Fachartikel Energiemarkt , Messtechnik

Der unterschätzte Kostenfaktor

Smart-Meter-Rollout

25.10.2019

Oft werden lediglich die Funktionalität einzelner Technologien sowie die Kosten für die intelligenten Messgeräte miteinander verglichen – der Aufwand für deren Installation und Unterhalt bleibt jedoch meist unberücksichtigt. Eine Abschlussarbeit für den Zertifikatskurs «EVU-Manager CAS-HSG» an der Universität St. Gallen vergleicht die vier gängigsten Technologien miteinander.

Durch die vom Stimmvolk beschlossene Umsetzung des ersten Massnahmenpaketes der Energiestrategie 2050 veränderte sich der rechtliche Rahmen zum 1. Januar 2018. Gemäss der Übergangsbestimmung in Art. 31e Stromversorgungsverordnung müssen bis 2028 80% aller Messeinrichtungen in einem Netzgebiet sogenannten intelligenten Messsystemen entsprechen. Die restlichen 20% dürfen bis zum Ende ihrer Funktionstauglichkeit im Einsatz stehen. Energieversorgungsunternehmen stehen demzufolge vor der Herausforderung, sich zur Findung einer passenden Lösung für ihr Versorgungsgebiet mit den unterschiedlichen Arten von Smart Metern auseinanderzusetzen.

Es zeichnet sich ab, dass vier Technologien den grössten Teil des Rollouts abdecken dürften: Die Power-Line-Communication-Technologie, die Radio-Frequency-Mesh-Technologie (RFMT), die Punkt-zu-Punkt-Technologie (P2P) und die Ethernet-Technologie. Im Rahmen einer Abschlussarbeit wurden die vier Technologien bezüglich Installation und Unterhalt verglichen. Als Grundlage dienten Interviews mit ausgewählten Energieversorgungsunternehmen unterschiedlicher Grösse, die mehrere dieser Technologien bereits im Einsatz haben.

Die Technologien im Überblick

Die Power-Line-Communication-Technologie ist bereits seit vielen Jahren im Einsatz und am Markt derzeit meistverbreitet. Mit dieser Übertragungstechnologie werden Nieder- und Mittelspannungsnetze für die Datenkommunikation verwendet. Die Datensammlung erfolgt über das Stromnetz, nur physisch angeschlossene Zähler können abgelesen werden. Am Stromnetz angeschlossene elektronische Geräte (wie LED-Lampen, Ladegeräte oder PV-Wechselrichter) können Störungen beim Ablesen der Smart Meter verursachen und mit Hilfe von Filtern ausgeschaltet werden.

Für den Einsatz der Radio-Frequency-Mesh-Technologie werden in ungefähr jeder dritten Trafostation oder einem gut zugänglichen Standort Datensammler für das Energieversorgungsunternehmen montiert. Diese verfügen über einen Ethernet- oder Mobilfunkanschluss für eine Fernauslesung. Jeder Stromzähler fungiert dabei als Repeater und kann Daten von bis zu neun Hubs sammeln und transportieren. Das Radio-Frequency-Mesh-Netzwerk ist selbstheilend, das heisst die Zähler unterstützen sich gegenseitig und bilden ein übergreifendes Netzwerk. Die Inbetriebnahme ist einfach durchzuführen.

Bei der Punkt-zu-Punkt-Technologie werden die Ablesedaten über das Mobilfunknetz eines Providers abgelesen. Es gibt unterschiedliche Standards von 2G (GSM/GPRS) bis hin zum derzeitigen Standard 4G (perspektivisch 5G). Stromzähler haben jedoch andere Erfordernisse bezüglich der Datenmenge als Smartphones. Neue Technologien (wie NB-IoT oder LTE-Cat.M1) sind in der Testphase und konnten daher in der vorliegenden Auswertung noch nicht berücksichtigt werden. Grundsätzlich wird die Technologie von allen Anbietern mit Smart-Meter-Lösungen auf dem Schweizer Markt angeboten. Ein Wechsel zu einem anderen Mobilfunkanbieter ist teuer, da die SIM-Karten derzeit noch vor Ort ausgetauscht werden müssen.

Die Ethernet-Technologie ist die klassische Kommunikation in ein kabelgebundenes Netzwerk. Die Kommunikation basiert auf der TCP-/IP-Technologie und ist heute weltweiter Standard. Da im Gebäude häufig mehr als nur der Stromzähler angeschlossen wird, werden oft Entkopplungsboxen eingesetzt. Dadurch können die verschiedenen Komponenten parallel verwendet werden.

Bei der Suche nach einem geeigneten Smart Meter fokussieren Energieversorgungsunternehmen oftmals lediglich auf den Aufwand zur Anschaffung der einzelnen Technologien. Die personellen Ressourcen für die Installation sowie der Aufwand für Betrieb und Unterhalt bleiben jedoch meist unberücksichtigt. Letztere stehen im Fokus der vorliegenden Untersuchung.

Personelle Ressourcen für den Smart-Meter-Rollout

Je nach Grösse und Struktur des Energieversorgungsunternehmens erfolgt der Smart-Meter-Rollout durch eigene Mitarbeitende oder externe Dienstleister. Intelligente Messsysteme dürfen nur durch ausgebildetes Fachpersonal installiert oder ausgetauscht werden; bei der Ethernet-Technologie werden zusätzlich Fachspezialisten aus den IT-Abteilungen benötigt. Erfahrungsgemäss werden bei kleineren und mittleren Energieversorgungsunternehmen die Zähler oftmals über einen Zeitraum von 8 bis 10 Jahren ausgetauscht; in diesem Fall muss tendenziell kein weiteres Personal eingestellt werden. Bei grösseren Unternehmen geht der Trend hin zu einer Installation über einen Zeitraum bis zu fünf Jahren, was oftmals den Aufbau zusätzlicher personeller Ressourcen bedingt. Wie in vielen anderen Branchen herrscht auch im Smart-Meter-Bereich ein Fachkräftemangel. Die Nachfrage nach qualifizierten Kräften ist weitaus grösser als das Angebot.

Zeitaufwand für Installation und Störungsbehebung

In den Interviews hat sich herausgestellt, dass eine aktive Kommunikation über den bevorstehenden Zählertausch mit den Endkunden die Umsetzung stark erleichtert. Einige Unternehmen analysieren vorab alte Installationsaufnahmen, wenn sie für die Montage der Smart Meter mit schlecht zugänglichen Geräten oder Asbestbefall rechnen. Vor dem Zählertausch vor Ort werden die alten Verbrauchsstände erfasst, um eine lückenlose Abrechnung zu gewährleisten.

Unabhängig von der Technologie benötigt jedes Energieversorgungsunternehmen eine Zählerfernauslesung – bestehend aus einem zentralen Datenmanagement (Meter-Data-Management), das die Verbrauchswerte der Smart Meter überwacht und verwaltet, sowie einer Schnittstelle zwischen Zentralsystem und intelligentem Messsystem (Head-End-System). Um eine einwandfreie Fernauslesung sicherzustellen, muss die Kommunikationsverbindung zum Head-End-System einwandfrei funktionieren. Je nach Technologie benötigen die Energieversorgungsunternehmen zwischen 15 und 32 Minuten pro Zählertausch (ohne Ablösung Rundsteuerung), wobei die Radio-Frequency-Mesh-Technologie sowie die Power-Line-Communication-Technologie am schnellsten zu installieren sind.

Zur Fernauslesung sind zudem vorbereitende Tätigkeiten notwendig, die entweder Dritten übertragen oder selbst durchgeführt werden sollten. Je nach Technologie sind auch gewisse Störungsbehebungen miteinzukalkulieren, die teilweise aus der Ferne (zum Beispiel die Wartung der Software) – teilweise jedoch nur vor Ort (beispielsweise die Installation von Filtern oder Antennen) behoben werden können. Die Auswertung ergab, dass die Radio-Frequency-Mesh-Technologie in Bezug auf Kosten und Dauer der Störung am preisgünstigsten ist; hier können Störungen oftmals mit wenig Aufwand behoben werden. Die Power-Line-Communication-Technologie weist hingegen die aufwendigste Störungsbehebung auf; inklusive Störungssuche kann dies mehrere Tage in Anspruch nehmen – mit entsprechender Kostenfolge.

Nutzwertanalyse für Installation und Unterhalt

Anhand ausgewählter Entscheidungskriterien aus den Bereichen Installation (Zeitaufwand, erforderliche Kompetenz des Personals, zusätzlicher Hardwareaufwand) und Unterhalt (Zuverlässigkeit, Aufwand für Störungsbehebung) wurden die beschriebenen vier Technologien im Rahmen einer Nutzwertanalyse miteinander verglichen. Hierbei behauptete sich vor allem die Radio-Frequency-Mesh-Technologie wegen einer einfachen und schnellen Montage mit wenigen Komponenten. Dem folgt die Punkt-zu-Punkt-Technologie aufgrund leichter Abstriche bei der Störungsbehebung sowie einer erschwerten Inbetriebnahme (insbesondere beim Kommunikationsverbindungstest zum Head-End-System). Wegen der zeit- und kostenintensiven Störungsbehebung landete die Power-Line-Communication-Technologie auf dem dritten Rang. Das Schlusslicht bildet die Ethernet-Technologie aufgrund der verhältnismässig aufwendigen Inbetriebnahme sowie des hohen zusätzlichen Hardwarebedarfs. Im Bereich Zuverlässigkeit schneidet letztere Technologie jedoch am besten ab.

Eine umfassende Kostenbetrachtung lohnt sich

Der Gesetzgeber verpflichtet die Energieversorgungsunternehmen, binnen zehn Jahren mindestens 80% ihrer Zähler durch intelligente Messsysteme zu ersetzen. Für die Wahl einer geeigneten Technologie sind oftmals lediglich deren Funktionalität sowie die Kosten für Smart Meter und Software ausschlaggebend – der Aufwand für Installation und Unterhalt bleibt meist unberücksichtigt. Beispielrechnungen zufolge können sich diese jedoch je nach Technologie (bis zu einer Verdoppelung) deutlich unterscheiden. In einer Gesamtkalkulation sind demzufolge alle Kostenarten mit einzubeziehen, um eine aussagekräftige Entscheidungsgrundlage für den Smart-Meter-Rollout zu erhalten.

Autor
Marco Achermann

ist Projektleiter bei Kamstrup Schweiz A/S.

  • Kamstrup Schweiz A/S, 8152 Glattbrugg

 

Dieser Artikel basiert auf einer Abschlussarbeit für den Zertifikatskurs «EVU-Manager CAS-HSG» an der Universität St. Gallen, die von Dr. Christian Opitz betreut wurde. Er fasst lediglich ausgewählte Aspekte der Arbeit zusammen.

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