Interview Energiemarkt , Erneuerbare Energien , Märkte und Regulierung

«Die Effizienz muss noch erhöht werden»

Perspektiven der Power-to-Gas-Technologie

23.08.2017

Seit dem letzten November wandelt die IBAarau AG überschüssigen, aus Wasserkraft gewonnenen Strom in Gas um. Hans-Kaspar Scherrer, Vorsitzender der Geschäftsleitung, erklärt, warum die IBA in diese Technologie investiert, welches Potenzial sein Unternehmen darin sieht und welche Schritte noch nötig sind, um sie wirtschaftlich betreiben zu können

Bulletin: Wie lange betreiben IBA und H2 Energy die Wasserstoffproduktion bereits und welche Erwartungen hatten Sie daran?

Hans-Kaspar Scherrer: Die H2-Produktionsanlage ist nach einer kurzen Planungs- und Bewilligungsphase von acht Monaten seit Anfang November 2016 im Betrieb. Die Ziele der 200-kW-Pilotproduktionsanlage sind, die Versorgung der ersten öffentlichen H2-Tankstelle von Coop in Hunzenschwil sicherzustellen, praktische Erfahrung mit Bau und Betrieb einer Elektrolyseur-Anlage zu sammeln und Möglichkeiten einer zukünftigen Power-to-Gas-Anlage zur Herstellung von synthetischem Methan und von Systemdienstleistungen sowie Regelenergie zu prüfen.

Wurden diese Erwartungen erreicht oder gar übertroffen?

Die Ziele wurden mehrheitlich erreicht. Die Bewilligungs- und Bauphase konnte dank optimalen räumlichen Verhältnissen für die Aufstellung der Elektolyseur-Anlage und des Trailers für Speicherung und Transport sowie grosser Erfahrung unseres Partners H2  Energy sehr rasch und ohne nennenswerte Probleme abgewickelt werden. Die Machbarkeit wurde anhand der Pilotanlage aufgezeigt.

Läuft die Anlage auf voller Leistung?

Die Erfahrung wird mit dem Betrieb nun laufend erweitert. Die grundsätzliche Regelbarkeit und der Teillastbetrieb der Power-to-Gas-Anlage wurden in einem Versuch demonstriert. Da die volle H2-Kapazität an der ersten Tankstelle in Hunzenschwil mangels Fahrzeugen noch nicht abgesetzt werden kann, läuft der Elektolyseur derzeit noch nicht im Dauerbetrieb.

Was waren Ihre Beweggründe, in diese Technologie zu investieren?

Ein Beweggrund ist die Möglichkeit, Stromproduktionsüberschüsse, zum Beispiel aus der stochastischen Einspeisung von PV-Anlagen im Verteilnetz, in einer Elektrolyseur-Anlage in Wasserstoff umzuwandeln. Damit kann der Einfluss der dezentralen Produktion auf die Energiebeschaffung bei den Vorlieferanten eingedämmt werden. Mit dem Wasserkraftwerk kann der «überschüssige» Strom direkt in den Elektrolyseur geleitet werden. Eine Rückspeisung von Überschussstrom in das Vorliegernetz oder ein Minderbezug aus dem Vorliegernetz bei hoher PV-Produktion im Verteilnetz können somit reduziert werden.

Gab es neben diesem technischen Aspekt auch andere Faktoren, die Sie zu diesem Schritt bewegten?

Ein weiterer Beweggrund ist für die IBAarau die Möglichkeit, kostengünstigen Strom in eine speicherbare Energieform umzuwandeln. Von dieser Möglichkeit möchten wir auch bei der geplanten Power-to-Gas-Anlage Gebrauch machen. Dank Wasserstoff kann auf der geplanten Power-to-Gas-Anlage der Ertrag an erneuerbarem Gas nochmals um über 30 Prozent gesteigert werden.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher damit gemacht?

Als Pilot funktioniert die Power-to-Gas-Anlage mit vertretbarem Betriebs­aufwand. Aus wirtschaftlicher Sicht sind die Elektrolyseur-Anlage und die Produktionsmengen noch zu klein, was aber von Anfang an auch so erwartet worden war. Die geplante Anzahl Betriebsstunden werden wegen des zu tiefen H2-Verbrauchs an der Tankstelle noch nicht erreicht. Die Anzahl der von Coop und von Privaten eingesetzten Wasserstoff-Fahrzeuge (bisher 1 LKW, 20 PW) wird aber noch zunehmen und damit auch die Nachfrage nach Wasserstoff als Treibstoff.

Welches Potenzial hat Power to Gas im zukünftigen Energiemarkt respektive bei der Erarbeitung neuer Geschäftsmodelle?

Mit der zunehmend stochastischen Stromproduktion im Verteilnetz und den eingeschränkten und teuren Speichermöglichkeiten für nicht benötigen Strom wird die Umwandlung zu Wasserstoff und Speicherung des Wasserstoffs in Flaschen oder im Erdgasnetz interessant. Über die katalytische oder biologische Methanisierung kann Wasserstoff mit CO2 zu erneuerbarem Methan umgewandelt und ohne Einschränkungen ins Erdgasnetz eingespeist werden.

Wo orten Sie noch Nachholbedarf, um das Potenzial noch besser auszuschöpfen?

Die Effizienz der Produktion muss in einem nächsten grösseren Projekt verbessert werden. Speziell muss die bei der Elektrolyse anfallende Abwärme sinnvoll genutzt werden können. Wird die Elektrolyse in der Nähe einer Abwasserreinigungsanlage betrieben, kann auch der entstehende Sauerstoff zum Beispiel für den Klärprozess auf der Abwasserreinigungsanlage eingesetzt werden. Zusätzlich muss der Transport des Wasserstoffs von der Produktionsanlage zu den Tankstellen wirtschaftlich und möglichst ökologisch gelöst werden, zum Beispiel mit Leitungen.

Wie geht die IBA in Zukunft mit Power to Gas um? Welche nächsten Schritte sind geplant?

Je nach Fortschritt bei den Fahrzeugen – insbesondere der LKW-Flotte von Coop – wird die H2-Produktion ausgebaut und auch an einen besser geeigneten Standort verlagert werden. Die IBAarau plant zudem am Standort Telli einen Energie-Hub, der die Umwandlung von Strom zu Erdgas/Biogas/Wärme erlaubt. Der aus den Stromspitzen hergestellte Wasserstoff soll dabei sowohl für Mobilitätszwecke als auch zur Methanisierung von Klärgas und Biogas aus einer Grüngutvergärungsanlage eingesetzt werden. Damit die Wasserstoffproduktion wirtschaftlich betrieben werden kann, ist die Verfügbarkeit von günstigem, erneuerbarem Strom (ohne Netznutzungsabgabe) eine wichtige Voraussetzung.

Autor
Ralph Möll

war Kom­mu­ni­kations­spezia­list beim VSE.

Zur Person
Dr. Hans-Kaspar Scherrer ist seit 2009 Vorsitzender der Geschäftsleitung der IBAarau AG.

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