Der Photovoltaik zum Durchbruch verhelfen
Erneuerbare Energien
Dass PV-Module heute zuverlässig und relativ preisgünstig Strom liefern, basiert auf Entwicklungs- und Forschungsarbeiten in verschiedenen Bereichen. Heinrich Häberlin, der diese Geschichte nicht nur begleitet und mitgeprägt hat, sondern der seine Erkenntnisse auch in seinem umfassenden PV-Buch dokumentiert hat, blickt im Interview auf eine bewegte Zeit zurück.

Bulletin: Herr Häberlin, Sie können auf eine lange PV-Expertenzeit zurückblicken. Gibt es noch Themen, mit denen Sie sich gerne befasst hätten, aber für die Sie keine Zeit gehabt haben?
Heinrich Häberlin: Ja, DC-Lichtbögen. Sie sind bezüglich Brandsicherheit von PV-Anlagen etwas gefährlicher als AC-Lichtbögen, weil beim Strom der Nulldurchgang fehlt. Da wir schon vor etwa 20 Jahren am PV-Labor einen über eine Distanz von mehreren 10 m funktionierenden Lichtbogendetektor in analoger Technik entwickelt hatten, wäre es interessant gewesen, ihn mit neuerer digitaler Technologie weiterzuentwickeln.
Welche zentralen Erkenntnisse haben Sie aus Ihren Langzeitmessungen an PV-Anlagen gewonnen?
Zu Beginn der 1990er-Jahre waren die Kosten für PV-Anlagen noch sehr hoch und die Zuverlässigkeit von Wechselrichtern für Netzverbundbetrieb relativ gering (bis mehrere Ausfälle pro Betriebsjahr!). Vor der Investition grösserer Summen in diese neue Technologie war es deshalb notwendig und sinnvoll, durch zeitlich fein aufgelöste Langzeitmessungen die genauen Ursachen für diese Ausfälle zu ergründen und diese zusammen mit dem Hersteller zu eliminieren (beispielsweise Ausfälle bei relativ hoher Netzspannung und gleichzeitigem Auftreten starker Rundsteuersignale, die je nach Netzverhältnissen stark schwanken können). Heutige PV-Anlagen von erfahrenen Herstellern und Installateuren arbeiten meist sehr zuverlässig und widerstehen vielen potenziell gefährlichen Umwelteinflüssen. Die praktische Lebensdauer von PV-Anlagen ist wesentlich höher als 20 Jahre (oft verwendete Annahme in den frühen 1990er-Jahren).
Extreme Wetterbedingungen wie Hagel mit grossen Hagelkörnern, Schneedruck bei alpinen Anlagen oder Direkteinschläge von Blitzen können natürlich immer noch Schäden anrichten. Dank den in der Zwischenzeit stark gesunkenen Preisen und Erfahrungen mit vielen Anlagen können solche Schäden aber durch entsprechende Versicherungen abgedeckt werden.
Sie haben auch eine fassadenintegrierte PV-Anlage auf dem Jungfraujoch erstellt und dort Erfahrungen gesammelt. Ist die Schweiz beim Ausbau der alpinen Solarstromproduktion heute zu zögerlich?
Schon vor 40 Jahren konnte man mit Simulationsprogrammen zeigen, dass an Standorten in den Alpen im Winterhalbjahr viel höhere Einstrahlungen auf Solargeneratoren auftreten und somit theoretisch auch viel höhere Leistungen und Energiemengen. Zudem wirkt sich der höhere Wirkungsgrad von PV-Modulen bei tiefen Temperaturen günstig aus. Die Frage war nur, ob es auch gelingt, Anlagen zu bauen, die den in den Alpen viel extremeren Umweltbedingungen standhalten können. Dies konnte mit einer 1993 erstellten Testanlage von 1,1 kW Nennleistung an der Aussenfassade der Forschungsstation Jungfraujoch gezeigt werden.
Diese PV-Anlage ist nun seit etwa 28 Jahren praktisch störungsfrei im Betrieb. Die erfolgreiche Realisierung dieser Anlage hat inzwischen zu vielen andern PV-Anlagen in den Alpen geführt. Es wäre sinnvoll, an allen geeigneten Gebäuden und Infrastrukturanlagen mit Netzanschluss alpine PV-Anlagen zu erstellen. Umweltorganisationen sollten solche Projekte nicht aus Prinzip immer bekämpfen. Man darf den Landschaftsschutz nicht übertreiben.
Könnte die alpine PV die Problematik der saisonalen Energiespeicher entschärfen?
Ja, einen wichtigen Beitrag dazu leisten, aber natürlich nicht völlig eliminieren. Alpine PV-Anlagen liefern zwar mehr Strom im Winterhalbjahr, ihre gesamte Modulfläche dürfte aber immer deutlich kleiner sein als die der PV-Anlagen im Mittelland. Es gibt in den Alpen auch weniger für PV geeignete Gebäude und Infrastrukturanlagen. Reine PV-Freiflächenanlagen dürften kaum wirtschaftlich sein.
Wenn man keine KKWs und wegen der CO2-Problematik auch keine Gaskraftwerke für die Überbrückung von Strommangellagen will, sind neue saisonale Energiespeicher zwingend nötig.
Für einen stabilen Netzbetrieb braucht es eine gewisse Menge an Grundlast-Kraftwerken, die Bandenergie liefern und fast dauernd in Betrieb sind. In der Schweiz wird der Hauptteil der Grundlast durch die Produktion von Laufkraftwerken gedeckt, ergänzt durch die Produktion von Biomasse- KW und Kehrichtverbrennungsanlagen. Die Deckung des darüber hinausgehenden Bedarfs muss durch Spitzenkraftwerke – (Pump-) Speicherwerke, PV-Anlagen, Windkraftwerke – sowie durch neue Speicher für temporäre Produktionsüberschüsse erfolgen. Als Langzeitspeicher ideal wären neue (Pump-) Speicherwerke an geeigneten Standorten. Es gibt aber nur wenige Projekte dafür, und von Landschaftsschützern entsteht meist sofort Opposition dagegen.
Neue Speicher sind beispielsweise Pumpspeicherwerke und Speicher mit Akkumulatoren. Diese sind aber nur für die kurzzeitige Speicherung von Energiemengen im Bereich von einigen Stunden bis wenigen Tagen geeignet. Für die riesigen fehlenden Energiemengen im Winter nach dem Abschalten der KKWs sind saisonale chemische Speichermedien zweckmässig. Solche Medien basieren oft auf Wasserstoff und den daraus herstellbaren, leichter zu handhabenden, langzeitig speicherbaren Medien wie Methan und Methanol.
Das Ausgangsmedium Wasserstoff lässt sich durch Elektrolyse von Wasser leicht herstellen, die Langzeit-Speicherung von Wasserstoff ist aber nicht so einfach, denn es gibt einige Probleme wie Explosionsgefahr, hoher Druck oder extrem tiefe Temperatur, Kompressionswärme und Expansionskälte, die zu Energieverlusten führen. Der Wasserstoff kann auch chemisch weiterverarbeitet werden. Aus all diesen Medien kann mit entsprechenden Brennstoffzellen wieder Strom erzeugt werden, allerdings mit einem deutlichen Speicherverlust, der mit der Anzahl der durchgeführten Energieumwandlungen steigt. Jeder dieser Schritte erleichtert den praktischen Umgang mit der entsprechenden Substanz, bedeutet aber einen gewissen Energieverlust und damit einen geringeren Energiewirkungsgrad für den gesamten Speicherzyklus.
Von Promotoren von Elektrofahrzeugen wird manchmal vorgeschlagen, zur Langzeitspeicherung die Akkus von Elektrofahrzeugen zu verwenden. Dieser Ansatz ist aber nicht korrekt. Akkus von Elektrofahrzeugen werden im Betrieb täglich zykliert und können nicht als Langzeitspeicher verwendet werden.
Welche Tipps würden Sie denen geben, die alpine Solaranlagen bauen möchten?
Für alpine PV-Anlagen sind wegen des höheren Schnee- und Winddruckes vorzugsweise mechanisch verstärkte Module zu verwenden. Bezüglich winterlicher Schneebedeckung ideal sind PV-Anlagen mit Anstellwinkeln nahe bei 90° und Orientierungen zwischen etwa Südost bis Südwest an Gebäuden oder an Staumauern. Denkbar ist auch die Mitbenutzung von anderen sonnenexponierten Infrastrukturanlagen wie Bahntrassen und Autobahnen.
Um das Abrutschen von gefallenem Schnee nach starken Schneefällen zu erleichtern, ist darauf zu achten, dass genügend Platz für den abgerutschten Schnee vorhanden ist und dass keine Gefährdung von Personen und Sachen durch Dachlawinen und fallende Eiszapfen auftreten kann, die durch Tau-Gefrier-Zyklen gebildet worden sind. Zu beachten ist auch die Tatsache, dass beim Abschmelzen des Schnees oft temporär eine ungleiche Verteilung der Schneelast auftreten kann.
Diese Empfehlungen gelten für PV-Anlagen, die auch nach starken Schneefällen möglichst bald wieder Energie produzieren sollen. Wenn dagegen nach solchen Schneefällen während einer gewissen Zeit eine Schneebedeckung ohne Energieproduktion zulässig ist, muss zur Realisierung einer möglichst grossen Flächenausnützung nur auf genügende mechanische Tragfähigkeit für die Schneelast geachtet werden.
Wodurch unterscheiden sich die Forschungsschwerpunkte Ihrer Nachfolger an der Berner Fachhochschule von denen, die bei Ihnen aktuell waren?
Nach meiner Emeritierung wurden weitere interessante Themen von meinem Nachfolger erkannt und bearbeitet: Beispielsweise Elektrolumineszenz-Aufnahmen von ganzen Modulen zur Fehlersuche oder potenzialinduzierte Degradation bei hohen DC-Spannungen, Untersuchungen ganzer Solargeneratoren mit Luftaufnahmen durch Drohnen sowie Modultests nach internationalen Normen. Nach der Katastrophe von Fukushima und dem Beschluss, aus der Kernkraft auszusteigen, wurden die benötigten Testgeräte billiger und es standen mehr Geld und mehr Projekte zu ihrer Finanzierung zur Verfügung. Zudem wurde das bereits gut ausgerüstete Wechselrichter-Testlabor auch für Tests an Wechselrichtern mit Batteriespeichern weiter ausgebaut und zertifiziert.
Mein erster Nachfolger befasste sich auch seit mehreren Jahrzehnten intensiv mit Elektrofahrzeugen und ihrer Integration ins Stromnetz. Es ist anzunehmen, dass der neue Leiter des PV-Labors auch weiterhin Tests an Wechselrichtern (mit Akkus als integriertem Kurzzeitspeicher und ohne Akkus) durchführen wird. Aufgrund seiner bisherigen Erfahrung wird er sich auch mit der Integration von PV in die Gebäudetechnik und in Stromnetze mit vielen PV-Anlagen und den dabei auftretenden Problemen befassen.
Zur Person
Prof. em. Dr. Heinrich Häberlin, Gründer und ehemaliger Leiter des PV-Labors an der Berner Fachhochschule in Burgdorf.
Kommentare