Meinung Märkte und Regulierung , VSE

Der Elchtest steht noch aus

Die politische Feder 2/2022

21.01.2022

Vor Weihnachten machte in einer mit positiven Meldungen ansonsten wenig verwöhnte Zeit eine vielversprechende Erfolgsmeldung die Runde: Wichtige Akteure im Bereich Wasserkraft hätten eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Sind sich also endlich alle einig über das Schicksal der Wasserkraft? Nein, nicht ganz. Eine der beteiligten NGOs, die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, verweigerte die Unterschrift.

Dass sie im Gegensatz zu WWF, Pro Natura, Fischerei-Verband, Kantonen und Strombranche eine unverbindliche Erklärung nicht unterzeichnet hat, ist mehr als ein Schönheitsfehler. Die fehlende Unterschrift spricht Bände: Im Umweltlager herrscht eine grundsätzliche Uneinigkeit – und einzelne seiner Vertreter, nebst der Stiftung Landschaftsschutz auch andere wie Aqua Viva und BirdLife, werden den erneuerbaren Energien weiterhin Steine in den Weg legen. Dass sie damit die Umsetzung der von ihnen unterstützten Energiestrategie 2050 torpedieren, nehmen sie ganz offensichtlich in Kauf. Und ebenso, dass angesichts der sich öffnenden Winterstromlücke automatisch andere, nicht erneuerbare Technologien wie Gas und Atomkraft wieder aufs Tapet kommen.

Es ist hinlänglich bekannt: Wenn wir im selben Tempo weiterfahren, wird es erst in hundert Jahren gelingen, genügend erneuerbare Energie zur Verfügung zu haben. Ohne übergeordnete Güterabwägung und die Bereitschaft aller Beteiligten, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken, wird Netto null per 2050 eine Fiktion bleiben. Das ist die Realität.

Ist somit die Erklärung des runden Tisches Wasserkraft nicht das Papier wert, auf das sie geschrieben ist? So weit würden wir nicht gehen. Der Strombranche ist bewusst, dass wir die Umsetzung der Energiestrategie nur mit einem gewaltigen gemeinsamen Kraftakt schaffen werden. Mit ihrer Unterschrift bezeugt sie ihr Bekenntnis zum Schutz von Biodiversität und Landschaft. Jetzt ist das Umweltlager gefordert, über den eigenen Schatten zu springen und endlich das grosse Ganze in den Blick zu nehmen. Indem wir das Klima mit erneuerbaren Energien schützen, können wir der Biodiversität einen entscheidenden Dienst erweisen. In diesem Sinne wird der erste Elchtest dieser gemeinsamen Erklärung mit Spannung erwartet.

Autor
Dominique Martin

ist Bereichsleiter Public Affairs des VSE.

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