Interview Beleuchtung

«Der Berufsstand des Lichtplaners muss gestärkt werden»

Fragen an Luciana Alanis, Lichtgold GmbH, zum Thema Lichtplanung

08.02.2023

Das Swiss Lighting Forum findet 2023 in einem besonderen Format statt. Die Veranstaltung kommt dieses Jahr zu den Leuten. Sie wird an fünf verschiedenen Orten in der Schweiz durchgeführt. Die Referentin und Lichtdesignerin Luciana Alanis verrät im Vorfeld, wie wichtig eine professionelle Lichtplanung ist.

Frau Alanis, was bedeutet Licht für Sie? Was ist es, das Sie daran besonders fasziniert?

Luciana Alanis: Licht und die Arbeit, die ich damit gestalten darf, ist einfach bereichernd. Es gibt mir immer wieder frische Energie, wenn ich an meinen Projekten arbeite und Licht teste. Besonders, wenn ich in begeisterte Augen von Bauherren oder Nutzern schaue, weil Räume besser, angenehmer und schöner werden. Ich darf Menschen sozusagen die Augen öffnen. Meine Kunden oder Studierenden lernen durch meine Arbeit und Lehre richtig sehen und wahrnehmen. Eine Lichtdesignerin zu sein macht mich glücklich.

Wer sind Ihre Klienten? Bauherren, Architekten, Private?

Ganz unterschiedlich. Hauptsächlich sind dies öffentliche Auftraggeber. Auch Privatpersonen und andere Planer sowie Architekten und Ingenieure sind meine Kunden.

Was überwiegt in ihrer Tätigkeit? Der künstlerische, gestalterische Aspekt, oder der technische?

Ich bin Designerin und sehe mich als Gestalterin und Technikerin in einem. In meinem Produktdesignstudium habe ich früh gelernt, was der Begriff Design umfasst. Gestaltung kann nicht ohne die richtige Technik funktionieren. Technik hingegen wird nicht angenommen, wenn Ästhetik und Atmosphäre nicht passen. Somit bin ich als Designerin eine Symbiose beider Bereiche. Ich habe im Licht ebenso ein Element gefunden, das sowohl technisch als auch gestalterisch wirkt.

Zu welchem Zeitpunkt werden Sie normalerweise bei einem Projekt beigezogen? Können Sie auch Einfluss auf das Tageslicht im Gebäude nehmen?

Wir werden häufig erst zu spät in Projekte eingebunden. Meist stehen bereits viele Grundpfeiler der Gestaltung. Ein Auftraggeber oder anderer Planer ist zu diesem Zeitpunkt nur schwer davon zu überzeugen, etwas anzupassen.

Am besten wäre es, von Anbeginn involviert zu sein. Mit wenigen Beratungsgesprächen kann schon viel Sensibilisierung und Wissens­vermittlung stattfinden. Ich sehe mich zu Projektstart als Lichtbringende. Die Kunden finden mit mir zusammen heraus, was sie benötigen und wie ich sie unterstützen kann. Gerade wenn es um Tageslicht im Gebäude geht, sollte die Fach­expertise von professionellen Lichtgestaltern eingeholt werden. Sie können wesentlich zum Raum- und Sehkomfort beitragen und energetische Einsparungen ermöglichen. Die Architektur kann dadurch verbessert werden.

Mit LED kann man Licht verschiedener Farbtemperaturen erzeugen. Vom warmen, gelben hin zum blauen, kalten Licht. Braucht man überhaupt noch andere Leuchtmittel, oder kann LED alle anderen ersetzen?

LED zaubert noch nicht den magischen Schein von Kerzenlicht. Es wärmt mich nicht auf dem Balkon wie die morgendlichen Sonnen­strahlen. Es gibt also noch ein paar andere Lichtquellen, die ich nicht missen möchte.

Tatsächlich setzen wir seit vielen Jahren keine anderen Leuchtmittel als LED ein. Es gibt keines unserer Projekte, indem nicht LED die beste Lichttechnologie ist.

Das Verbot der Leuchtstoffröhren tritt nun in Kraft. Was hat das für Auswirkungen auf Ihre Beratungstätigkeit?

Wir gehen davon aus, dass eine massive Welle von Sanierungs­projekten losrollen wird. Gerade deshalb möchten wir mit der Veranstaltungsreihe SLF Spezial vorab gründlich informieren. Je nach Aufgabe muss man die richtigen Schritte zur richtigen Zeit einleiten. Übereilte oder falsche Sanierungen können dann vermieden werden.

Seit vielen Jahren werden LED-Tubes als Ersatz-Leuchtmittel für Leuchtstoffröhren eingesetzt. Es gibt Räume, in denen viele Leuchtstoffröhren installiert sind und über lange Zeit leuchten müssen. Beispielsweise sind dies Parkgaragen und Industriehallen. Hier ist der energetische Vorteil von LEDs umstritten. Bei anderen Projekten ist mit der Integration von intelligenter Steuerung LED die bessere Option. Insbesondere hinsichtlich Einsparpotentialen und Flexibilität für die Raumnutzung.

Leidet die Branche auch unter Fachkräftemangel? Gibt es genügend Ausbildungs­möglichkeiten für Nachwuchs und Weiterbildungs­angebote für Architekten und Ingenieure? Was fehlt?

Es gibt in der Tat im deutschsprachigen Raum nicht sehr viele Ausbildungs­möglichkeiten zum professionellen Lichtdesigner. Die Zeitinvestition in ein ordentliches Studium leisten wenige. Ich selbst habe den zweijährigen internationalen Master-Studiengang Architectural Lighting Design an der Hochschule Wismar in Nord­deutschland absolviert. Das war ein Aufbaustudium zu meinem bereits 6-jährigen Designstudium. Die Professoren und Dozenten leisten eine sehr gute Arbeit. Sie bildeten in den letzten Jahrzehnten tolle Lichtdesigner aus. Diese findet man inzwischen überall in der Welt.

Bis heute wird Licht oft noch von Architekten und Ingenieuren, Elektroplanern, Installationsbetrieben und der Leuchten­industrie mitgeplant. Die Voraussetzung und Anforderung für eine adäquate, produktneutrale Lichtgestaltung übersteigt häufig deren Möglichkeiten. Die sehr umfangreiche Expertise zum Lichtdesign kann man sich nicht nebenher aneignen, denn Licht sollte nicht oberflächlich «mitgeplant» werden.

Licht ist, ähnlich wie Wasser, sehr wichtig für unser Leben. Ungesundes Licht macht krank. In der Gesellschaft fehlt es an Wissen und Sensibilität dafür. Es wird unterschätzt, wie Licht Räume umgestalten kann und die Umwelt beeinflusst.

Ich setze mich aktiv ein als Dozentin im Architekturstudium am KIT Karlsruher Institut für Technologie und gemeinsam mit verschiedenen Verbänden, wie dem IALD, LiTG und SLG für professionelle Ausbildungs- und Weiterbildungs­angebote. Wir setzen alles daran, unseren Berufstand sichtbar zu machen. Wir plädieren an die politischen Entscheider, die Lichtgestaltung als vollumfängliche Fachplanung in den Bauprozess einzugliedern.

Beim Licht kann punkto Energieeffizienz enorm gespart werden. Beraten Sie Ihre Kunden auch in Sachen Stromverbrauch, LED und Tageslichtsensoren?

Sicher. Die Qualität einer ganzheitlichen Lichtberatung zeichnet sich dadurch aus, dass sämtliche Aspekte einer Beleuchtungslösung berücksichtigt werden. Diese werden thematisiert und optimal evaluiert. Gemeinsam mit dem Kunden gilt es herauszufinden, was am sinnvollsten ist.

Inwiefern kann Beleuchtung smart werden? Gibt es künstliche Intelligenz KI-Anwendungen in der Lichtbranche?

Heutiges Licht ist bereits smart. Wenn nicht, handelt es sich um veraltete Technologie, die nun nach und nach ausgephast wird. Smart bedeutet, dass das Licht durch weitere Komponenten verändert, gesteuert und geregelt wird. Es wird intelligent auf unsere Bedürfnisse angepasst. Wir alle leben und arbeiten an unterschiedlichen Orten. Wir haben individuelle Erwartungen. Bestenfalls reagiert eine smarte Beleuchtung optimal im Einklang mit uns. KI im Licht? Ja. Licht schaltet bereits ein, wenn jemand den Raum betritt. Es dimmt, weil sich die Nacht ankündigt. Räume simulieren Tageslichtverläufe. KI spielt auf verschiedene Weise in der Branche mit. Die Möglichkeiten werden jährlich getoppt, das heisst, die Technologie ist noch nicht ausgeschöpft. KI ist ein wichtiger Bestandteil unserer Entwicklung. Jeder Fortschritt hat bisher immer wieder zur deutlichen Erleichterung und Verbesserung unseres Lebens geführt.

Welche Trends zeichnen sich in der Licht- und Beleuchtungsbranche für die kommenden Jahre ab?

Das ist schwer zu sagen. Es gibt mit jedem Jahr der LED-Ära Neues mit dieser Technologie zu entdecken. Tendenzen zeigen sich hin zu viel mehr Tageslicht in Innenräumen und gesundem Licht für alle. Der zukunftsweisende Umgang mit Energie und Ressourcen ist ein weiterer Trend. Wir bewegen uns weg vom Konsum­gedanken mit immer mehr und neuen Produkten. Wir befinden uns in einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit Design- und Material­entwicklungen. Dies ist für mich als Designerin spannend zu verfolgen.

Gibt es Berührungspunkte zu Industrie 4.0? Digitalisierung und Vernetzung? Oder spielt das keine Rolle?

Natürlich gibt es Berührungspunkte, und zwar viele. Ohne den digitalen Fortschritt würden wir Licht heute nicht so planen können, wie wir es tun. Es gibt verschiedene technologische Möglichkeiten. Sensoren reagieren auf Raum- und Nutzerkomfort. Produkt­entwicklungen, wie z.B. biodynamische Lichtfarbverläufe, werden neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gerecht.

Fällt auch der Schutz gegen Lichtverschmutzung in ihr Arbeitsgebiet?

Auf jeden Fall. In meinen Aussenraum-Projekten ist das der wesentliche Gestaltungsrahmen, in dem ich mich bewege. Ich bin schon lange Freundin und Mitglied der International Dark Sky Organisation IDA. DarkSky Schweiz ist ein Ableger davon. Wichtig ist mir hierbei, unnötige Lichtemissionen in meiner Lichtgestaltung zu vermeiden. Jeder Lichtstrahl und seine Lichtmenge sind wohlüberlegt platziert. Die Dunkelheit ist dabei unsere grosse Freundin. Ohne sie kann Licht nicht als etwas Besonderes wahrgenommen werden. Daher schütze ich sie und überspiele sie nicht mit Lichtglanz.

Als Vergleich. Sie möchten von einem Arzt auch richtig behandelt werden und die richtige Diagnose und somit Dosierung der Medikamente. Der Arzt weiss diese einzusetzen, weil er dies gelernt hat. Er übernimmt grosse Verantwortung an der Gesellschaft. Ich bin eine Befürworterin von einer professionellen Ausbildung zum Lichtdesigner. Auch wichtig ist die Sammlung von Erfahrung. Wir tragen eine grosse Verantwortung der Gesellschaft und Welt gegenüber.

Es ist wichtig, nicht die Augen zu verschliessen und zu denken: «Nach mir die Sintflut». Mir liegt viel an uns Menschen und auch an unserer Welt. Was ich für Menschen heute gestalte, hat Bestand. Morgen kommt jemand anderes in den Genuss dieses Lichts. Mein Licht beeinflusst die Umgebung und sollte bestenfalls nie stören.

 

Autorin
Marianne Kürsteiner

ist Redaktorin bei Electrosuisse.

  • Electrosuisse, 8320 Fehraltorf

Zur Person

Luciana Alanis ist Lichtdesignerin und Inhaberin der Lichtgold Gmbh, einem unabhängigen Lichtdesignbüro in St.Gallen, Schweiz. Ausserdem unterrichtet sie Lichtgestaltung und -technik am Karlsruher Institut für Technologie KIT in Deutschland. Nach ihrem Abschluss in Produktdesign absolvierte sie ein weiterführendes Studium im Bereich Architectural Lighting Design an der Hochschule Wismar in Deutschland.

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