Fachartikel Erneuerbare Energien , Mobilität

Das Elektroauto ökologisch machen

Die Rolle der Infrastruktur

11.12.2019

Vorzugsweise kleine, leichte Stadtautos, die direkt mit Strom aus erneuerbaren Quellen geladen werden, könnten helfen, die ökologischen Nachhaltigkeitsziele schneller zu erreichen. Gleichzeitig muss der elektrische öffentliche Verkehr mit Zug, Tram und Bus weitere Anteile gewinnen. Steigt nur die Anzahl der elektrifizierten SUVs, bringt die Elektromobilität wenig.

Vor einem Jahrhundert waren weltweit etwa gleich viele Verbrennungsautos unterwegs wie heute Elektroautos. Damals war nicht ersichtlich, mit welchem Nutzen und welchen Problemen die Gesellschaft später durch die Nutzung fossiler Treibstoffe konfrontiert werden würde. Heute ist wieder Zeit für eine Veränderung – bezüglich Antriebstechnologie und der entsprechenden Infrastruktur.

In fünf Jahren soll ein Viertel der zu verkaufenden Autos elektrisch sein, in 20 Jahren soll die ganze neue Flotte im Betrieb CO2-frei sein. So die Kommunikation der deutschen Autokonzerne von Daimler bis VW. Aber setzt dies der erfolglosen Ökologisierung des Verkehrs der letzten Jahrzehnte wirklich etwas entgegen? Die Schweiz erreicht die meisten der vor zwei Jahrzehnten gesetzten CO2-Einsparziele. Im Sektor Gebäude wurde ein Viertel eingespart, bei der Industrie ein Fünftel – aber im Verkehr verfehlt die Schweiz die Ziele völlig, denn die absolute Emissionsmenge blieb in diesem Sektor unverändert. Mit einem Anteil von einem Drittel ist der Verkehr der grösste Sektor der Treibhausgas-Emissionen.

Die Diskussion rund ums Elektroauto blendet oft aus, woher der Strom zum Laden kommt. Dabei ist dies für die strategischen Überlegungen, sowohl ökologisch wie wirtschaftlich, entscheidend. Aber auch die Batterie­grösse ist zentral. Eine grosse Reichweite ist ein ökologischer Killer, wenn das Auto täglich nur kürzere Strecken fährt. Konkrete Zahlenwerte illustrieren diese Überlegungen in den folgenden zwei Beispielen.

Rechenbeispiel Batterie

Eine bekannte Ikone der Elektromobilität mit Reichweiten von über 500 km hat eine Batteriekapazität von 90 kWh. Mit aktuell rund 100 kg CO2-Emission für die Produktion einer kWh des Batteriemoduls [1] sind bei diesem grossen Elektro-PW 9 t CO2 angefallen, bevor er sich überhaupt bewegt hat. Werden damit über zehn Jahre jährlich nur 10’000 km gefahren, ergeben sich 90 g CO2 pro km, wenn man nur die reine Batterieherstellung berücksichtigt. Dieser Emissionswert entspricht aber der Zielvorgabe für Verbrennungsmotoren des BFE für 2020.

Fazit ist, dass kurze Fahrstrecken kleine Batteriespeicher benötigen. Richtwert: 10’000 km jährlich und 30 kWh Speicher ergibt für die Batterie etwa 30 g CO2/km Emission bei zehn Betriebsjahren.[2] Diese Lösung ist deutlich ökologischer als die Verbren­nerziele 2020, sofern mit Ökostrom und ohne Zwischenspeicher getankt wird.

Rechenbeispiel Ladestrom

Im Mittel liegt der Verbrauch von Elektrofahrzeugen mit einem Gewicht von 1,5 t bei 150 Wh pro km, was etwa 1,5 l Benzin pro 100 km entspricht. Entsprechend niedrig sind auch die Stromkosten. Schwere Elektroautos brauchen bis zu 250 Wh/km, wenn die Verluste beim Schnelllader berücksichtigt werden und unter 100 Wh/km, wenn das Elektroauto weniger als eine Tonne wiegt.

Im europäischen Kraftwerkmix fallen pro erzeugter kWh 466 g CO2 an, in der Schweiz nur 182 g CO2.[3] Somit belastet der Ladestrom aus dem europäischen Netz beim durchschnittlichen Elektroauto die Umwelt mit 70 g CO2 pro gefahrenem Kilometer. Mit dem Schweizer Kraftwerksmix sind es 27 g CO2, mit Solarstrom geladen weniger als 15 g CO2 pro km.[2]

Das schwere Elektroauto mit 90 kWh Batterien und 200 Wh/km Verbrauch, mit dem europäischem Strommix ­geladen, kommt mit 20’000 km Jahresfahrleistung und Emission der Batterieherstellung auf 138 g CO2/km. Die Emissionswerte sind somit nicht günstiger als der Durchschnitt von 134 g CO2/km für Neuwagen 2018 in der Schweiz.[4] Geladen mit Solarstrom landet das schwere Elektroauto aber total bei nur rund 60 g CO2/km, also unter der Hälfte der neuen Verbrenner.

Diese Analyse macht klar, wie wichtig die Verfügbarkeit von sauberem Ladestrom ist. Der solare Carport erfüllt diese ökologische Forderung optimal, denn mit ihm sind 2 kW PV-Leistung über einem 5 m mal 2,5 m grossen Stellplatz möglich. Der Solarstrom, der direkt zum Laden eingesetzt wird, kann so im Jahresmittel eine solare Reichweite von täglich bis zu etwa 30 km ermöglichen. PV-Carports werden verstärkt für den Markt entwickelt werden, da sie ökologisch die meisten Vorteile bringen. Können bei ansprechenden Designlösungen entsprechende Stückzahlen erreicht werden, lässt sich eine Marktdurchdringung bei Arbeitgebern, Supermärkten oder öffentlichen Parkplätzen problemlos erreichen.

Das Konzept, sein Elektroauto zu Hause über Nacht zu laden, über die am Tag geerntete Solarenergie der eigenen PV-Anlage, klingt vielversprechend für einen hohen Autonomiegrad. Aber wenn man den CO2-Rucksack der 10-kWh-Lithiumbatterie im Keller berücksichtigt, so sind es pro km rund 10 g CO2-Emission für die Herstellung der Kellerbatterie, die noch dazukommen. Das ist also verkraftbar. Und vielleicht setzen sich im Gebäude statt ­Lithium andere Batterietechnologien durch, da ja das Gewicht kaum eine Rolle spielt. Heute sind aber die Kosten für die Batterie im Keller noch hoch. Zudem funktioniert dieses Konzept in den Wintermonaten nicht zufriedenstellend. Sobald aber der Ölpreis wieder steigt, wird viel möglich werden.

Da das Auto rund 23 h am Tag steht, könnte es in dieser Zeit am Netz mit geringer Leistung geladen werden. Mit der Begrenzung der Ladeleistung auf rund 5 kW könnte über die Arbeitszeit dem Batteriespeicher genug Energie zugeführt werden, um die typische tägliche Fahrstrecke von etwa 30 km zu ermöglichen. Dies würde zudem die Stromnetze am Parkplatz des Arbeitgebers oder des Supermarktes entlasten. Öffentliche Parkplatzbewirtschafter könnten sich mit dem «slow charger» die Strommessung ersparen und den stündlichen Franken Stromkosten auf die Platzmiete pauschal anrechnen, mit einem Zusatz des Investitionskostenanteils der Ladestation.

Träumen wir aber von synthetischen Kraftstoffen, so reichen die 20% der heutigen Stromerzeugung für den Ladestrom aller Autos nicht aus. Aufgrund der Wirkungsgradkette für die Produktion von grünem Sprit über Wasserstoff würde dann etwa die gesamte Stromerzeugung von heute nur fürs Auto gebraucht werden. Obwohl wir vielleicht die nötigen Finanzmittel dafür hätten, fehlen in der Schweiz die erforderlichen Flächen.[5]

Referenzen

[1] Li 100 kg CO2 pro kWh aus Han Hao et al., Sustainability 2017, 9, 504.

[2] H. Neumann, F. Baumgartner, D. Schär, Prog. of PV, EUPVSEC, September 2011.

[3] Quelle Strommix/CO2-Äquivalente: Umweltbilanz Strommix Schweiz Treeze im Auftrag BAFU, 2016; Verbrauchermix: 181,5 g CO2-eq/kWh, ENTSO-E: 466 g CO2-eq/kWh; PV-Anlage Schweiz: 80,5 g CO2-eq/kWh; siehe auch Faktenblatt PV, www.swissolar.ch.

[4] Neuwagen 134 g CO2/km in 2018 und Zielwert 2020 unter 100 g CO2/km, 2010 aber bei 160 g CO2/km; www.bafu.admin.ch.

[5] Bei gleichem Investment und einem Rohölpreis von 60 $ pro Barrel steht zum Laden von Elektroautos mindestens die dreifache Energiemenge zur Verfügung, wenn sie mit Solarstrom und Windstrom geladen werden. Mark Levis, «Wells, Wires, and Wheels ...», Bank BNP Paribas, August 2019.

Autor
Prof. Dr. Franz Baumgartner

ist Studien­gang­leiter Energie- und Umwelt­technik SoE an der ZHAW.

  • ZHAW, 8400 Winterthur

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