Der Batteriepass bietet Transparenz und Sicherheit
Interview mit Nora Bartolomé
Batterien für Elektroautos waren bisher eine Black Box. Dies hat zu Bedenken geführt, dass es unter anderem schwierig sein wird, gebrauchte Elektroautos zu verkaufen, da unklar ist, wie lange die Batterie hält. Der EU-Batteriepass, ein digitaler Produktpass, soll hier für Transparenz sorgen. Im Interview gibt Nora Bartolomé Einblicke in den Stand der Dinge.
Bulletin: Wie weit sind die Spezifikationen für den EU-Batteriepass?
Nora Bartolomé: Gemäss der EU-Batterieverordnung 2023/1542 müssen Batterien ab dem 18. August 2024 mit einem CE-Zeichen versehen sein, um in der EU verkauft werden zu können. Ab dem 18. Februar 2027 müssen gemäss Artikel 77 dieser Verordnung alle Batterien für E-Fahrzeuge, leichte Fortbewegungsmittel (E-Scooter usw.) und Industriebatterien > 2 kWh über einen digitalen Pass verfügen, der via QR-Code zugänglich ist. Die wichtigsten Informationen zum Batteriepass findet man in der neuen EU-Batterieverordnung 2023/1542 in Kapitel IX (Artikel 77 und 78) und im Anhang XIII.
Das vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mitfinanzierte Konsortialprojekt «Battery Pass» ist eine öffentlich-private Arbeitsgruppe, die zwei Dokumente veröffentlicht hat: einen technischen Leitfaden im April 2023 und einen inhaltlichen Leitfaden im Dezember 2023, in denen über 100 Datenattribute wie CO2-Fussabdruck, Materialherkunft, Leistung, State of Health (SoH), Recyclingfähigkeit festgelegt sind. Derzeit arbeiten sie an technischen Standards und einer Datenarchitektur zum Verantwortungsfluss, QR-Code-Design, zur Aktualisierungshäufigkeit, zum Audit und dem neuen Pass bei Wiederaufarbeitung usw., die im nächsten Jahr vorliegen sollen.
Ich kenne zwei wichtige Projekte auf europäischer Ebene, die diese Initiative vorantreiben: Einerseits das Battery-Pass-Programm, das grosse Pilotprojekte durchgeführt hat, in denen die End-to-End-Datenerfassung und die Interoperabilität mit den Anforderungen der EU-Batterieverordnung getestet wurden. Andererseits die Global Battery Alliance, die 2023 einen Proof-of-Concept unterstützte, bei dem Unternehmen an interoperablen Konzepten und Bewertungssystemen arbeiteten.
Der Batteriepass soll verschiedene Vorteile bringen. Welche Anwendungen sind denkbar?
Es gibt mehrere Vorteile entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Batterie. Hier einige Beispiele:
- Erhöhte Transparenz für Verbraucher und Käufer: durch wichtige Daten wie Materialherkunft, CO2-Bilanz, Leistung und erwartete Lebensdauer, die im QR-Code abgelesen werden können. Zudem kann dies auch Verbrauchern helfen, den Restwert der Batterie zu berechnen, z. B. den SoH oder die Restlebensdauer bei einem Wiederverkauf.
- Kleineres Risiko bei Transport und Handel durch die Kenntnis der Geschichte der Batterien, ihrer chemischen Zusammensetzung und ihres End-of-Life-Status.
- Erleichterung von Second-Life- und Reparaturmärkten: Die Kenntnis des Lebenszyklus und der Nutzungsdaten im Batteriepass hilft bei der einfacheren Entscheidung für Second-Life-Anwendungen wie Energiespeicher. Die Second-Life-Tauglichkeit lässt sich besser vorhersagen, wenn man z. B. die Chemie, die erste Lebensdauer und Unfälle kennt, denen die Batterie möglicherweise ausgesetzt war.
- Recycling-Effizienz: Ist die ursprüngliche Zusammensetzung der Batterie bekannt, kann das Recycling effizienter gestaltet werden. Dadurch sollen auch die Kosten für die Vorbehandlung gesenkt werden können.
- Kosteneinsparungen und Umweltverträglichkeit: Beispielsweise können die Testkosten gemäss dem Battery-Pass-Projekt um 2 bis 10%, die Recyclingkosten um 10 bis 20% sowie 0,37 bis 1,3 Mt CO2 in der EU durch eine angemessene Verlängerung der Batterielebensdauer eingespart werden.
Wann können wir mit der Einführung eines Batteriepasses rechnen?
Ab dem 18. Februar 2027 müssen alle wiederaufladbaren Industriebatterien mit einer Kapazität von mehr als 2 kWh, Batterien für Elektrofahrzeuge und Batterien für leichte Transportmittel diesen digitalen, über einen QR-Code zugänglichen Pass haben.
Wo werden die Daten des Batteriepasses gespeichert? Lokal in der Batterie, im Fahrzeug oder in der Cloud?
Das System basiert auf einer hybriden, interoperablen Architektur. Die Daten werden nicht direkt in der Batterie oder im Fahrzeug gespeichert. Es stützt sich auf Cloud- oder verteilte Datenspeicher, die von autorisierten Akteuren im Batterie-Ökosystem verwaltet werden: ein geregeltes, sicheres digitales Ökosystem, in dem Hersteller, Recycler und Regulierungsbehörden Daten gemäss definierten Protokollen austauschen, die über digital signierte Berechtigungsnachweise und rollenbasierte Berechtigungen autorisiert sind.
Das System unterstützt sowohl öffentliche Daten (z. B. Chemie, CO2-Bilanz) als auch spezifische Daten für Regulierungsbehörden oder autorisierte Gruppen (Gesundheitszustand, Nutzungszyklen usw.).
Gibt es bereits Fahrzeuge mit einem Vorläufer des EU-Batteriepasses?
Ich kenne zwei Beispiele: Einerseits Volvo (EX90 – Markteinführung 2024), der über einen Pass verfügt, der Angaben zur Herkunft und Zusammensetzung der Batterie, zur CO2-Bilanz, zur Herstellung und zum Recycling sowie zum Gesundheitszustand und zur erwarteten Lebensdauer enthält. Andererseits verfügt die Audi/VW-Gruppe über einen Pass, der mit dem EU-Batteriepass übereinstimmt und Angaben zu Rohstoffen, Nachhaltigkeit und zum Lebenszyklus der Batterie enthält.
Wie wird der Batteriepass die Nachhaltigkeit von Energiespeichern verbessern? Welche Vorteile hat der Batteriepass aus Sicht des Recyclings?
Der Batteriepass kann das Recycling von Batterien auf verschiedene Weise unterstützen: Er enthält Demontageanweisungen mit Informationen zu gefährlichen Komponenten, Steckertyp, Werkzeugen und Vorgehensweisen. Dies erleichtert die Sortierung (sowohl manuell als auch robotergestützt) und verbessert die Materialreinheit. Ausserdem enthält er Angaben zum Gesundheitszustand der Batterie und zur Restlebensdauer. Der Pass enthält SoH-Kennzahlen, den Zyklusverlauf und Nutzungsmuster. Dies kann dabei helfen, die beste Zweitverwendung zu ermitteln und zwischen Wiederverwendbarkeit, Reparaturfähigkeit oder direktem Ende der Lebensdauer zum Recycling zu wählen. Ausserdem ermöglicht er eine präzise Materialidentifizierung: Die Informationen zur Batteriechemie, zu Zelltypen und Materialgehalt können dazu beitragen, die beste Behandlung am Ende der Lebensdauer, den Demontage- und Behandlungsprozess oder die Rückgewinnungstechnologie zu optimieren. Zudem enthält er Informationen zur Herkunft und Rückverfolgbarkeit der Konformität, die dazu beitragen können, die Einhaltung von Umwelt- und EPR-Vorschriften zu unterstützen und den recycelten Anteil in neuen Batterien zu verfolgen. Und schliesslich enthält er Informationen zur Erreichung der Mindestziele für die Recyclingeffizienz.
Der Batteriepass wird viele Informationen enthalten. Welche Informationen, die ebenfalls wichtig sein könnten, fehlen Ihrer Meinung nach im Batteriepass?
Eine interessante Frage. Viele Informationen sollen enthalten sein, aber einige werden fehlen und könnten ebenfalls nützlich sein. Zum Beispiel zusätzliche Informationen über die Degradationsparameter der Batterie. SoH liefert zwar einen Überblick über die Degradationsrate der Batterie, aber andere Parameter könnten helfen, die Degradationstrends der Batterien genauer zu verstehen. Beispielsweise sind die interne Impedanz und der Widerstand wichtige Parameter für die Alterung von Batterien. Meines Wissens sind sie derzeit aber nicht explizit aufgeführt. Sie könnten jedoch indirekt durch die Bewertung der Leistungskennzahlen der Batterie berücksichtigt werden. Weitere Aspekte sind das Nutzerverhalten, wie das Schnellladen und Lagerbedingungen sowie die Reparaturhistorie der Batterie.
Sind Automobilhersteller oder Regulierungsbehörden eher geneigt, die Umsetzung zu verzögern?
Das ist etwas weiter von meinem Arbeitsgebiet entfernt. Meiner Meinung nach ja – sowohl die Automobilhersteller als auch die Regulierungsbehörden. Einige Automobilhersteller bremsen den Fortschritt, um ihr geistiges Eigentum zu schützen, weil sie Haftungsrisiken oder Kosten für die Einführung des Batteriepasses befürchten. Wir sehen jedoch auch Beispiele wie Volvo, Audi oder Tesla, die Pilotprojekte zur Integration eines Batteriepasses in ihre Fahrzeuge starten. Auf der anderen Seite verlangsamen die Regulierungsbehörden den Prozess mit Bürokratie, Konsultationen usw.
Gibt es schon Verfahren und Anlagen für das Recycling von Lithiumbatterien?
Es ist wichtig, zu betonen, dass das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien jede Art von Verwertungsmassnahme umfasst, bei der Abfallstoffe zu Produkten, Materialien oder Stoffen für den ursprünglichen oder einen anderen Zweck, mit Ausnahme der energetischen Verwertung, wiederaufbereitet werden (Richtlinie 2008/98/EG, EU-Abfallrahmenrichtlinie). Dieser Prozess lässt sich in zwei Hauptphasen unterteilen: erstens die Demontage und Vorbehandlung und zweitens die Rückgewinnung wertvoller Elemente und Materialien.
In der Schweiz gibt es drei Hauptunternehmen, die sich mit dem Recycling von Altbatterien befassen: Batrec, Librec und Kyburz. Sie übernehmen primär die erste Phase des Recyclingprozesses, die die Sammlung, Demontage und Behandlung der Batterien umfasst, um die sogenannte «schwarze Masse» zu gewinnen. Bei Kyburz erfolgt zusätzlich die Rückgewinnung des aktiven Materials der Kathode und Anode sowie anderer Komponenten.
Die zweite Stufe, die Rückgewinnung einzelner chemischer Elemente aus dieser schwarzen Masse oder die Reinigung und Regenerierung der aktiven Materialien, wird in der Regel in grösseren, spezialisierten Anlagen durchgeführt. In Europa gibt es Beispiele dafür in Belgien (Umicore), Deutschland (Duesenfeld, BASF) und Frankreich (Veolia).
Für welche chemischen Elemente ist das Recycling noch nicht sehr weit fortgeschritten? Welche Elemente gehen verloren?
Bei Lithium-Ionen-Batterien gibt es noch bestimmte Elemente, für die die Recyclingtechnologien noch nicht ausgereift sind. Lithium beispielsweise weist derzeit relativ niedrige Rückgewinnungsraten auf, die je nach dem verwendeten Recyclingverfahren in der Regel zwischen 30% und 50% liegen. Die neue EU-Batterieverordnung setzt jedoch ein Ziel von 80% Lithiumrückgewinnung bis 2031, was einen erheblichen Druck auf die Industrie ausübt, diese Technologien zu verbessern. Ähnlich verhält es sich mit Mangan, das auch relativ niedrige Recyclingquoten aufweist, hauptsächlich wegen seines geringeren wirtschaftlichen Werts im Vergleich zu wertvolleren Metallen wie Kobalt und Nickel.
In Lithium-Ionen-Batterien gibt es auch nichtmetallische Werkstoffe, die heute nur sehr geringe Recyclingquoten aufweisen. Ein Beispiel ist Graphit, das während des Recyclingprozesses häufig verbrannt wird oder in den Schrottstrom gelangt. Ein weiteres Beispiel sind Lithium-Eisenphosphat-Batterien, bei denen der aktuelle Recyclingprozess häufig nur das Lithium zurückgewinnt. Die anderen Elemente gehen meist verloren. Es gibt jedoch bereits vielversprechende Verfahren im Labormassstab, die die Machbarkeit der Graphitrückgewinnung und die der anderen Elemente bei Lithium-Eisenphosphat belegen. Ein Beispiel sind direkte Recyclingverfahren, bei denen die Struktur des Materials für die Wiederverwendung erhalten bleibt.
Auch die Kunststoffkomponenten der Batterie, wie Separatoren und Gehäuse, werden heute in der Regel zur Energiegewinnung verbrannt, und nicht zu neuen Produkten recycelt. Dies trägt zwar zur Stromerzeugung bei, bedeutet jedoch einen Verlust an potenziell wiederverwendbaren Materialien.
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Zur Person
Dr. Nora Bartolomé ist Umweltchemikerin an der Empa und am Switzerland Innovation Park Biel/Bienne. Sie forscht in den Bereichen der nachhaltigen Abfallwirtschaft, Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE) sowie der Kreislaufwirtschaft.
- E-Mail Empa
- Empa, 9014 St. Gallen
- E-Mail SIPBB
- Swiss Innovation Park Biel/Bienne, 2503 Biel/Bienne