Fachartikel Energieeffizienz , Gebäudeautomation , ICT

Datenpools im Gebäudesektor

Grundlage für Effizienz und Nachhaltigkeit

03.08.2023

Digitale gebäude­technische Anlagen liefern heute eine riesige Menge an Daten. Bislang werden diese jedoch nur ein­ge­schränkt genutzt. Dabei sind Daten der Schlüssel für das klima­neutrale, energie- und ressourcen­effiziente Gebäude der Zukunft. Die Voraussetzung dafür bieten digitale, Cloud-basierte Lösungen für das Gebäude­manage­ment.

Für die Energiewende sind Gebäude ein entscheidender Schlüssel, denn etwa ein Drittel des weltweiten Energieverbrauchs entfällt auf Immobilien. Um den Gesamtenergieverbrauch des Sektors zu senken, müssen viele Hebel in Bewegung gesetzt werden: Raumwärme und Warmwasser, Beleuchtung und Klimakälte, aber auch die Antriebstechnik für Belüftungsanlagen, Türen und Fenster oder Regelungstechnik sowie die Raum- und Flächennutzung bieten grosses Potenzial für Effizienzverbesserungen.

Gebäude­manage­ment mit Digitalisierung optimieren

Motoren und Antriebstechnik für Ventilatoren, Pumpen oder andere hydraulische Komponenten sind Beispiele dafür, wie zeitgemässe «Hardware» mit hohen Wirkungs­graden zu einer verbesserten Energieeffizienz in Gebäuden beitragen kann. Immer klarer wird jedoch, dass der wesentliche Schlüssel für einen Wandel hin zu klimaneutralen Gebäuden, die die Energiewende entscheidend unterstützen, im Bereich der Software liegt.

Die Digitalisierung im Gebäude­manage­ment bezieht sich auf die Integration von digitalen Technologien und Daten in den Betrieb, die Wartung und das Management von Gebäuden. Mit ihr können Gebäudebetreiber und -eigentümer die Effizienz und Rentabilität ihrer Gebäude steigern, indem sie Daten zur Überwachung und Analyse der Gebäudeleistung nutzen.

Die Digitalisierung im Gebäude­manage­ment umfasst diverse Technologien und Systeme. Dazu zählen:

  • Gebäude­automations­systeme: Diese Systeme automatisieren die Steuerung von Gebäude­funktionen wie Beleuchtung, Heizung, Lüftung und Klimatisierung, um den Energieverbrauch zu optimieren und gleichzeitig das Benutzererlebnis zu verbessern.
  • Sensoren und Überwachungs­systeme: Diese Systeme überwachen verschiedene Aspekte des Gebäudebetriebs, wie den Energieverbrauch, die Raumbelegung, die Luftqualität und die Sicherheit für Nutzer und Infrastruktur, damit Betreiber Probleme identifizieren und präventive Massnahmen ergreifen können.
  • Datenanalyse und -management: Diese Technologien ermöglichen die Sammlung, Analyse und Verwaltung von Daten zur Optimierung von Betriebsabläufen und zur Wartung und Planung von langfristigen Strategien.
  • Cloud-basierte Lösungen: Ortsunabhängige Cloud-Technologien bieten Flexibilität, Einfachheit, Effizienz, Skalierbarkeit und Integration, die die Gebäude­auto­mati­sierung verbessern, sogar über mehrere Standorte hinweg, und die Energieeffizienz und Kosteneinsparungen erhöhen.
  • Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen: Diese Technologien befähigen Gebäudesysteme, die Umgebung und die Verhaltensweisen der Nutzer wahrzunehmen, mit dem Beobachteten zu interagieren und auf Basis von Mustererkennung Vorhersagen zu treffen, Probleme vorausschauend zu lösen und die Leistung von Gebäuden kontinuierlich zu verbessern.

 

Mit diesen Systemen können digitalisierte intelligente Gebäude dazu beitragen, die Betriebskosten zu senken, die Energieeffizienz zu erhöhen, die Gebäudeleistung zu optimieren und das Benutzererlebnis zu verbessern.

Vorteile des digitalen Daten­manage­ments

Entscheidend für den Erfolg von Digitali­sierungs­projekten bei bestehenden Gebäuden und bei intelligenten Gebäuden der Zukunft ist die ganzheitliche Generierung und Nutzung von Daten über alle Gewerke und Hierarchieebenen des Gebäude­manage­ments hinweg. Daten­manage­ment  im Gebäude bedeutet also die Erfassung, Speicherung, Verarbeitung, Analyse und Nutzung sämtlicher Daten. Diese umfassen zum einen Daten, die im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Wartung von Gebäuden anfallen, wie Energieverbrauch, Temperatur- und Feuchtigkeitswerte, Beleuchtung, Luftqualität, Sicherheitsüberwachung und Zugangskontrolle. Zum anderen können diese Daten beliebig durch weitere kontextuale Daten wie Wetter, tagesaktuelle Ereignisse oder Wartungsdaten und Statistiken von Bauteilen nach Bedarf ergänzt werden.

Digitales Daten­manage­ment  in Gebäuden bietet Betreibern zahlreiche Vorteile:

  • Effizienzsteigerung: Durch die automatisierte Analyse von Gebäudedaten können Betreiber den Energieverbrauch optimieren, Wartungsbedarfe vorhersagen und die Betriebskosten senken.
  • Erhöhte Sicherheit: Bewegungsdaten lassen sich nutzen, um potenzielle Sicherheits­bedrohungen zu identifizieren und präventive Massnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit von Gebäuden und Personen zu gewährleisten.
  • Verbessertes Nutzungs­erlebnis: Durch die kontinuierliche Steuerung und Analyse von Parametern wie Luftqualität, Temperatur und Beleuchtung können Betreiber das Wohlbefinden der Menschen im Gebäude erhöhen.
  • Echtzeit­überwachung: Digitales Daten­manage­ment ermöglicht eine Echtzeitüberwachung von Gebäuden. So können die Betreiber schnell auf Probleme reagieren und sie lösen, bevor es zu langen Ausfällen kommt. Durch datengetriebene präventive Wartung lassen sich Ausfälle sogar vollständig vermeiden.
  • Datengestützte Entschei­dungs­findung: Durch die Analyse von Daten können Betreiber fundierte Entscheidungen treffen und langfristige Strategien zu Investition und Nutzungsverhalten entwickeln, um die Effizienz und Rentabilität ihrer Gebäude zu steigern.

 

Dazu werden Technologien auf der Feldebene (Sensoren usw.) sowie auf der Steuerungs- und der Managementebene (wie Gebäude­auto­matisie­rungs­systeme und Datenanalysetools) eingesetzt. Mit den richtigen Tools bietet digitales Daten­manage­ment  in Gebäuden damit eine umfassende und proaktive Methode zur Überwachung, Optimierung und Verbesserung der Betriebsabläufe. Echtzeit-Daten und KI ermöglichen eine deutlich dynamischere Reaktion auf tatsächliche Gegebenheiten und deren Randbedingungen – im Gegensatz zur bisherigen programmierten planbasierten Automation.

Datensilos bremsen Gebäude­manage­ment aus

Die Automatisierung von Gebäuden ist heute weit fortgeschritten. Dennoch haben selbst digitale Systeme bislang stets spezifische Zwecke: etwa zur Steuerung von Heizung, Lüftung und Klimatechnik (HLK), Sicherstellung des Brandschutzes oder der Zutrittskontrolle. Auch die dabei erhobenen Daten werden bislang streng hierarchisch genutzt. Betreiber benötigen verschiedene Systeme, die untereinander nicht standardisiert kommunizieren können. Es existiert eine Vielzahl von Datensilos, in denen Informationen über das Gebäude gespeichert sind.

Die zielgerichteten, voneinander isoliert arbeitenden Systeme für die Gebäudesteuerung spiegeln sich auch in der Automati­sierungs­hierarchie wider. Diese entsprach bisher einer «A-Form»: Auf der untersten Ebene der Hierarchie schicken Sensoren Daten selektiv an eine darüberliegende Steuerungsebene. Diese generiert aus den Daten ausgewählte Informationen und kommuniziert sie an eine Management­ebene, die die Spitze des «A» beschreibt. Um die dabei in Summe entstehende Datenflut inter­pretierbar und für das Gebäude­manage­ment ganzheitlich nutzbar zu machen, müssen die Datensilos auch aus logischer Sicht durchbrochen werden.

Bildlich gesprochen, muss aus dem «A» also ein «X» werden. Das heisst: An verschiedenen lokalen und logischen Orten im Gebäude und in der Cloud entstehen Daten, etwa aus der Automati­sierung, aus dem Industrial Internet of Things (IIoT), aus der Gebäude­struktur oder der Raumbelegung. Diese werden an zentraler Stelle zusammengeführt. Im Mittelpunkt dieses «X» steht ein ganzheitliches Management-Tool. Diese Plattform dient der nahtlosen Integration aller Gebäude­systeme. Mit ihrer Hilfe erhalten neue berechtigte Akteure und Anwendungen stets alle nötigen Informationen. Daten stehen so nicht mehr allein einem bestimmten Zweck zur Verfügung, sondern können neu kombiniert und – mit Kontextdaten ergänzt – neue Anwendungen erschliessen bzw. traditionelle Automati­sierungs­aufgaben effizienter gestalten.

Künstliche Intelligenz macht den Bestand smart

Um die Herausforderungen für die verschiedenen Akteure im Gebäude­lebens­zyklus zu bewältigen, gilt es also, sämtliche Datensilos zu durchbrechen. Ziel ist es, eine «Single Source of Truth» zu schaffen: Mit einem allgemein­gültigen Daten­bestand, auf den Besitzer und Betreiber sich jederzeit verlassen können, werden Komplexität und Widersprüche beseitigt und die Effizienz entscheidend verbessert.

Gerade bei Bestandsgebäuden ist für diesen disruptiven Wandel von heterogenen Einzelsystemen zu einem einheitlichen Datenmodell des Gebäude­manage­ments meist ein Reengineering der Daten erforderlich und der Art, wie sie generiert werden. Eine wesentliche Heraus­forderung ist dabei die Unter­schied­lichkeit der Datenmodelle der Hersteller von Auto­matisie­rungs­systemen. Hinzu kommt, dass Teilsysteme in Gebäuden oft von mehreren Unternehmen oder Mitarbeitern konfiguriert wurden. Dabei wurden teils Räume in verschiedenen Systemen unterschiedlich benannt, teils wurden Sensoren während der Kommis­sionierung nicht korrekt verortet oder benötigte Geräte­infor­mationen nicht auffindbar gespeichert.

Building Information Modeling (BIM) schafft bei solchen Problemen Abhilfe. Die digitale Methode zur Planung, Konstruktion und Verwaltung von Gebäuden stützt sich auf ein digitales 3D-Modell des Gebäudes, das alle relevanten Informationen wie Konstruktionsdetails und Materialien, Kosten, Zeitpläne oder Wartungshinweise enthalten kann. Selbst wenn für bestehende Gebäude BIM-Daten existieren, sind die genannten Probleme jedoch nicht zwangsläufig gelöst. Denn BIM-Daten werden auf einen von Projekt zu Projekt unterschiedlichen, bestimmten Zweck hin erstellt und verwendet. Diese Verwendungen beziehen sich heute bislang meist nur auf die Geometrie und ursprüngliche Planung des Gebäudes. Die Erstellung eines Gebäudezwillings für den Betrieb war hingegen bisher kaum das Ziel. So bilden BIM-Daten nur selten elektrische Gebäudesysteme und -sensorik ab. Zudem repräsentieren sie meist nur den Planungs­zustand und nicht den gebauten Ist-Zustand eines Gebäudes. Auch Echtzeitdaten und Informationen über die Automatisierung fehlen in BIM-Datenbeständen typischerweise.

Ein Reengineering aller nötigen Daten wird deshalb voraussichtlich vor allem für grössere Gebäude erfolgen, deren Lebenszyklusende noch nicht absehbar ist. Ihr Wandel hin zum intelligenten Gebäude kann mittelfristig jedoch mit maschinellem Lernen unterstützt werden. Mit modularen Applikationen auf Basis von KI werden sich Daten aus verschiedenen Systemen effizient und kostengünstig umwandeln und verknüpfen lassen.

Umfassende digitale Kooperation

Einfacher ist die Nutzung digitaler Lösungen für das Gebäude­manage­ment durch Planer und Bauträger, Besitzer und Betreiber von Neubauten. Die Erstellung eines Gebäudezwillings muss als BIM-Ziel definiert und umgesetzt werden. Im Mittelpunkt steht dabei ein sogenanntes Common Data Environment (CDE): ein zentraler digitaler Speicherort, an dem alle relevanten Informationen über ein Gebäude schon in der Projektphase gespeichert und geteilt werden können. CDE ist ein Teil des BIM-Prozesses und ermöglicht die Zusammenarbeit und den Informations­austausch zwischen den am Bauprojekt Beteiligten.

Über die Planungs- und Bauphase hinweg kann ein CDE auch dazu beitragen, dass Gebäude effektiver gewartet werden, indem ein einfacher Zugang zu wichtigen Informationen über das Gebäude und seine technischen Systeme geboten wird. Werden vom Beginn des Lebenszyklus an Informationen über Anlagen, Sensoren, ihre Positionierung im Gebäude und alle weiteren relevanten Komponenten maschinenlesbar gesammelt und kontinuierlich aktualisiert, können Tools für das Gebäude­manage­ment in der Nutzungsphase direkt auf diese Daten zugreifen und so zusätzlichen Aufwand vermeiden. In Zukunft sollte aber auch das Sammeln ohne Zusatzaufwand erfolgen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Tools bei Engineering und Kommis­sionie­rung ihr Ergebnis im gemeinsamen Zwilling speichern und so ein Reengineering obsolet machen.

Neue Perspek­tiven für den Gebäude­sektor

Wenn Datensilos aufgebrochen werden und eine Single Source of Truth entsteht, eröffnen sich für Besitzer und Betreiber von Gebäuden spannende Möglichkeiten: Sie können die Energie- und Ressourcen­effizienz ihrer Assets verbessern, Wartungs­mass­nahmen voraus­schauend und kosten­schonend planen und durchführen und die Eigenschaften aller Gebäude­bereiche kontinuierlich an die sich ändernden Bedarfe und Nutzungs­para­meter anpassen.

In intelligenten Gebäuden mit ganzheitlichem Daten­manage­ment  ist es beispielsweise möglich, zeitplan­gesteuertes Heizen und Kühlen durch ein adaptives Heiz- und Kühlregime zu ersetzen, das zahlreiche relevante Faktoren berücksichtigt: nicht nur Wochentag und Uhrzeit, sondern auch die Anzahl der Personen im Gebäude, den Sonnenstand und die Wetter­vorhersage. Der Energiebedarf kann so unter Berück­sichtigung aller Anforderungen der Nutzer optimiert werden. Das kontinuierliche oder regelmässige Auswerten von Daten und eine intelligente Fehler-Ursachen-Analyse ermöglicht Betreibern, den tatsächlichen technischen Wartungsbedarf automatisch zu erkennen. Wenn es zu unvorhergesehenen Wartungs- oder Reparatur­mass­nahmen kommt, hilft die Positionierung von Anlagen in einem 3D-Modell mit der Verknüpfung der System­topologie mit den räumlichen Strukturen bei der schnellen, einfachen Fehlerbehebung.

Vorteile für alle Interessengruppen

Im Mittelpunkt des intelli­genten Gebäudes steht der Nutzer mit seinen Erwar­tungen an einen angenehmen Aufenthalt im Gebäude. Für Besitzer und Betreiber wiederum wird es durch die konsequente Digitalisierung des Gebäude­manage­ments möglich, diese Anforde­rungen mit dem eigenen Bedürfnis nach höchster Effizienz zu verbinden – sowie mit der gesell­schaftlichen und politischen Erwartung, den Gebäudesektor zum klima­neutralen Vorreiter zu machen.

Autor
Frederik De Meyer

ist Business Segment Head «Digital Buildings» bei Building Products.

  • Siemens Smart Infrastructure,
    6300 Zug
Autor
Christian Metzger

ist Strategy Project Manager bei Building Products

  • Siemens Smart Infrastructure,
    6300 Zug

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