Rückschau Beleuchtung , Internet of Things

Beleuchtung, die noch mehr kann

LED-Forum vom 31. Januar 2019 in Basel

31.01.2019

Leuchten gibt es fast überall, oft sind sie sogar vernetzt. Da ist es naheliegend, die Leuchten­infrastruktur als Plattform auch für andere Zwecke zu nutzen: für die Fern­wartung, für die Optimierung der Raum­nutzung oder zur Luftqualitäts­überwachung. Dieser Themenkreis und die damit verbun­denen, noch offenen Fragen standen im Zentrum des LED-Forums.

Die LED hat sich als energieeffiziente und flexible Lichtquelle relativ schnell in der Beleuchtung durchgesetzt – sowohl bei der Aussenbeleuchtung als auch in Innenräumen. Die anfänglichen Schwierigkeiten bei der Zuverlässigkeit, der Lebensdauer und der Lichtqualität sind grösstenteils überwunden. Man hat gelernt, worauf es bei diesem Halbleiterlicht ankommt und weiss beispielsweise, was bei der Kühlung beachtet werden muss. Der grosse Boom der Umstellung auf die LED ist in manchen Bereichen vorbei. Um die durch die Sättigung des Markts verursachten Umsatzeinbussen aufzufangen, überlegen sich nun Hersteller, ob mit den Leuchten nicht noch weitere Funktionalitäten angeboten werden könnten. Als Basis dieser Zusatzfunktionen sollen das Internet der Dinge und die drahtlose Kommunikation dienen. Diese neuen Möglichkeiten und Technologien standen im Fokus des LED-Forums, das von Ingolf Baur, Physiker und Fernsehmoderator (Sendung «Nano»), souverän und humorvoll moderiert wurde.

Den Einstieg in das Thema Internet of Things machte Markus Weinberger, IoT-Professor an der Hochschule Aalen, Deutschland. Er ging auf die Möglichkeiten des IoT und die entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten ein. Heute ginge es darum, dass man einen möglichst grossen Nutzen für möglichst viele Kunden schafft, der sich auch finanziell lohnt. Das Prinzip des IoT sei eigentlich nichts Neues, denn Maschinen und Anlagen sind schon lange vernetzt. Beispielsweise kennt man es schon seit vierzig Jahren aus der Aviatik. Das Neue sind gewisse Aspekte, wie die drahtlose Datenübertragung, die miniaturisierten, energieeffizienten und preisgünstigen Sensoren. Dies beflügelt die Idee, alle physischen Gegenstände via Internet zu vernetzen. Weinberger stellt aber die berechtigte Frage: «Was kann man damit aber machen?» Die Antwort: smarte Produkte. Aber nicht alles, was smart ist, ist auch sinnvoll. Er gab Beispiele von sinnvollen und weniger sinnvollen Produkten, wie der mit einer intelligenten Haarbürste kommunizierenden Hair Health App. Ermöglicht werden aber auch nützliche Funktionen, wie hochauflösende Wetterdaten durch lokale IoT-Messungen oder die Überwachung und Optimierung der Lagerhaltung. Die mit Kameras ausgerüsteten Teileschachteln können nun selbst Material bestellen, wenn sie fast leer sind.

Die Systemsicht ist wichtig

Weinberger wies darauf hin, dass das Internet der Dinge zwar ein technisches Thema ist, aber dass der Kunde auch mitberücksichtigt werden muss, um ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Daten gewinnen erst dann finanziell an Bedeutung, wenn sie von den Kunden genutzt werden können. Die grossen Herausforderungen dabei sind Datensicherheit und Hacking. Weil man es mit einem relativ komplexen Technologiestack zu tun hat (Sensoren, Software, Kommunikation, …), ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass irgendwo eine Datenlücke vorhanden ist. Dies ist an sich nichts grundsätzlich Neues, aber im IoT steigen die Herausforderungen dadurch. Es genügt nicht, nur einzelne Layer abzusichern, sondern man muss gesamte Systeme schützen. Eine weitere Frage ist die, ob Nutzer ein IoT-Produkt überhaupt wollen. Sie müssten zunächst wissen, welche Sensoren (Mikrofone etc.) vorhanden sind, um anschliessend eine Abwägung machen zu können, ob sie sich auf das entsprechende «Abenteuer» einlassen und mit den potenziellen Gefahren leben möchten.

Auf den strategischen Vorteil der Beleuchtungsbranche ging Thomasz Zareba (Zumtobel) ein. Die Leuchtenindustrie sei prädestiniert für IoT-Lösungen, weil die Beleuchtung überall vorhanden ist und Sensoren integriert werden können. Die Stromversorgung ist präsent, eine gute Konnektivität ist überall im Gebäude möglich. Bisher wurden die meisten IoT-Anwendungen im Aussenbereich realisiert, heute gibt es ein grosses Potenzial für Innenanwendungen – im Retailbereich, in Bürogebäuden und in der Industrie. Beispielsweise kann in der Industrie die Position von Gütern oder autonomen Fahrzeugen nachverfolgt werden. Im Office-Bereich kann man feststellen, welche Schreibtische in einem Gebäude besetzt sind, um die Auslastung zu optimieren. Proximity Marketing ist auch eine Möglichkeit: Geht ein Kunde durch ein Shopping Center, kann er gezielt mit Push-Benachrichtigungen über Aktionen informiert werden.

Energieeffizienz bei der Bahn

Der Leiter der Digitalisierung und Architektur bei den SBB, Jochen Decker, zeigte den Nutzen auf, den man mit IoT bei der Bahn generieren kann. Man braucht Daten für Zusatzdienste wie Mobility. Im Fokus stehen Kunden-Partner-Interaktionen, denn heute möchten viele Reisende individuell angesprochen werden. Neue Produkte, Geschäftsprozesse und ein optimiertes Kapazitätsmanagement stehen dabei im Vordergrund der IoT-Strategie. Der Einsatz der Digitalisierung lohnt sich hier, weil hohe Kosten eingespart werden können. Dabei stellt die Digitalisierung mit E-Tickets nur den Anfang dar, denn sie unterstützt zwar bestehende Prozesse, aber auf eher konventionelle Weise. Man möchte noch weiter gehen, noch disruptiver werden. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Zusammenführung von Daten, die in diversen «Silos», auch bei Drittanbietern, gespeichert sind. Die SBB stellen ihrerseits Dritten viele Daten frei zur Verfügung, um sie zu motivieren, Apps zu entwickeln, die wiederum die SBB-Dienste verbessern könnten.

IoT hilft zudem beim Optimieren der Netzauslastung, indem Heizungen punktuell kurz ausgeschaltet werden, um Lastspitzen zu reduzieren, die im Taktfahrplan durch das gleichzeitige Anfahren auftreten. Das Internet der Dinge kommt auch bei der Predictive Maintenance zum Einsatz, beispielsweise, um bei Türstörungen, dem grössten technischen Problem, die Fehlerquelle zu prognostizieren. Dazu wird der Strom des Antriebs und die Schliesszeit ausgewertet. Das Rollmaterial kann dadurch besser ausgelastet werden, da Reparaturen schneller ausgeführt werden können. Wenn man das Bahnfahren neu denkt, kann man die Züge viel näher beieinander fahren lassen – und etwa ab 2035 sogar ferngesteuert bzw. automatisiert. Das Motto lautet: Man muss übergreifend denken und den Kunden in den Mittelpunkt stellen, nicht die Technologie. Datenschutz gewinnt da an Bedeutung, denn die Kunden müssen vertrauen können. Es muss aber auch Platz haben für Experimente. Wie auch andere Redner, betonte Jochen Decker, dass beim Entwickeln von disruptiven Ansätzen Enttäuschungen dazugehören.

Nach diesem einführenden Teil konnte man sich für einen der vier parallelen Streams entscheiden: Die Themen Lichtplanung (mit Schwerpunkt auf dem digitalen Workflow mittels Building Information Management, BIM), Lichttechnik & Internet of Things, die Strassenbeleuchtung sowie die Elektroplanung und -installation standen im Angebot.

Mehrwert schaffen

Thomas Möller, Steinel, zeigte im IoT-Stream auf, wie mit vernetzter Sensorik Mehrwert erzeugt werden kann. Dabei kann die gesamte Logik dezentral im Netz liegen. Es gibt viele sinnvolle Lösungen von Connected Lighting, sowohl im privaten als auch im Gewerbesektor. Man kann den Komfort erhöhen und Energie sparen. Aber die Beleuchtung ist nur ein Aspekt, denn die in den Leuchten erhobenen Informationen können auch zur Steuerung der Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen genutzt werden. «Building Intelligence» lautet da das Leitmotiv. Die Sensorik kann auch eingesetzt werden, um festzustellen, was gerade im Raum geschieht. Die Sensordaten können intelligent ausgewertet werden, und ein Lernvorgang lässt sich integrieren, um nicht nur die Energieeffizienz zu steigern, sondern beispielsweise auch das Nutzungsmanagement zu ermöglichen. Bei Sitzungszimmern hat man immer aktuelle Daten und muss sich nicht auf eventuell veraltete Outlook-Einträge verlassen. Dadurch kann der Auslastungsgrad verbessert werden. Thomas Möller erwähnte eine weitere Möglichkeit: die Präsenzdetektion mit Atemmuster-Erkennung. Sie hat den Vorteil, dass keine Rückschlüsse auf Personen gemacht werden können – ideal also, um in Hotels dem Reinigungspersonal mitzuteilen, wann ein Zimmer frei ist und gereinigt werden kann. Mit Sensoren für volatile organische Verbindungen kann zudem die Luftqualität in Räumen analysiert werden, um bei Bedarf zu lüften und das Raumklima auf energieeffiziente Weise zu verbessern.

Offensichtliche Fehler vermeiden

Mathias Burger von Samsung schilderte, wie man bei Leuchten nicht nur mit dem Licht Geld verdienen könne. IoT ist da der Hoffnungsträger, aber viele seien in dem Bereich auch schon gescheitert.

Burger schilderte einige Use Cases, die man am Forum schon vorher kennenlernen konnte: Energiemanagement, präventive Wartung, Personen-Tracking, Raumoptimierungen. Aber da stellen sich einige Fragen: Was ist die Wertschöpfungstiefe? Kann man die gesamte Sensorik und Elektronik selbst entwickeln? An welche Ökosysteme kann man andocken? Security und Privacy sind weitere Hürden. Mathias Burger betonte, es gäbe keine Standardantwort: «Diesen gordischen Knoten muss jede Firma für sich lösen.» Es funktioniere nur, wenn die Connectivity in der Geschäftsleitung verankert ist. Zudem gäbe es keine Erfolgsgarantie – ein Scheitern gehört dazu.

Für Burger geht es bei IoT nicht um farbige Dashboards mit viel Information, sondern um das Erkennen von Anomalien und, im besten Fall, um Handlungsempfehlungen. Problematisch sei auch das heute verbreitete Geschäftsmodell, dass man meist die Hardware verkauft und die Software einfach mitliefert – obwohl letztere wegen Sicherheitsupdates und Funktionalitätserweiterungen viel Arbeit und Kosten verursacht.

Das IoT-Geschäft sei anspruchsvoll, warnte Burger, denn man braucht nicht nur Elektronik- und Embedded-Software-Kenntnisse, sondern sollte auch bezüglich Netzwerk- und Systemarchitektur sowie Anwendungssoftware kompetent sein, um entsprechende Plattformen entwickeln zu können. Heute sieht man auch einen Mangel im Dienstleistungsbereich: in der Security und Privacy, im Datenengineering, in der künstlichen Intelligenz. Mathias Burger gab einen weisen Rat: «Vermeiden Sie die offensichtlichen Fehler, um sich die eigenen zu leisten.»

Als häufigsten Fehler bezeichnet Burger die Ansicht, dass jede gute Idee auch ein Geschäft ist. Bei unbekanntem Terrain können nämlich die Entwicklungskosten problemlos um den Faktor 2 höher liegen, die Entwicklung doppelt so lange dauern, und das Resultat die Hälfte dessen können, was ursprünglich spezifiziert wurde. Software ist nicht kostenlos, gerade die Cloud kostet Geld: sowohl die Entwicklung als auch deren Unterhalt und Betrieb. Rigoroses Erwartungsmanagement ist dabei zentral: «Niedriger zielen, dafür aber liefern.» Und nicht aufgeben, wenn Erwartungen angepasst werden müssen. Eigentlich ein Ratschlag, der auch in anderen Bereichen relevant ist.

Es sei auch nützlich, schon frühzeitig mögliche neue Geschäftsmodelle zu testen und erreichbare, messbare Zwischenziele zu definieren. Ein wichtiges Thema in der Beleuchtungsbranche ist auch die Ergänzung der fehlenden Kompetenzen. Und ganz zentral: Das Scheitern sollte als Teil der Entwicklung verstanden werden, auch als Komponente der Geschäftsleitungsvision.

Standardisierung ist gefragt

Andreas Müller von Tridonic ging dann auf die Standardisierung beim IoT ein: «Die Wireless-Technologie bietet zwar Skalierbarkeit und Flexibilität, sie ist aber geprägt durch technologische Vielfalt, wie Bluetooth, Wifi, ZigBee, Zwave, Thread, … Zudem ist Bluetooth nicht gleich Bluetooth Smart, Bluetooth Mesh oder Bluetooth 5, obwohl alle von Bluetooth zertifiziert sind.» Jedes dieser Systeme hat seine Vorteile, es gibt da keine Einheitslösung. Man muss sich überlegen, was man mit seinen Produkten machen möchte und welche Anforderungen man abdecken will. Dann kann man die nötigen Lösungen finden. Für Müller steht fest, dass man auch künftig mit mehreren Wireless-Standards leben müssen wird.

Licht einfach mieten

Robert Heinze, Trilux, stellte ein neues Konzept vor: Licht zu mieten. Für Trilux ist dies ein Experiment, man geht dabei ein gewisses Risiko ein und weiss noch nicht, wohin die Reise gehen wird. Heute kaufen Kunden Leuchten via Planer und Händler von Herstellern, geben die Installation bei Handwerkern in Auftrag, bezahlen den Strom separat und kümmern sich um die Wartung und den Ersatz. Die meisten Kunden hätten aber nicht wirklich Lust, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Der neue Ansatz ist nun die Lichtmiete. Dabei kommen alle Dienstleistungen von einem Anbieter, dem Eigentümer des Lichtsystems. Für die Industrie und das Gewerbe kann dies eine attraktive Alternative sein, um Lichtbedürfnisse abdecken zu können. Besonders für Facility Manager, die keinen ästhetischen Anspruch haben, sondern einfach das normgerechte Licht wünschen, könnte dies eine Erleichterung sein. Dies bedingt neue Vertragsbedingungen, neue separate Stromzähler sowie eine gewisse Einschränkung der Produktauswahl. Für die Abrechnung braucht es IoT, man muss wissen, wann das Licht genutzt wird. Die Abrechnung kann in Euro pro 100 lx pro m2 monatlich erfolgen. In Industriehallen kommt man auf rund 25 Cent pro 100 lx/m2 monatlich, in Büros kostet es etwa das Dreifache.

In der Keynote von Andreas Huber, Geschäftsführer des Club of Rome Deutschland, blickte man in die noch fernere Zukunft. Sein Motto: Man sollte Veränderer statt Verhinderer sein und sich positiv für die Zukunft unseres Planeten einsetzen. Dies fängt im Kleinen an: Wir müssen zunächst unser Selbstverständnis ändern, um die Welt zu verändern. «Die Erde ist unser einziger Partner im grossen Nichts des Kosmos», so seine Aussage. Deshalb sollte unsere Beziehung zur Erde auf Werten, wie Toleranz und Respekt basieren, statt auf Arroganz und Dominanz. Das fossile Zeitalter sei eine zeitlich beschränkte Periode, die vergehen wird. Heute haben wir ein Narrativ, das auf Wachstum basiert, in dem alle Dinge billig sind. Wir brauchen aber eine neue Welt, die wir über den Berg des Strukturwandels erreichen können. Neben den technologischen Treibern gibt es auch ökologische, die uns dorthin führen werden. «Wir können nicht so weitermachen wie bisher und hoffen, dass etwas anderes dabei herauskommt.» Dafür müssen wir wissen, was wir wollen. Es gehört aber auch dazu, dass Veränderung Ängste auslöst und dazu verleitet, nur die Symptome zu sehen, statt neue Lösungen zu finden. «Ein neues Denken ist gefragt, um die Herausforderungen zu meistern.»

Das Jubiläum steht an

Das nächste LED-Forum – das Forum zum zehnjährigen Jubiläum – wird am 30. Januar 2020 wieder in Basel durchgeführt. Um noch näher bei aktuellen Trends zu sein, wird das Forum künftig jährlich stattfinden. Es wird ein neues Format eingeführt, um gezielten individuellen Informationsaustausch und das zielgerichtete Networking zu fördern: das Barcamp. Dabei handelt es sich um themenspezifische Diskussionsrunden, die von Teilnehmenden initiiert werden können.

Autor
Radomír Novotný

ist Chefredaktor des Bulletins Electrosuisse.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

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