Bahntagung 2020
Hochspannung trifft auf Digitalisierung
Zur vierten Austragung der Bahntagung lud Electrosuisse am 4. November 2020 nach Luzern ein, wobei die meisten Teilnehmenden Corona-bedingt virtuell dabei waren. Die Tagung, die sich ursprünglich auf Infrastruktur- und Rollmaterialthemen beschränkte, erweitert schrittweise ihr Spektrum. Diesmal war der erste Teil Hardware- und Leistungselektronikthemen gewidmet, der zweite den Möglichkeiten der Digitalisierung.
Den Einstieg machte Matthias Britt von Stadler Rail mit einem Vortrag zu Batteriefahrzeugen. Diese können statt Dieselfahrzeugen emissionsfrei auf nicht elektrifizierten Strecken eingesetzt werden. Er ging auf mögliche Einsatzgebiete, Herausforderungen bei der Auslegung, Vor- und Nachteile im Vergleich zu Dieselfahrzeugen und aktuelle Projekte ein.
Batteriefahrzeuge können gut als Dienstfahrzeuge eingesetzt werden, mit denen Arbeiten bei ausgeschalteter Fahrleitung ausgeführt werden können. Nebst den Traktionsbatterien gibt es aber auch Rekuperationsbatterien für hybride Systeme, mit denen die Bremsenergie gespeichert und genutzt werden kann, beispielsweise um Emissionen in Bahnhöfen zu vermeiden. Sie können zudem für eine Boost-Funktion verwendet werden, um zusätzliche Leistung bereitstellen zu können.
Bei Batteriefahrzeugen liegt die Reichweite zwischen 50 und 200 km, was verglichen mit Dieselfahrzeugen, die auf 1000 bis 2000 km kommen, eher bescheiden ist. Das Brems- und Beschleunigungsverhalten ist identisch, die Anschaffungskosten sind bei Batteriefahrzeugen deutlich höher. Dass man weniger Energie mitführen kann, hat Auswirkungen auf die Fahrplangestaltung, denn eine Mindeststehdauer ist nötig zum Laden. Bei Dieselfahrzeugen hingegen ist die Auftankzeit unproblematisch. Bei 1 MWh dauert ein Ladevorgang für 4 MW 15 Minuten.
Da bei Stadler der Ladestromrichter im Traktionsstromrichter integriert wird, ist die Antriebstopologie einfach erweiterbar oder umrüstbar. Traktionsbatterien können auch nachträglich integriert werden. Die Herausforderung ist die Entwicklung der Software für hybride Antriebsstränge, denn die Aufteilung der Energie (fossil/elektrisch) ist nicht einfach. Es müssen Entscheidungen bezüglich des Verhältnisses von Diesel und Strom getroffen werden. Zudem muss eine Betriebsstrategie erarbeitet werden, damit klar ist, wo geladen wird. Die Auslegung der Batterie ist auch nicht einfach, denn es müssen diverse Faktoren definiert und Kriterien berücksichtig werden, beispielsweise die Topologie und die Geschwindigkeit der Strecke, auf der nicht geladen werden kann, sowie die maximale Entladetiefe.
Zudem muss man bei der Lagerung der Batterien darauf achten, dass die Zelltemperatur um 25° bleibt. Am Abend nach der Fahrt darf das Kühlsystem nach getaner Arbeit deshalb nicht einfach ausgeschaltet werden, sondern sollte so lange aktiv bleiben, bis sichergestellt ist, dass die Batterietemperatur stabil im gewünschten Bereich liegt. Dies bedingt u. U. eine Speisung im Depot. Man muss die Gefahrenbereiche für die Lagerung neben dem Fahrzeug definieren. Bei den Modulen kann die Wartung komplexer werden. Der Brandfall ist auch ein wichtiges Thema, Stichwort Thermal Runaway. Die Batterielebensdauer liegt zurzeit bei 8 Jahren, dies ist bei einer Lebensdauer des Fahrzeuges von 30 Jahren nicht optimal. Es wird deshalb aktuell an einer längeren Batterielebensdauer geforscht sowie an der Erhöhung der Lade- und Entlade-Rate durch neue Materialien. Diese offenen Fragen scheinen aber die Kunden nicht abzuhalten, denn Batteriefahrzeuge sind heutzutage extrem gefragt, beispielsweise im osteuropäischen Raum.
Dann wechselte man von den Fahrzeugen zur Bahninfrastruktur: statische Frequenzumrichter für Bahnnetzspeisungen wurden von Matthias Gautschi, Hitachi ABB Power Grids, vorgestellt. Er zeigte auf, wie sie die bewährten Zwischenkreisumrichter im 16,7-Hz-Bahnstrommarkt ersetzen können. Um eine hohe Verfügbarkeit garantieren zu können, wurde die Redundanz im leistungselektronischen Teil des Systems erhöht. Vergleicht man bisherige Stromrichtergenerationen (Umrichtertopologie mit Zwischenkreis) mit den neuen (direkte Umrichtertopologie mit verteiltem Zwischenkreis), stellt man fest, dass die Konvertereinheit bei der neuen Generation ein wenig grösser und auf höchste Effizienz ausgelegt ist. Brauchte man früher eine Vielzahl an Windungen, um die Mehrstufigkeit des Signals zu erreichen, kommt man beim neuen Umrichter mit einfacheren Trafos aus.
Für gewisse Anwendungen kann man die Umrichter auch ohne Trafo an Netz anschliessen, da Spannungen neu bis 36 kV zugelassen sind. Die direkte Umrichtertechnologie zeichnet sich aus durch geringere Verluste (98% Effizienz vs. bis zu 97% der früheren Technologie) und weniger Lärm. Manchmal kann sie sogar ohne Netzfilter bei guter Spannungsqualität betrieben werden. Der Nachteil: Es braucht eine Frequenzdifferenz von Eingang zu Ausgang, zudem sind Platzbedarf und Installationsaufwand grösser.
Wie die SBB zusammen mit verschiedenen Engineering-Partnern 9 Lokomotiven HGe 4/4 II der Matterhorn-Gotthard-Bahn, die zwischen 1985 und 1990 in Betrieb genommen wurden, modernisieren, um sie ein weiteres Vierteljahrhundert einsetzen zu können, stellten Adrian Mülhauser, Enotrac AG, und Chad Evans, SBB, vor.
Dabei werden der elektrische Antriebsstrang und die Fahrzeugsteuerung komplett mit modernen IGBT-Stromrichtern, Asynchronmotoren und einer zeitgemässen Leittechnik, die nun redundant aufgebaut ist, ersetzt. Die Wahl fällt jeweils auf bewährte Technologien, damit die Zulassung möglichst reibungslos durchgeführt werden kann. Der elektrische Teil der Lokomotive, inklusive Fahrzeugsteuerung und Verkabelung, wird jeweils völlig neu aufgebaut. Die Konstruktion des Haupttransformators stellte eine Herausforderung dar, da dieser auch als Abstützung für die beiden Stromrichter dient und es wenig Platz hat. Bei der Integration der neuen Fahrmotoren waren am bestehenden Drehgestell keine Anpassungen nötig. Mit fotografischen Impressionen vom Maschinenraum des Fahrzeugs und den Einbau-Aktivitäten rundete Adrian Mülhauser den Vortrag ab.
Die Entwicklung der Deckenstromschiene (DSS), die heute mit 300 km/h befahren werden kann, wurde von Urs Wili von Furrer + Frey AG erläutert. Ursprünglich war man der Meinung, dass man mit einer festen Schiene nicht schneller fahren kann. Dann haben sich 1984 beim Bau des Bahnhofs Museumstrasse der Zürcher S-Bahn die damaligen Verantwortlichen der SBB auf die Suche nach einer Fahrleitung gemacht, die nicht zu Störungen führen kann. Die Deckenstromschiene hatte da ihre Premiere und wurde anschliessend kontinuierlich weiterentwickelt, so dass sie nun vom Messzug der Deutschen Bahn im österreichischen Sittenberg-Tunnel mit 302 km/h befahren werden konnte, auch in den Übergängen vom Kettenwerk in die Stromschiene und umgekehrt.
Das Profil weist eine hohe Stromtragfähigkeit auf, da es 1200 mm² kupferäquivalentem Querschnitt entspricht. Zudem ist es im Brandfall deutlich länger funktionsfähig als ein Fahrdraht und weist eine geringere Bautiefe auf. Die Stromschiene vermeidet auch die beträchtliche Höhenbewegung des Drahtes. Eine Antwort auf die Aufhängungsfrage hat man im Schwenkarm mit Isolator gefunden. Dieser hat sich bei variablen Temperaturen bewährt, da er sich an die temperaturabhängige Längenänderung der Schiene anpasst. Um die Länge auszugleichen, setzt man einen Längenausgleichsapparat ein, der den Spalt zwischen den Schienenenden überbrückt. Maximal 100 cm können so ausgeglichen werden. Eine ausführliche Erläuterung des Übergangs von der elastischen Fahrleitung zur starren DSS und Ausführungen zum Ceneri-Basistunnelprojekt schlossen die Präsentation ab.
Dann wechselte man von der Hardware zur Software – sowohl inhaltlich als auch bei den Rednern, die nun virtuell präsent waren: Seit März 2020 erhält das Lokpersonal im Regionalverkehr sekundengenaue Zeiten und die vorgesehenen Geschwindigkeiten, um präziser und energieeffizienter fahren zu können. Roland Schäfer und Stephan Gut von der SBB erläuterten, wie das System Eco 2.0 schrittweise entwickelt wurde – von den ersten Ideen bis zu Betriebstests mit über 10'000 Fahrten. Dabei setzte man die Erkenntnis ein, dass die Fahrstrategie des Lokführers einen Einfluss auf die Betriebslage hat. Wenn alle pünktlich fahren, verbessert sich die Betriebsstabilität signifikant. Kommen aber Zugführer mit unterschiedlichen Fahrstrategien zusammen, behindern sie sich gegenseitig und verschlechtern die Effizienz markant durch Brems- und Beschleunigungsmanöver. Das Ziel ist eine grüne Welle für alle Züge, um dieses unnötige Abbremsen zu vermeiden.
Dann übernahm der Moderator Martin Jäggi von Annax.
Auch um Informationen ging es im folgenden Vortrag, genauer um die Übertragung von Fahrgastinformationen mittels Power Line Communication. Jürgen Wassner, Professor an der Hochschule Luzern, erläuterte, wie PLC statt den bisherigen Ethernet-Netzen, die teuer und schwer sind und eine grosse Kabelmenge erfordern, genutzt werden kann. Nutzt man die bestehenden Stromversorgungskabel zur Datenübertragung, kann man ein grosses Einsparpotenzial aktivieren.
Die PLC ist nicht neu – das erste Patent geht auf 1898 zurück, wo PLC im Zählerbereich eingesetzt wurde. Wassner erläuterte zunächst das Prinzip und ging auf die typischen Herausforderungen des Kanals ein, beispielsweise dem frequenzabhängigen Amplitudengang, dem durch angeschlossene Lasten eingebrachten Rauschen, die stark unterschiedliche Signalstärke der Teilnehmer usw. Bei der Anwendung für die Bahn wurden minimale Latenz und maximale Zuverlässigkeit angestrebt. Zudem sollen grosse Netzwerke, bis zu 128 Teilnehmern, möglich sein – bei hoher elektromagnetischer Verträglichkeit.
Bei der präsentierten Lösung Power Line Date Bus (Plus) wurde auf bewährte Industriestandards zurückgegriffen. Zunächst entwickelte man das PLC an der HSLU für den Aviatik-Bereich und übertrug es anschliessend auf Passagierzüge und Güterzüge. Das bei der BLS eingesetzte System funktioniert als Prototyp seit Januar 2019 zuverlässig. Dabei stellte man fest, dass dies nicht die einzige potenzielle Einsatzmöglichkeit im Bahnbereich ist. Beispielsweise kann bei Güterzügen PLC eingesetzt werden, um eine digitale automatische Kupplung anzusteuern. Dieser Anwendungsfall ist ideal auf PLC zugeschnitten, weil es ein Stromkabel von der Lokomotive bis zum letzten Wagen sowieso braucht und man es gleichzeitig auch für die Datenübertragung nutzen kann. Die Kabeltopologie von Güterzügen ist linear, also anders als beim Personenzug, wo sie baumförmig ist. Für diese neue Architektur mussten neue Protokolle entwickelt werden.
PLC lässt sich einfacher installieren und bietet eine höhere Zuverlässigkeit, da weniger Kontaktstellen vorhanden sind. Die meisten Anwendungen im Cargobereich können mit PLC abgedeckt werden: automatisches Bremsen, Bremssignale, die Zugtaufe, die verteilte Mehrfachtraktion, Entkopplung der Waggons, Notbremse und vieles mehr.
Eine Datenmenge, bei der PLC schnell an den Anschlag kommen würde, bei der sogar Funk zu langsam ist, wurde anschliessend von Joël Casutt, Mess- und Diagnosetechnik von SBB, thematisiert. Er zeigte auf, wie der Zustand der Schienen automatisiert erfasst werden kann und wie die dabei anfallende Datenmenge im Petabyte-Bereich möglichst automatisiert ausgewertet wird. Das Ziel ist die Optimierung der Lebensdauer der einzelnen Elemente. Beispielsweise sucht man den besten Zeitpunkt, um Schienen zu schleifen.
Mit dieser Überwachung lässt sich die ressourcenintensive, gefährliche und manchmal nicht reproduzierbare visuelle Kontrolle ablösen. Strecken über 160 km/h lassen sich unter Betrieb nur mit dem Messfahrzeug kontrollieren, z. B. im Ceneri-Basistunnel. Die grösste Herausforderung ist dabei momentan die Schienenoberfläche, denn da gibt es verschiedene Fehlertypen. Seit drei Jahren wird da Machine Learning eingesetzt, das die 51 Inspektoren ersetzt, die nun zunehmend ins Büro verlagert werden.
Ein Inspektor muss 250 Defekttypen kennen. Heute werden etwa 23000 Defekte pro Jahr festgestellt, die meisten davon sind zwar harmlos, aber Schienenverformungen können auch zu einem Bruch führen. Ein Diagnosefahrzeug nimmt die Messung bei 200 km/h durch. 16 Kameras generieren dabei bis zu 3 TB Daten pro Tag, die via Glasfaserkabel ins Datenzentrum übertragen. Das Schweizer Netz wird dreimal pro Jahr abgefahren. Mess- und Inspektionsdaten werden separiert und in Bern gespeichert. Die Rohdaten werden 15 Jahre aufbewahrt. Theoretisch könnte man bei einem Schienenersatz die entsprechenden Informationen löschen, aber heute ist dies noch nicht automatisch möglich.
Nun arbeitet man daran, die Messysteme auf Personenzüge statt auf Messwagen zu installieren. Obwohl die Technik in manchem dem Menschen überlegen ist, hat der Inspektor auch einen Vorteil: Er verfügt über eine vielseitigere Sensorik (Tastsinn), und kann Oberflächenbeschaffenheiten besser untersuchen.
Andreas Haas von Stadler Rail moderierte die letzte Runde.
Welche Chance die Digitalisierung für den Schienengüterverkehr bedeutet, erläuterte Anja Maria Sonntag von SBB Cargo. Im Cargobereich ist die Konkurrenz durch LKWs gross. Unter anderem, weil sie alle 7 Jahre erneuert werden, um den steigenden Anforderungen wie Same-Day-Delivery gerecht zu werden. SBB Cargo hat vor fünf Jahren deshalb ein Programm aufgegleist, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Die erste und letzte Meile ist der Bereich, wo man besonders aktiv werden muss. Ganz autonom wird es in diesem Bereich nie gehen, aber eine Reduktion auf eine Person ist das Ziel. Dies soll beispielsweise durch automatische Kupplungen, automatisierte Bremsproben und eine unbesetzte Spitze erreicht werden. Sonntag erläuterte, wie die Wagenprüfungen in Zukunft aussehen werden. Bei der Implementierung muss der Paradigmenwechsel umgesetzt werden. Da müssen Normen berücksichtigt werden und man muss sich in die IT einarbeiten. Es ist ein Erfolgsfaktor, wenn man es schafft, vom Proof of concept zur Implementierung schreiten zu können. Die vielen technischen Prüfmerkmale sollen automatisiert kontrolliert werden.
Zentral ist dabei die Einführung von «Intelligenz». Dies ist beim Güterzug ein vielschichtiger Begriff. Er kommt zum Zug bei einer intelligenten Bremse, in Betriebsprozessen wie Bremsprobe, Wagenreihung, Zugslänge oder Entgleisungsdetektion. Das Gesamtsystem ist im Cargobereich deutlich komplexer als die reine Sensorik bei der Automatisierung von Betriebsprozessen. Eine Bremsprobe besteht beispielsweise nicht nur aus ein paar Sensoren am Wagen, es ist ein deutlich grösseres System. Der Sicherheitsnachweis ist dabei wichtig.
Markus Scheidegger von Siemens Mobility zeigte anhand verschiedener Beispiele auf, welchen Beitrag die Bahnindustrie an die Energiestrategie 2050 leistet. Beispielsweise in der Automatisierung mit dem Leitsystem Iltis, durch zentralisierte virtuelle Sicherungstechnik, durch den Ersatz von Relaisstellwerken mit Elektronik und von konventionellen Signalleuchten durch LED-Signale. Statische Frequenzumrichter haben auch höhere Wirkungsgrade (ca. 97% gegenüber 93%) und können einen wertvollen Beitrag leisten.
Wenn man LED-Signale (10 W) statt 20-W-Glühlampen einsetzt, spart man bei den 2150 bereits erneuerten Lichtpunkten jährlich 94 MWh ein. Die SBB verfügen aber insgesamt über ein Potenzial von 150'000 Lichtpunkten, also einer möglichen jährlichen Einsparung von 6,5 GWh.
Bei den Stellwerken können fünf Relais-Stellwerke durch ein elektronisches ersetzt werden, womit man auch bei der Energie für die Räumlichkeiten spart, nicht nur beim eigentlichen Stellwerk. Leittechnik-as-a-Service ist auch eine Möglichkeit, um Energie zu sparen, denn der Server kann überall stehen. Nur der Arbeitsplatzrechner ist dann vor Ort. Scheidegger erwähnte die Umsetzungen bei der Gornergrat-Bahn, der Berner-Oberland-Bahn sowie der Aare Seeland Mobil.
Beim Rollmaterial gibt es Effizienzsteigerung, indem man das rein elektrische Bremsen einsetzt. Wenn man den Automatisierungsgrad der Fahrten erhöht, bei denen der Lokführer einfach eine Monitoring-Funktion ausübt, fährt das System effizienter. Dabei dürfe nicht vergessen werden, so Scheidegger, dass die Energieeffizienz im öffentlichen Verkehr nicht die oberste Priorität hat, sondern die Sicherheit.
Das Thema «Entwicklung einer fehlersicheren Fernsteuerung für Bahnen auf Basis von Standard-Hardware» schloss die Tagung ab. Peter Tschan von Actemium LeitTech stellte diverse Bahnsicherungstechnik-Lösungen vor und ging dann detaillierter auf die VBBa-Fernsteuerung ein, mit der Befehle ins Stellwerk geschickt und angezeigt werden können. Dabei werden marktübliche Standard-Produkte eingesetzt – Scada, Hardware, Netzwerkkomponenten und SPS-Steuerungen. Er erläuterte die zu erfüllenden Normen, die an die Hardware hohe Ansprüche stellen. Wenn alle Komponenten zertifiziert sind, muss man die Kommunikation, die Software und deren Zusammenspiel nachweisen, also einen generischen Nachweis für das gesamte Produkt durchführen. Um erfolgreich zu sein, kann man Software-Überprüfungen einsetzen, um die Hardware zu härten. Im Vortrag wurde schliesslich aufgezeigt, wie es möglich ist, eine Typenzulassung mit einer THR (tolerierbaren Gefährdungsrate) gemäss SIL2 für VBBa zu erlangen, obwohl die übliche Voraussetzung, der Einsatz von fehlersicherer Hardware und Software, nicht erfüllt werden konnte.
Martin Aeberhard fasste abschliessend die vielseitige Tagung kurz zusammen und stellte erfreut fest, dass im Bahnbereich die Innovation in der Schweiz vorhanden ist – von Hochspannungs- bis zu Digitalisierungslösungen.
Aufgrund der Corona-Situation fand die Leitungsbautagung mit verkürztem Programm am 11. November virtuell statt. Der wichtige persönliche Kontakt fand nun online statt – und wurde rege genutzt.
Christian Bellina von der VUM GmbH stellte das Projekt der Salzburgleitung vor, die die Überproduktion der Windkraft im Osten Österreichs verteilen und somit die Versorgungssicherheit erhöhen soll. Er verglich dabei das Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht mit einer Bergwanderung, die auf wenige Stunden angesetzt war, aber bei der die Umstände (Wetter, Umleitungen usw.) die nötige Wanderzeit um Faktoren verlängerten.
Während der Planung nahmen die Hürden zu, denn nebst der Tatsache, dass man beim Projektstart 2010 mehrere Trassen untersuchte, kamen auf Zuruf von NGOs und Bürgerinitiativen noch weitere hinzu. 26 Experten (Geologie, Naturschutz, …) waren beteiligt und gewisse Aspekte mussten vor Ort begutachtet werden. Wegen der langwierigen Prozedur kam es auch vor, dass sich die Natur zwischenzeitlich verändert hat und neue Ausweisungen von Schutzgebieten dafür sorgten, dass man «zurück an den Start» musste. Um zur endgültigen Variante zu kommen, wurden insgesamt 833 km untersucht – Faktor 6,6-mal mehr als realisiert. Und wie bei der Bergwanderung hiess es auch hier: Ziel erreicht. Die Salzburgleitung wurde bewilligt; mit der Umsetzung wurde im März 2019 begonnen.
Auf die Frage, ob ein Netzprojekt als Erdkabel oder Freileitung gebaut wird, gab der Stromnetzexperte des BFE, Denis Peytregnet, eine einfache Antwort: «Es muss technisch und betrieblich möglich sein», u. a. muss die Zugänglichkeit gewährleistet sein und es darf nicht zu viel kosten. Der Mehrkostenfaktor wird dazu definiert. Peytregnet erläuterte, welche Kosten beim MKF berücksichtigt werden müssen und stellte die MKFactory vor, ein Tool, das für jedes Genehmigungsgesuch zur Ermittlung des Faktors verwendet werden muss.
Wie mit Kamera-Drohnen Masten kontrolliert werden können, stellte Kathrin Schweizer von Axpo vor. Ein Algorithmus analysiert die Bilder und schlägt Schäden vor. Masten können so gesucht und der Schaden kann untersucht werden. Während dem Flug wird ein Foto der Mastnummer gemacht, damit die Bilder automatisch zugeordnet werden können. Zudem lässt sich die Software auch trainieren, beispielsweise damit ein Schattenwurf auf einem Isolator nicht als Verschmutzung interpretiert wird. Die Drohne bietet diverse Vorteile: Man erhält eine gute Dokumentation und steigert Effizienz und Sicherheit, da die Masten nicht bestiegen werden müssen.
Diese drei fundierten Präsentationen und inspirierende Fragerunden trugen zum Gelingen dieser Tagung bei. Die nächste Austragung soll am 1. September 2021 in Pfäffikon SZ stattfinden.
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