Verband CES , Energienetze , Infrastruktur

CEN/Cenelec-Seminar «Bauprodukte» vom 4. Dezember 2019

Gemeinsames Verständnis für die Rolle harmonisierter Standards schaffen

29.05.2020

Am 4. Dezember 2019 fand ein CEN/Cenelec-Seminar in Brüssel statt, das sich mit harmonisierten Standards, welche die EU-Verordnung für Bauprodukte unterstützen (EU Nr. 305/2011), befasste. Dies betrifft die «Joint initiative on Standardisation» (JIS), Action  5. Dabei sollte ein gemeinsames Verständnis für die Rolle harmonisierter Standards im CPR-Kontext geschaffen werden. Die Rolle der verschiedenen Akteure sollte klargestellt und die Verwendung eines vereinfachten Verfahrens zur Änderung bestehender Mandate untersucht werden. Zudem sollte die Massnahme den Prozess der Einführung neuer Klassen und Schwellenwerte in harmonisierten Standards verbessern.

Hintergrund dieses Seminars war u. a., dass viele Normenprojekte zu diesem Thema, die von den European Standardisation Organisationen (ESO) eingereicht und/oder zu erstellen waren, nicht oder nicht fristgereicht realisiert werden konnten und als sogenannte hEN (harmonisierte Europäische Norm) dem Markt zur Verfügung standen. Betroffen waren zahlreiche CEN-Dokumente.

Was ist eine hEN?

Als hEN wird von der Europäischen Kommission eine Europäische Norm bezeichnet, die von ESO (im Einzelnen CEN, Cenelec, ETSI) im Rahmen eines von der Europäischen Kommission erteilten Mandats, Standardisation Request (Sreq), als «harmonisierte Norm» (hEN) erstellt wurde. Diese werden im Europäischen Amtsblatt, englisch Official Journal OJ, publiziert. Siehe auch «Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 (‹Blue Guide›)».

Für Produkte, die konform zu hEN sind und im OJ veröffentlicht wurden, gilt die sog. Konformitätsvermutung (d.  h. bei Anwendung einer harmonisierten Norm ist automatisch von der Konformität mit den wesentlichen Anforderungen, die sie abdeckt, auszugehen). Die von den ESO erstellten Normen werden mit speziellen Anhängen versehen, die die abzudeckenden rechtlichen Anforderungen enthalten, die durch den sogenannten HAS Consultant bewertet werden («Compliance Assessment»), welches seit dem 1. April 2018 in der heutigen Form angewendet wird.

Was sind «wesentliche Anforderungen an eine hEN»?

Primär geht es um die Leistungsmerkmale, Sicherheits- und Risikoanforderungen von Produkten, die in Verkehr gebracht werden sollen. Wesentliche Anforderungen definieren die zu erzielenden Ergebnisse oder die abzuwendenden Gefahren, ohne jedoch die technischen Lösungen dafür festzulegen, gemäss dem Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016 («Blue Guide»).

Ein Rückblick

Die JIS will die EU-Normungspolitik modernisieren, die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas und von EU-Institutionen verbessern und die Normungsgemeinschaft zu noch engeren Partnern machen.

Die JIS Action 5 brachte zur Umsetzung der Bauprodukte-Regulierung die verschiedenen Akteure von Bauprodukten, Standardisierungsorganisationen (CEN- und Cenelec-TC/SC-Vertreter) zusammen. Die JIS – Action 5 «CPR-Procedure to develop a Standardisation Request» hat in einem Papier zusammengefasst, welche Regelungen notwendig sind, um einen Standardisation Request (SReq), früher Mandat genannt, zu beschreiben, damit Anforderungen an Bauprodukte erfolgreich die Hürde als hEN nehmen und ohne grosse Verzögerungen im Europäischen Amtsblatt (OJ) veröffentlicht werden können.

Status quo – Allgemein

Die seitens der ESO erarbeiteten Dokumente wurden/werden aus verschiedenen Gründen nicht im OJ publiziert, z.  B. aus formalen Gründen oder zusätzlichen Anforderungen. Nach wie vor werden Konzepte/Begrifflichkeiten der Construction Product Directive CPD verwendet, die ein Vorläufer der CPR war. Auch Themen wie undatierte Referenzen, zurückgezogene Normen und deren Nutzung in entsprechenden Dokumenten sind nicht vereinbar mit dem Thema Rechtssicherheit. Dazu kommen unterschiedliche Sichtweisen der Stakeholder und/oder in Bezug auf den Auftrag via Mandat bzw. Standardisation Request SReq.

Viele Interessenvertreter (engl. Stakeholder) waren mit der Situation aus unterschiedlichen Gründen unzufrieden. Kurzfristig ist eine wesentliche Änderung der Situation kaum zu erwarten. Verschiedene Lösungsansätze werden innerhalb der ESOs als auch mit der europäischen Kommission diskutiert. Die Sicht der Stakeholder, auch intern, scheint indifferent zu sein.

Status quo – Schweiz

Das Bundesgesetz über Bauprodukte BauPG, SR 933.0, mit der nachgelagerten Verordnung über Bauprodukte BauPV, SR 933.01 bilden die CPR in der Schweiz ab.

Der elektrotechnische Bereich ist hiervon nur am Rande betroffen, in erster Linie betrifft es die Kabel. Die notwendigen Normen sind verfügbar und auch, wo nötig respektive gefordert, im OJ aufgeführt. Die Zuordnung, welche Kabelkasse/Performance in welchem Bauwerk unter welchen Rahmenbedingungen zu installieren ist, ist nur in den seltensten Fällen Seitens des Regulators vorgegeben. Diese Lücke stellte die Marktteilnehmer (Hersteller sowie Anwender, sprich Planer und Installateure) aus unterschiedlichsten Gründen vor grosse Herausforderungen. Deshalb fanden sich die schweizerischen Kabelwerke und einige Grossanwender unter der Leitung des Electrosuisse/CES in einer Arbeitsgruppe mit dem Namen «CPR Cable» zusammen, welche Empfehlungen für die Umsetzung der Gesetze und Verordnungen im Markt Schweiz für die Marktteilnehmer erstellte. Die Empfehlungen sind frei zugänglich und können bei Electrosuisse kostenfrei bezogen respektive heruntergeladen werden.

Weiterhin hat man ein Rollenkonzept für die Marktteilnehmer Schweiz entwickelt, inklusive deren Verantwortlichkeiten. Dieses Konzept unterstützt die Marktteilnehmer bei der Wahrnehmung bzw. Erkennung ihrer Rechte und Pflichten.

Auch wenn die Empfehlungen der Arbeitsgruppe «CPR Cable» nicht ­bindend sind, so kann man sagen, dass sie von den Marktteilnehmern als sehr hilfreich angesehen werden und die Unsicherheit bei allen Marktteilnehmern bezüglich Anwendung reduzieren.

Ein möglicher Ausweg – Projekt Acquis

Ende 2019 wurde erstmals ein alternativer Ansatz offiziell auch an die Mitgliedsländer kommuniziert, der nun unter dem Projektnamen Acquis diskutiert wird. Damit soll erneut versucht werden, die bekannten Nachteile der verzögerten Veröffentlichung von hENs mit einem neuen System zu eliminieren.

Mit dem Projekt Aquis wird nur der Bauproduktebereich, also der Regulierungsbereich der CPR, erfasst. Das Bundesamt für Bauten und Logistik BBL hat über die Eidgenössische Bauproduktekommission (BauPK) die Initiative ergriffen und eine Begleitgruppe gebildet, welche unter Einbezug der National Standard Organisations via SNV und den betroffenen Fachbereichsträgern, z.B. CES und SIA, Fachpersonen sucht, welche ihren Beitrag zu leisten gewillt sind. Wie viele Experten sich am Projekt aus der Schweiz beteiligen, ist derzeit noch offen.

Autor
Alfred Furrer

ist Sekretär CES.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

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