Fachartikel Installationstechnik , Regulierung , Sicherheit

Auto­ma­tische Abschal­tung im Fehlerfall

Elektrische Sicherheit auf Baustellen

24.08.2022

Mit der Inkraft­setzung der NIN 2020 wurde der Fehler­schutz auf Bau­stellen angepasst und verbessert. Durch diese Optimierung des Fehler­schutzes erhöht sich auch der Personen­schutz. Diese Anpassungen und ihre teilweise grossen Aus­wirkungen werden erläutert.

Mit der Inkraft­setzung der NIN 2020 (Nieder­spannungs-Installations­norm, SN 411000:2020) sind die Anforderungen an den Fehler­schutz generell angepasst worden. Diese Anpassungen findet man im Kapitel 4.1 «Schutz gegen elektrischen Schlag». So müssen End­strom­kreise ≤ 63 A mit einer oder mehreren Steck­vorrichtungen eine Abschalt­zeit von 0,4 s einhalten (Bild 1).

Diese Anpassung der Abschalt­zeiten wird oft mit dem Einsatz einer Fehler­strom-Schutz­einrichtung (RCD, Residual Current Device) für den zusätzlichen Personen­schutz verwechselt. Die Forderung an den Zusatz­schutz bleibt unverändert. Das Verwenden von Fehler­strom-Schutz­einrichtungen mit einem Bemessungs­differenz­strom ≤ 30 mA ist für freizügig verwendbare Steck­vorrichtungen ≤ 32 A gefordert.

Anpassungen im Kapitel 7.04 «Baustellen»

Ein kleiner zusätzlicher Abschnitt kann grosse Folgen haben. Im Kapitel 7.04.4.1.1.3 wird der Fehler­schutz ergänzt mit dem Einsatz von Fehler­strom-Schutz­einrichtungen für Steck­dosen­strom­kreise > 32 A. Mit dieser Bestimmung ist der Schutz durch eine automatische Abschaltung und nicht eine zusätzliche Schutz­massnahme gefordert. Für den Fehler­schutz durch automatische Abschaltung werden typischerweise selektive Fehler­strom-Schutz­einrichtungen mit einem Bemessungs­differenz­strom von 100 mA oder 300 mA eingesetzt.

Das Verwenden von Fehler­strom-Schutz­einrichtungen mit einem Bemessungs­differenz­strom ≤ 30 mA für freizügig verwendbare Steck­vorrichtungen ≤ 32 A ist selbstverständlich auch hier gefordert.

Das Eidgenössische Stark­strom­inspektorat (ESTI) hat mit der Mitteilung vom 17. März 2020 die Übergangs­frist für die Anwendung von Fehler­strom-Schutz­einrichtungen für Steck­dosen­strom­kreise > 32 A neu geregelt. Bei Bau­stellen, die vor dem 1. Januar 2020 in Betrieb waren, gilt eine Übergangs­frist bis 31. Dezember 2023. Bei Bau­stellen, die später in Betrieb genommen wurde, gilt eine kürzere Übergangs­frist bis 31. Dezember 2022. Spätestens bis 31. Dezember 2023 müssen sämtliche Bau­strom­verteiler umgerüstet sein. Die Einhaltung der allgemeinen Übergangs­frist der NIN 2020 würde bei früher in Betrieb genommenen Bau­stellen unzumutbare und un­verhältnis­mässige wirtschaftliche Folgen mit sich bringen, weshalb eine längere Übergangs­frist gewährt wird.

Vermeiden von Fehl­auslösungen

Damit Fehl­auslösungen von RCDs die Bau­stellen nicht ungewollt still­legen, ist ein koordinierter Einsatz unerlässlich. Hierfür ist es wichtig, den zu detektierenden Fehler­strom zu kennen, um den geeigneten RCD-Typ zu bestimmen. Betriebs­bedingte Ableit­ströme und magnetische Fremd­felder sind weitere Fehler­quellen, die es zu vermeiden gilt, denn:     

Fehlerströme ≠ Ableitströme.

Durch ihre Funktion (Differenz­strom wird detektiert) kann die Fehler­strom-Schutz­einrichtung (RCD) eher betriebs­bedingte, meist kapazitive Ableit­ströme nicht von den überwiegend ohmschen Fehler­strömen wie Isolations­fehlern, Verschmutzung und Feuchtigkeit oder gar einer Person, die ein spannungs­führendes Teil berührt, unterscheiden. Deshalb muss alles unternommen werden, um betriebs­bedingte Ableit­ströme möglichst gering zu halten. Ungewollte Auslösungen vermeidet man, indem der Ableit­strom einer Anlage im ungestörten Betrieb einen Drittel des Bemessungsvdifferenz­stroms der Fehler­strom-Schutz­einrichtung nicht übersteigt.

Magnetische Einflüsse

Starke magnetische Fremd­felder können den magnetischen Auslöser von Fehler­strom-Schutz­einrichtungen beeinflussen. Zudem kann das Einschalten eines grossen, unmittelbar neben einer Fehler­strom-Schutz­einrichtung montierten Schützes (> 100 A) eine Abschaltung verursachen. In diesem Fall kann man entweder die Distanz zwischen der Stör­quelle und der betroffenen Fehler­strom-Schutz­einrichtung vergrössern oder zwischen der Stör­quelle und der Fehler­strom- Schutz­einrichtung eine Abschirmung anbringen.

Kapazitive Ableitströme von Leitungen

Alle elektrischen Betriebs­mittel und Leitungen haben eine Kapazität gegen Erde. Eine Leitungs­kapazität bildet einen Kondensator zwischen dem Aussen­leiter und der Erde. Eine Fehler­strom-Schutz­einrichtung wird deshalb den kapazitiven Ableit­strom des Aussen­leiters als Fehler­strom erkennen und ihn abschalten, wenn er gross genug ist. Verwendet man kurz­verzögerte oder selektive Fehler­strom-Schutz­einrichtungen, verhindert dies die durch Einschalt­spitzen entstehenden Aus­lösungen.

Fazit

Die Anwendung der Fehler­strom-Schutz­einrichtung für Steck­dosen­strom­kreise > 32 A auf Bau­stellen bedeutet auf jeden Fall eine Verbesserung des Fehler­schutzes und somit auch eine Verbesserung des Personen­schutzes. Diese normative Verbesserung muss in Einklang mit den technischen Heraus­forderungen umgesetzt werden. Die Heraus­forderung besteht darin, die auf­tretenden Fehler­ströme genau zu kennen oder zu analysieren, um die geeigneten Fehler­strom-Schutz­einrichtungen aktivieren zu können.

Autor
Urs Schmid

leitet bei Electrosuisse das Team Fachkurse und ist Mitglied des TK 82.

  • Electrosuisse
    8032 Fehraltorf

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