Fachartikel Eigenverbrauch , Energieeffizienz , Erneuerbare Energien

Dank Power-to-Gas mehr Biogas produzieren

CO2 als nutzbarer Energieträger

03.10.2017

Eine Testanordnung von Energie 360° und des Paul Scherrer Instituts PSI zur Umwandlung von Strom in Gas zeigt, dass eine industrielle Nutzung dieses Verfahrens in greifbare Nähe gerückt ist. Statt reines CO2 wurde dabei erstmals reales Rohbiogas eingesetzt.

Energie 360° und das Paul Scherrer Institut PSI haben in einer 1000-stündigen Testphase aufgezeigt, dass die Umwandlung von Strom in Gas – kurz Power-to-Gas – nicht nur eine dringend gesuchte Speichermöglichkeit für erneuerbare Energie sein kann, sondern gleichzeitig die Produktion von Biogas deutlich erhöht und aus CO2 einen nutzbaren Energieträger macht. Erstmalig wurde dazu nicht reines CO2, sondern reales Rohbiogas, ein Methan-/CO2-Gemisch, verwendet. Die industrielle Nutzung wird damit greifbar.

Bedarf, Energie zu speichern

Die Energiestrategie 2050 des Bundes sieht einen Ausbau der neuen erneuerbaren Energien vor. Photovoltaik-Anlagen und Windräder erzeugen erneuerbaren Strom, allerdings nur bei schönem Wetter und kräftigem Wind – dann manchmal sogar zu viel Strom. Bei Flaute, Nebel oder in der Nacht fällt die saubere Energie komplett weg. Diese Schwankungen in der Stromproduktion stellen eine Herausforderung dar.

«Je mehr Solar- und Windkraftanlagen in Zukunft installiert werden, desto akuter wird das Problem ihrer Einbindung in die bestehende Infrastruktur», sagt Peter Jansohn, Projektleiter Energy Systems Integration am PSI. Mit dem Power-to-Gas-Projekt sucht das PSI nach Antworten auf die Frage, wie die schwankende Stromproduktion aus Wind und Sonne auch in der Schweiz optimal zu nutzen wäre. Der Weg ist eigentlich klar: Es gilt, die überschüssige Elektrizität zu speichern, respektive in einen anderen Energieträger zu wandeln und erst bei Bedarf zu nutzen.

Power-to-Gas heisst die vielversprechendste Technologie, und die Idee dahinter steckt schon im Namen: Hat es zu viel Strom im Netz, soll er nicht vernichtet werden, indem zum Beispiel Windräder angehalten werden. Stattdessen soll er dazu verwendet werden, ein energiereiches Gas herzustellen, das als solches genutzt oder gespeichert werden kann.

Mit einem Anteil von über 13 % am Endenergieverbrauch sind Erdgas und Biogas in der Schweiz nach Erdöl und Elektrizität der drittwichtigste Energieträger. Drei Viertel der Schweizer Bevölkerung sind an den Leitungen des rund 20 000  km langen Gasnetzes angeschlossen. Es ist also eine Infrastruktur vorhanden, diskret im Boden vergraben, die quasi unsichtbar grosse Mengen an Energie transportieren, aber auch speichern kann.

Produktion von erneuerbarem Gas respektive Biogas steigern

Erneuerbares Gas wird in Form von Biogas schon seit 20  Jahren ins Erdgasnetz eingespeist. In den vergangenen zehn Jahren konnte die inländische Produktion auf 308  GWh (2016) verzehnfacht werden. Die Schweizer Gaswirtschaft ist bestrebt, den Beitrag von erneuerbarem Gas an die Schweizer Gasversorgung kräftig zu erhöhen. Durch Steigerung der inländischen Produktion und Importe soll ein Anteil von 30 % am Wärmemarkt bis 2030 erreicht werden. Gemäss Abschätzungen ist schweizweit noch grosses Potenzial für Energie aus Biomasse vorhanden, welches es zu erschliessen gilt – der grösste Teil davon in der Landwirtschaft.

Ein grosser Teil des in der Schweiz erzeugten Biogases wird heute noch in Blockheizkraftwerken direkt verstromt. Dies ist aus der Perspektive des Energienutzens schlechter als eine Einspeisung in das Gasnetz, bedingt durch die limitierten Wirkungsgrade der Gasmotoren und die nicht nutzbaren Wärmeüberkapazitäten. Aufgrund der Kostendeckenden Einspeisevergütung KEV ist die direkte Verstromung auch dort noch verbreitet, wo ein Gasnetz für eine Einspeisung bereits vorhanden wäre. Der so produzierte erneuerbare Strom muss ungeachtet des Bedarfs ins Stromnetz eingespeist und abgeführt werden, da der vorgelagerte Prozess zur Gewinnung des Rohbiogases mehrheitlich kontinuierlich läuft, wie zum Beispiel in einem Klärwerk. So trägt der heute etablierte Prozess der Kraft-/Wärmekopplung zeitweise bereits zu Überkapazität am Strommarkt bei, während das erzeugte Biogas problemlos im bestehenden Gasnetz zwischengespeichert und verschiedenen Endanwendungen (unter anderem auch in Gasfahrzeugen) zugeführt werden könnte.

Die Direktmethanisierung hat Potenzial

Eine Potenzialabschätzung, die im Rahmen des Power-to-Gas-Projekts erstellt wurde, zeigt, dass durch die Direktmethanisierung von Biogas aus Klär- und Vergärwerken die Einspeisung von erneuerbarem Gas deutlich gesteigert werden kann. Hier setzen Energie 360° und das PSI an: Rohbiogas, das durch die Vergärung von biogenen Abfällen und in Klärwerken entsteht, besteht zu einem grossen Teil aus Methan. Es enthält aber auch einen etwa 40-prozentigen Anteil an CO2, der in herkömmlichen Biogasaufbereitungsanlagen vor der Einspeisung ins Gasnetz abgetrennt wird. Dieses im Rohbiogas enthaltene CO2 kann mit der Power-to-Gas-Technologie durch Zugabe von erneuerbarem Wasserstoff direkt in zusätzliches Methan umgewandelt werden. So lässt sich die Produktion von erneuerbarem Gas um 60 % steigern.

Würden sämtliche Schweizer Klär- und Vergärwerke, die bereits Biogas produzieren und sich in der Nähe eines Gasnetzes befinden, auf die Power- to-Gas-Technologie umgebaut, könnte die Einspeisung von erneuerbarem Gas in der Schweiz von aktuell 308 auf 1400  GWh gesteigert werden.

Das in der Schweiz bestehende Potenzial an möglichen Power- to-Gas-Anlagen erstreckt sich auf fast 100 Anlagen, wobei der grösste Anteil (79 Anlagen) im Bereich der Klärwerke liegt. Die meisten dieser Anlagen erzeugen aus dem gewonnenen Klärgas durch Wärmekraftkopplung Strom und Wärme. Bei einem Umbau dieser Anlagen auf Einspeisung ins Gasnetz mit Power-to-Gas würde zwar die heute erzeugte Bandenergie von etwa 300  GWh elektrischem Strom im Jahr wegfallen; stattdessen könnte man mit einer gewissen Flexibilität aber rund 900  GWh Strom aus Photovoltaik und Wasserkraft speichern.

Wirtschaftlichkeit durch Stromkosten bestimmt

Wichtig ist auch der ökonomische Aspekt. «Die Power-to-Gas-Lösung lohnt sich nur, wenn die Umwandlung von Strom zu Gas möglichst effizient abläuft: 70  Prozent der elektrischen Energie können bei der Speicherung in Wasserstoff gerettet werden. Rund 60  Prozent gelten bei der Speicherung in Methan als Richtwert. Trotz der Umwandlungsverluste ist dieser Prozess sinnvoll, da er erlaubt, anderweitig nicht verwertbaren Strom aus Wind- und Solarkraftwerken gasförmig zu speichern», sagt Peter Dietiker, Mitglied der Geschäftsleitung von Energie 360°. «Bereits heute produzieren wir in der Schweiz Biomethan in einem Umfang, der klimapolitisch und wirtschaftlich relevant ist. Wir arbeiten darauf hin, ‹überschüssigen› Strom aus erneuerbarer Produktion in den nächsten Jahren zur Erzeugung von Biomethan zu nutzen.»

Die Frage, ob die Technologie wirtschaftlich betrieben werden kann respektive ob das zusätzliche Methan zu gleichen Kosten erzeugt werden kann wie Methan, das durch den konventionellen Biogasprozess erzeugt wird, steht im Zentrum. Im Vergleich zu Erdgas hat Biogas heute einen ökologischen Mehrwert, aber auch höhere Herstellungskosten. Der dadurch höhere Preis für Biogas wird aber vollumfänglich durch die Kundschaft getragen, was ermöglicht, eine konventionelle Biogasaufbereitungsanlage ohne staatliche Fördermittel wirtschaftlich zu betreiben.

Die spezifischen Investitions- und Betriebskosten pro kWh Gas (ohne den zur Elektrolyse nötigen Strom) einer Power-to-Gas-Anlage sind durch die höhere Gasproduktion mit einer konventionellen Biogasaufbereitungsanlage vergleichbar. Ob sich die Biome­than-Herstellung mittels Power-to-Gas wirtschaftlich rechnet, hängt daher grösstenteils von den Stromkosten bei der Elektrolyse ab.

Demonstrationsanlage Power-to-Gas

Zur Methanisierung stehen verschiedene, teilweise schon länger bekannte Verfahren zur Verfügung. Mit der Demonstrationsanlage «Cosyma» (Bild  oben) gehen das PSI und Energie 360° im Zürcher Klär- und Vergärwerk Werdhölzli einen neuen Weg: In einem Feldtest wurde die Direkt-Methanisierung von Biogas eingesetzt, also die Methanisierung eines Rohgasgemisches, ohne das CO2 vorher abzutrennen. Bei der Direkt-Methanisierung wird das CO2 durch Zugabe von Wasserstoff in Methan umgewandelt. Ein neu entwickelter Wirbelschichtreaktor (Bild  unten) bringt die Wasserstoff- und die CO2-Moleküle mit Hilfe eines Nickelkatalysators zur Reaktion, sodass sie sich zu Methan verbinden. Das bereits im Biogas enthaltene Methan passiert den Reaktor unverändert, während das CO2 mit zugeführtem Wasserstoff zu zusätzlichem Methan reagiert.

Das Rohbiogas strömt von unten in den Reaktor und wird durch eine Verteilerplatte gleichmässig über den Querschnitt des Reaktors verteilt. Das Gas trifft dann auf die mit Nickel beschichteten Katalysatorpartikel und wirbelt diese auf. Dabei läuft auf der Oberfläche des Nickels die eigentliche Methanisierungsreaktion ab, bei der CO2 und H2 zu CH4 und H2O reagieren. «Wir setzen einen Wirbelschichtkatalysator ein, weil dieser in einer einzigen Reaktionsstufe eine hohe Methanausbeute ermöglicht und die im Prozess entstehende Wärme dank der Partikelverwirbelung gut abgeführt werden kann», sagt Peter Jansohn, in dessen Labor der Reaktor entwickelt wurde.

Die Betriebstemperatur liegt bei 300 bis 350 °C. Sie ist genügend hoch gewählt, dass der aus Nickel gefertigte Katalysator optimal arbeitet, aber nicht zu hoch, weil das die Methanausbeute mindern würde. Die Reaktionswärme wird über einen Wärmetauscher abgeführt und kann für beliebige Zwecke genutzt werden. Eine zweite wichtige Einflussgrösse neben der Temperatur ist die Menge des zugeführten Wasserstoffs: Wird zu wenig Wasserstoff eingesetzt, droht eine Verkokung des Reaktors, wird zu viel verwendet, bleibt am Reaktorausgang Restwasserstoff übrig, was nicht erwünscht ist, da dieser den Methananteil reduziert.

Bei der Demonstrationsanlage im Klärwerk Werdhölzli bestand das Gasgemisch nach Verlassen des Wirbelschichtreaktors und nach der Trocknung (Wasserabtrennung mittels Kondensation) aus 85–89 % Methan, 10–12 % Wasserstoff und 1–2 % CO2. Um einspeisefähiges Biomethan zu erhalten, sind also neben der Methanisierung zwei weitere Prozessschritte nötig: Zuerst die erwähnte Trocknungsstufe; nachfolgend wird der nicht umgesetzte Wasserstoff über eine H2-Membran abgetrennt und zur Wirbelschicht zurückgeführt. Ist das Gas trocken genug und verfügt es über einen hinreichend hohen Methan-Anteil (>96 %) sowie einen H2-Anteil von weniger als 2  Vol.-%, kann es als Biomethan ins Netz eingespeist werden.

Technische Erkenntnisse und Ausblick der Entwicklung

Der Dauerversuch hat gezeigt, dass der Katalysator stabil genug ist, um über eine technisch relevante Dauer erfolgreich betrieben zu werden. Im ganzen Versuchsablauf wurden Umsätze sehr nahe am thermodynamischen Limit, also nahe dem höchsten möglichen Umsatz, erreicht (Bild  unten). Weitere Analysen während des Dauerexperiments zeigten, dass einerseits auch der mechanische Abrieb der herumwirbelnden Katalysatorteilchen im Reaktor sehr klein ist, und anderseits auch die Gasreinigung auf die zahlreichen im Rohgas gemessenen Schwefelverbindungen angepasst werden konnte.

Da mit dem Reaktortyp der gekühlten Wirbelschicht zur Methanisierung schon in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht worden sind (bei einer Anlage in Österreich mit einer Gas-Produktionsleistung von 1  MW, die mit einem Holzvergaser gekoppelt wurde), steht einer Hochskalierung dieses Verfahrens in den semikommerziellen Massstab nichts mehr im Wege. Erste Designberechnungen zeigen zudem, dass der Reaktor deutlich kleiner ist als alternative Reaktorkonzepte (zwei- bis fünffach).

Parallel zu den anstehenden Umsetzungsaktivitäten nutzt das PSI Experimente an einer neu erbauten Pilotanlage, um die Dynamik des Reaktors und das Wärmeübertragungsverhalten noch besser zu untersuchen und so zu optimieren.

Autor
Dr. Serge Biollaz

ist Gruppenleiter Thermo-chemische Prozesse am Paul Scherrer Institut PSI.

  • Paul Scherrer Institut PSI, 5232 Villigen
Autor
Andreas Kunz

ist Leiter Energie-Anlagen bei Energie 360°.

  • Energie  360°, 8010 Zürich

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