatter,
Sehr gelungener Artikel, in welchem die Realität und Trägheit bezüglich Energiewende des öffentlichen Busverkehrs in der Schweiz dargestellt wird. Wie erwähnt, bestehen die nötigen Technologien schon länger und sind bereits gut praxistauglich (Beispiel TPG mit TOSA oder Basel). Lösungen mit kleineren Batterien und gelegentlichem Zwischenladen unterwegs sind im grossen Ausmass sicher auch netzfreundlicher als alle Busse zur gleichen Zeit über Nacht zu laden.
Die grosse Bremse für Investitionen in die Elektrifizierung des ÖV-Busverkehrs ist leider die immer noch bestehende "Befreiung von der Mineralölsteuer" für die Busbetriebe und dadurch der finanzielle Druck noch nicht gross genug. Diese wird jedoch auf 2026 wegfallen und so sollte sich in dem Sektor bald mehr Bewegung zeigen.
Das gleiche Problem zeigt sich auch in der Flugindustrie, da auf Kerosin auch keine Mineralölsteuer erhoben wird (ausser Inlandflüge).