Fachartikel Erneuerbare Energien , Integration ins Netz

Bi-nationale Forschung zur saisonalen Speicherung

Geo-Methanisierung

28.09.2021

Die saisonale Speicherung von erneuerbarer Energie gehört zu den grössten Herausforderungen der Energietransformation. Bedarf, Potenzial und Machbarkeit der Geo-Methanisierung als Lösungsansatz werden im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts «Underground Sun Conversion – Flexible Storage» untersucht, das erste Zwischenergebnisse zeitigt.

Es ist eine zentrale Frage zur Umsetzung der Energiestrategie 2050: Wie gelingt es der Schweiz, überschüssige erneuerbare Energie aus dem Sommer saisonal zu speichern – und so die wachsende Stromlücke im Winter zu schliessen? Die Antwort darauf wird aus mehreren Gründen immer wichtiger. Auf der Produktionsseite gewinnen die erneuerbaren Energien an Bedeutung, die jedoch eine saisonal stark schwankende Menge Strom liefern. Gleichzeitig steigt durch die rasch wachsende Anzahl Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge die Nachfrage vor allem in den Wintermonaten. Hinzu kommt, dass Strom als Energieträger wegen der Digitalisierung noch unverzichtbarer wird. Die unterbruchfreie Versorgung mit Strom hat für das moderne Leben und Arbeiten höchste Priorität.

Gefragt sind sektorübergreifende und nachhaltige Speicherlösungen, dank denen die Versorgungssicherheit auch im Winter mit erneuerbarer Energie statt mit CO2-belastetem Importstrom gewährleistet ist. Im besten Fall entwickelt sich die Geo-Methanisierung zu einer solchen Lösung. Ähnlich wie bei den bereits bekannten Power-to-Gas-Technologien wird bei diesem neuen Verfahren überschüssiger erneuerbarer Strom in einem zweistufigen Prozess in erneuerbares Methangas umgewandelt. Dieses lässt sich in Zeiten mit erhöhtem Energiebedarf flexibel nutzen. Dabei zeigt sich, dass durch Verstromen der über die Geo-Methanisierung in gasförmiger Form gespeicherten elektrischen Energie theoretisch ungefähr die Hälfte des Strom-Produktionsdefizits im Winterhalbjahr gedeckt werden könnte.

Methanisierung in 1000 Metern Tiefe

Während der erste Prozessschritt, die Elektrolyse, oberirdisch in konventionellen Anlagen abläuft, geschieht die Methanisierung als zweiter Schritt unterirdisch. Dabei wird der erneuerbare Wasserstoff zusammen mit CO2 in natürlichen Untergrundspeichern eingebracht. In über 1000 m Tiefe beginnt ein mikrobiologischer Prozess: Mikroorganismen, sogenannte Archaeen, verbinden Wasserstoff und Kohlenstoff zu erneuerbarem Methangas. Dieses wird in den porösen unterirdischen Speicherformationen auch gleich eingelagert und erst bei Bedarf wieder an die Oberfläche gefördert.

Entdeckt und erforscht hat das Verfahren die RAG Austria AG. Als das grösste Gasspeicherunternehmen Österreichs prüfte, ob seine ausgeförderten Erdgasstätten für eine Beimischung von Wasserstoff zum Speichergas kompatibel sind, wurde eine teilweise Methanisierung des eingeleiteten Wasserstoffs festgestellt. Offenbar hatten die Archaeen im Untergrund Wasserstoff und molekularen Kohlenstoff in Methan umgewandelt. Die RAG wiederholte daraufhin diese Umwandlung in mehreren Ein- und Ausspeicherzyklen und konnte den Vorgang so nachweisen.

Viel grösseres Speichervolumen

Gegenüber anderen Speichertechnologien verfügt die Geo-Methanisierung über gewichtige Vorteile: Das Verfahren weist im Vergleich zu Pumpspeicherkraftwerken oder Batteriespeichern eine viel höhere Speicherkapazität auf – bei gleichzeitig geringem Flächenbedarf.

Zweitens hat der Prozess auch gegenüber konventionellen Power-to-Gas-Verfahren Vorzüge: Wenn der Untergrundspeicher gleichzeitig als Methanisierungsreaktor dient, lassen sich die zwei Input-Gase in jenen Mengen einspeisen, die gerade anfallen. Anders als bei einer oberirdischen Methanisierung ist also kein genaues stöchiometrisches Verhältnis von Wasserstoff und CO2 einzuhalten. Das Ausmass dieser Flexibilität soll im Forschungsprojekt untersucht werden.

Allerdings haben Speicherformationen einige Anforderungen zu erfüllen, um für die Geo-Methanisierung in Frage zu kommen. Der Untergrund muss von einer gasdichten Schicht abgedichtet sein, um Wasserstoff und Methangas zurückzuhalten. Zudem braucht es Gesteinsschichten mit einer grossen Oberfläche und somit von einer hohen Porosität, damit sich die Archaeen optimal vermehren können.

Grundlagenforschung durch internationales Projekt

Nach ihren erfolgreichen Feldversuchen bei einer ausgeförderten Erdgaslagerstätte im österreichischen Pilsbach beschloss die RAG, die Geo-Methanisierung näher zu erforschen und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig wurde Energie 360° auf die vielversprechende Technologie aufmerksam. Anlässlich einer Anlagenbesichtigung beschlossen die beiden Unternehmen, für die Grundlagenforschung gemeinsam das internationale Forschungsprojekt «Underground Sun Conversion – Flexible Storage» (USC-FlexStore) aufzusetzen. Darin sollen technische, betriebliche, wirtschaftliche, ökologische und regulatorische Aspekte der Geo-Methanisierung untersucht und der Nachweis für die Machbarkeit als saisonale Speicherlösung mit hohem Volumen erbracht werden.

Die Kompetenzen der RAG und von Energie 360° ergänzen sich für das Projekt optimal. Die RAG bringt ihr Know-how für Speicherlösungen ein, Energie 360° das ergänzende Fachwissen für die Power-to-Gas-Technologie, den Energiehandel und die Produktion und Einspeisung erneuerbarer Gase. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bedingt sich aus dem Bewusstsein, dass die Speicherung von erneuerbaren Energien eine europäische Gemeinschaftsaufgabe ist.

Wie bei einem solchen Forschungsprojekt üblich, arbeiten bei «USC-Flex­Store» Forschung und Industrie eng zusammen. Die Universität Bern, die Empa und die Ostschweizer Fachhochschule nehmen am Projekt als Forschungspartner teil.

Acht Arbeitspakete

Um die gewünschten Schlüsselerkenntnisse zu erlangen, ist das internationale Forschungsprojekt in acht Arbeitspakete aufgeteilt. Die österreichischen Projektpartner fokussieren auf technische Aspekte und führen weitere Laborversuche und Feldtests durch. Sie erforschen etwa den Einfluss unterschiedlicher Drücke und Gaszusammensetzungen auf die Geo-Methanisierung. Im Zentrum steht dabei, die Durchsatzraten zu optimieren. Auch der Bedarf zur weiteren Aufbereitung des Methans wird geklärt. Nach aktuellem Kenntnisstand fällt diese nicht aufwendiger aus als bei industriellen Power-to-Gas-Verfahren.

Die Schweizer Projektpartner kümmern sich um Arbeitspakete, die unter anderem geologische, energiewirtschaftliche und regulatorische Fragestellungen beantworten. Forschende der Universität Bern bewerten verschiedene, geologische Formationen im Untergrund auf ihre Eignung als Speicherformation. Dazu analysieren sie Daten von bereits bestehenden Tiefenbohrungen im Schweizer Mittelland.

Wirtschaftliche Berechtigung ist zwingend

Die Forschungspartnerin Empa modelliert in ihrem Arbeitspaket die potenziellen Mengen der benötigten Input-Gase Wasserstoff und CO2. Um die saisonalen Überschussmengen an Strom und somit das Produktionspotenzial für Wasserstoff abzuschätzen, betrachten die Forschenden mehrere Szenarien zum Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz, basierend auf den Energieperspektiven 2050+ des Bundes. Ebenso prognostizieren sie den Bedarf nach synthetisch hergestelltem Gas. Dabei stellt die Empa eine rein inländische Betrachtung (ohne Im- und Export) an und legt einen idealen Tagesausgleich zugrunde. Das bedeutet, dass die Energieproduktionsüberschüsse eines Tages zuerst dazu verwendet werden, um ein Produktionsdefizit der darauffolgenden Nacht auszugleichen (zum Beispiel mittels Load Shifting oder Kurzzeitspeichern). Nur Überschüsse, die danach nicht durch ein Pumpspeicherkraftwerk verwendet werden können, fliessen in das theoretische Potenzial zur Speicherung über die Geo-Methanisierung mit ein.

Erste Resultate

Die Empa erreichte den ersten Meilenstein des Projekts und zeigte auf, dass die grössten Quellen im betrachteten Gebiet (Zementwerke, Kehrichtverbrennungsanlagen und Kläranlagen) genug CO2 produzierten, um rund 60 TWh an elektrischer Energie in Methan umzusetzen. Der verfügbare Kohlenstoff ist also nicht der limitierende Faktor für die Umsetzung in der rein inländischen Betrachtung.

Die in Spitzenzeiten überproduzierte Energie, primär im Sommerhalbjahr anfallend, wird in dem Modell der Empa für die Wasserstoffproduktion verwendet und im Untergrund methanisiert. Die Geo-Methanisierung kann demnach theoretisch bis zur Hälfte des Schweizer Strom-Defizits im Winterhalbjahr abdecken.

Die ökonomisch sinnvolle Verwendung dieses Potenzials wird im Arbeits­paket der Ostschweizer Fachhochschule erforscht. Dabei ermitteln die Beteiligten den Einfluss von Faktoren wie Energiepreise, Netzgebühren, Anlagengrösse und jährliche Betriebsstunden auf die Wirtschaftlichkeit der Geo-Methanisierung. Weiter untersuchen sie, wie sich Skalen­effekte durch das grosse Volumen auf die Gestehungs- und Speicherkosten des Methans auswirken, denn nur wenn die Geo-Methanisierung eine wirtschaftliche Berechtigung hat, kann das Konzept ausgerollt werden.

Energie 360° übernimmt bei «USC-FlexStore» die Projektkoordination sowie das Reporting gegenüber Regulatoren und Förderstellen. Zusätzlich erbringt der Energiedienstleister den Nachweis für die CO2-Neu­tralität der Geo-Methanisierung. Dazu strebt er die Zertifizierung des in der Erdgaslagerstätte Pilsbach methanisierten Gases als «Proof of Concept» an.
Voraussichtlich Anfang 2023 liegen erste Resultate vor, welche als valide Entscheidungsgrundlage für die nächsten Schritte dienen können. Dann wollen die Projektpartner von «USC-FlexStore» entscheiden, ob sie mit Folgeprojekten nächste Schritte initialisieren.

Autor
Andreas Kunz

ist Leiter Energie-Anlagen bei Energie 360°.

  • Energie  360°, 8010 Zürich
Autor
Daniel Sidler

ist Projektleiter Energie-Anlagen bei Energie 360°.

  • Energie 360°, 8010 Zürich
Autor
Dr. Martin Rüdisüli

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Urban Energy Systems Laboratory der Empa.

  • Empa, 8600 Dübendorf

UNTERSTÜTZUNG DURCH ERA-NET

Das Projekt «USC-FlexStore» wird im Rahmen der europäischen Programm­initiative ERA-Net Smart Energy System gefördert, mit Unterstützung des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union. Dazu wurde es von ERA-Net aus einer Vielzahl von eingereichten Vorhaben ausgewählt. Das Projekt erhält nationale Förder­beiträge: in der Schweiz vom Bundesamt für Energie und in Österreich von der Forschungsförderungsgesellschaft. Das gesamte Projektbudget beläuft sich auf 3,7 Millionen Euro. Das Projekt hat im Dezember 2020 begonnen und dauert bis Mitte 2023.

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