Bewilligungsverfahren bei alpinen PV-Anlagen
Erfahrungsbericht des ESTI
Grosse Photovoltaik-Anlagen nehmen in den Schweizer Bergen zu. Sie sollen einen Beitrag zur Energiewende leisten und sind vor allem im Winter wertvoll. Aber was bedeutet der Begriff «Photovoltaik-Grossanlage» konkret? Wie werden diese Anlagen bewilligt und was gilt es aus technischer und verfahrensrechtlicher Sicht zu beachten?
Bei alpinen PV-Grossanlagen ist viel in Bewegung. Auf der Übersichtskarte des Bundesamts für Energie (BFE) nehmen die geplanten oder genehmigten PV-Grossprojekte zu [1]. Der folgende Erfahrungsbericht des Eidgenössischen Starkstrominspektorats (ESTI) erläutert die Situation bei den Bewilligungsverfahren.
Der Bau von PV-Grossanlagen wurde mit dem sogenannten «Solarexpress» befristet erleichtert (Art. 71a Energiegesetz; EnG, SR 730.0). Solche Anlagen gelten dann als «gross», wenn sie eine Jahresproduktion von mindestens 10 GWh aufweisen und im Winterhalbjahr (1. Oktober – 31. März) mindestens 500 kWh pro 1 kW installierter Leistung produzieren (Art. 71a Abs. 2 lit. a und lit. b EnG). Besonders im Winterhalbjahr lässt sich mit PV-Anlagen im Alpenraum mehr Strom erzeugen als im Mittelland [2]. Gründe dafür sind namentlich, dass es in den Bergen weniger neblig ist und dass der Schnee das Sonnenlicht reflektiert [3].
Netzinfrastruktur ist wichtig
Insbesondere für PV-Grossanlagen gilt, dass die Stromproduktion nur dann einen Nutzen für die Versorgung hat, wenn der vor Ort produzierte Strom auch abtransportiert werden kann. Weder PV-Module und Wechselrichter allein noch Transformatoren und Leitungen allein rechtfertigen ein PV-Grossprojekt; beide Bereiche («Produktion» sowie «Transformation/Netz») sind zwingend nötig, damit ein PV-Grossprojekt einen Beitrag zur Stromversorgung leisten kann.
Im Rahmen von Art. 71a EnG wird die Bewilligung für den Bau der Modultische und der Wechselrichter bei PV-Grossanlagen durch die Kantone erteilt, wobei die Standortgemeinde(n) und die Grundeigentümer zustimmen müssen (Art. 71a Abs. 3 EnG). Die Transformatoren und die daran anschliessende Netzinfrastruktur müssen auf Bundesebene genehmigt werden (Art. 16 EleG [4]). Kantonal wird ein Baubewilligungsverfahren durchgeführt. Dieses ist von der Vollständigkeitsprüfung bis hin zur öffentlichen Auflage, der Verfahrensbeteiligung und der Konsultation der Gemeinden in sämtlichen Kantonen unterschiedlich geregelt. Auf Bundesebene prüft das ESTI als Fachbehörde im Rahmen der Plangenehmigung die sicherheitsrelevanten technischen Aspekte und ob alle Voraussetzungen für die Genehmigung erfüllt sind. Das ESTI hört die Fachbehörden des Bundes und die kantonalen Fachstellen an und kann entscheiden, ob ein Projekt ohne Auflagen, nicht oder nur mit Auflagen genehmigt werden kann. Die Gemeinden können ihre Interessen mit einer Einsprache wahren (Art. 16f Abs. 3 EleG). Die Informationen, welche dem ESTI eingereicht werden müssen, sind in der ESTI-Weisung 235 aufgeführt. Es empfiehlt sich, vollständige Unterlagen unter Bezugnahme auf die konkreten Projektteile (Transformatorenstationen, Leitungen, Unterwerke) einzureichen. Eine frühzeitige fachliche Abklärung und Dokumentation der Umweltauswirkungen des Projekts ist unerlässlich (mindestens eine Umweltnotiz). Das Nachfordern notwendiger Unterlagen oder deren falsche Zuordnung verzögert die Verfahren. Angesichts der Dringlichkeit der Energieprojekte sollte dies möglichst vermieden werden. Sobald die eingereichten Unterlagen vollständig sind, werden sie dem Kanton zur öffentlichen Auflage in den amtlichen kantonalen und kommunalen Publikationsorganen zugestellt. Fehler bei der Publikation können dazu führen, dass ein Projekt erneut aufgelegt werden muss oder gar erfolgreich angefochten werden kann. Wenn sich während des Verfahrens Projektänderungen ergeben, dann sind dem ESTI die Änderungen gut dokumentiert einzureichen. Es muss klar erkennbar sein, was geändert wurde. Die Dokumentation ist die Grundlage für den Entscheid, ob das Projekt erneut öffentlich aufgelegt wird (Art. 7 VPeA [5]).
Was ist plangenehmigungspflichtig?
Die Grenze zwischen der kantonalen, nicht plangenehmigungspflichtigen PV-Installation und der plangenehmigungspflichtigen Transformations- bzw. Netzinfrastruktur (Bund) ist die Sekundärtrennstelle niederspannungsseitig nach dem Transformator. Diese Trennstelle ist noch Teil der Plangenehmigung auf Bundesebene. Während bei Projekten nach Art. 71a EnG die Wechselrichter nach der Sekundärtrennstelle vom Kanton genehmigt werden, ist das ESTI für die Genehmigung der Transformatoren und bei freistehenden Stationen auch für die Gebäudehülle zuständig (BVGer-Urteil A-6798/2013 vom 5. November 2014, E. 3.2 f.). Die Gebäudehülle dient primär dem Schutz der Hochspannungsanlage und muss die entsprechenden technischen Anforderungen erfüllen (z.B. SN EN 61936). Ob Nebenanlagen, wie beispielsweise Seilbahnen, zum Baubewilligungsverfahren (Kanton) oder zum Plangenehmigungsverfahren (Bund) gehören, hängt davon ab, welchem Projektbereich sie hauptsächlich dienen. Die Zuständigkeitsgrenze Bund/Kanton bestimmt auch die Aufteilung der Gebühren bei der Einreichung der Gesuche.
Erfolg durch Koordination
Das Baubewilligungsverfahren der Kantone und das Plangenehmigungsverfahren beim Bund sind für die erfolgreiche Umsetzung eines PV-Grossprojekts essenziell. Um Widersprüche auf beiden Ebenen (Stellungnahmen, öffentliche Auflagen, Entscheide) zu vermeiden, muss eine ausreichende Koordination sichergestellt werden [6]. Ein regelmässiger Austausch zwischen den kantonalen Genehmigungsbehörden und dem ESTI ist hierfür nötig. Bei ungenügender Koordination ist ein Projekt gefährdet.
Gegen ein PV-Grossprojekt kann einerseits auf kantonaler Ebene und andererseits auf Bundesebene rechtlich vorgegangen werden. Wer nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG; SR 172.021) Partei ist, kann beim ESTI gegen die Gesuche für den Bau von Transformatorenstationen oder Leitungen während der öffentlichen Auflage Einsprache erheben. Wer innert Frist keine Einsprache erhebt, ist vom weiteren Verfahren ausgeschlossen. Besteht Aussicht auf eine einvernehmliche Erledigung der Einsprachen, versucht das ESTI anlässlich einer Schlichtungsverhandlung eine einvernehmliche Lösung zu finden. Wenn mehr als 30 Einsprachen eingegangen sind, eine Einigung aussichtslos ist, Einsprachen nicht erledigt werden können oder Differenzen mit beteiligten Bundesbehörden bestehen, wird die Angelegenheit dem Bundesamt für Energie (BFE) zum Entscheid übermittelt (Art. 16 Abs. 2 lit. b EleG; Art. 6b Abs. 1 und Abs. 2 VPeA). Kann das Projekt genehmigt werden, erlässt das ESTI die Plangenehmigungsverfügung.
Aus der Bestimmung in Art. 71a Abs. 1 lit. b EnG, wonach die PV-Grossanlagen standortgebunden sind, folgt grundsätzlich, dass auch der Standort der dazugehörenden Transformatorenstationen und Leitungen begründet ist, denn auch diese zählen zum Begriff der «Grossanlage» (Art. 9c EnV [7] und «Erläuternder Bericht Art. 71a EnG», S. 2). Durch die räumliche Nähe zwischen Stromerzeugung und Transformatoren werden entfernungsbedingte Verluste möglichst gering gehalten. Auch wenn die Standorte von Transformatorenstationen im Rahmen von Projekten nach Art. 71a EnG ausserhalb der Bauzonen zulässig sind, ist es aus raumplanerischer Sicht erforderlich, diese Anlagen möglichst gut in die Umgebung zu integrieren.
Das Parlament hat am 21. März 2025 eine Verlängerung des «Solarexpress» beschlossen. Das Verfahren im Zusammenhang mit PV-Grossanlagen zeigt, dass nicht nur die Produktion von Energie beachtet werden muss, sondern auch die Transformierung der Spannung und die Weiterleitung der Energie. Neben einer guten Projektplanung und einer korrekten Gesuchseinreichung sind auch eine sorgfältige Bearbeitung und eine Koordination zwischen den zuständigen Behörden notwendig, damit die Verfahren korrekt und möglichst rasch abgewickelt werden können.
Referenzen
[1] www.uvek-gis.admin.ch/BFE/storymaps/EE_AlpineSolaranlagen
[3] www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/digitalisierung-und-geoinformation/geoinformation/geodaten/solar/photovoltaik-grossanlagen.html; vgl. Markus Schreiber, «Die Nutzung des Alpenraums zur nachhaltigen Stromerzeugung», ZBl 10/2022, S. 515, 2022; für eine ökonomische Untersuchung vgl. Mak Đukan, et al., «Harnessing solar power in the Alps: A study on the financial viability of mountain PV Systems», Applied Energy, Vol. 375, Article 124019, 2024.
[4] Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (EleG; SR 734.0).
[5] Verordnung über das Plangenehmigungsverfahren für elektrische Anlagen (VPeA; SR 734.25).
[6] Erläuternder Bericht des UVEK vom 26. Januar 2023 zu den Verordnungsbestimmungen zu Art. 71a EnG, S. 4.
[7] Energieverordnung; SR 730.01.
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