Fachartikel Automation

Der 3D-Druck ist angekommen

Erfahrungen, Möglichkeiten und Aussichten

08.11.2017

Ob Schuhsohlen für Sport­schuhe, Lenkräder für F1-Boliden oder Gas­tur­binen­schaufeln – das Spek­trum der 3D-druck­baren Produkte scheint unbe­grenzt zu sein. Aber wie sieht es in der Praxis aus? Wo lohnt sich der Einsatz der addi­tiven Ferti­gung wirklich? Und wohin wird die Reise noch gehen? Einblicke in die Welt des 3D-Drucks.

Meldungen über Produkte aus dem 3D-Drucker scheinen sich in letzter Zeit zu häufen. Adidas stellte einen neuen Sport­schuh vor, dessen Sohlen additiv herge­stellt werden. Der Schuh kombi­niert jahrelang gesam­melte Daten von Athleten, um bezüglich Dämp­fung und Stabi­lität neue Standards zu setzen. Angestrebt werden grössere Stück­zahlen – bis Ende 2018 sollen so über 100 000 Paare her­gestellt werden. Dazu arbei­tet Adidas mit dem Start-up Carbon aus dem Silicon Valley zusammen. Und künftig sollen dabei auch individuelle physio­logische Daten berück­sichtigt werden können.

Auch der Motor­sport profitiert vom 3D-Druck: McLaren Honda stellt das Lenk­rad seiner F1-Renn­autos additiv mit einem Drucker von Stratasys her. Zudem möchte man die 3D-Drucker auch bei Trainings einsetzen, um Teile wie Halte­rungen für Hydraulik­leitungen oder Buchsen für Kommuni­kations­systeme direkt an der Renn­strecke zu opti­mieren und auszu­probieren, ohne zeitrau­benden Umweg über die Werk­statt. Um den hohen Anfor­derun­gen zu genügen, wird u.a. kohlen­faser­verstärktes Poly­amid verwendet. Die Partner­schaft mit Stratasys ist auf vier Jahre vereinbart.

Aber nicht nur im elitären Bereich wird drei­dimen­sional gedruckt: Seit 2006 fertigt der in Stans behei­matete Dienst­leister 3D-Prototyp GmbH Produkte mit 3D-Druckern, oder genauer, mit FDM-Anlagen von Stratasys. Der von Stratasys geschützte Ausdruck FDM steht für Fused Deposition Modeling (Schmelz­schichtung). Ein alter­nativer, nicht geschützter Ausdruck für die gleiche Methode ist Fused Filament Fabrication (FFF).

In Stans können zwölf Kunst­stoffe in diversen Farben mit unter­schied­lichen Eigen­schaften – von bio­kom­patibel, hitze­beständig bis zu Aviatik-zertifiziert – auf fünf Anlagen verar­beitet werden. Der Bauraum der grössten Anlage beträgt 90 x 60 x 90  cm. Investitions­kosten bei dieser schweiz­weit wahr­scheinlich grössten Anlage: rund eine halbe Million Franken.

Das Spektrum der Branchen, die an gedruckten Teilen interes­siert sind, ist breit: Architek­ten lassen ihre Modelle drucken, Firmen aus der Luft­fahrt gewisse Flugzeug­kom­ponenten und Elektro-Unter­nehmen mass­geschneiderte Steck­dosen­leisten.

Der Geschäfts­führer Marcus Risi kommt ursprünglich aus dem Repro­grafie­bereich. Vor elf Jahren hat er an einer Messe in Frankfurt einen 3D-Drucker gesehen und war fasziniert. Dann hat er an einer Messe in Erfurt einen ähnlichen Drucker gesehen und sich entschlossen, die nötigen 70 000  € zu investieren. Anfäng­lich hat er kilo­weise Material verbraucht und ein paar schlaflose Nächte durchgestanden, bis die Resultate seinen Erwar­tungen ent­sprachen. Aber als dann einige Jahre später der 3D-Druck-Boom kam, hatte er die digitale Fertigung im Griff und konnte seine Dienste anbieten.

Die Vorteile der additiven Ferti­gung sieht Risi in der Realisie­rungs­geschwin­digkeit, der Flexibi­lität bei der Konstruktion und der kurzen Entwick­lungszeit von Werkstücken. Kunden, die einige Hundert Teile pro Jahr benö­tigen, beispiels­weise individuelle Guss­formen für Silikonguss, können sie auf Abruf bei ihm bestellen. Heute stellt er rund vier Fünftel der Teile für die Entwicklung her, den Rest direkt für Praxis­anwen­dungen.

Auf den 3D-Druck von Metall­teilen ange­sprochen, sagt er, dies sei nicht sein Gebiet, da es eine deutlich grössere Nach­bear­beitung erfordere, es viel mehr Pulver-Abfall gäbe, der teuer entsorgt werden muss, und sowohl der Drucker als auch das Material viel teurer als Kunststoff-Druck seien.

Für den Eigenbedarf

Unweit von Stans, in einem Büro in Buochs, stehen die zwei deutlich kleineren 3D-Drucker von Reputech GmbH, die ebenfalls nach dem FFF-Prinzip arbeiten. Der Fokus der Leistungen dieses Kleinunternehmens liegt im Antriebs- und Steue­rungs­bau für mobile Maschinen. Die additive Fertigung wird hier vorwie­gend für den Eigen­bedarf eingesetzt: Es werden mass­geschnei­derte Gehäuse, Halterungen, Frontpanels und Zubehör für Elektronik gefertigt. Im Kundenauftrag werden Architektur­modelle, Hand­habungs­prototypen und Entwürfe von Künstlern (Plastiken) umgesetzt. Trotz der kleinen Drucker kann der Druck zwei- bzw. dreifarbig (wenn kein Stützmaterial nötig ist) erfolgen. Auch mit ungewöhn­lichen Materia­lien wie TPU, glas­faser­verstär­ktem Polyamid oder Gleitlager­kunst­stoffen wird produziert.

Angefangen hat es vor fünf Jahren, als Joël Bayard einen 3D-Drucker-Bausatz für 1500  CHF kaufte und mit ihm experi­men­tierte. Schon bald stellte er fest, dass die Ergeb­nisse seinen Präzisions­ansprüchen nicht genüg­ten, und er modifi­zierte den Drucker kontinuierlich, bis die Qualität der produ­zierten Teile den im Maschinenbau geforderten Toleranzen entsprach. Die sicht­barste Modifi­kation ist der neue, robuste Aluminium­rahmen, der den ursprüng­lichen Rahmen ersetzt.

Seine Auseinander­setzung mit preis­günstigen 3D-Druckern führte Bayard zur Erkenntnis, dass 95 % der erhält­lichen Drucker zentrale Bedin­gungen für eine präzise Produk­tion nicht erfüllen. Sie seien oft offen, wodurch die Tempe­ratur schwanken könne. Bei guten Druckern sei der Bauraum thermisch von der Umwelt getrennt, und das optimale Produktions­klima für verzugsfreie Werk­stücke könne erzeugt werden. Zudem sollte der Druckkopf möglichst leicht (ohne integrierte Motoren!) und wie die Zahnriemen ohne Spiel sein. Schwere Druck­köpfe würden unkontrol­lierbare Einschwing­bewe­gungen verursachen.

Der neue A4-Drucker 3NTR, in den Joël Bayard 12 000 Franken investierte, hat keine Motoren im Druck­kopf und weist statt einer Luft­kühlung der Kopf­halterung eine Wasser­kühlung auf, die die Umgebungs­tempe­ratur im Drucker nicht beeinflusst.

Aber nicht nur mit Druckern hat Bayard Erfah­rungen gemacht, sondern auch mit den Tücken des Druck­vorgangs selbst. Da ist es wichtig, wie die Teile gelegt werden, damit die Stützen minimiert werden können und um durch einen möglichst optimalen Faser­verlauf eine hohe Festig­keit des Werk­stücks zu erreichen.

Sowohl Marcus Risi als auch Joël Bayard betonen, wie wichtig Erfah­rungen sind, denn sie ermög­lichen es, die optimalen Mate­rialien zu wählen, die Prozess­geschwindig­keit zu erhöhen und die gewün­schten Anforde­rungen zu erreichen. Was die Material­qualität und die Präzision betrifft, sind ihre Resultate praktisch gleichwertig. Die Produk­tion unter­scheidet sich nur in der maximal möglichen Teile­grösse und den Produktions­mengen.

Aktuelle Entwicklungen

Die frühere Skepsis und auch die Über­schätzung des 3D-Drucks weicht einer realistischen Ein­schätzung. Man ist vertraut mit den rauen Oberflächen, dem Ent­fernen des über­schüssigen Materials, den Nach­bearbeitungs­schritten, den längeren Ferti­gungs­zeiten. Die Material­vielfalt und die Stärken und Schwächen der diversen Methoden sind bekannt.

Bezüglich Festigkeit wird Erstaun­liches erreicht: Siemens stellte kürzlich mittels Lasersintern hergestellte Turbinen­schaufeln für eine 13-MW-Gas­turbine vor, die 13 000 Umdre­hungen pro Minute bei über 1250 °C aushalten. Die Schaufeln bestehen aus einer Legierung mit polykristallinem Nickel.

Gleichzeitig geht die Entwicklung weiter. Es wird an neuen Verfahren gearbeitet, die z.B. ohne Stütz­strukturen auskommen; anderer­seits werden neue Materialien mit besonde­ren Eigen­schaften erforscht, um neue Einsatz­gebiete zu erschlies­sen. Ersteres ist u.a. ein Extrusions-3D-Druck, der mit sechs Achsen arbeitet und deshalb das Produkt nicht wie beim 3-Achsen- Druck von unten nach oben, sondern entspre­chend der eigent­lichen Struktur aufbaut. Ein solches, an der Technischen Hochschule Köln entwickeltes Verfahren kommt ohne Stützstrukturen aus und hat den Vorteil, dass die äusseren Strukturen der Werkstücke beanspru­chungs­gerecht aufgebaut werden. Ausser­dem spart man Material sowie Produktions- und Nach­bearbeitungs­zeit.

Strukturen können auch realisiert werden, die sonst unmöglich wären: An der Empa werden beispiels­weise Abgas­kataly­satoren konstruiert, die eine höhere kataly­tische Aktivität mit weniger Edel­metallen erreichen. Zudem können die Kalt­start­emis­sionen drastisch vermindert werden, wenn die Kataly­satoren kurz mit Mikro­welle aufgeheizt werden. Einiges hat sich also bei der additiven Fertigung schon bewährt, aber einige Überraschungen dürfte sie künftig noch bereit halten.

Autor
Radomír Novotný

ist Chefredaktor des Bulletins Electrosuisse.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

3D-Druck

Beim 3D-Druck werden Werk­stücke schicht­weise aus Kunst­stoff, Metall oder Keramik nach digi­talen Model­len auf­gebaut. Das erste 3D-Druck­ver­fah­ren, die Stereo­litho­graphie, wurde 1981 von Charles Hull erfunden. Das Laser­sintern und das Fused Depo­sition Model­ing folgten 1987. Die Polyjet-Techno­logie wurde 13 Jahre später ein­ge­führt. Ins­ge­samt gibt es über 15 ver­schie­dene 3D-Druck­methoden. Man­che setzen zur Härtung Licht oder Hitze ein, an­dere tragen die Mate­ria­lien mit Extru­dern auf oder ver­schmel­zen sie mit Lasern oder Elek­tronen­strahlen. Je nach Ver­fah­ren ist das Aus­gangs­mate­rial pulver­förmig, flüs­sig oder liegt als Folie oder als Faden vor.

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