Dank KI sicherer und komfortabler ans Ziel kommen
Fortschritte beim automatisierten Fahren
Technologische und methodische Errungenschaften führen bei der Forschung zur automatisierten Mobilität dazu, dass aus grösseren Datenmengen bessere Modelle erlernt werden können. Dies erhöht die Sicherheit – und zugleich die Akzeptanz in der Bevölkerung. Das ist entscheidend, denn ohne Letztere ist eine kommerzielle Nutzung kaum denkbar.
Bulletin: Welche technologischen Fortschritte wurden beim autonomen Fahren in den letzten zwei, drei Jahren gemacht?
Gregory Baratoff: Robotaxi-Firmen wie Waymo, Cruise, Argo.ai, Pony.ai, Yandex haben ihre Fahrzeugflotten graduell erweitert, mit ihnen grosse Datenmengen aufgenommen und diese für ein performanteres Fahrverhalten genutzt. Dies betrifft zwei Entwicklungsbereiche, nämlich das Verbessern der Umgebungs- und Fahrmodelle sowie deren Absicherung. Mittels Methoden der künstlichen Intelligenz – allen voran Deep Neural Networks – können aus den grösseren Datenmengen präzisere Modelle der stationären Verkehrsumgebung, des Aussehens und Verhaltens verschiedener Verkehrsteilnehmer, des Einflusses von Witterungsbedingungen etc. angelernt werden. Dafür haben die beteiligten Firmen in grosse Daten- und Rechenserver investiert. Die enorme Steigerung der Rechenleistung ist aber auch für die Absicherung des Systemverhaltens des autonomen Systems nötig. In den letzten Jahren ist man vermehrt dazu übergegangen, nicht nur zuvor aufgenommene Szenarien nachzusimulieren, sondern auch strukturell ähnliche, indem man die Szenarien in 3D rekonstruiert und mit Fuzzing die Parameter variiert, die die Umgebung definieren, beispielsweise die Position und das Verhalten von Autos oder Fussgängern, oder die Position von Verkehrsschildern, Ampeln oder Hindernissen.
Und was sind heute die Hauptforschungsgebiete?
Trotz der grösseren Datenmengen decken die erwähnten Verfahren nur ab, was in den angetroffenen oder ähnlichen Szenarien konkret passiert. Zudem müssen die Daten manuell annotiert werden, bevor daraus bessere Modelle erlernt werden können. Dies ist sehr teuer und wird deshalb nur auf einen kleinen Ausschnitt der Daten angewendet. In der Forschung geht man deshalb den folgenden Fragen nach: Wie kann aus vorhandenen annotierten Daten besser auf ähnliche Situationen generalisiert werden? Also einer Verbesserung der Trainingsmethoden. Dann wird die Frage nach dem Edge Case Mining gestellt: Wie kann man gezielt Problemszenarien finden, ohne wie beim Fuzzing grosse Parameterräume durchsimulieren zu müssen? Und schliesslich arbeitet man am un-supervised/self-supervised Learning: Wie kann man die enorme Menge an nicht-annotierten Daten nutzen, um die Performance zu verbessern?
Befassen sich Hersteller auch mit juristischen Fragen, beispielsweise, wer bei einem Unfall haftet?
Die Fahrzeughersteller nehmen die Aufgabe ernst, da sie wissen, dass ohne eine Klärung der Haftpflicht das autonome Fahren in der Bevölkerung nicht akzeptiert würde. Letztlich ist ohne diese Akzeptanz keine erfolgreiche kommerzielle Nutzung möglich.
Und wann kommt das komplett vollautomatische Fahren der Stufe 5?
Die meiste Entwicklungsarbeit beim autonomen Fahren konzentriert sich aktuell noch auf die Stufe 4, bei der sich die operative Domäne auf eine geografische Region, die zuvor sorgfältig kartiert wurde, gute Witterungsbedingungen, ausreichend gute Verkehrs-Infrastruktur (Spurmarkierungen, Verkehrsschilder, Ampeln, Strassenbeleuchtung) beschränkt. Diese Einschränkungen sind aktuell nötig, damit das System die Sicherheit der Fahrgäste gewährleisten und sie bequem an ihren Zielort bringen kann. Diese Grenzen des Systems werden über die nächsten Jahre nach und nach erweitert werden, so dass autonome Fahrzeuge flächendeckender eingesetzt werden können.
Zur Person
Seit zwei Jahrzehnten befasst sich Gregory Baratoff mit der digitalen Bild- und Signal-Verarbeitung und der Entwicklung von Sensoren und Fahrerassistenzsystemen in der Automobilbranche. Vor über vier Jahren verliess er Europa, um zum koreanischen Unternehmen Hyundai Mobis zu stossen, bei dem er nun das Autonomous Vehicles Lab leitet.
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