Die Brücke zwischen Elektronik und Optik
Technologie
Plasmonik ist eine Technologie, die elektromagnetische Felder in nanoskopische Strukturen zwängt und somit eine neue Generation von effizienten und schnellen Computerchips ermöglicht. Anfang 2019 entschieden sich drei ETH-Forschende, das Spin-off Polariton Technologies AG zu gründen, mit der Vision, die Plasmonik zu einer marktreifen Technologie zu formen.
Plasmonik schlägt eine nanoskopische Brücke zwischen elektronischer und optischer Welt und eröffnet damit ein weiteres Kapitel in der Geschichte der integrierten Schaltungen. Das Zusammenwachsen dieser beiden Welten ist von grossem Interesse für unsere heutige Informationsgesellschaft. Heutzutage werden Informationen (Datenbanken, Bilder, Videos usw.) durch ein weltumspannendes Glasfasernetzwerk verteilt, das einerseits ganze Kontinente miteinander verbindet, aber andererseits auch kürzeste Strecken innerhalb von Datencentern überbrückt und das Internet zu uns nach Hause bringt. Die Verarbeitung und Speicherung von Information, z. B. auf dem Mobiltelefon oder im Datencenter, findet jedoch nach wie vor in elektronischer Form statt. Eine Technologie, die diese Welten effizient, miniaturisiert und mit hoher Bandbreite verbindet, ist gefragt.
Das Prinzip
Plasmonik beschreibt das Erzeugen, Verarbeiten, Übertragen, Detektieren und Messen von Signalen bei optischen Frequenzen, die an eine Ladungsträgeroszillation in einem Festkörper gekoppelt sind. Wenn elektromagnetische Felder mit einer Ladungsträgerschwingung an einer Metall-Dielektrikum Grenzfläche koppeln, nennt man sie Oberflächenplasmonen. Diese Ladungsträger oszillieren mit einer optischen Frequenz entlang der Materialgrenzfläche, aber mit einer viel kürzeren Wellenlänge. So kann eine optische Welle mit einer Ladungsträgerschwingung gekoppelt werden, die kleiner als die Wellenlänge ist. Dadurch wird die Information des Lichts auf kleinstem Raum gebündelt. Die Oberflächenplasmonen sind stark auf die Materialgrenzfläche begrenzt, an welcher sie sich entlangbewegen und so zu einer starken Licht-Materie-Interaktion führen.
Die starke Informationskonzentration erlaubt es, plasmonische Strukturen herzustellen, die eine effizientere Erzeugung, Verarbeitung und Detektion von Licht auf nanoskopischem Raum ermöglichen. Weitere Anwendungen finden sich neben der optischen Nachrichtentechnik vor allem in den Bereichen der Sensorik, Mikroskopie und Biophotonik.
In der optischen Nachrichtentechnik liegt die Motivation darin, die Welten der integrierten elektronischen Schaltungen und der photonischen integrierten Schaltungen zu vereinigen. Photonische integrierte Schaltungen sind ein Analogon zu den elektrischen integrierten Schaltungen, um Laserlicht auf einem Computerchip zu erzeugen, zu manipulieren und zu detektieren. Die minimale Grösse von optischen Bauteilen ist aber durch das Beugungslimit begrenzt und kann nicht viel kleiner sein als die Wellenlänge des verwendeten Laserlichts, das sich meist in der Grössenordnung von 1500 nm befindet. Heutige Siliziumtransistoren in elektronischen Schaltkreisen sind hingegen kleiner als 100 nm. Genau diesen Dimensionsunterschied soll die Plasmonik überwinden, indem sie Licht auf Dimensionen unterhalb ihres Beugungslimits konzentriert. Wenn die Komplexität von integrierten photonischen Schaltungen über die Jahre wachsen soll, die Chipgrösse aber im gleichen Masse nicht zunehmen soll und das Verkleinern von photonischen Bauteilen aufgrund des Beugungslimits nicht möglich ist, so kann die Plasmonik eine Lösung zur Überwindung dieses Problems sein.
Plasmonische Modulatoren
Eine Forschungsgruppe um Professor Jürg Leuthold an der ETH Zürich hat sich diesen physikalischen Effekt zu Nutzen gemacht und die Plasmonik als Zukunftstechnologie im Bereich der elektrooptischen Modulatoren auf dem Feld der Kommunikationstechnik etabliert. Diese bilden die Schnittstelle zwischen Elektronik und Optik. Ein elektrooptischer Modulator ist ein Schalter, der – durch ein elektrisches Signal gesteuert – ein Laserlicht ein- und ausschaltet. Somit kann elektrische Information von Nullen und Einsen in Form von Aus- und Einschalten eines Lasers auf ein optisches Signal encodiert werden.
Phasenmodulator
Das elementare Bauteil ist ein Phasenmodulator. In diesem wird durch Anlegen eines elektrischen Feldes der Brechungsindex des Materials geändert, was die Phase des Lichts ändert. Diese Phasenmodulation kann zusätzlich durch einen interferometrischen Aufbau (beispielsweise ein Mach-Zehnder-Interferometer) mit konstruktiver und destruktiver Interferenz in eine Amplituden- bzw. Intensitätsmodulation des Lichts umgewandelt werden. Somit können die Amplitude und die Phase des Lichts mit Information encodiert werden. Zudem können die Polarisation und die Wellenlänge des Lichts genutzt werden, um Information zu übertragen. Die benötigte Brechungsindexänderung für die Phasenmodulation kann durch verschiedene Effekte erzeugt werden, wie der Änderung der Ladungsträgerdichte in einem Halbleiter oder auch dem Pockels-Effekt, der die Doppelbrechung im Material nutzt.
Auf bewährte Techniken zurückgreifen
Die Siliziumphotonik ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Industrie geraten, da sie eine Technologie ist, die die Plattform für solche elektrooptischen Modulatoren liefert. Die Phasenmodulation wird mit Hilfe des Plasmadispersionseffekts in einem pn-Übergang erreicht, der auf einer Änderung der Ladungsträgerdichte im Silizium beruht. Der grösste technische Vorteil der Siliziumphotonik beruht allerdings auf der Möglichkeit, auf etablierte Techniken aus der klassischen CMOS-Halbleitertechnologie zurückgreifen zu können. Die Siliziumphotonik bietet alle Funktionalitäten, die für integrierte photonische Schaltkreise benötigt werden. Dies beinhaltet u.a. die Lichtführung durch Wellenleiter, Gabelungen und Zusammenführungen, die Lichtdetektion mit integriertem Germanium sowie die Lichtmodulation mit pn-Übergängen. Nur die Lichterzeugung mit einem Laser muss meist separat auf einem Indium-Phosphid-Chip realisiert werden.
Einfache Skalierung
Weil die etablierten industriellen Prozesse der Halbleiterindustrie für die Siliziumphotonik verwendet werden können, ist eine kosteneffiziente Skalierung hin zum Massenmarkt möglich. Dieser Industrialisierungsprozess beinhaltet die klassischen Schritte der Halbleiterindustrie, wie Design- und Layout-Software mit standardisierten Bauteilbibliotheken, Auftragsfertigung von Siliziumchips in CMOS-Fabriken, standardisiertes Testen auf Waferlevel durch externe Dienstleister und Packaging der Siliziumchips durch Auftragsfertiger. Der pn-Übergang, mit dessen Hilfe die Phasenmodulation realisiert wird, stösst jedoch in Bezug auf zwei Eigenschaften an seine Grenzen. Einerseits beruht der Plasmadispersionseffekt auf Ladungsträgerbewegungen, die die Geschwindigkeit der Modulation limitieren. Andererseits ist der Effekt nicht sehr effizient, weshalb die Grössen im Millimeterbereich liegen. Herkömmliche elektrooptische Modulatoren sind auf der Siliziumplattform derzeit auf Bandbreiten von 40 bis 50 GHz begrenzt.
Um nun einerseits die Vorteile der Siliziumphotonik nutzen, aber andererseits ihre Limitierung in Grösse und Geschwindigkeiten überwinden zu können, etablierte die Forschungsgruppe an der ETH die Integration der Plasmonik auf der Siliziumphotonikplattform. Dieser Integrationsprozess beinhaltet weiterhin alle passiven Bauteile der Siliziumphotonik, die beispielsweise durch etablierte Bauteilbibliotheken bereitgestellt werden können. Man kann so weiterhin auf die Vorteile der Siliziumphotonik zurückgreifen. Das Geschwindigkeits- und Grössenproblem wird gelöst, indem der pn-Übergang durch einen plasmonisch-organischen Phasenmodulator ersetzt wird. Dies ergibt zwei entscheidende Vorteile: Eine elektrooptische Bandbreite von mehreren 100 GHz und eine Grössenreduktion in den Mikrometerbereich.
Das Laserlicht wird auf dem Siliziumchip in einem Wellenleiter optisch geführt und dann für die Phasenmodulation durch eine speziell gestaltete Struktur in ein Oberflächenplasmon umgewandelt. Dieses Oberflächenplasmon bewegt sich anschliessend entlang eines Metall-Isolator-Metall Schlitzwellenleiters, um danach wieder in einen optischen Mode umgewandelt zu werden, damit es wieder durch herkömmliche Wellenleiter geführt werden kann.
Im plasmonischen Schlitzwellenleiter findet die Phasenmodulation auf einer Länge von wenigen Mikrometern statt. Zwischen den beiden Metallen des Schlitzwellenleiters befindet sich ein stark nichtlineares organisches Material, das die Nutzung des Pockels- Effekts möglich macht. Der Pockels-Effekt beschreibt eine fast verzögerungsfrei stattfindende Änderung des Brechungsindexes, die von einem angelegten elektrischen Feld erzeugt wird. Die beiden Metalle mit der isolierenden Organik dazwischen fungieren nicht nur als plasmonischer Wellenleiter, sondern auch als Elektroden. Wenn also ein elektrisches Feld zwischen den beiden Metallen angelegt wird, ändert sich der Brechungsindex im organischen Material. Dadurch kann die Phase des sich bewegenden Oberflächenplasmons durch ein angelegtes elektrisches Feld geändert bzw. moduliert werden. Die Plasmonik bietet hierbei entscheidende Vorteile. Einerseits sind die Felder stark konzentriert, was es erlaubt, die Strukturen sehr klein zu bauen, und andererseits führt die starke Feldkonzentration zu einer sehr effizienten Interaktion zwischen elektrischem und optischem Feld. Dies ermöglicht es, kurze, effiziente Phasenmodulatoren mit nur wenigen Mikrometern Länge auf der Siliziumplattform zu bauen. Die Modulationsbandbreite ist so fast unbegrenzt, weswegen beliebige Frequenzen von elektrischen Signalen auf das Licht aufmoduliert werden können. Hierbei nutzt man den fast instantanen Pockels- Effekt und die durch die Plasmonik bedingte Tatsache, dass die plasmonischen Wellenleiter auch gleichzeitig als Elektroden fungieren. Beim plasmonischen Modulator ist das Elektrodendesign eine simple mikroskopische Kapazität, welche die RC-Limitierung des angebundenen elektrischen Schaltkreises in den Bereich von mehreren 100 GHz schiebt. Die Plasmonik ermöglicht also elektrooptische Modulation mit einer Bandbreite von mehreren 100 GHz auf Mikrometermassstab.
Erfolgreiche Demonstrationen
Das elementare Bauteil des plasmonischen Phasenmodulators konnte von der Forschungsgruppe um Jürg Leuthold an der ETH Zürich schon in verschiedenen Konfigurationen für etliche Anwendungen erfolgreich demonstriert werden. Dies beinhaltet die optische Glasfaserkommunikation für Kurzstrecken in Datenzentren, Langstrecken zwischen Datenzentren oder Kontinenten, drahtlose Millimeterwellenkommunikation sowie das Detektieren von Hochfrequenzsignalen. In Datenzentren werden Distanzen von bis zu 2 km per Glasfaser überbrückt. Hierbei wird der plasmonische Modulator zur Intensitätsmodulation für Datenraten von mindestens 100 Gbit/s bis 200 Gbit/s pro Kanal genutzt.
Ein weiteres Einsatzgebiet findet sich auf dem Gebiet der Telekommunikation, bei der Information über Distanzen zwischen Datenzentren oder auch Kontinenten verschickt wird. Hierbei wird nicht nur die Intensität des Lichts moduliert, sondern auch die Amplitude und die Phase des Lichts, was einer komplexen oder kohärenten Modulation entspricht. Dies wird durch einen zweiten parallelen plasmonischen Modulator erreicht, der in seiner Phase um 90 ° zum ersten verschoben ist. Mit dieser Konfiguration konnten Datenraten von bis zu 400 Gbit/s pro Polarisation erreicht werden. Bei einer Modulation der zweiten Polarisation könnten sogar 800 Gbit/s erzielt werden.
Dem ultimativen Ziel, die Elektronik und Photonik so nahe wie möglich miteinander zu integrieren, ist die Forschungsgruppe an der ETH auch schon einen Schritt nähergekommen. Dafür wurde ein plasmonischer Modulator monolithisch auf einen elektronischen BiCMOS-Chip integriert, um einen optischen Sender mit Datenraten von 120 Gbit/s zu demonstrieren. Somit wurde mit der Plasmonik die elektronische und die photonische Welt auf demselben Chip verschmolzen.
Weitere Einsatzgebiete
Eine weitere Anwendung des plasmonischen Modulators liegt auf dem Gebiet der drahtlosen Millimeterwellentechnik. Für diese Anwendung wurde der plasmonische Phasenmodulator zusammen mit einer Antenne auf einen Siliziumphotonikchip integriert. Diese Konfiguration dient als Millimeterwellen-zu-Optik-Konverter bzw. als Millimeterwellendetektor. Der benötigte Platz auf dem Chip war kleiner als 1 mm2. In einem Versuchsaufbau konnte die Übertragung von 20 Gbit/s auf einem 60-GHz-Träger demonstriert werden. Ein solcher Aufbau kann seine Anwendung in verschiedenen Szenarien finden, bei denen eine Glasfaserstrecke mit drahtloser Übertragung überbrückt wird. Wenn beispielsweise das Verlegen einer Glasfaser zu aufwendig ist, aber trotzdem noch eine hohe Datenrate erreicht werden sollte. Dies könnte die sogenannte «last mile» zum Haushalt des Endnutzers sein oder auch die Anbindung von Mobilfunkantennen an das Glasfasernetz in schwer zugänglichen Gegenden. Ein plasmonischer Mikrowellendetektor kann auch in verschiedenen Sensorikanwendungen eingesetzt werden, in denen hochfrequente Signale detektiert werden sollen. Es wurde demonstriert, das der plasmonische Modulator Frequenzen von 0 bis 500 GHz sowie im Teraherz-Spektrum detektieren kann.
Nach erfolgreichen Demonstrationen in ETH-Labors gilt es nun, die plasmonische Technologie zur Marktreife zu bringen. Das Spin-off Polariton Technologies AG hat sich dieses Thema zur Aufgabe gemacht. Sie möchte die Plasmonik zu einer tragenden Säule der künftigen Kommunikationsinfrastruktur machen, damit unsere Informationsgesellschaft mit ihrem wachsenden Datenhunger auch weiterhin auf ein stabiles, breitbandiges und sicheres Internet zurückgreifen kann. Die Vision von Polariton geht aber darüber hinaus: Die Plasmonik soll sich nicht nur auf die Kommunikation beschränken, sondern soll kombiniert mit photonischen integrierten Schaltkreisen zu einer modularen Lösung für viele Anwendungen werden, wie miniaturisierte Sensoren und Computerchips.
Bei einer ersten Demonstration zusammen mit Nokia konnte ein Rekord bei der Datenübertragung für Datenzentren demonstriert werden. Nun priorisiert Polariton Technologies vor allem Qualifikationstests und den Ausbau einer skalierbaren Fabrikation, um ein zuverlässiges Produkt liefern zu können. Bereits dieses Jahr erhalten potenzielle Kunden die ersten in Gehäuse eingebauten photonischen Chips mit plasmonischen Modulatoren als Prototypen.
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