Fachartikel Energiespeicher

Der Einsatz von Energiespeichern

Technische Einsatz­möglich­keiten und Marktmodelle

27.05.2021

Um Stromverbrauchs- und Erzeugungsprofile aufeinander abzugleichen, braucht es Speicher. Dabei gibt es grund­sätzlich drei Speicher­bedürf­nisse: Saisonspeicher, Tagesspeicher und Speicher für Schlecht­wetter­perioden mit geringer erneuer­barer Produktion. Einige Fragen – auch regula­torische – müssen dabei aber noch beantwortet werden.

In vielen Ländern befindet sich die Struktur der Energie­versor­gung im Wandel: Erneuerbare Energie­quellen sollen die fossilen und nuklearen Energien ersetzen. Das ergibt für die Energie­versor­gungs­systeme neue Möglich­keiten, bringt aber auch neue Probleme.

So wurde in der Schweiz der Ausstieg aus der Nuklear­energie beschlossen; Sonne, Wind, Biomasse, Geothermie, zusätzliche Wasserkraft und Importe sollen diese ersetzen. Dabei stehen kurzfristig nur Sonne, zusätzliche Wasserkraft, Importe und Gaskraft­werke als reelle Lösungen zur Verfügung. Die Absichten, den Ausstieg aus der Kernkraft und die Dekarboni­sierung des Privat­verkehrs und der fossilen Heizsysteme mit Photovoltaik zu schaffen, ergäben einen ungedeckten Bedarf von rund 29 TWh im Winter, 13 TWh im Sommer und 42 TWh pro Jahr an Sonnen­energie. Die Fläche der Hausdächer in der Schweiz soll dafür genügen. Da die PV-Anlagen nur etwa einen Drittel im Winter produzieren, wäre beim genannten ungedeckten Bedarf eine zusätzliche Saison­speiche­rung von 16 TWh nötig (die Schweiz hat heute rund die Hälfte davon).

Damit ergeben sich neue Herausfor­derungen:

  • Die Summe der Verbrauchs­profile pro Tag, Saison und Jahr unterscheidet sich stark von der Summe der Produk­tions­profile Wasserkraft, Sonne und Wind.
  • Sonnen- und Windenergie sind zeitweise nicht verfügbar und für eine gewisse Genauigkeit schwer planbar.
  • Der Verbrauch ist im Winter grösser als im Sommer.
  • Die Sonnenenergie erlaubt eine dezentrale Pro­duk­tion beim Verbraucher. Diese neue Pro­duk­tions­möglichkeit wirkt sich je nach Durch­dringung auf die Netz­nutzung und das -system aus.
  • Die neue «Versor­gungs­gleichung» heisst Verbrauch = gegebene Produktion (must run) + zufällige Produktion + Flexi­bilität. Dabei kann der Leistung­sfluss der Flexibilität auch negativ werden.

Aus diesen Gründen braucht es Energie­speicher. Im Folgenden werden diese Speicher und ihre Einsatz­möglich­keiten erläutert.

Definitionen

Die für die weiteren Über­legungen wichtigsten Begriffe werden hier definiert.

Speicher und Klassifizierung

Energie­speicher stellen eine technische Einrichtung zur Speicherung von Energie in Form von potenzieller, kinetischer, chemischer, elektro­statischer und thermischer Energie dar, wobei ein Energie­speicher die drei Prozesse Einspeichern (Laden), Speichern (Halten) und Ausspeichern (Entladen) in einem Zyklus erfasst.[1]

Die Unterteilung in primäre (fossile Energie) und sekundäre Energie­speicher (Pumpspeicher, Batterien usw.) ist für gewisse Betrachtungen interessant. Fossil befeuerte thermische Kraftwerke nutzen die grossen natürlichen Energie­speicher und liefern flexible Ausgleichs- oder Regelenergie.

Zudem könnten die Speicher auch bezüglich Zeit (kurzzeitig und lang), Raum (zentral, dezentral, ortsfest, mobil), nach Netzebene, auf der sie angeschlossen sind, oder nach den Nutzungs­möglich­keiten eingeteilt werden.

Das Ausspeiseprinzip

Die Energie­transport- und Verteilnetze sind ein natürliches Monopol, dessen Nutzung und Entgelte gesetzlich geregelt sind. Die Netznutzung kann generell nach dem Ausspeiseprinzip oder nach einem Einspeise/Ausspeiseprinzip geregelt werden. Dabei kommt in den meisten Ländern für den Strom das Ausspeiseprinzip zur Anwendung, bei dem die Kosten von den höheren zu den tieferen Netzebenen teilweise über die bezogene Leistung, teilweise über die bezogene Energie gewälzt werden.

Das Netz­nutzungs­entgelt wird erst bezahlt, wenn die Energie «endverbraucht» wird. Würde man das Einspeise/Ausspeisemodell anwenden, müsste zuerst verursacher­gerecht der Kostenanteil auf Produktion und Verbrauch aufgeteilt werden. Schliesslich würden diese Netzkosten so oder so der Produktion angerechnet, was aber anderseits für die Produktion einen wettbewerblichen Nachteil hätte, wenn nicht alle das gleiche System anwenden und so oder so vom Endverbraucher bezahlt werden müssten. Das Einspeise/Ausspeisemodell würde auch die exportierte Energie erfassen, nicht aber die transitierte.

In [2] wurden bereits aus verschiedenen Gründen die Pump­speicher­kraft­werke für die aus dem Netz bezogene Energie vom Netz­nutzungs­entgelt entbunden. Ein weiterer Versuch, in Abweichung vom Ausspeiseprinzip die Langfristverträge als Netz­nutzungs­entgeltpflichtig zu erklären, wurde vom Bundesgericht abgelehnt.

Gemäss [2] sind Endverbraucher Kunden, die Elektrizität für den eigenen Verbrauch kaufen. Ausgenommen hiervon ist der Elektrizitätsbezug für den Eigenbedarf eines Kraftwerks sowie für den Antrieb von Pumpen in Pumpspeicherwerken.

Anwendungsfälle und Einsatz­möglich­keiten

Speicher werden hauptsächlich benötigt, um den täglichen und saisonalen Unterschied der Verbrauchs- und Produktionsprofile auszugleichen. Für den täglichen Ausgleich bei Verbrauchern und vor allem bei Prosumern sind Batteriespeicher und für den täglichen/wöchentlichen Ausgleich Pump­speicher­kraft­werk e geeignet. Für den saisonalen Bedarf sind heute meist Speicherkraftwerke im Einsatz.

Zudem kommt heute vor allem in Ländern, wo die Durchdringung der erneuerbaren Energie hoch ist, eine «Pufferung durch bestehende Doppelstrukturen» mittels Kohle- und Gaskraftwerke zum Einsatz, wie das der Ökonom Hans Werner Sinn für Deutschland darstellt. Infolge Mangels an Speichermöglichkeiten werden bestehende Kraftwerke, die die in der Erde gespeicherte fossile Energie nutzen, instand gehalten, damit sie bei schwacher erneuerbarer Produktion eingesetzt werden können.

Diese Speicher – Batterien und Kraftwerke – könnten zusätzlich auf system-, netz- und marktdienliche Art eingesetzt werden. Nachstehend wird versucht, diese Anwendungsfälle und Einsatzmöglichkeiten als «Dienlichkeiten» darzustellen.

Verbraucher- und prosumerdienlich

Wenn es wirtschaftlich ist, könnte ein Verbraucher daran interessiert sein, zu günstigen Tageszeiten Energie zu kaufen, diese kurzzeitig zu speichern und in Hochtarifzeiten zu verbrauchen.

Ein Prosumer mit einer PV-Anlage nimmt einen Speicher, um den Unterschied seines Verbrauchs- und Produktionsprofils täglich oder auch wöchentlich auszugleichen.

Je nach Netzentgeltsystem wird es wirtschaftlicher sein, für das Laden von Elektroautos zu Hause und an Tankstellen in Schwachlastperioden langsam einen Speicher zu füllen, der einerseits eine Schnellladung erlaubt, aber andererseits einen Netzausbau vermeidet. Denn die Netznutzungsdauer vor allem der Verteilnetze würde es erlauben, in Schwachlastzeiten diese Netze mit Speicherung besser zu nutzen.

Systemdienlich

Der Übertragungs­netz­betreiber (TSO), der die System­ver­ant­wortung hat, benötigt Regelenergie für die Frequenzhaltung und den Feinabgleich zwischen Verbrauch und Produktion. Zusätzlich braucht er Blind­leistungs­einspei­sungen für die Spannungs­haltung. Sowohl Speicher- und Pump­speicher­kraft­werk e, flexible fossil befeuerte Kraftwerke an den Netzebenen 1 – 3 und Batteriespeicher auf den tieferen Netzebenen können sich an dieser Regelenergielieferung beteiligen. Spannungs­haltung kann nur mit Kraftwerken, die an der entsprechenden Netzebene angeschlossen sind, gemacht werden. Sowohl die Regelenergie als auch die Spannungs­haltung wird vom TSO über marktbasierte Systeme eingekauft.

Netzdienlich

Zu den netzdienlichen Bedürfnissen gehört vor allem auf den tieferen Netzebenen 3, 5 und 7 die Spannungs­haltung. Schon bald, je nach Durchdringung der dezentralen Produktion, werden Netzbetreiber Speicheranlagen nutzen, um Lastspitzen zu decken oder bei dezentralen Produktionen Netzüberlasten zu vermeiden.

Marktdienlich

Je höher der Anteil an erneuerbaren Energieproduktionen, deren Produktionsprofile sowohl saisonal als auch täglich stark von den Verbrauchsprofilen abweichen, desto grösser der Flexibilitätsmarkt. Unabhängig von Grösse und Netzebene ist jeder Speicher fähig, an diesem Markt teilzunehmen. Für kleinere Speicher wird es Aggregatoren geben, die den Marktzugang und den Zugang zu den Dienlichkeiten kostenmässig und bezüglich Zuverlässigkeit optimieren werden (Schwarmeinsatz).

Kategorisierungsmöglichkeiten

Es könnte der Bedarf bestehen, für die Gesetz­gebung und Regulierung unter­schied­liche Kategorien zu haben, beispielsweise um zu unterscheiden, wie diese finanziert, gefördert oder netzentgeltlich behandelt werden sollen. Klein und gross, zentral und dezentral, technologieabhängige Abgrenzungen sind eher Kategorien, bei denen willkürlich Grenzen gesetzt werden, was zu vermeiden ist.

Die Hauptaufgaben dieser Speicher sind die Speicherung von Energie für den Verbraucher, den Prosumer und den Markt. Die system- und netzdienlichen Bedürfnisse sind zusätzliche Einsatzmöglichkeiten; diese wird es in Reinkultur aus wirtschaftlichen Gründen selten geben.

Der Begriff Netzspeicher ist unlogisch und sollte vermieden werden, denn ein Netz wird ja kaum gespeichert. Der Begriff Netz­anschluss­nehmer ist zu allgemein – ein Produzent, ein Verbraucher, jedes am Netz angeschlossene Element ist in einem gewissen Sinne ein Netz­anschluss­nehmer.

Geltende Gesetz­gebung

Die Kategorie der Speicher existiert in der bisherigen Energiegesetz­gebung nicht. Der Ansatz, Speicher für die aus dem Netz bezogene Energie als netz­entgelt­pflichtige Endverbraucher und für die wieder ins Netz eingespeiste Energie als Produzent zu betrachten, ist nicht richtig und diskriminierend. Ein Speicher bezieht die Energie nicht für den eigenen Verbrauch (abgesehen von den Speicherverlusten, aber das ist ein Detail der Tarifierung), wie in [2] festgelegt. Diese Betrachtung als Endverbraucher widerspricht auch dem Ausspeiseprinzip, das besagt, dass Energie netz­entgelt­pflichtig ist, ab dem Zeitpunkt, in dem diese endverbraucht wird. In einem Speicher wird die Energie nicht endverbraucht, sondern für einen zukünftigen Endverbrauch zwischengespeichert.

Gemäss aktueller Gesetz­gebung [2] sind Speicher- und Pump­speicher­kraft­werk e für den Eigenverbrauch und die Pumpenergie nicht netz­entgelt­pflichtig. Es gibt aber keinen Unterschied in den Dienlichkeiten eines Pumpspeicherwerks und eines Batteriespeichers. Wenn sie die gleichen Marktchancen haben sollen, müssen sie auch gleich behandelt werden. Technologie­unterschiede, der Anschluss auf unter­schied­liche Netzebenen und die unter­schied­liche Grösse sind a priori keine Gründe, die eine unter­schied­liche Behandlung rechtfertigen.

Der Versuch, Speicher als Netzelemente zu definieren, passt nicht zur Begriffs­definition der Elektri­zitäts­netze im Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a StromVG. Ein Energie­speicher dient weder der Übertragung noch der Verteilung von Energie. Er speichert Energie.

Ein Energie­speicher ist kein intelligentes Steuer- und Regelsystem gemäss Artikel 17b StromVG. Ein Steuer- und Regelsystem ist eine Sekundäranlage, die den intelligenten, gesteuerten oder geregelten Einsatz der Hauptanlage (Kraftwerk, Verbraucher oder Speicher) ermöglicht.

Einen Begriff wie «Netzspeicher» zu definieren, um ein Anrecht auf Anrechen­barkeit zu haben oder dem Verteilnetzbetreiber einen Speicherbesitz zu erlauben, mangelt weitgehend an gesetzlichen Grundlagen.

Der letzte Entscheid der ElCom, Speicher in dezentrale Speicher, die netz­entgelt­pflichtig sind, und in freie, die dies nicht sind, zu unterteilen, ist eine vorübergehend gangbare Lösung, die ungefähr dem heutigen Bedarf entspricht. Wenn der dezentrale Speicher beim Verbraucher, Prosumer oder einer Verbrauchs­gemein­schaft eingebaut ist, und dieser nicht beabsichtigt, die Energie wieder ins Netz einzuspeisen, stört es nicht, wenn diese schon beim Einspeichern netz­entgelt­pflichtig ist oder erst später beim Endverbrauch.

Ein EVU kann, wenn es mindestens buchhalterisch oder sicher dann, wenn es rechtlich (z. B. die eigene Tochtergesellschaft) die Entflechtungs­vorschriften gemäss Artikel 10 StromVG einhält, Besitzer einer Speicheranlage sein.

Schliesslich enthält das Strom­versorgungs­gesetz im Artikel 3 Absatz 2 das Prinzip der Subsidiarität. Nach diesem Prinzip könnte das Handbuch Speicher des VSE in den Ausführungsvorschriften übernommen werden.

Neuer gesetzlich-regulatorischer Regelungsbedarf

Der Einsatz von Speichern wird in der mittel- und langfristigen Entwicklung der Energie­versorgung an Bedeutung zunehmen. Er sollte deshalb gesetzlich geregelt werden. Dazu braucht es einen ganzheitlichen Lösungs­ansatz.

Energie­speicherung ist hauptsächlich eine Markttätigkeit (Regel­energie, Ausgleichs­energie) und erst ergänzend netz- oder systemdienlich. Der gesetzlich-regulatorische Rahmen sollte deshalb gewährleisten, dass Speicherbetreiber in einem gleichberechtigten, technologie­offenen Wettbewerb mit anderen Flexibilitäts- und Dienlich­keits­anbietern an den entspre­chenden Märkten teilnehmen können.

Speicher sind spezifisch als eigene Anlage­kategorie in Bezug auf Netznutzung diskriminie­rungsfrei und verursacher­gerecht zu definieren. Speicherbetreiber sind als eigene Marktakteure zu bestimmen. Dabei sind das Ausspeise­prinzip als Grundsatz der Netznutzung zu respektieren, Doppelbelastungen durch Netzentgelte zu verhindern (Gleichbehandlung) und klare Markt­zugangs­regeln festzulegen.

Die geltenden Entflech­tungs­vorschriften verlangen mindestens eine buch­halterische Entflechtung der «übrigen Tätigkeiten». Es wird schwierig sein, einem Netzbetreiber, der die Entflech­tungs­vorschriften einhält, darzulegen, dass er Energie produzieren, auf dem Markt kaufen/verkaufen, aber nicht speichern darf, oder dass das Speichern von Energie nicht zu den übrigen Tätigkeiten gehört.

Eine Kategorisierung nach Betriebsart, Grösse, Anschluss­netzebene, Dienlichkeit und Speicherdauer, um die Speicher netzentgeltlich unter­schied­lich zu behandeln, ist schwierig und wirkt rasch diskrimi­nierend.

Kleine Speicher werden künftig eigenständig oder über Aggregatoren im Schwarm­einsatz als Marktakteure wie grössere Speicher auftreten. Je nach Bedürfnis wird es auch auf verschiedenen Netzebenen zu Zwischen­speicherungen kommen. Es ist beim Einspeichern nicht bekannt, ob es die letzte Speicherung vor dem Endverbrauch ist oder nicht. Folglich ist das Konzept gemäss Ausspeiseprinzip, wonach die Energie erst beim Endverbrauch netz­entgelt­pflichtig wird, eine richtige Lösung.

Die Tatsache, dass bei einer zunehmenden dezentralen Produktion weniger Energie aus dem Netz bezogen wird und dadurch das bestehende Netztarifsystem die Netzkosten nicht mehr genügend oder nur noch durch reine Verbraucher zu höheren Tarifen zu decken vermag, ist kein Grund, gewisse Speicher diskrimi­nierend als netzentgeltlich zu deklarieren. Der Verursacher dieses Phänomens sind nicht die Speicher, sondern die dezentrale Produktion. Das Problem sollte durch eine Änderung des Tarifsystems gelöst werden.

Am Produkt «virtueller Speicher» lässt sich diese Markt­verzerrung aufzeigen: Wenn ein Marktakteur mit einem Speicher- oder Pump­speicher­kraft­werk  (Netzebene 1 oder 3) dieses Produkt offeriert und so Energie von Netzebene 7 bis 1 transportiert, dann ist das Einspeichern nicht netz­entgelt­pflichtig. Wenn ein Marktakteur mit einem Batteriespeicher auf Netzebene 5 oder 7 dies offeriert und die Energie über weniger Netzebenen transportiert, dann sollte dieses Produkt konse­quenter­weise auch nicht netz­entgelt­pflichtig sein.

Mögliche Geschäftsfälle und Tarifsysteme

Aus heutiger Sicht werden im Folgenden künftig mögliche Geschäftsfälle eines Speicherbesitzers dargestellt. Die Zukunft wird sicher auch noch zusätzliche Anwendungen bringen.

  • Fall 1: Ein Verbraucher/Prosumer oder eine Verbrauchs­gemein­schaft (NE 7) betreibt einen Speicher, um die Eigenproduktion besser zu nutzen und um möglichst autark zu sein. Dies ist der einfachste Fall; der Energiebezug aus dem Netz (auch wenn diese Energie zuerst gespeichert wird), entspricht dem Endverbrauch und ist netz­gebühren­pflichtig.
  • Fall 2: Ein Verbraucher/Prosumer oder eine Verbrauchs­gemein­schaft (NE 7) betreibt einen Speicher für seine Bedürfnisse und die des Nachbarn. Kann gleich abgewickelt werden wie Fall 1, ist aber ausserhalb der Verbrauchs­gemein­schaft heute nicht erlaubt.
  • Fall 3: Ein Verbraucher/Prosumer oder eine Verbrauchs­gemein­schaft (NE 7) betreibt einen Speicher für seine Bedürfnisse, aber er nimmt auch am Speicher­markt teil, direkt oder indirekt über einen Aggregator. Wie Fall 1 und 2, ausser dass die Teilnahme am Speichermarkt separat gezählt werden muss. Diese Teilnahme am Speichermarkt ist nicht netz­gebühren­pflichtig.
  • Fall 4: Ein Speicherbesitzer betreibt einen Speicher auf NE 5 oder 3, stellt Speicherplatz Verbrauchern/Prosumern und Verbrauchs­gemein­schaften zur Verfügung, nimmt am Speichermarkt teil (Ausgleichs­energie, System­dienlich­keiten) und offeriert Netz­dien­lichkeiten (Spannungs­haltung, Caping etc). Dies ist eine 100%ige Markttätigkeit, die nicht netz­gebühren­pflichtig ist. Die Tätigkeiten müssen einzeln gemessen und abgerechnet werden.

Mögliche Tarifsysteme

Wie bereits erwähnt, soll ein grosser Teil des Strombedarfs in Zukunft durch erneuerbare Energie versorgt werden. Dabei setzt man hauptsächlich auf die dezentrale Produktion mit der Folge, dass durch den geringeren Netzbezug Prosumer gemäss dem heutigen Ausspeise­modell immer weniger Netzkosten tragen, da Eigen­produktion nicht netz­entgelt­pflichtig ist. Je höher die Durch­dringung der dezentralen Produktion wird, umso teurer werden die Netzkosten für die übrigen Verbraucher. Das heisst auch, dass die Gridparität nicht mehr das wirtschaftliche Ziel des Prosumers sein kann. Ein neues Tarifsystem, bei dem ein grösserer Teil über die Anschluss­leistung und ein kleinerer über die aus dem Netz bezogene Energie abgerechnet wird, würde einen verursacher­gerechten Ausgleich zwischen reinen Verbrauchern und Prosumern ergeben. Es ist nicht nötig, dass man neue Akteure (mehrheitlich Marktakteure) wie Betreiber von Speicheranlagen als Netz­gebühren­opfer verpflichtet. Die Ursache des Phänomens ist die dezentrale Produktion und nicht die Speicher. Wenn es keine dezentrale Produktion gäbe, aber Speicher installiert würden, hätte das Tarifsystem keine Schwierigkeiten.

Es gibt bereits bestehende Tarifsysteme, die es erlauben würden, diese Markttätig­keiten und Dienlichkeiten zu entgelten:

  • Für systemdienliche Leistungen gibt es auf NE 1 bereits heute ein Beschaffungs- und Tarifsystem für Regelenergie und Spannungs­haltung. Diese können auch für diese gleichen Dienlich­keiten aus tieferen Netzebenen angewendet werden.
  • Die Energie­speicherung wird heute bei den Pump­speicher­werken über eine Speichergebühr pro kWh abgerechnet. Angebot und Nachfrage werden die Tarife für saisonale und kurzzeitige Speicherung sicher differenzieren.
  • Die Kosten für die eigene Speicherung beim Verbraucher/Prosumer und der Verbrauchs­gemein­schaft können ebenfalls durch die Benutzer in Form einer Speichergebühr pro kWh abgegolten werden.
  • Netzdienliche Leistungen werden bereits heute für Spannungs­haltung über Blind­leistungs­preise pro kvarh abgegolten. Caping oder ein Verhindern von Überlast auf einer Leitung kommt einer kurzzeitigen Speicherung gleich und könnte auch über eine Speichergebühr abgerechnet werden.

Fazit und Ausblick

Zurzeit gibt es nur wenige dezentrale Speicheranlagen. Es gibt einige Versuchsobjekte, um Erfahrungen in den verschiedenen Anwendungs­fällen zu sammeln. Dafür gibt es mehrere Gründe: Einerseits ist der Bedarf an solchen Speichern nicht gegeben, da die Penetration der dezentralen zufälligen Produktion aus Photovoltaik im Verhältnis zum Gesamt­strom­verbrauch klein ist (3 bis 4%), und so das System noch nicht bis an die technische Grenze beansprucht wird. Andererseits ist bisher auch noch keine angemessene Wirtschaftlichkeit für diese Anlagen gegeben. Die ungenügende Gesetz­gebung gibt im Moment für solche Anlagen auch keine genügende Investitions­sicherheit.

Die Produktion aus erneuerbarer Energie soll in naher Zukunft noch stärker gefördert werden, und bald ein wichtiger Bestandteil der Stromversorgung der Schweiz sein. Die bestehenden Gesetze und Verordnungen behandeln aber die neuen Marktakteure Speicher und Speicherbesitzer ungenügend und bieten daher eher Gelegenheit für fast willkürliche, dem Einsatz gefällige Interpretationen. Die Versuche, die Energie­speicher in die bisherige Gesetz­gebung einzubetten, waren nicht wirklich erfolgreich. Es braucht einen neuen gesamt­heitlichen, nicht­diskrimi­nierenden Lösungs­ansatz, der die Entwicklung in die richtige Richtung lenkt und Investitions­sicherheit bringt.

Für die entsprechende Gesetz­gebung ist eine weitere Revision 2021 vorgesehen, welche erste Ansätze zur Speicher­behandlung beinhalten sollte, die aber aus der jetzigen Sicht ungenügend sind. Leider hinken manchmal die Gesetz­gebung und die Regulierung der Entwicklung des Bereichs hinterher. Dies sollte in diesem Falle verhindert werden, da nur wirtschaftlich nicht­diskriminie­rende Ansätze die Entwicklung der richtigen Speichersysteme am richtigen Ort zeitgerecht erlauben werden.

So muss wohl rasch die entsprechende Gesetz­gebung, die die Entwicklung der Speicher operativ, marktkonform und wirtschaftlich in die richtige Richtung lenkt, in Angriff genommen werden.

Ein weiteres wichtiges Element der zukünftigen Energiepolitik wird die Sektorkopplung sein. Es wäre auch sinnvoll, diese Problematik gleichzeitig in Bezug auf Netz­tarifierung zu analysieren und eine Lösung zu erarbeiten, die das Gesamtsystem umfasst.

Referenzen

[1] Michael Sterner, Ingo Stadler, Energiespeicher, Verlag Springer Vieweg, 2. korrigierte Auflage, 2017, S. 26.

[2] Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b StromVG (Stromversorgungsgesetz, SR 734.7).

Autor
Dr. Christian Brunner

war bis Ende Juni 2020 Mitglied der ElCom. Er ist Elektroingenieur ETH.

Kommentare

Peter Schiess,

Zu Referenzen : (1) Der 2. Autor heisst nicht «Steiner» , sondern «Sterner» , der Titel: Energiespeicher, Verlag Springer Vieweg , 2. korrigierte Aufl. 2017 von Prof. Michael Sterner und Prof. Ingo Stadler

Radomir Novotny,

Vielen Dank für die Korrektur. Im Online-Artikel wurde die Referenz entsprechend korrigiert.

Was ist die Summe aus 9 und 8?