Der 3D-Druck ist angekommen
Erfahrungen, Möglichkeiten und Aussichten
Ob Schuhsohlen für Sportschuhe, Lenkräder für F1-Boliden oder Gasturbinenschaufeln – das Spektrum der 3D-druckbaren Produkte scheint unbegrenzt zu sein. Aber wie sieht es in der Praxis aus? Wo lohnt sich der Einsatz der additiven Fertigung wirklich? Und wohin wird die Reise noch gehen? Einblicke in die Welt des 3D-Drucks.
Meldungen über Produkte aus dem 3D-Drucker scheinen sich in letzter Zeit zu häufen. Adidas stellte einen neuen Sportschuh vor, dessen Sohlen additiv hergestellt werden. Der Schuh kombiniert jahrelang gesammelte Daten von Athleten, um bezüglich Dämpfung und Stabilität neue Standards zu setzen. Angestrebt werden grössere Stückzahlen – bis Ende 2018 sollen so über 100 000 Paare hergestellt werden. Dazu arbeitet Adidas mit dem Start-up Carbon aus dem Silicon Valley zusammen. Und künftig sollen dabei auch individuelle physiologische Daten berücksichtigt werden können.
Auch der Motorsport profitiert vom 3D-Druck: McLaren Honda stellt das Lenkrad seiner F1-Rennautos additiv mit einem Drucker von Stratasys her. Zudem möchte man die 3D-Drucker auch bei Trainings einsetzen, um Teile wie Halterungen für Hydraulikleitungen oder Buchsen für Kommunikationssysteme direkt an der Rennstrecke zu optimieren und auszuprobieren, ohne zeitraubenden Umweg über die Werkstatt. Um den hohen Anforderungen zu genügen, wird u.a. kohlenfaserverstärktes Polyamid verwendet. Die Partnerschaft mit Stratasys ist auf vier Jahre vereinbart.
Aber nicht nur im elitären Bereich wird dreidimensional gedruckt: Seit 2006 fertigt der in Stans beheimatete Dienstleister 3D-Prototyp GmbH Produkte mit 3D-Druckern, oder genauer, mit FDM-Anlagen von Stratasys. Der von Stratasys geschützte Ausdruck FDM steht für Fused Deposition Modeling (Schmelzschichtung). Ein alternativer, nicht geschützter Ausdruck für die gleiche Methode ist Fused Filament Fabrication (FFF).
In Stans können zwölf Kunststoffe in diversen Farben mit unterschiedlichen Eigenschaften – von biokompatibel, hitzebeständig bis zu Aviatik-zertifiziert – auf fünf Anlagen verarbeitet werden. Der Bauraum der grössten Anlage beträgt 90 x 60 x 90 cm. Investitionskosten bei dieser schweizweit wahrscheinlich grössten Anlage: rund eine halbe Million Franken.
Das Spektrum der Branchen, die an gedruckten Teilen interessiert sind, ist breit: Architekten lassen ihre Modelle drucken, Firmen aus der Luftfahrt gewisse Flugzeugkomponenten und Elektro-Unternehmen massgeschneiderte Steckdosenleisten.
Der Geschäftsführer Marcus Risi kommt ursprünglich aus dem Reprografiebereich. Vor elf Jahren hat er an einer Messe in Frankfurt einen 3D-Drucker gesehen und war fasziniert. Dann hat er an einer Messe in Erfurt einen ähnlichen Drucker gesehen und sich entschlossen, die nötigen 70 000 € zu investieren. Anfänglich hat er kiloweise Material verbraucht und ein paar schlaflose Nächte durchgestanden, bis die Resultate seinen Erwartungen entsprachen. Aber als dann einige Jahre später der 3D-Druck-Boom kam, hatte er die digitale Fertigung im Griff und konnte seine Dienste anbieten.

Die Vorteile der additiven Fertigung sieht Risi in der Realisierungsgeschwindigkeit, der Flexibilität bei der Konstruktion und der kurzen Entwicklungszeit von Werkstücken. Kunden, die einige Hundert Teile pro Jahr benötigen, beispielsweise individuelle Gussformen für Silikonguss, können sie auf Abruf bei ihm bestellen. Heute stellt er rund vier Fünftel der Teile für die Entwicklung her, den Rest direkt für Praxisanwendungen.
Auf den 3D-Druck von Metallteilen angesprochen, sagt er, dies sei nicht sein Gebiet, da es eine deutlich grössere Nachbearbeitung erfordere, es viel mehr Pulver-Abfall gäbe, der teuer entsorgt werden muss, und sowohl der Drucker als auch das Material viel teurer als Kunststoff-Druck seien.
Für den Eigenbedarf
Unweit von Stans, in einem Büro in Buochs, stehen die zwei deutlich kleineren 3D-Drucker von Reputech GmbH, die ebenfalls nach dem FFF-Prinzip arbeiten. Der Fokus der Leistungen dieses Kleinunternehmens liegt im Antriebs- und Steuerungsbau für mobile Maschinen. Die additive Fertigung wird hier vorwiegend für den Eigenbedarf eingesetzt: Es werden massgeschneiderte Gehäuse, Halterungen, Frontpanels und Zubehör für Elektronik gefertigt. Im Kundenauftrag werden Architekturmodelle, Handhabungsprototypen und Entwürfe von Künstlern (Plastiken) umgesetzt. Trotz der kleinen Drucker kann der Druck zwei- bzw. dreifarbig (wenn kein Stützmaterial nötig ist) erfolgen. Auch mit ungewöhnlichen Materialien wie TPU, glasfaserverstärktem Polyamid oder Gleitlagerkunststoffen wird produziert.
Angefangen hat es vor fünf Jahren, als Joël Bayard einen 3D-Drucker-Bausatz für 1500 CHF kaufte und mit ihm experimentierte. Schon bald stellte er fest, dass die Ergebnisse seinen Präzisionsansprüchen nicht genügten, und er modifizierte den Drucker kontinuierlich, bis die Qualität der produzierten Teile den im Maschinenbau geforderten Toleranzen entsprach. Die sichtbarste Modifikation ist der neue, robuste Aluminiumrahmen, der den ursprünglichen Rahmen ersetzt.
Seine Auseinandersetzung mit preisgünstigen 3D-Druckern führte Bayard zur Erkenntnis, dass 95 % der erhältlichen Drucker zentrale Bedingungen für eine präzise Produktion nicht erfüllen. Sie seien oft offen, wodurch die Temperatur schwanken könne. Bei guten Druckern sei der Bauraum thermisch von der Umwelt getrennt, und das optimale Produktionsklima für verzugsfreie Werkstücke könne erzeugt werden. Zudem sollte der Druckkopf möglichst leicht (ohne integrierte Motoren!) und wie die Zahnriemen ohne Spiel sein. Schwere Druckköpfe würden unkontrollierbare Einschwingbewegungen verursachen.
Der neue A4-Drucker 3NTR, in den Joël Bayard 12 000 Franken investierte, hat keine Motoren im Druckkopf und weist statt einer Luftkühlung der Kopfhalterung eine Wasserkühlung auf, die die Umgebungstemperatur im Drucker nicht beeinflusst.
Aber nicht nur mit Druckern hat Bayard Erfahrungen gemacht, sondern auch mit den Tücken des Druckvorgangs selbst. Da ist es wichtig, wie die Teile gelegt werden, damit die Stützen minimiert werden können und um durch einen möglichst optimalen Faserverlauf eine hohe Festigkeit des Werkstücks zu erreichen.
Sowohl Marcus Risi als auch Joël Bayard betonen, wie wichtig Erfahrungen sind, denn sie ermöglichen es, die optimalen Materialien zu wählen, die Prozessgeschwindigkeit zu erhöhen und die gewünschten Anforderungen zu erreichen. Was die Materialqualität und die Präzision betrifft, sind ihre Resultate praktisch gleichwertig. Die Produktion unterscheidet sich nur in der maximal möglichen Teilegrösse und den Produktionsmengen.
Aktuelle Entwicklungen
Die frühere Skepsis und auch die Überschätzung des 3D-Drucks weicht einer realistischen Einschätzung. Man ist vertraut mit den rauen Oberflächen, dem Entfernen des überschüssigen Materials, den Nachbearbeitungsschritten, den längeren Fertigungszeiten. Die Materialvielfalt und die Stärken und Schwächen der diversen Methoden sind bekannt.
Bezüglich Festigkeit wird Erstaunliches erreicht: Siemens stellte kürzlich mittels Lasersintern hergestellte Turbinenschaufeln für eine 13-MW-Gasturbine vor, die 13 000 Umdrehungen pro Minute bei über 1250 °C aushalten. Die Schaufeln bestehen aus einer Legierung mit polykristallinem Nickel.
Gleichzeitig geht die Entwicklung weiter. Es wird an neuen Verfahren gearbeitet, die z.B. ohne Stützstrukturen auskommen; andererseits werden neue Materialien mit besonderen Eigenschaften erforscht, um neue Einsatzgebiete zu erschliessen. Ersteres ist u.a. ein Extrusions-3D-Druck, der mit sechs Achsen arbeitet und deshalb das Produkt nicht wie beim 3-Achsen- Druck von unten nach oben, sondern entsprechend der eigentlichen Struktur aufbaut. Ein solches, an der Technischen Hochschule Köln entwickeltes Verfahren kommt ohne Stützstrukturen aus und hat den Vorteil, dass die äusseren Strukturen der Werkstücke beanspruchungsgerecht aufgebaut werden. Ausserdem spart man Material sowie Produktions- und Nachbearbeitungszeit.
Strukturen können auch realisiert werden, die sonst unmöglich wären: An der Empa werden beispielsweise Abgaskatalysatoren konstruiert, die eine höhere katalytische Aktivität mit weniger Edelmetallen erreichen. Zudem können die Kaltstartemissionen drastisch vermindert werden, wenn die Katalysatoren kurz mit Mikrowelle aufgeheizt werden. Einiges hat sich also bei der additiven Fertigung schon bewährt, aber einige Überraschungen dürfte sie künftig noch bereit halten.
3D-Druck
Beim 3D-Druck werden Werkstücke schichtweise aus Kunststoff, Metall oder Keramik nach digitalen Modellen aufgebaut. Das erste 3D-Druckverfahren, die Stereolithographie, wurde 1981 von Charles Hull erfunden. Das Lasersintern und das Fused Deposition Modeling folgten 1987. Die Polyjet-Technologie wurde 13 Jahre später eingeführt. Insgesamt gibt es über 15 verschiedene 3D-Druckmethoden. Manche setzen zur Härtung Licht oder Hitze ein, andere tragen die Materialien mit Extrudern auf oder verschmelzen sie mit Lasern oder Elektronenstrahlen. Je nach Verfahren ist das Ausgangsmaterial pulverförmig, flüssig oder liegt als Folie oder als Faden vor.
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