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Bewährungsprobe erfolgreich bestanden

Erste Erfahrungen mit der Sunshine-Regulierung

23.08.2017

Die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) wendet seit 2015 die Sunshine-Regulierung an – dies in Ergänzung zur geltenden Cost-Plus-Regulierung. 2016 führte sie die Sunshine-Regulierung als neues Regulierungsinstrument definitiv ein. Dieser Artikel informiert über die gesammelten Erfahrungen mit der Sunshine-Regulierung und über ausgewählte Ergebnisse.

Das Bundesgesetz über die Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz, StromVG; SR 734.7) ist Anfang 2008 in Kraft getreten. Zum gleichen Zeitpunkt nahm auch die ElCom ihre Tätigkeit auf. Seither hat sie zahlreiche Tarifüberprüfungsverfahren durchgeführt. Es hat sich früh gezeigt, dass solche Verfahren nicht nur langwierig, sondern auch ressourcenintensiv sein können – und zwar sowohl für die ElCom als auch für den betroffenen Netzbetreiber. Zudem erlaubt diese Form nur die Überprüfung einiger weniger Netzbetreiber.

Die ElCom hat daher alternative Regulierungsinstrumente geprüft, die in Ergänzung zur geltenden Cost-Plus-Regulierung zum Einsatz kommen könnten. Sie ist dabei auf das Konzept der Sunshine-Regulierung gestossen, das im Ausland bereits bei einigen Infrastrukturen als Netzregulierungsinstrument Anwendung findet. In der gleichen Schriftenreihe wurde bereits vor zwei Jahren [1] ausführlich über die Wirkweise und die konkrete Ausgestaltung der Sun­shine-Regulierung im schweizerischen Elektrizitätsmarkt berichtet. Nachfolgend werden daher nur die wichtigsten Punkte nochmals in Erinnerung gerufen.

Die Wirkungsweise der Sunshine-Regulierung

Kernstück einer funktionierenden Sunshine-Regulierung ist die Publikation von Kennzahlen in ausgewählten Bereichen. Die verwendeten Indikatoren sollen dabei die unterschiedlichen Interessensgebiete und Bedürfnisse der Endkunden abdecken. Damit soll einerseits für die breite Öffentlichkeit der regulierte Teil «beleuchtet» und somit mehr Transparenz geschaffen werden. Die Sunshine-Regulierung erlaubt dem Endkunden also, mittels dieser Indikatoren seinen Netzbetreiber mit ähnlichen Netzbetreibern zu vergleichen. Andererseits sollen damit auch dem Netzbetreiber Verbesserungspotenziale aufgezeigt werden.

Umsetzung der Sunshine-Regulierung

Für die konkrete Umsetzung der Sun­shine-Regulierung fand ein reger Austausch mit den interessierten Kreisen statt. So erfolgten insbesondere die Auswahl der Indikatoren und die Gruppenbildungen in Absprache mit der Branche.

Seit Sommer 2015 werden die Indikatoren jährlich aufgrund bei der ElCom vorhandener Daten errechnet. Die Ergebnisse werden ausschliesslich den Netzbetreibern zugestellt. Veröffentlicht werden zum jetzigen Zeitpunkt nur anonymisierte Daten, beispielsweise Median- oder Mittelwerte. Die Möglichkeit einer weiterführenden Publikation von individuellen Daten ist durch den heute geltenden Rechtsrahmen noch unzureichend abgestützt.

2016 beschloss die ElCom, die Sun­shine-Regulierung definitiv als zusätzliches Regulierungsinstrument einzuführen – dies nach zwei erfolgreichen Testrunden und aufgrund einer vertieften Evaluation. Im Anschluss an die beiden Testrunden konnten jeweils zahlreiche Verbesserungsvorschläge der Netzbetreiber aufgenommen und bei der Umsetzung berücksichtigt werden. So ist zum Beispiel die Energiedichte als zusätzliches Gruppierungsmerkmal oder die Herangehensweise bei der Berechnung der Netzkosten auf derartige Rückmeldungen zurückzuführen.

Vergleichsgruppen und Indikatoren

Bei der Gruppenbildung stützte sich die ElCom einerseits auf die Siedlungsstruktur und Topografie (Siedlungsdichte «SD»: hoch/mittel/ländliches Netz/Bergnetz/touristisches Netz), anderseits auf die ausgespiesene Elek­trizitätsmenge pro Kilometer Leitung (Energiedichte «ED»: hoch/tief). Diese Gruppierungsmerkmale lassen sich durch den Netzbetreiber nur beschränkt beeinflussen. Nach diesen Kriterien wies die ElCom die Netzbetreiber insgesamt acht Vergleichsgruppen zu. So lässt sich beim Vergleich der Netzkosten, der Netztarife und der Verfügbarkeit den unterschiedlichen Gegebenheiten im Versorgungsgebiet besser Rechnung tragen. Für andere Vergleichswerte, wie beispielsweise die Energietarife, ist eine Gruppierung nicht zielführend.

Die Indikatoren decken die Bereiche Kosten und Tarife, Versorgungsqualität sowie Compliance ab. Die verwendeten Indikatoren bleiben im Verlauf der Zeit weitgehend gleich, einzelne können aber an veränderte Entwicklungen oder Bedürfnisse angepasst werden. Aufgrund neu erhobener Daten werden im nächsten Jahr beispielsweise zusätzliche Werte bezüglich der Dienstleistungsqualität ausgewiesen.

Die untenstehende Tabelle zeigt die verwendeten Indikatoren der aktuellen Runde vom Frühjahr 2017. Gleichzeitig sind potenziell neue Indikatoren aufgeführt. Weiterführende Details zu den Indikatoren und den Vergleichsgruppen finden sich auch auf der Webseite der ElCom.

Aktuelle Ergebnisse

Einige ausgewählte Ergebnisse aus der aktuellen Berechnungsrunde vom Frühjahr 2017 sollen hier dargestellt werden. Der Fokus liegt dabei auf der Netzverfügbarkeit und den Netzkosten. Bei den Tarifen für die Netznutzung fällt beim Medianvergleich (siehe untenstehende Tabelle) auf, dass sich die Werte bei der Gruppe «Bergnetz und tiefe Energiedichte» von den anderen abheben und bis zu einem Drittel höher sind als die Medianwerte aller Netzbetreiber. Exemplarisch sind die Tarife für die Netznutzung der Profile C4 und H4 dargestellt.

Im Bereich Compliance wird untersucht, ob die Netzbetreiber die erforderlichen Unterlagen der ElCom fristgerecht eingereicht haben. Erstaunlicherweise reichten rund 14 % oder fast jeder siebte Netzbetreiber diese Unterlagen zu spät ein. Immerhin verbesserte sich der Wert gegenüber dem Vorjahr um fünf Prozentpunkte.

Fast 90 % aller Netzbetreiber halten die 95-Franken-Regel ein. Sie wird als Vergleichsgrösse für die Verwaltungskosten und den Gewinnanteil pro Rechnungsempfänger im Energiebereich verwendet. Dieser Indikator wurde 2017 das erste Mal errechnet und ausgewiesen. Eine vertiefte Analyse hat jedoch gezeigt, dass die zugrundeliegenden Daten teilweise nicht plausibel sind und weiterer Abklärungen durch die ElCom bedürfen.

Der Indikator «Saidi» (System Average Interruption Duration Index) beschreibt die durchschnittliche Dauer der Versorgungsunterbrechungen eines Endverbrauchers. Die Daten stammen aus einer Erhebung von 2016 bei den 95 grössten Netzbetreibern in der Schweiz. Untenstehend sind die Ergebnisse für die Periode 2010–2015 dargestellt. Im Durchschnitt (Mittelwert) aller Netzbetreiber muss ein Endverbraucher pro Jahr insgesamt einen Unterbruch von 27 Minuten hinnehmen – im europäischen Vergleich ein sehr guter Wert. Auffällig sind die überdurchschnittlichen Werte am rechten Rand, wobei sieben der zwölf betroffenen Netzbetreiber in Berggebieten liegen. Die Verhältnisse präsentieren sich ähnlich den Vorjahren und auch die neusten Zahlen für 2016 zeigen vergleichbare, gute Werte.

Bei den Netzkosten steht die Kosteneffizienz der Netzbetreiber im Vordergrund. Dazu werden Kosten in Bezug zu physikalischen Einheiten gesetzt: Auf den Netzebenen 5 und 7 sind dies Leitungen und Kabel (in km) und auf Netzebene 6 erfolgt der Bezug zur installierten Transformationsleistung (in kVA). Das untenstehende Bild stellt die Gruppenmediane auf der Netzebene 7 dar. Es zeigt sich, dass die Kosten mit zunehmender Siedlungsdichte ansteigen; Grund dafür dürften die zunehmenden Tiefbaukosten sein. Netze in touristischen Gebieten sind ebenfalls teurer als vergleichbare Bergnetze oder ländliche Netze: Hier dürfte die Auslegung auf saisonal bedingte Spitzenlasten aufgrund von Touristenströmen kostentreibend wirken. Bei gleicher Einteilung bezüglich der Siedlungsdichte (SD) kommen die Mediane für hohe Energiedichte (ED) jeweils über jene der tiefen zu liegen.

Neben dem Vergleich zwischen den Gruppen sind auch Vergleiche innerhalb der Gruppen spannend. Das untenstehende Bild stellt die Ergebnisse anhand von Boxplots (siehe Kasten links oben) entsprechend dar. Die Gruppe «hohe Siedlungs- und hohe Energiedichte» soll eingehender betrachtet werden: In dieser Gruppe mit insgesamt 23 Netzbetreibern sind praktisch alle grossen Schweizer Städte und ihre Netzbetreiber vertreten – neben einigen wenigen kleinen Netzbetreibern. Die Gruppe darf als relativ homogen bezeichnet werden, allfällige strukturelle Unterschiede dürften daher geringfügig sein. Selbst wenn es derartige Unterschiede zwischen diesen Netzbetreibern gäbe, lassen sich die grossen Differenzen innerhalb dieser Gruppe nicht alleine damit erklären. So ist der teuerste Netzbetreiber rund 70 % teurer als der Mediannetzbetreiber. Es stellt sich bei einzelnen Netzbetreibern vielmehr die Frage, ob die Kosteneffizienz gewährleistet ist. Die gleiche Frage lässt sich auch für Netzbetreiber in anderen Gruppen stellen.

Weiteres Vorgehen und Ausblick

Wie erwähnt, entfaltet die Sun­shine-Regulierung ihre volle Wirkung erst, wenn Endkunden ihren Netzbetreiber mit anderen vergleichen können. Um diese Transparenz zu schaffen, muss die ElCom die entsprechenden Indikatorenwerte in geeigneter Weise aufbereiten und veröffentlichen können. Es ist vorgesehen, dafür eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Dazu fand ein Austausch mit dem zuständigen Bundesamt für Energie (BFE) statt. In der Folge hat das BFE die entsprechenden Anliegen der ElCom in die derzeit laufende Revision des StromVG aufgenommen. Wann das revidierte StromVG in Kraft tritt, ist zurzeit unklar.

Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Werte stellt die ElCom die Ergebnisse weiterhin nur den jeweiligen Netzbetreibern zu. Es ist jedoch auch eine freiwillige Publikation der Indikatorenwerte möglich. Dabei steht die eigenständige Verwendung der Ergebnisse durch den jeweiligen Netzbetreiber im Vordergrund. Denkbar ist jedoch auch, dass Netzbetreiber individuell ihre Zustimmung zu einer Veröffentlichung ausgewählter Werte durch die ElCom erteilen.

Bereits heute veröffentlicht die ElCom Zahlenmaterial zur Sunshine-Regulierung, so beispielsweise die Median- und Mittelwerte der einzelnen Indikatoren. Dies ermöglicht den Netzbetreibern schon jetzt, sich mit ähnlichen Unternehmen zu vergleichen und führte bereits dazu, dass Korrekturen von offensichtlichen Fehlern vorgenommen wurden.

In letzter Zeit konnten auch vermehrt Veränderungen in der Datengrundlage festgestellt werden; diese scheinen teilweise begründet, teilweise aber nicht nachvollziehbar. Dies dürfte inskünftig vermehrt zu Plausibilisierungen seitens der ElCom führen. Die Daten aus der Sunshine-Regulierung dienen also nicht nur den Netzbetreibern zu Vergleichszwecken. Bereits in ihrer heutigen Form eignet sich die Sunshine-Regulierung für die ElCom als eine mögliche Informationsquelle zur Identifikation auffälliger Netzbetreiber.

Abschliessend lässt sich sagen, dass die Sunshine-Regulierung eines ihrer Ziele – die Schaffung von mehr Transparenz für eine breite Öffentlichkeit – aufgrund fehlender rechtlicher Grundlagen zwar noch nicht erreichen kann. Gleichwohl gelingt es ihr, den regulierten Bereich etwas auszuleuchten und Verbesserungs- und Korrekturpotenzial aufzuzeigen. So gesehen hat die Sun­shine-Regulierung ihre Bewährungsprobe als zusätzliches Regulierungsinstrument bereits erfolgreich bestanden.

Referenz

[1]   Sven Erni, Peter Signer, Stefan Burri, «Mehr Licht ins Dunkel», Bulletin SEV/VSE, 09/2015, S. 28-30.

Autor
Peter Signer

ist Fachspezialist in der Sektion Preise und Tarife bei der ElCom.

  • Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom, 3003 Bern

 

Autor
Roman Vuille

ist Hochschulpraktikant in der Sektion Preise und Tarife bei der ElCom.

  • Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom, 3003 Bern

 

Autor
Stefan Burri

ist Leiter der Sektion Preise und Tarife bei der ElCom.

  • Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom, 3003 Bern

Boxplots
Dank eines Boxplots lässt sich die Lage und Streuung der Netzkosten aller Netzbetreiber oder pro Gruppe darstellen. Dabei bilden jeweils der höchste und tiefste Wert die beiden Extreme der Beobachtungen. Der Kasten umfasst 50 % aller Werte und ist oben durch das 75-%-Perzentil und unten durch das 25-%-Perzentil begrenzt. Der rote Strich im Kasten entspricht dem jeweiligen Medianwert (50-%-Perzentil). Ober- und unterhalb des Kastens finden sich jeweils 25 % der beobachteten Werte. Anmerkung: Insgesamt wurde ein (negativer) Wert als Ausreisserwert behandelt und somit von der Darstellung ausgeschlossen.

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