Fachartikel Hardware

Die Brücke zwischen Elektronik und Optik

Technologie

23.09.2021

Plasmonik ist eine Techno­logie, die elektro­magne­tische Felder in nano­skopische Strukturen zwängt und somit eine neue Gene­ration von effizienten und schnellen Computer­chips ermöglicht. Anfang 2019 entschieden sich drei ETH-Forschende, das Spin-off Polariton Techno­logies AG zu gründen, mit der Vision, die Plasmonik zu einer markt­reifen Techno­logie zu formen. 

Plasmonik schlägt eine nanoskopische Brücke zwischen elektro­nischer und optischer Welt und eröffnet damit ein weiteres Kapitel in der Geschichte der inte­grierten Schaltungen. Das Zusam­men­wachsen dieser beiden Welten ist von grossem Interesse für unsere heutige Infor­mations­gesell­schaft. Heut­zutage werden Infor­mationen (Daten­banken, Bilder, Videos usw.) durch ein welt­umspan­nendes Glas­faser­netzwerk verteilt, das einerseits ganze Konti­nente miteinan­der verbindet, aber anderer­seits auch kürzeste Strecken innerhalb von Daten­centern überbrückt und das Internet zu uns nach Hause bringt. Die Verarbeitung und Speicherung von Information, z. B. auf dem Mobiltelefon oder im Daten­center, findet jedoch nach wie vor in elektro­nischer Form statt. Eine Techno­logie, die diese Welten effizient, miniatu­risiert und mit hoher Bandbreite verbindet, ist gefragt.

Das Prinzip

Plasmonik beschreibt das Erzeugen, Verarbeiten, Übertragen, Detek­tieren und Messen von Signalen bei optischen Frequenzen, die an eine Ladungs­träger­oszilla­tion in einem Festkörper gekoppelt sind. Wenn elektro­magne­tische Felder mit einer Ladungs­träger­schwingung an einer Metall-Dielektrikum Grenzfläche koppeln, nennt man sie Ober­flächen­plasmonen. Diese Ladungs­träger oszillieren mit einer optischen Frequenz entlang der Materialgrenzfläche, aber mit einer viel kürzeren Wellenlänge. So kann eine optische Welle mit einer Ladungs­träger­schwingung gekoppelt werden, die kleiner als die Wellenlänge ist. Dadurch wird die Information des Lichts auf kleinstem Raum gebündelt. Die Ober­flächen­plasmonen sind stark auf die Material­grenzfläche begrenzt, an welcher sie sich entlangbewegen und so zu einer starken Licht-Materie-Interaktion führen.

Die starke Informations­konzen­tration erlaubt es, plasmo­nische Strukturen herzustellen, die eine effizientere Erzeugung, Verarbeitung und Detektion von Licht auf nanosko­pischem Raum ermöglichen. Weitere Anwendungen finden sich neben der optischen Nachrichten­technik vor allem in den Bereichen der Sensorik, Mikroskopie und Biophotonik.

In der optischen Nachrichten­technik liegt die Motivation darin, die Welten der integrierten elektro­nischen Schaltungen und der photo­nischen integrierten Schaltungen zu vereinigen. Photonische integrierte Schaltungen sind ein Analogon zu den elektrischen inte­grierten Schaltungen, um Laserlicht auf einem Computerchip zu erzeugen, zu manipu­lieren und zu detektieren. Die minimale Grösse von optischen Bauteilen ist aber durch das Beugungs­limit begrenzt und kann nicht viel kleiner sein als die Wellen­länge des verwendeten Laserlichts, das sich meist in der Grössen­ordnung von 1500 nm befindet. Heutige Silizium­transis­toren in elektronischen Schaltkreisen sind hingegen kleiner als 100 nm. Genau diesen Dimensionsunterschied soll die Plasmonik überwinden, indem sie Licht auf Dimensionen unterhalb ihres Beugungs­limits konzentriert. Wenn die Komplexität von integrierten photonischen Schaltungen über die Jahre wachsen soll, die Chipgrösse aber im gleichen Masse nicht zunehmen soll und das Verkleinern von photonischen Bauteilen aufgrund des Beugungs­limits nicht möglich ist, so kann die Plasmonik eine Lösung zur Über­windung dieses Problems sein.

Plasmo­nische Modulatoren

Eine Forschungsgruppe um Professor Jürg Leuthold an der ETH Zürich hat sich diesen physikalischen Effekt zu Nutzen gemacht und die Plasmonik als Zukunfts­techno­logie im Bereich der elektrooptischen Modulatoren auf dem Feld der Kommuni­kations­technik etabliert. Diese bilden die Schnittstelle zwischen Elektronik und Optik. Ein elektrooptischer Modulator ist ein Schalter, der – durch ein elektrisches Signal gesteuert – ein Laserlicht ein- und ausschaltet. Somit kann elektrische Information von Nullen und Einsen in Form von Aus- und Einschalten eines Lasers auf ein optisches Signal encodiert werden.

Phasen­modu­lator

Das elementare Bauteil ist ein Phasen­modu­lator. In diesem wird durch Anlegen eines elektrischen Feldes der Brechungsindex des Materials geändert, was die Phase des Lichts ändert. Diese Phasenmodulation kann zusätzlich durch einen inter­fero­metrischen Aufbau (beispielsweise ein Mach-Zehnder-Interferometer) mit kons­truktiver und destruktiver Interferenz in eine Amplituden- bzw. Intensitäts­modu­lation des Lichts umgewandelt werden. Somit können die Amplitude und die Phase des Lichts mit Information encodiert werden. Zudem können die Polarisation und die Wellenlänge des Lichts genutzt werden, um Information zu übertragen. Die benötigte Brechungs­index­änderung für die Phasen­modu­lation kann durch verschiedene Effekte erzeugt werden, wie der Änderung der Ladungs­träger­dichte in einem Halbleiter oder auch dem Pockels-Effekt, der die Doppelbrechung im Material nutzt.

Auf bewährte Techniken zurückgreifen

Die Silizium­photonik ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Industrie geraten, da sie eine Technologie ist, die die Plattform für solche elektro­optischen Modulatoren liefert. Die Phasen­modulation wird mit Hilfe des Plasma­dispersions­effekts in einem pn-Übergang erreicht, der auf einer Änderung der Ladungsträgerdichte im Silizium beruht. Der grösste technische Vorteil der Silizium­photonik beruht allerdings auf der Möglichkeit, auf etablierte Techniken aus der klassischen CMOS-Halbleitertechnologie zurückgreifen zu können. Die Silizium­photonik bietet alle Funktionalitäten, die für integrierte photonische Schaltkreise benötigt werden. Dies beinhaltet u.a. die Lichtführung durch Wellenleiter, Gabelungen und Zusammenführungen, die Lichtdetektion mit integriertem Germanium sowie die Licht­modu­lation mit pn-Übergängen. Nur die Licht­erzeugung mit einem Laser muss meist separat auf einem Indium-Phosphid-Chip realisiert werden.

Einfache Skalierung

Weil die etablierten indus­triellen Prozesse der Halb­leiter­industrie für die Silizium­photonik verwendet werden können, ist eine kosteneffiziente Skalierung hin zum Massenmarkt möglich. Dieser Industriali­sierungs­prozess beinhaltet die klassischen Schritte der Halb­leiter­industrie, wie Design- und Layout-Software mit standardisierten Bauteil­biblio­theken, Auftragsfertigung von Silizium­chips in CMOS-Fabriken, standardisiertes Testen auf Waferlevel durch externe Dienstleister und Packaging der Siliziumchips durch Auftragsfertiger. Der pn-Übergang, mit dessen Hilfe die Phasen­modulation realisiert wird, stösst jedoch in Bezug auf zwei Eigenschaften an seine Grenzen. Einerseits beruht der Plasma­dispersions­effekt auf Ladungs­träger­bewegungen, die die Geschwindigkeit der Modulation limitieren. Andererseits ist der Effekt nicht sehr effizient, weshalb die Grössen im Millimeter­bereich liegen. Herkömmliche elektrooptische Modulatoren sind auf der Silizium­plattform derzeit auf Bandbreiten von 40 bis 50 GHz begrenzt.

Um nun einerseits die Vorteile der Silizium­photonik nutzen, aber andererseits ihre Limitierung in Grösse und Geschwin­digkeiten überwinden zu können, etablierte die Forschungsgruppe an der ETH die Integration der Plasmonik auf der Silizium­photonik­plattform. Dieser Integrations­prozess beinhaltet weiterhin alle passiven Bauteile der Silizium­photonik, die beispiels­weise durch etablierte Bauteil­bibliotheken bereitgestellt werden können. Man kann so weiterhin auf die Vorteile der Silizium­photonik zurückgreifen. Das Geschwin­digkeits- und Grössen­problem wird gelöst, indem der pn-Übergang durch einen plasmo­nisch-organischen Phasen­modu­lator ersetzt wird. Dies ergibt zwei entscheidende Vorteile: Eine elektro­optische Bandbreite von mehreren 100 GHz und eine Grössen­reduktion in den Mikrometer­bereich.

Das Laserlicht wird auf dem Sili­ziumchip in einem Wellenleiter optisch geführt und dann für die Phasen­modulation durch eine speziell gestaltete Struktur in ein Oberflächen­plasmon umgewandelt. Dieses Oberflächenplasmon bewegt sich anschliessend entlang eines Metall-Isolator-Metall Schlitz­wellen­leiters, um danach wieder in einen optischen Mode umge­wandelt zu werden, damit es wieder durch herkömm­liche Wellenleiter geführt werden kann.

Im plasmo­nischen Schlitz­wellen­leiter findet die Phasen­modulation auf einer Länge von wenigen Mikrometern statt. Zwischen den beiden Metallen des Schlitzwellenleiters befindet sich ein stark nichtlineares organisches Material, das die Nutzung des Pockels- Effekts möglich macht. Der Pockels-Effekt beschreibt eine fast verzögerungsfrei stattfindende Änderung des Brechungsindexes, die von einem angelegten elek­trischen Feld erzeugt wird. Die beiden Metalle mit der isolierenden Organik dazwischen fungieren nicht nur als plasmo­nischer Wellenleiter, sondern auch als Elektroden. Wenn also ein elektrisches Feld zwischen den beiden Metallen angelegt wird, ändert sich der Brechungs­index im organischen Material. Dadurch kann die Phase des sich bewegenden Ober­flächen­plasmons durch ein angelegtes elektrisches Feld geändert bzw. moduliert werden. Die Plasmonik bietet hierbei entschei­dende Vorteile. Einerseits sind die Felder stark konzentriert, was es erlaubt, die Strukturen sehr klein zu bauen, und andererseits führt die starke Feldkonzentration zu einer sehr effizienten Interaktion zwischen elektrischem und optischem Feld. Dies ermöglicht es, kurze, effiziente Phasen­modu­latoren mit nur wenigen Mikrometern Länge auf der Silizium­plattform zu bauen. Die Modulationsbandbreite ist so fast unbegrenzt, weswegen beliebige Frequenzen von elektrischen Signalen auf das Licht aufmoduliert werden können. Hierbei nutzt man den fast instantanen Pockels- Effekt und die durch die Plasmonik bedingte Tatsache, dass die plasmo­nischen Wellenleiter auch gleichzeitig als Elektroden fungieren. Beim plasmo­nischen Modulator ist das Elektrodendesign eine simple mikroskopische Kapazität, welche die RC-Limitierung des angebundenen elektrischen Schaltkreises in den Bereich von mehreren 100 GHz schiebt. Die Plasmonik ermöglicht also elektro­optische Modulation mit einer Bandbreite von mehreren 100 GHz auf Mikrometer­massstab.

Erfolgreiche Demonstrationen

Das elementare Bauteil des plasmo­nischen Phasen­modu­lators konnte von der Forschungsgruppe um Jürg Leuthold an der ETH Zürich schon in verschiedenen Konfigurationen für etliche Anwendungen erfolgreich demonstriert werden. Dies beinhaltet die optische Glasfaserkommunikation für Kurzstrecken in Datenzentren, Langstrecken zwischen Datenzentren oder Kontinenten, drahtlose Millimeterwellenkommunikation sowie das Detektieren von Hochfrequenzsignalen. In Datenzentren werden Distanzen von bis zu 2 km per Glasfaser überbrückt. Hierbei wird der plasmo­nische Modulator zur Intensitätsmodulation für Datenraten von mindestens 100 Gbit/s bis 200 Gbit/s pro Kanal genutzt.

Ein weiteres Einsatzgebiet findet sich auf dem Gebiet der Telekommunikation, bei der Information über Distanzen zwischen Datenzentren oder auch Kontinenten verschickt wird. Hierbei wird nicht nur die Intensität des Lichts moduliert, sondern auch die Amplitude und die Phase des Lichts, was einer komplexen oder kohärenten Modulation entspricht. Dies wird durch einen zweiten parallelen plasmo­nischen Modulator erreicht, der in seiner Phase um 90 ° zum ersten verschoben ist. Mit dieser Konfiguration konnten Datenraten von bis zu 400 Gbit/s pro Polarisation erreicht werden. Bei einer Modulation der zweiten Polarisation könnten sogar 800 Gbit/s erzielt werden.

Dem ultimativen Ziel, die Elektronik und Photonik so nahe wie möglich miteinander zu integrieren, ist die Forschungsgruppe an der ETH auch schon einen Schritt nähergekommen. Dafür wurde ein plasmo­nischer Modulator monolithisch auf einen elektronischen BiCMOS-Chip integriert, um einen optischen Sender mit Datenraten von 120 Gbit/s zu demonstrieren. Somit wurde mit der Plasmonik die elektronische und die photonische Welt auf demselben Chip verschmolzen.

Weitere Einsatzgebiete

Eine weitere Anwendung des plasmo­nischen Modulators liegt auf dem Gebiet der drahtlosen Millimeterwellentechnik. Für diese Anwendung wurde der plasmo­nische Phasen­modu­lator zusammen mit einer Antenne auf einen Silizium­photonikchip integriert. Diese Konfiguration dient als Millimeterwellen-zu-Optik-Konverter bzw. als Millimeterwellendetektor. Der benötigte Platz auf dem Chip war kleiner als 1 mm2. In einem Versuchsaufbau konnte die Übertragung von 20 Gbit/s auf einem 60-GHz-Träger demons­triert werden. Ein solcher Aufbau kann seine Anwendung in verschiedenen Szenarien finden, bei denen eine Glasfaserstrecke mit drahtloser Übertragung überbrückt wird. Wenn beispielsweise das Verlegen einer Glasfaser zu aufwendig ist, aber trotzdem noch eine hohe Datenrate erreicht werden sollte. Dies könnte die sogenannte «last mile» zum Haushalt des Endnutzers sein oder auch die Anbindung von Mobilfunkantennen an das Glasfasernetz in schwer zugänglichen Gegenden. Ein plasmo­nischer Mikrowellendetektor kann auch in verschiedenen Sensorikanwendungen eingesetzt werden, in denen hochfrequente Signale detektiert werden sollen. Es wurde demonstriert, das der plasmo­nische Modulator Frequenzen von 0 bis 500 GHz sowie im Teraherz-Spektrum detektieren kann.

Nach erfolgreichen Demonstra­tionen in ETH-Labors gilt es nun, die plasmo­nische Technologie zur Marktreife zu bringen. Das Spin-off Polariton Technologies AG hat sich dieses Thema zur Aufgabe gemacht. Sie möchte die Plasmonik zu einer tragenden Säule der künftigen Kommunikationsinfrastruktur machen, damit unsere Informationsgesellschaft mit ihrem wachsenden Datenhunger auch weiterhin auf ein stabiles, breitbandiges und sicheres Internet zurückgreifen kann. Die Vision von Polariton geht aber darüber hinaus: Die Plasmonik soll sich nicht nur auf die Kommunikation beschränken, sondern soll kombiniert mit photonischen integrierten Schaltkreisen zu einer modularen Lösung für viele Anwendungen werden, wie miniaturisierte Sensoren und Computerchips.

Bei einer ersten Demonstration zusammen mit Nokia konnte ein Rekord bei der Datenübertragung für Datenzentren demonstriert werden. Nun priorisiert Polariton Technologies vor allem Qualifikationstests und den Ausbau einer skalierbaren Fabrikation, um ein zuverlässiges Produkt liefern zu können. Bereits dieses Jahr erhalten potenzielle Kunden die ersten in Gehäuse eingebauten photonischen Chips mit plasmo­nischen Modulatoren als Prototypen.

Autor
Dr. Benedikt Bäuerle

ist Mitgründer und Co-CTO von Polariton Technologies AG.

  • Polariton Technologies AG, 8803 Rüschlikon

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