Fachartikel Gebäudeautomation , Hardware

Der zigtausendfache Schaltverstärker

Die Kaltkathodenröhre als Glimmrelais

04.04.2017

Ein Steuerstrom von wenigen Mikroampère bewirkt im Glimmrelais die Einleitung eines Stromflusses von mehreren Milliampère. Im Jahr 1932 entwickelte C. Ingram bei Bell Telephon in den USA ein Glimmrelais für spezielle Schalt- und Zähloperationen in Telefonanlagen. Führend in der Weiterentwicklung, Produktion und Anwendung dieses Röhrentyps waren die Schweizer Firmen Cerberus und Elesta.

Vor einem Jahrhundert stellte die Basler Glühlampenfabrik versuchsweise «Elektronen- und Ionenröhren» nach Vorgaben des an der Universität Basel lehrenden Prof. Hans Zickendraht her. Es waren Radiolampen (Trioden), welche in kleiner Stückzahl gefertigt wurden und erstmals 1920 mit der Typenbezeichnung ER1 in der Verkauf gelangten. Wenige Jahre später kam es zu einer Neuordnung der fünf Schweizer Glühlampenfabriken durch die Firma Landis & Gyr. Nach sukzessiver Übernahme der meist in finanziellen Schwierigkeiten steckenden Fabriken wurden um 1925 diejenigen mit aussichtsreicher Glühlampenproduktion zusammengeführt und die übrigen stillgelegt. Grund dafür war der damals noch vorwiegend für Beleuchtungszwecke bezogene Strom. Jede dieser Installationen benötigte einen Elektrizitätszähler für die Stromverrechnung und Glühlampen für den Betrieb; beides verständlicherweise von Landis & Gyr. Die Elektronenröhre hingegen passte nun aber nicht mehr ins Konzept der neu gegründeten «Licht AG, Vereinigte Glühlampenfabriken».

Wachsender Bedarf an Elektronenröhren

Der Anstoss für ein vermehrtes Inte­resse an eigener Entwicklung und Produktion von Elektronenröhren kam von verschiedenen Seiten. Die Wirtschaftskrise Anfang der 1930er-Jahre zwang die Unternehmen zu Investitionen in neue, Wachstum versprechende Entwicklungen. Immer deutlicher begann sich auch das Ineinandergreifen elektro­mecha­nischer und elektro­nischer Schalt­elemente abzuzeichnen (Beispiel: Netzkommandoanlagen). Absehbar war demnach der vermehrte Einsatz von Elektronenröhren nicht nur in der Hochfrequenztechnik, sondern auch im Steuer- und Leistungskreis von Wechselstrom­anlagen. Im Bau von Mutatoren, einem speziellen Typ von Hochleistungs-Quecksilber­dampf-Gleichrichter­röhren, erlangte die Firma Brown Boveri (BBC) schon in den 1920er-Jahren eine führende Stellung. 1936 erfolgte bei BBC, nun auch in Richtung Hochfrequenztechnik, der volle Einstieg ins Elektronen­röhren­geschäft. An die zehn Schweizer Firmen wagten diesen Schritt und vertrieben ihre Produkte im In- und Ausland.

Die ETH Zürich feierte 1930 ihr 75-Jahr-Jubiläum. Dem Elektrotechni­schen Labor wurde damals ein eigenes, von Prof. Franz Tank entwickeltes Hoch­frequenz­labor angegliedert. Begründet wurde es mit der wachsenden Bedeutung der Radiotechnik. Nebst der praktischen Einführung in das Hoch­frequenz­gebiet und das weit verzweigte Gebiet der Elektronen­röhren war das Labor auch für die Forschungsarbeit der Schwingungslehre gedacht. Franz Tank vermochte nicht wenige leitende Mitarbeiter und Firmengründer in ihrer Studienzeit für die Fachrichtung Elektronen­röhren zu begeistern. Die 1937 an der ETH gegründete Abteilung für industrielle Forschung (AFIF) unter der Leitung von Fritz Fischer trug ein Weiteres dazu bei.

Eigenschaften und Funktion des Glimmrelais

Die Kaltkathodenröhre gehört zur Gruppe der Gasentladungs­röhren. In ihrer Funktion als Glimmrelais erlangte sie in Überwachungs- und Steuerungsanlagen ihre grösste Verbreitung. Qualitätsmerkmale sind die lange Lebensdauer, eine hohe Stabilität und der verlustfreie Betrieb im ungeschalteten Zustand. Mit geringstem Steuerstrom lässt sich ein Relais aktivieren (daher auch als Relaisröhre bezeichnet) und das mittels einfachst konzipierter Schaltkreise.

Eine Glimmlampe besteht aus einer mit Edelgas gefüllten Röhre, in der sich zwei plan­parallele Metall­platten im Abstand einiger Millimeter befinden. Legt man an diese über einen Begrenzungs­widerstand eine kleine Gleichspannung an, passiert vorerst nichts. Erhöht man diese Spannung bis zu einem bestimmten Wert (Zündspannung), beginnt plötzlich Strom zu fliessen. Dieser Stromfluss erfolgt durch äussere Einwirkung (kosmische Strahlung, Radioaktivität), welche einzelne Fremd- oder Zufallselektronen entstehen lässt. Diese werden zur Anode hin beschleunigt und stossen unterwegs mit neutralen Gasmolekülen zusammen.

Je nach Energie des Elektrons wird das Gasmolekül auf ein energie­reicheres Niveau gebracht (metastabiles Atom), wobei ein Teil der Moleküle die Energie durch Licht­emission wieder abgibt (Photon). Oder es wird ein Elektron des gestossenen Gasmoleküls befreit, woraus ein positives Ion und ein zusätzliches Elektron entstehen. Jedes weitere Elektron kann auf dem Weg zur Anode hin weitere Gasmoleküle ionisieren; eine Elektronenlawine entsteht. Übrig bleiben Photonen, metastabile Atome und positive Ionen, von denen ein Teil zur Kathode gelangt und dort zu weiteren Elektronenauslösungen führt. Diese bilden ihrerseits Lawinen und diese wieder Elektronen. Aus der Summe dieser Effekte resultiert der Strom der Glimm­entladung.

Nach eingeleiteter Entladung sinkt die Spannung bei sehr kleinen Strömen (0,1 mA bis 1 mA); im Bereich von 1 bis 50 mA bedeckt sich die ganze Kathodenoberfläche mit Glimmlicht, ohne dass die Spannung über den beiden Metallplatten ansteigt. Dieser Effekt der stabilen Brennspannung wird bei den Stabilisatorröhren genutzt (Bild 2, Kurve A). Bei noch grösserem Strom wird die Kathode durch den Aufprall der positiven Ionen so stark aufgeheizt, dass sie Glühelektronen emittiert. Eine weitere Steigerung des Stroms führt erst zu einem Anstieg, dann zum Zusammenbruch der Spannung; es entsteht ein Lichtbogen, der zur Zerstörung der Röhre führen kann. Die Bogen­entladung wird beim Überspannungs­ableiter und bei der Hochstrom­impulsröhre genutzt.

Bei der Steuerung der Röhre wird von einer Verkleinerung der Zündspannung bei vorhandenem kleinen Fremdstrom Gebrauch gemacht (Bild 2, Kurve B). Durch diese Einspritzung von Ladungsträgern schafft man die Bedingung, welche die Zündung der Hauptstrecke durch eine sonst ungenügende Spannung ermöglicht. Die Einspritzung des Steuerstromes erfolgt mit einer separaten Starteranode mit stark vermindertem Abstand zur Kathode (Bild 3). Unterbrechen lässt sich ein einmal eingeleiteter Stromfluss nur durch kurzzeitiges Absenken der Anodenspannung unter die Brennspannung. Bei geeigneter Asymmetrie der Elektroden resultiert bei Wechselspannungsbetrieb von Steuer- und Hauptstrecke ein Gleichrichtereffekt auf der Hauptstrecke. Dieser Röhrentyp ER21A von Elesta lässt sich mit Gleich- und Wechselspannung betreiben.

Cerberus AG

Drei Physiker – Walter Jäger als Gründer, Ernst Meili als Technischer Leiter und Hans Lutz von Gugelberg als Entwickler von Kaltkathodenröhren – prägten die Anfangszeit von Cerberus (1941 bis 1953). Die Beteiligung des Unternehmens Elektrowatt sicherte den finanziellen Rückhalt, erwies sich doch die Herstellung eines Ionisations-Feuermelders als ausserordentlich schwierig.

Wohl gab es in den 1920er-Jahren schon Ansätze für die Verwendung einer Ionisationskammer zur Früherkennung von Rauch und Verbrennungsgasen. Deren Detektierung in der Ionisationskammer lässt sich mit einer signifikanten Veränderung eines Höchstohm-Widerstandes vergleichen. Mit einer kleinen Menge radioaktivem Radium wird die Luft in der Kammer ionisiert. Eine Spannung wird an die zwei darin platzierten Elektroden angelegt und im entstehenden elektrischen Feld kommt es zur Wanderung der ionisierten Luftmoleküle; der resultierende Stromfluss beträgt wenige Nanoampère. Eindringende Rauchteilchen (Aerosole) lagern sich an diesen Ionen ab und reduzieren ihre Beweglichkeit und somit auch den Stromfluss, was einer Erhöhung des Widerstandes gleichkommt.

Zwei gleichartige in Reihe geschaltete Kammern – die eine offen, die andere geschlossen – liegen an einer Spannungsquelle; bei gewöhnlicher Umgebungsluft stellt sich über ihnen dieselbe Spannung ein. Ist die Luft mit Verbrennungsgasen durchsetzt, steigt die Spannung über der offenen Kammer an und löst über die Starteranode eines im Melder integrierten Glimmrelais den Schaltvorgang aus. Dieses hochempfindliche Glimmrelais mit millionenfacher Schaltverstärkung erforderte eine auf Spitzenqualität ausgelegte Röhrenproduktion (Bilder 1 und 4).

Mit dem 1946 lancierten F2-Feuermelder gab es die ersten ermutigenden Resultate. Der grosse Durchbruch brachte der erstmals 1951 an der Muba gezeigte Typ F3 (Bilder 4 und 5). 1958 erfolgte der Umzug von Bad Ragaz nach Männedorf (Bild 6). Bis 1979 war Ernst Meili der «Dreh- und Angelpunkt» von Cerberus; von deren Anfängen als Kleinbetrieb bis zum weltweit tätigen Unternehmen mit knapp 2000 Mitarbeitern. Rund fünf Millionen Ionisationsmelder wurden insgesamt mit dem Glimmrelais bestückt; ab 1967 kamen erste Serien mit Transistorschaltungen zur Auslieferung. Namhafte Kunden bevorzugten noch über mehrere Jahre weiterhin die ihnen als äusserst zuverlässig bekannte Glimmrelais-Ausführung.

Cerberus stellte eine ganze Palette von Kaltkathodenröhren (Bild 7) her. Von einfachen Glimmlampen und Überspannungsableitern über mehrere Typen von Stabilisatorröhren, Glimmrelais, Zähl- und Ziffernanzeigeröhren bis hin zu Hochstromimpulsröhren. Anfang der 1980er-Jahre gingen die letzten Röhren in Produktion. Heute ist Cerberus Teil der Gruppe Siemens Building Technologies AG.

Elesta AG

Nach Studienabschluss trat H.L. von Gugelberg 1947 in die Firma Cerberus ein. Zu seinen Aufgaben gehörte die Weiterentwicklung des im Feuermelder verwendeten, hochempfindlichen Glimmrelais. Eine Vertiefung der daraus gewonnenen Kenntnisse brachte ihm eine zweijährige Tätigkeit bei den Bell Laboratories (New Jersey, USA). 1950 kehrte er zurück zu Cerberus und war als Entwicklungsleiter erheblich am Markterfolg des F3-Feuermelders beteiligt. Drei Jahre später gründete er mit seinem Bruder Andreas die Firma Elesta, welche 1954 die Produktion von elektrischen Steuerapparaten aufnahm. Anfänglich noch mit Cerberus-Röhren bestückt, kamen schon 1956 Kaltkathodenröhren aus eigener Produktion zum Einsatz (Bild 8).

Im Vordergrund stand die Entwicklung und Produktion von Steuerapparaten, deren Funktion mit Kaltkathodenröhren technisch wie kommerziell am vorteilhaftesten zu erreichen war. In eigener Fabrikation wurden auch sämtliche für die Röhren und Schaltfunktionen passenden Relais hergestellt. Röhren und Relais sollten aber nicht nur in Elesta-Geräten Verwendung finden. Durch die rasche Verbreitung der Kaltkathodenröhre in industriellen Geräten gewann dieser Absatz denn auch an Bedeutung. So entstand in wenigen Jahren mit Elesta in der Region Sarganserland ein weiterer wichtiger Arbeitgeber (Bild 9).

Relaisröhren und Stabilisatorröhren wurden in grossen Stückzahlen produziert; rund eine Million vom Typ ER21A (Bild 3). Anfang der 1960er-Jahre standen vergleichbare Röhren auch in Subminiaturausführung für direktes Einlöten zur Verfügung. Die in Kleinserien hergestellte Zählröhre EZ10 zeichnete sich durch kleine Abmessungen und hohe Zählgeschwindigkeit aus (Bild 10). Funktional vereint die Zählröhre einen dekadischen Zählkreis, gebildet aus zehn einzelnen, entsprechend verschalteten Glimmrelais. Auch diese Entwicklung nahm in den Bell-Laboratories ihren Anfang. Zum Gerätesortiment gehörten in erster Linie die verschiedenen Ölfeuerungsautomaten, dann die diversen Zeitrelais für den Kurz- und Langzeitbereich, weiter die Dämmerungsschalter (Bild 11), Lichtstrahlsteuerungen und Kontaktschutzrelais sowie der mit EZ10-Röhren bestückte Dekadenzähler.

Der Unfalltod von Hans Lutz von Gugelberg 1961 traf Entwicklung und Produktion in gleichem Masse. Hinzu kam die sich vermehrt abzeichnende Ablösung der Kaltkathodenröhren durch Halbleiterelemente. Veränderte Besitzverhältnisse und eine teils neue Ausrichtung führten zu Wachstum in der Produktion elektronischer Schalt­apparate; rückläufig entwickelte sich ab Mitte der 1960er-Jahre der Röhrenumsatz. Rund 700 Mitarbeiter betrug die Belegschaft beim 20-Jahr-Firmenjubiläum und mehr als 20 Auslandvertretungen gehörten zum Vertriebsnetz. Um 1980 erfolgte die Einstellung der Röhrenproduktion und 1996 wurden die Akten der «alten Eles­ta» geschlossen. Relais und Sensorik finden sich auch wieder im Angebot der beiden Nachfolgefirmen.

Literatur

  • Eduard Willi, Schweizer Elektronenröhren 1917 – 2003, ISBN 13978-3-033-0052-5 (Quelle der Elesta-Fotos).
  • Zum 75. Jubiläum der ETH Zürich, Bulletin SEV/VSE 1930/21, S. 685–691.
  • Ernst Meili, Ionisations-Feuermelder, Bulletin SEV/VSE 1952/23, S. 933–939.
  • Ernst Meili, Mein Leben mit Cerberus, Stäfa, 1985.
  • Hans Lutz von Gugelberg, Kaltkathoden-Röhren, Bulletin SEV/VSE 1953/3, S. 81–87.
  • Christian Padrutt, 20 Jahre Elesta AG, Sarganserländer-Druckerei, Terra Plana Nr. 8/1973.
  • Pioniere der Wirtschaft, Karl Heinrich Gyr, ISBN 978-3-909059-57-7.

Autor
Schefer Werner

ist dipl. El.-Ing. HTL.

  • Felsenhofstrasse 2, 8340 Hinwil
  • w.schefer-gujer@pop.agri.ch

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