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Buch: Was das Valley denken nennt

Über die Ideologie der Techbranche

06.01.2021

Die grossen Unternehmen des Silicon Valley stehen ab und zu im medialen Rampenlicht – sei es, weil sie anscheinend den Datenschutz zu wenig ernst nehmen oder weil ihre Steuerstrategien nicht von allen Ländern goutiert werden. Eine Perspektive wird dabei oft ausgeblendet: die der Ideologien und Denkweisen, die diese Technologiefirmen prägen. Dieser Perspektive ist dieses aus dem Englischen übersetzte Taschenbuch gewidmet.

Man taucht darin zunächst ein in die Welt der glorifizierten Studienabbrecher. Anschliessend in die These von Marshall McLuhan: «Das Medium ist die Botschaft» und wie sich diese zu den kalifornischen digitalen Plattformen verhält. Einerseits behaupten die Anbieter dieser Plattformen, Letztere «hätten revolutionäres Potenzial», aber schliesslich sind sie froh, wenn man ihnen abnimmt, dass sie für die auf den Plattformen verbreiteten Inhalte eigentlich nicht verantwortlich sind – und deshalb rechtlich nicht belangt werden dürfen.

Im Buch wird ein Statement gemacht, das vieles, was man aus Zeitungen kennt, auf den Punkt bringt: «Das Valley gibt sich gerne den Anstrich, intensiv zu debattieren, obwohl dort in Wahrheit Debatten weder geführt werden noch erwünscht sind.» Der Abgang der renommierten KI-Forscherin Timnit Gebru bei Google ist ein aktuelles Beispiel dafür.

Erfrischend ist auch das Schlusskapitel, in dem der Begriff des Scheiterns untersucht wird. Im Silicon Valley erfreut sich dieser Begriff scheinbar einer hohen Popularität. Ausgehend vom «fail better» – von Samuel Beckett übernommen und neu gedeutet – wird aufgezeigt, wie sich das Verständnis dieses Begriffs in der Tech-Branche fast schon zu einem Garant für Erfolg entwickelt hat. Es wird darauf hingewiesen, dass das Scheitern im Valley einen lokalen Charakter hat, wo es «in Blisterfolie gepackt» wird. Das Scheitern derer, die in mittlerweile wertlose Aktien investiert haben und die finanziellen Einbussen direkt am eigenen Leib spüren, wird dort ausgeblendet.

Diese Aussensicht des Literaturprofessors Adrian Daub auf die grossen Technologie­unternehmen tut gut, denn das verzerrte und verzerrende Denken gewisser prägenden Persönlichkeiten, auf dessen Essenz man dann in Marketing-Slogans trifft, wird durchschaut. Daub plädiert dafür, nicht jede Disruption als solche zu akzeptieren, sondern durch einen kritischen, historisch geschärften Blick auch die von den Erfindern bestrittene Kontinuität zu würdigen. Nicht alles ist so neu, wie es scheinen möchte. Implizit ist dies ein Plädoyer für einen nüchternen Umgang mit den digitalen Medien statt einer grundsätzlichen Ablehnung oder einem blinden Vertrauen.

Adrian Daub, Suhrkamp Verlag, Taschenbuch, 159 Seiten, ISBN 978-3-5181-2750-6, CHF 24.–.

 

Autor
Radomír Novotný

ist Chefredaktor des Bulletins Electrosuisse.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

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