Defekten Lautsprechern neues Leben geschenkt
Interview — Herausforderungen, Vorurteile und Erfolge
Als Kind interessierte sich Ruth Vonier nicht für Technik, mit Schraubenziehern spielte sie nie. Aber lange reparierte sie im Zürcher Niederdorf Lautsprecher – vom kleinen Heimmodell bis zum 30-kg-Kasten fürs Hallenstadion. Ihr Laden wurde auch zu einem Art Quartiertreff, in dem sich Leute trafen, um über Persönliches zu sprechen.
Bulletin: Wie sind Sie zu Ihrem technischen Beruf gekommen?
Ruth Vonier: Ursprünglich hatte ich als Verkäuferin bei Globus gearbeitet, aber jemand machte mich darauf aufmerksam, dass in der Nähe meiner Wohnung bei einem Lautsprecher-Reparateur jemand gesucht wurde. Ich stellte mich vor und bekam die Stelle. Ich dachte, dass ich das nie lernen könnte – ohne jegliche technische Ausbildung. Ich habe es dann aber schnell gelernt und war ein Jahrzehnt angestellt, bevor sich der Geschäftsführer altershalber zurückzog und das Geschäft verkaufte. Sein Nachfolger hat sich schon bald aus dem Geschäft zurückgezogen und ich übernahm es alleine. Lange war ich die einzige in der Schweiz, die Lautsprecher repariert hat. Ich bekam Pakete aus allen Kantonen, auch von Musikhäusern.
Was hat Ihnen an Ihrer Arbeit besonders gefallen?
Nebst dem persönlichen Kontakt war es erfüllend, wenn die Kunden zufrieden waren. Es kam auch vor, dass jemand zurückkam, um zu sagen, dass die Lautsprecher nach der Reparatur nun sogar besser tönten. Es scheint mir, dass früher die Ansprüche an den Klang höher waren. Heute muss es manchmal einfach genug laut sein.
Gab es bei gewissen Lautsprechern auch Defekte, die Sie nicht beheben konnten?
Eigentlich nicht, denn entweder konnte ich die defekten Spulen als Ersatzteile bestellen oder, wo dies nicht möglich war, selber nachbauen. Natürlich mit der gleichen Impedanz. Dies war meistens bei Lautsprechern der Fall, die zuhause verwendet wurden. Bei ihnen musste auch häufig die brüchig gewordene Schaumstoffaufhängung durch Gummisicke ersetzt werden, die dann nie mehr kaputt ging.
Manchmal kamen berühmte Musiker, die im Hallenstadion spielten, mit defekten Lautsprechern zu mir, die dann express vor dem Konzert repariert werden mussten. Die Original-Ersatzteile für diese teuren Geräte bekam ich oft bei Jecklin. Zudem bildete sich jeweils am Montag nach der Streetparade eine Schlange vor dem Geschäft mit defekten Lautsprechern. Da die Verstärker damals noch keine Limiter hatten, verbrannten die Spulen manchmal. Heute mit den Begrenzern passiert es nicht mehr. Das war früher noch spannend.
Mit welchen Reaktionen von Kunden wurden Sie als Frau konfrontiert?
Die meisten Kunden waren ja Männer, Frauen befassten sich weniger mit Lautsprechern. Männer waren oft sehr skeptisch, als sie sahen, dass eine Frau die Reparaturen ausführt. Aber als sie die Lautsprecher dann wieder zuhause hatten, war es vorbei mit der Skepsis. Manche kamen sogar für eine positive Rückmeldung zurück.
Wer war Ihr grösster Kunde?
Die SBB lieferten ab und zu rund 60 Lautsprecher mit einem Lastwagen, um die Membranen und 4-Ohm-Spulen zu ersetzen. Das war praktisch, denn da konnte ich alle Spulen gleichzeitig wickeln, die waren ja gleich gross. Ich kann mich aber nicht mehr daran erinnern, ob die Lautsprecher für die Innenräume der Züge oder für die Ansagen draussen verwendet wurden. Andere Kunden mussten dann ein wenig länger auf ihre Reparaturen warten, was ich aber mit einem Rabatt kompensierte.
Ist Musik für Sie im Privatleben wichtig oder geniessen Sie lieber die Stille?
Früher lief der Radio bei mir den ganzen Tag. Leider sind meine Lautsprecher jetzt defekt. Die flicke ich aber nicht mehr selber, sondern kaufe neue. Musik bedeutet mir viel.
Zur Person
Ruth Vonier reparierte von 1966 bis zu ihrer Pensionierung vor 16 Jahren Lautsprecher. Ihr Geschäft war zunächst an der Napfgasse und dann an der Spiegelgasse in Zürich. Im ersteren werden jetzt Spirituosen verkauft, im letzeren ist ein Juwelier tätig. Als gelernte Verkäuferin ohne technischen Hintergrund war der Anfang eine Herausforderung, aber schon bald war die Qualität Ihrer Arbeit schweizweit bekannt.
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