Biologisch wirksames Licht für privaten Einsatz
LED-Leuchte integriert Funktionalitäten in einem Gehäuse
Ob in der Natur, zu Hause oder am Arbeitsplatz: Licht ist für den Menschen ein Lebenselixier. Es macht wach, regt die kognitive Leistungsfähigkeit an und eicht die «innere Uhr». Diese sogenannte melanopische Wirkung gilt für Tageslicht. Aber auch Kunstlicht kann an den menschlichen Schlaf-Wach-Rhythmus angepasst werden. An der Hochschule Luzern wurde eine Leuchte entwickelt, die ein solches melanopisch wirksames Licht erzeugt und für den privaten Gebrauch geeignet ist. Der Beitrag wirft einen Blick auf biologische und technische Hintergründe, das funktionale Design und die Möglichkeiten der Leuchte.
Die Basis für die Entwicklung von biologisch wirksamen Leuchten, von sogenannter circadianer Beleuchtung, bilden verschiedene Aspekte. Dazu gehören neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Aufbau des Auges und zur Wirkung von dessen Sensorzellen sowie die Weiterentwicklung insbesondere der LED-Technik, der Sensortechnologie und der Embedded-Computer-Technik. Das Competence Center Electronics (CC Electronics) der Hochschule Luzern – Technik & Architektur hat auf Basis dieser Erkenntnisse und Technologien eine innovative Leuchte entwickelt und ist dank dem funktionsfähigen Demonstrator in der Lage, das gewonnene Know-how in weitere angewandte Forschungsprojekte einfliessen zu lassen.
Natürliche Regelung der Melatonin-Produktion
Erst 2001 haben Wissenschaftler entdeckt, dass es im Auge Zellen gibt, die nicht für das Sehen zuständig sind, sondern bei der Synchronisation der «inneren Uhr» des Menschen mithelfen. Über diesen Wirkungsmechanismus steuert der natürliche Tageslichtverlauf den Spiegel des Schlafhormons Melatonin: Tagsüber wird dessen Ausschüttung gehemmt, nachts steigt der Hormonspiegel an. Aber auch mit einer geeigneten Beleuchtung kann diese Tag-Nacht-Rhythmik beeinflusst werden. Das untenstehende Bild zeigt, welches Licht eine circadiane Kunstlicht-Beleuchtung erzeugen muss, sowie den typischen Verlauf des Melatonin-Hormonspiegels (orange Kurve). Während des Tages wird das Tageslicht imitiert (blaue Kurve), in der Nacht wird Licht eingesetzt, das die Melatonin-Produktion nicht beeinträchtigt (rote Kurve). Eine biologisch wirksame Leuchte muss also abhängig von der Uhrzeit das Licht dynamisch verändern, dies im Gegensatz zur heute üblichen statischen Beleuchtung. Ein solches Lichtkonzept für eine menschengerechte Beleuchtung bezeichnet man auch als «Human Centric Lighting» (HCL).
Lichtspektrum, Intensität und Einfallswinkel
Entscheidend für die biologische Wirksamkeit sind das Lichtspektrum und die Intensität des Lichtes. Die Zellen im Auge, die bei der Tag-Nacht-Synchronisation helfen, sind für blaues Licht am empfindlichsten. Je grösser der Blauanteil von Licht ist, desto stärker wird die Produktion des Schlafhormons Melatonin unterdrückt. Das kaltweisse Licht des Himmels, dessen Farbtemperatur im Bereich zwischen 6000 und 10000 K liegt, hat einen hohen Blauanteil. Licht mit einer Farbtemperatur von weniger als 3000 K hat aufgrund der geringen Blauanteile hingegen keine anregende Wirkung und kann darum für die Nachtbeleuchtung verwendet werden.
Die minimale Beleuchtungsstärke muss gemäss Fachbericht DIN SPEC 67600, der Planungsempfehlungen für biologisch wirksame Beleuchtung gibt, 250 lx betragen, horizontal auf Augenhöhe gemessen. Für ein Büro mit 37 m² Fläche soll die Farbtemperatur im Bereich von < 3000 K bis > 5300 K liegen und die Beleuchtungsstärke von 500 bis 900 lx über den Tag variieren.
Neben Lichtfarbe und -intensität ist der Einfallswinkel des Lichtes zu berücksichtigen. Typischerweise tritt reflektiertes Licht von den Wänden und der Decke im richtigen Winkel in das Auge ein, also so, dass es auf die Zone der Tag-Nacht-empfindlichen Sensorzellen trifft. Entsprechend muss eine HCL-Leuchte Decke und Wände flächig anstrahlen. Dieses indirekte Licht macht dann einen Grossteil des biologisch relevanten Kunstlichts aus. Das spezifisch fürs Sehen notwendige Kunstlicht kann zusätzlich mit Licht, das auf die Arbeitsfläche gerichtet ist, erzeugt werden.
Human Centric Lighting für den privaten Gebrauch
Das Ziel der angewandten Forschungsaktivitäten am CC Electronics der Hochschule Luzern ist es, eine HCL-Leuchte für den privaten Einsatz zu entwickeln. Dabei ist der Gebrauch möglichst einfach und intuitiv zu gestalten. Die Leuchte muss biologisch effektives sowie qualitativ gutes Licht gemäss den traditionellen Kriterien für Leuchten nach DIN SN/EN 12464-1 erzeugen. Wie oben erläutert, braucht die circadiane Beleuchtung eine höhere Lichtintensität. Verglichen mit einer konventionellen LED-Beleuchtung wird mehr Energie gebraucht, weshalb die Leuchte sehr effizient sein muss. Sie soll ausserdem eine im Privatheim übliche Lebensdauer von ein paar Jahren, wenn nicht Jahrzehnten erreichen.
Bei professionellen HCL-Beleuchtungssystemen bilden die Bedieneinheit, die Sensoren, die Stromversorgung und die Leuchten typischerweise separate Einheiten. Dieser Ansatz ist für eine Leuchte im Privatheim zu kompliziert. Darum wird ein Leuchten-Design vorgeschlagen, das alle notwendigen Funktionen in einem Gehäuse integriert. Die Leuchte muss nur montiert und an die Stromversorgung angeschlossen werden, und schon wird das dynamische Licht erzeugt. Die Ausleuchtung der Wände und Decke wird mit einer von der Decke abgesetzten Leuchte, die Licht nach oben abstrahlt, realisiert. Die Beleuchtung der Arbeitsfläche wird mit nach unten strahlendem Licht erzielt. Diese Konfiguration ist im folgenden Bild visualisiert. Der Indirekt-Licht-Anteil der Pendelleuchte wurde gleich gross wie der Direkt-Licht-Anteil gewählt, damit eine genügend helle Ausleuchtung von Decken und Wänden erfolgt.
Modulares Konzept
Ein modularer Aufbau hat viele Vorteile: Die Komplexität wird reduziert, ein Modul-Typ kann z.B. in verschiedenen Produkten eingesetzt und defekte Module können repariert oder ersetzt werden. Damit wird weniger Elektroschrott produziert. Ein Vorteil ist ausserdem, dass die LED-Module gut an den rasanten Fortschritt der LED-Technologie angepasst werden können.
Der erforderliche Lichtfarbenbereich wird mit weissen LEDs mit zwei unterschiedlichen Farbtemperaturen erzeugt. Durch individuelle Dimmung dieser zwei LED-Gruppen kann die Lichtfarbe kontinuierlich eingestellt werden. Die Formung für das Licht nach oben und nach unten ist dabei verschieden, weshalb es ein LED-Modul für das direkte Licht und eines für das indirekte gibt.
Die Optik des Direkt-Licht-Moduls ist so ausgelegt, dass die Arbeitsfläche bzw. Tischfläche homogen und blendfrei ausgeleuchtet wird. Wichtig ist auch der Schattenwurf, der durch die Beleuchtung erzeugt wird. Die Optik für das Direkt-Licht verhindert einen störenden Mehrfachschatten und erzielt dennoch einen hohen optischen Wirkungsgrad. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Ausfall einer einzelnen LED praktisch unbemerkt bleibt, da keine direkte Sicht auf die LEDs besteht. Die Toleranz gegenüber einem LED-Ausfall vermindert die Anzahl Reparaturfälle und verlängert die Gebrauchszeit.
Das LED-Modul für das indirekte Licht muss das Licht mit einem sehr grossen Winkel abstrahlen, damit eine möglichst grosse Deckenfläche sowie die Wände beleuchtet werden. Dazu wurden erst seit Kurzem verfügbare LEDs verwendet, die das Licht sehr breit, mit einem Winkel von 170 °, abstrahlen. So wird keine zusätzliche verlustbehaftete Optik notwendig und der optische Wirkungsgrad fällt entsprechend hoch aus. Gemäss der optischen Simulation wird ein optischer Wirkungsgrad von 85 % erreicht.
Entscheidend für die Lebensdauer der Leuchte ist auch die LED-Temperatur. Folgende Massnahmen helfen, diese Temperatur tief zu halten: Der LED-Strom wird unter dem Nominalwert gehalten, dafür werden mehr LEDs eingesetzt. Die Printplatten der LED-Module sind so ausgelegt, dass die Verlustwärme der LEDs gut abgeführt werden kann.
Funktionalität des Steuermoduls
Die von der Tageszeit abhängige Lichtfarbe und Lichtintensität werden durch einen integrierten Microcontroller und eine Echtzeit-Uhr gesteuert. Die Einstellung der Lichtfarbe verhält sich nicht linear, weshalb die Leuchte kalibriert werden muss. Mithilfe einer ausgeklügelten Microcontroller-Steuerung wird die präzise Einstellung der Farbtemperatur unabhängig von der gewählten Intensität ermöglicht. Im Standard-Modus ergibt sich automatisch ein Tagesverlauf-Profil. Lichtsensoren messen Lichtintensität und Farbtemperatur über die Reflexion an der Decke und auf der Arbeitsfläche. Damit kann das Licht der Leuchte reduziert werden, wenn das Tageslicht genügend Helligkeit in den Raum bringt. Ein integrierter Bewegungsmelder detektiert die Präsenz von Personen und wird für das Ein- und Ausschalten verwendet. Somit helfen die Sensoren, Energie zu sparen. Trotz der Automation ist es erwünscht, dass die Benutzenden die Beleuchtung jederzeit selber anpassen können. Mit den zwei integrierten Drehschaltern können Helligkeit und Farbtemperatur eingestellt werden.
Die Forscher der Hochschule Luzern sind überzeugt, dass zukünftige Leuchten zu smarten integrierten Systemen werden, die auf der Fusion von Elektronik, Sensorik, Embedded Controller und Software basieren. Das CC Electronics der Hochschule Luzern – Technik & Architektur setzt sich im Rahmen des Wissens- und Technologie-Transfers (WTT) aktiv dafür ein, Schweizer Firmen in diesem zukunftsträchtigen Bereich zu unterstützen.
Biologisch wirksames Licht für den privaten Gebrauch
Licht beeinflusst unseren Tag- und Nachtzyklus, synchronisiert unsere interne Uhr und hat einen grossen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Künstliches Licht von «Human Centric Lighting»-Systemen ahmt diese Eigenschaften nach, um uns in unserem Rhythmus zu unterstützen. Meist sind diese Systeme komplex und eher für den professionellen Einsatz gedacht. Insbesondere mit unserem Lebens- und Arbeitsstil (e.g. Home Office) sind solche Systeme heute auch für den privaten Gebrauch wünschenswert. Die Hochschule Luzern stellt nun ein solches System vor, welches aufgrund der Kompaktheit, Einfachheit und Langlebigkeit auch zu Hause verwendet werden kann. Eine interessante Sache.
Patrik Stampfli, ITG-Vorstandsmitglied und Head of Operations bei Elca.