Ausgediente Batterien nutzen
Kreislaufwirtschaft
Hauptsächlich im Mobilitätsbereich werden immer mehr Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt. Das CircuBAT-Forschungsprojekt sucht nach Möglichkeiten, um die Ökobilanz dieser Batterien zu verbessern.
Lithium-Ionen-Batterien haben sich in vielen Anwendungen etabliert. Das Spektrum reicht von Einzelzellen in Taschenlampen über schwere Batterien in Elektrofahrzeugen bis zu stationären Energiespeichern im MWh-Bereich. Weltweit erreichte die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien für Kraftfahrzeuge mehr als 750 GWh im 2023, ein Anstieg um 40% gegenüber 2022 [1].
Mit der zunehmenden Anzahl an Elektrofahrzeugen steigt auch die Menge an Batterien, die am Ende der Lebensdauer der Fahrzeuge anfällt. Wie damit dereinst umgegangen werden soll, ist aber noch immer weitgehend ungeklärt. Im Recycling hingegen werden Batterien heute noch überwiegend dem Shredder zugeführt und zum Zwischenprodukt Schwarzmasse verarbeitet, was für den Grafit noch ein Downcycling bedeutet [2]. Zur Rückgewinnung von Wertstoffen wie Aluminium, Kupfer, Grafit und Kathodenmaterialien aus den Zellen in möglichst reiner Form, zur Anpassung an die hohen Produktionsraten und Kosten sowie zur Schliessung des Batteriekreislaufs ist künftig ein hochautomatisiertes Recyclingverfahren erforderlich.
Allgemein werden in der Elektromobilität Batterien mit einer Speicherkapazität von mehr als 80% des Neuzustandes als genügend erachtet. Diese Grösse wird State of Health, SOH, genannt. Liegt der SOH darunter, ist noch immer ausreichend Restkapazität für andere Anwendungen wie stationäre Energiespeicher in Häusern vorhanden, bei denen Energiedichte und Leistungsfähigkeit (C-Rate) weniger entscheidend sind. Mit 80% SOH verfügt eine gealterte Batterie eines VW ID.3 (neu 58 kWh) noch über 46,4 kWh. Diese ist weit mehr als die für in Einfamilienhäusern in Kombination mit einer PV-Anlage sinnvollen Speichergrösse von etwa 10 kWh [3]. Aus Nachhaltigkeitsgründen ist eine weitere Verwendung der Traktionsbatterie in einer Zweitanwendung (Second-Life) sinnvoll, denn sie kann je nach Anwendung die Lebensdauer der Batterie um 8 Jahre oder mehr [4] verlängern. Es gibt aber unterdessen erst vereinzelte Angebote in diesem Bereich. Im grossen Stil angewandte Lösungen sind heute auch aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht verfügbar.
Kreislaufwirtschaft für Traktionsbatterien
Hier setzt das Forschungsprojekt CircuBAT an. Es will den Kreis zwischen Produktion, Anwendung und Recycling von Lithium-Ionen-Batterien aus der Mobilität schliessen. Dafür suchen sieben Schweizer Forschungsinstitutionen sowie 24 Unternehmen gemeinsam nach Optimierungsmöglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit in allen Lebensabschnitten der Batterie. Das CircuBAT-Projekt startete 2022 und läuft bis Ende 2025. Es ist Teil der Flagship-Initiative zur Förderung von Systemischer Innovation von Innosuisse, der Schweizer Agentur für Innovationsförderung. In CircuBat forschen sieben Teilprojekte zu relevanten Aspekten in der Schweizer Batterie-Wertschöpfungskette. Hier wird ein Einblick in die Teilprojekte «Nutzung neuer Batterien» und «Zweitnutzung von Antriebsbatterien aus Fahrzeugen in der Elektrizitätsversorgung» gegeben.
Ein längeres Leben für Batterien
Das Teilprojekt «Nutzung neuer Batterien» unter der Leitung von Prof. Dr. Priscilla Caliandro befasst sich mit der Verbesserung der Ökobilanz von Batterien durch die Verlängerung ihrer Lebensdauer. Denn jede Batterie verliert durch die Nutzung an Speicherkapazität und altert unabhängig davon auch mit der Zeit. Die Batteriealterung lässt sich aber beeinflussen.
Durch die Entwicklung von datenbasierten Strategien und Algorithmen soll die Lebensdauer von Lithium-Ionen-Batterien in der ersten Anwendung in E-Bikes (Thömus AG), Dreirädern (Schweizerische Post AG und Kyburz Schweiz AG), Hubstaplern (Green Cubes Technology), Autos (Mobility Genossenschaft), Kastenwagen (FPT Motorenforschung AG) und Lastwagen (E-Force One AG) maximiert werden.
Dabei sollen die Batterien so betrieben werden, dass sie die Mobilitätsanforderungen bei möglichst tiefen Betriebskosten möglichst lange erfüllen. Dafür muss ihr Alterungsprozess während der Nutzungszeit gut verstanden und die Bedingungen und Parameter identifiziert werden, die den Batterien schaden. Für die Modelle werden Daten verwendet, welche die Umsetzungspartner bereits über mehrere Jahre aufgezeichnet haben. Diese Daten werden analysiert, um auf Big-Data- und auf maschinellem Lernen basierende Modelle zur Beschreibung der Batteriealterung zu entwickeln. Die abgeleiteten Strategien werden im Projekt an E-Bikes und einem E-LKW angewandt und getestet.
Ausserdem soll ein statistisches Datenmodell eine schnelle, technologisch fundierte und kostengünstige Entscheidung darüber ermöglichen, wann und ob eine Batterie von der ersten zur zweiten Nutzung übergehen soll. Dieser Entscheid hängt vom Residualwert (in CHF) der Batterie und weiteren Faktoren wie beispielsweise Garantieleistungen oder Sicherheitsvorschriften in der Second-Life-Anwendung ab. Dazu erforscht das Team an der Berner Fachhochschule BFH die Batteriealterung auch auf der Strasse. Zum Beispiel werden mit E-Bikes relevante Batteriedaten wie die Temperatur, der Ladezustand und die Stromstärke für Forschungszwecke erfasst. Dabei wird ein für solche Nutzungsdaten entwickeltes statistisches Konzept verwendet. Vorteile des Konzeptes sind ein über die gesamte Laufzeit konstanter Speicherplatz sowie eine unmittelbare Anonymisierung der aufgezeichneten Daten. Rückschlüsse darauf, welche Strecke gefahren wurde, sind damit nicht möglich. Zudem wird die Rechenzeit für das Data-Preprocessing in der späteren Analyse deutlich reduziert, weil es schon im Batteriemanagementsystem (BMS) und vor der Übermittlung an den Server an der BFH durchgeführt wird. Daraus resultiert ein schlankes und kostengünstiges System, das auch in weniger leistungsfähigen BMS implementiert werden kann. Zudem hat es das Potenzial, relevante Daten ohne Datentransfer über die ganze Lebensdauer aufzuzeichnen und die nutzungsbezogenen Parameter für den ab 2026 in der EU erforderlichen digitalen Batterie-Pass [5] festzuhalten.
Anschliessend kombinieren die Forschenden die Daten über die Nutzung im Labor mit einem Alterungsmodell und entwickeln optimale Betriebsstrategien mit KI. Basierend auf dieser Auswertung soll zudem eine Prognose über die künftige Leistungsfähigkeit der Batterien und über deren weitere Lebensdauer (Remaining Useful Life, RUL) erstellt werden. Dies ist für den sicheren Betrieb von Batterien entscheidend und für Geschäftsmodelle zur Zweitnutzung erforderlich. Aktuell wird an einer Verbesserung der Aussagekraft der Vorhersagen und an der Implementierung des Konzeptes in weiteren Anwendungen gearbeitet. Nur mit Kenntnis der relevanten Parameter über die gesamte Nutzungsdauer lässt sich die Batteriealterung verlässlich modellieren und die künftige Leistungsfähigkeit abschätzen.
Vielseitige Einsatzmöglichkeiten
Das Hauptziel des Teilprojektes «Zweitnutzung von Antriebsbatterien aus Fahrzeugen in der Elektrizitätsversorgung» ist die Entwicklung und Implementierung eines flexiblen stationären Energiespeichersystems mit Second-Life-Batterien. Dabei wird von der OST – Ostschweizer Fachhochschule gemeinsam mit dem Industriepartner Indrivetec ein Batteriecontainer mit Second-Life-Batterien aus Elektrofahrzeugen aufgebaut und getestet. Er soll im Netz der BKW betrieben werden und wichtige Daten und Erkenntnisse über den Betrieb von gebrauchten Fahrzeugbatterien liefern.
Die Batterien werden über DC-DC-Konverter auf einen gemeinsamen Bus geführt. Das EMS regelt dabei den Energiefluss für jede Batterie individuell und bildet die Schnittstelle zu einem bidirektionalen Wechselrichter, der mit dem Netz verbunden ist. Die Heizung, Kühlung sowie der Brandschutz vom Batteriespeicher werden über ein übergeordnetes System gesteuert und angezeigt.
Das System ist skalierbar. Es soll nicht nur im Forschungsprojekt genutzt werden, sondern auch kommerzielle Anwendungen unterstützen können. Damit es für Netzbetreiber attraktiv wird, muss es technische und wirtschaftliche Vorteile bieten. Dazu gehören die Vermeidung von Kosten für Ausgleichsenergie, die Teilnahme am Regelenergiemarkt sowie Peak-Shaving für Solar- und Windkraft.
Neben der vielseitigen Einsatzmöglichkeit ist auch die Flexibilität dieses Second-Life-Batteriespeichers wichtig. Es können verschiedene Batterietypen mit unterschiedlichen Eigenschaften wie SOH, Batteriespannung sowie auch Lade- und Entladeleistungen verbaut werden. Dazu wurde von der OST ein bidirektionaler, galvanisch getrennter DC-DC-Konverter (50 kW) entwickelt, der Effizienzen von über 99% erreicht. Mit ihm können Batterien aus verschiedenen Elektrofahrzeugen im Batteriecontainer verbaut werden, die unterschiedliche chemische Zusammensetzungen und technische Spezifikationen aufweisen.
Durch ein ausgeklügeltes EMS werden die individuellen Eigenschaften und SOH-Werte der Batterien überwacht und optimal aufeinander abgestimmt, um die Lebensdauer des gesamten Speichers zu maximieren und die Ressourceneffizienz zu steigern.
Vor ihrem zweiten Einsatz müssen Batterien geprüft und charakterisiert werden, um sicherzustellen, dass sie für eine Zweitnutzung geeignet sind. Dies umfasst die Analyse ihrer Restkapazität, Leistungsfähigkeit und Lebensdauer. Diese zeitintensive und teure Charakterisierung wird im Teilprojekt «Second Life Operation» untersucht.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Trotz ihrer Vorteile stehen Second-Life-Batteriespeicher vor einigen Herausforderungen. Für ihre Zertifizierung fehlt es heute an Standards, die die Sicherheit und Qualität dieser Speicher gewährleisten. Zudem braucht es technologische Fortschritte und Know-how, welche die flexible und einfache Integration von gebrauchten Batterien in bestehende Systeme vorantreibt, damit sie wirtschaftlich betrieben werden können. Auch die Frage nach Garantien für einen zuverlässigen und sicheren Betrieb ist noch offen und kann dazu führen, dass neue Batterien in stationären Energiespeichern eingesetzt werden. Diesbezüglich kann Know-how aus anderen Teilprojekten zur Verbreitung von Second-Life-Batteriespeichern beitragen.
Aktuell sind gebrauchte Batterien nur schwer auf dem Markt erhältlich, wodurch ihre Preise hoch sind. Dies erschwert einen wirtschaftlichen Aufbau und Betrieb eines solchen Speichers. Deshalb befasst sich CircuBAT auch mit marktwirtschaftlichen und sozio-ökonomischen Aspekten der Integration von innovativen technischen Lösungen, um Nachhaltigkeits-Hotspots zu identifizieren und Geschäftsmodelle im Schweizer Markt mit Simulationen zu evaluieren.
Batterien nachhaltiger nutzen
CircuBAT profitiert von der Synergie der einzelnen Teilprojekte, um die Lebensdauer von Batterien zu verlängern, ihre Umweltauswirkungen zu minimieren, das Batterie-Know-how in der Schweiz zu vergrössern und den Ansatz der Kreislaufwirtschaft in der Elektromobilität zu stärken. Ein vertieftes Verständnis der Batteriealterung und praxisorientiertes Datenmanagement versprechen vielfältige Anwendungen, welche durch eine Bestimmung des Residualwertes von Batterien auch den Occasionsfahrzeugmarkt stärken werden. Die Realisierung eines stationären Energiespeichersystems auf Basis von Second-Use-Batterien ist zudem ein bedeutender Schritt in Richtung nachhaltiger Energienutzung und Kreislaufwirtschaft.
Referenzen
[1] «Global EV Outlook 2024 – Moving towards increased affordability», IEA.
[2] «BATRAW Periodic Reporting for period 1», CORDIS | European Commission.
[3] C. Bucher, Photovoltaikanlagen: Planung, Installation, Betrieb, 1. Auflage, Faktor, 2021.
[4] L. C. Casals, B. A. García, F. Aguesse, A. Iturrondobeitia, «Second life of electric vehicle batteries: relation between materials degradation and environmental impact», Int J Life Cycle Assess, Bd. 22, Nr. 1, S. 82–93, Jan. 2017.
[5] Regulation (EU) 2023/1542 of the European Parliament and of the Council of 12 July 2023 concerning batteries and waste batteries, amending Directive 2008/98/EC and Regulation (EU) 2019/1020 and repealing Directive 2006/66/EC.
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