Fachartikel Gebäudeautomation , Software

Betriebs­opti­mierung im Wandel

Ziel Netto Null

04.11.2024

Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 nicht mehr Treib­haus­gase aus­zu­stossen, als sie wieder aus der Atmo­sphäre entfernen kann. Gebäude spielen in diesem Kontext eine zentrale Rolle, da sie für einen erheb­lichen Anteil der Emis­sionen ver­ant­wortlich sind. Mit der KI-unter­stützten, daten­basierten Analyse lässt sich die Energie­effi­zienz von Gebäuden deutlich steigern.

In Zweckbauten (Büro-, Gewerbe- oder Industriebauten) entsteht ein Grosssteil der Emissionen durch den Betrieb von Heizung, Lüftung und Kühlung. In den letzten drei Jahrzehnten konnten durch den Austausch technischer Anlagen und die verbesserte Dämmung der Gebäudehüllen erhebliche Fortschritte erzielt werden: Die flächen­bezo­genen Emissionen sind im Vergleich zu 1990 um rund 45% gesunken, bleiben jedoch in absoluten Zahlen betrachtet weiterhin hoch [1].

Die Herausforderung in der Gebäude­technik besteht nun darin, Nutzenergie wie Wärme mit minimalem Zuschlag an Hilfsenergie und minimalen Erzeugungs- und Verteil­verlusten bereitzustellen. In der Praxis trifft die Aussage «modern gleich effizient» jedoch selten zu. Während dies für die Wärme­erzeugung durch Wärme­pumpen oder Antriebstechnik stimmt, sind für die Betriebsführung und das Zusammenspiel verschiedener Anlagen andere Aspekte, insbesondere der menschliche Faktor, entscheidend.

In realen Gebäuden ändern sich die Nutzung und die Anforderungen an das Raumklima ständig. Interne Wärmelasten, rasches Aufheizen von Zonen durch die Sonne und die thermische Trägheit von Gebäuden sind nur einige der Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Die Regler der technischen Anlagen bzw. die Gebäude­auto­mation müssen so parametrisiert werden, dass das dynamische System Gebäude genau dann mit Wärme, Kälte, Luft versorgt wird, wenn Bedarf entsteht.

Die Diskrepanz zwischen geplantem und tatsäch­lichem Energie­verbrauch in Neubauten, der sogenannte «Performance Gap», neigt sich meist in Richtung Mehr­verbrauch [2]. Wichtige «Verursacher» sind das kaum beein­flussbare Nutzer­verhalten und Technik, die nicht optimal eingestellt ist oder eingestellt werden kann. In der Forschungs­literatur wird festgestellt, dass oft die notwendige Betriebs­opti­mierung und kontinu­ierliche Betriebs­über­wachung fehlen, Infor­mations­verluste im Lebenszyklus eines Gebäudes auftreten und das Nutzerverhalten zu wenig berücksichtigt wird [3].

Diese Herausforderungen sind von grosser Bedeutung für das Erreichen der Klimaziele und sollten ernst genommen werden. Ein energetisch optimaler Betrieb der Technik ist eine Grund­voraussetzung zur Erreichung der ambitionierten Klimaziele. Optimal bedeutet hier, dass der Betrieb der Anlagen besser und kontinuierlich auf die Nutzungen und deren Anforderungen abgestimmt werden muss.

Mehr Transparenz durch aussagekräftige Daten

Um aussagekräftige Informationen über den Betrieb von Anlagen wie Lüftungen, Heizungen oder Kälteanlagen zu erlangen, müssen die Nutzungsparameter betrachtet werden. Hierbei sind Fragen relevant wie: Welche Temperaturbereiche wünschen die Nutzer, bzw. welche Vorgaben machen die Eigentümer für Sommer und Winter? Wie ist die Luftqualität in belüfteten Räumen? Welche Temperaturen treten tatsächlich auf? Planungs- oder Auslegungs­werte sind in diesem Zusammen­hang nicht hilfreich; stattdessen müssen Messdaten erhoben oder, wenn möglich, aus bestehenden Anlagen abgerufen werden.

Eine Umfrage, die Oxoia von August 2023 bis August 2024 unter 200 Liegen­schafts­verant­wort­lichen und Energie­beratern durchgeführt hat, zeigt, dass gerade hier Probleme auftreten. Fehlende Daten sind der Hauptgrund dafür, dass der Energieverbrauch entweder gar nicht oder nicht weiter reduziert werden kann. Es besteht also Handlungsbedarf.

Um Messdaten zu generieren, wo sie bisher fehlten, bietet sich der Einsatz von Funksensoren auf LoRa-Basis an. Die Fühler werden dort angebracht, wo sie benötigt werden und senden über Jahre hinweg zuverlässig Raumdaten. Basierend auf diesen Daten lässt sich der Betrieb von Lüftungs­anlagen oder Heizgruppen bereits optimieren, noch besser ist es jedoch, wenn auch die Betriebsdaten der Anlagen erfasst und mit den Raumdaten in Beziehung gesetzt werden. Bei Controllern, die auf Bacnet oder Modbus basieren, können über Schnittstellen nicht nur die Daten abgerufen werden, die eventuell bereits in einem Leitrechner gespeichert sind, sondern alle Daten, die für die Optimierung von Nutzen sind. Bei grösseren Gebäuden können dies mehrere Tausend Datenpunkte sein.

Um Daten aus unter­schied­lichen Quellen und Gebäuden einfach auswerten zu können, werden diese mit einem standardi­sierten Modell verknüpft. Dies bildet die Grundlage für weitere Verar­beitungs­schritte und ermöglicht eine fundierte und effiziente Optimierung des Anlagenbetriebs.

Analyseprozess und Massnahmen

Der Einsatz von standardi­sierten, themen­bezogenen Daten­grafiken und -analysen, die durch KI-Algorithmen ermöglicht werden, kann viel Zeit bei der Datensichtung sparen und schnelle Erkenntnisse liefern. Eine daten­basierte Optimierung durchläuft typischerweise mehrere Phasen. Zunächst wird die Funktio­nalität der Gebäudetechnik überprüft. Oft weichen beispiels­weise Temperatur- oder CO2-Sensoren ab und müssen neu kalibriert werden. Durch Referenz­messungen in den Zonen kann dies leicht erkannt werden.

Anschliessend werden die einzelnen Gewerke grob auf die tatsäch­liche Nutzung abgestimmt und die Auswir­kungen der neuen Einstel­lungen auf das Gebäude oder einzelne Zonen beobachtet. In weiteren Schritten können die Betriebs­parameter iterativ an das Optimum angepasst werden. Die Praxis zeigt aber auch, dass bei einem Mieterwechsel die Anforde­rungen stark variieren können und der Prozess dann oft von vorne beginnen muss.

Das Ziel jeder Analyse ist es, ganz konkrete Massnahmen zu definieren, die zusammen mit dem Gebäude­betreiber oder der Gebäude­betreiberin besprochen und umgesetzt werden. Diese Analyse- und Optimie­rungs­schritte sind als kontinuierlicher Prozess zu verstehen. Zu Beginn können häufigere Analyse- und Opti­mierungs­intervalle, z. B. dreimal pro Jahr, sinnvoll sein. Sobald erste Verbesse­rungen sichtbar werden, können die Intervalle auf ein- bis zweimal pro Jahr reduziert werden.

Dieser datenbasierte Ansatz kann die Effizienz von Gebäuden erheblich steigern. Selbst bei Gebäuden, die bereits konven­tionelle Betriebs­opti­mierungen durchlaufen haben, ist ein weiterer Effizienz­sprung zu erwarten. Von zentraler Bedeutung ist auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis: Eine solche Lösung erfordert keine nennenswerten Investi­tionen und finanziert sich durch die erzielten Effizienz­gewinne.

Beispiel aus der Praxis

Wie datenbasierte Lösungen genutzt werden können, zeigt beispielsweise das Gebäude der Swiss Prime Site Solutions in Bern. Das technisch hochkomplexe Gebäude mit einer Nutzfläche von rund 20’000 m2 zeichnet sich durch eine Heizungsanlage, 20 Lüftungs­anlagen sowie drei Kälte­anlagen aus. Für die Analyse werden rund 1000 Datenpunkte verwendet, die einerseits von 20 Auto­mati­sations­controllern abgerufen werden. Diese werden über das Netzwerk­protokoll Bacnet von einem Kleinrechner ausgelesen. Hinzu kommen rund 30 auf dem LoRa-Standard basierende Funksensoren sowie Wetterdaten.

Alle diese Daten werden kontinu­ierlich erfasst und ausgewertet. Auf diese Weise konnten bereits über 60 Massnahmen identifiziert werden. Im ersten Jahr konnten 380 MWh Energie, 25 t CO2 und 66’000 CHF an Betriebs­kosten eingespart werden – und dies ohne den Ersatz von Anlagen oder zusätzliche Investitionen. Diese Resultate verdeutlichen die Effektivität und Effizienz des daten­basierten Ansatzes. Es ist erwähnens­wert, dass Oxoia die Optimierung im Abonne­ment anbietet, die sowohl die lokale Mess­infra­struktur als auch die Software­nutzung umfasst. Es fallen somit keine Investitionskosten an.

Die nächste Stufe: Auto­mati­sierte Optimierung

Der Analyseprozess basiert auf Daten und Algorithmen und wird immer noch manuell durchgeführt. Zeit ist jedoch oft ein weiteres Hindernis für die Optimierung. Wenn die Zeit fehlt, wird nicht optimiert. Das Einholen von Fremd­leistungen verursacht zudem zusätzliche Kosten. Ein weiterer limitierender Faktor sind die begrenzten Einstel­lungs­möglich­keiten von Parametern auf den jeweiligen Controllern. Betriebs­parameter sind statische Grössen, die nicht wesentlich auf Nutzungs- oder Wetter­ereignisse reagieren können. Die Anpassung wäre Aufgabe des Bedieners, der diese Aufgabe jedoch nicht oder nur sporadisch wahrnehmen kann. Heutige program­mierbare logische Regelungen arbeiten nicht voraus­schauend und können ihr Regelverhalten nicht aus historischen Messdaten lernen. All diese Faktoren verhindern einen optimalen, energiesparenden Betrieb.

Diese Lücke können übergeordnete Algorithmen schliessen, die auf Datenmodellen arbeiten. Solche intelligenten Regler sind bereits im Einsatz. Sie berechnen aus allen Messdaten im Minutentakt die optimalen Steuerungs­grössen, z. B. Raumsollwerte oder Vorlauftemperaturen, und senden diese an die jeweilige Steuerung. Dies ist vergleichbar mit einer Person, die kontinuierlich umfassende Messungen durchführt und die Steuerung nachjustiert. Statische Betriebsgrössen werden so dynamisiert und bestehende Steuerungen in ihrer Funktionalität erweitert. Sie können plötzlich dynamischer auf interne oder externe Anforderungen reagieren.

Die Erfahrungen mit der von Oxoia entwickelten auto­matisierten Opti­mierungs­lösung weisen auf ein zusätzliches Effizienz­potenzial hin. Drei verschiedene Gebäude, die mit der auto­mati­sierten Optimierung ausgestattet sind, zeigen über die letzten Jahre eine stabile Verbrauchs­reduktion von 5 bis 25%. Alle Gebäude sind mit modernen Gebäude­controllern namhafter Hersteller ausgestattet und die Para­metrie­rung wurde bereits zuvor manuell so optimal wie möglich eingestellt. Das weitere Opti­mierungs­potenzial kann je nach Gebäude erheblich sein und soll in Zukunft durch eine dynamischere Betriebsführung mittels Algorithmen weiter ausgeschöpft werden, um die Gebäude künftig noch effizienter zu machen.

Fazit

Die energetische Betriebs­optimierung befindet sich im Umbruch. Die daten­basierte Analyse, unterstützt durch Algorithmen, ist ein wichtiger Schritt zur Steigerung der Energie­effizienz von Gebäuden. Doch die Entwicklung geht weiter. Künftig werden Algorithmen eine noch dynamischere Betriebs­führung der Gebäude­technik ermöglichen und so den Betrieb weiter optimieren. Betriebs­opti­mierung und Monitoring können jedoch nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn sie als Werkzeuge auch tatsächlich eingesetzt werden. Es ist daher entscheidend, die vorhan­denen Ressourcen effizient zu nutzen und die Vorteile der Technologie voll auszuschöpfen.

Referenzen

[1] Kenngrössen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen in der Schweiz 1990–2022, Bundesamt für Umwelt BAFU, 2024.

[2] «Energie Performance Gap in Neubauten», Energie Schweiz, 2019.

[3] B. Frei, C. Sagerschnig, D. Gyalistras, ParkGap – Performance Gap Gebäude. Studie im Auftrag des Bundesamts für Energie BFE, 2018.

Autor
Simon Solenthaler

ist CTO von Oxoia.

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