Fachartikel Energienetze , IT für EVU

Ausfallzeiten minimieren

Incident Management

30.11.2022

Strom, Gas und Wasser sind kritische Infrastrukturen. Sie sind für Städte, Gemeinden und die Industrie unverzichtbar. Bei einer Störung bedarf es einer einfachen Alarmierung mit schneller und koordinierter Vorgehensweise. Axpo hat daher eine App entwickelt, die im Störfall eine schnelle Reaktion und eine transparente Kommunikation erlaubt.

Am 5. Juni 2022 schlägt in der Nacht um 4.23  Uhr der Blitz beim Tragwerk 29 der Hochspannungsleitung zwischen Oftringen und Rothrist ein. Daraus folgt ein Kurzschluss mit Kurzunterbrechung. Kein Stromausfall, aber ein Trafo wird durch die Schutzfunktion ausgeschaltet. Das Netzleitsystem generiert eine automatische Störungsmeldung. Die Netzleitstelle prüft und initiiert eine Incident-Meldung. Kurz darauf erhält der Bereitschaftsdienst eine SMS mit einem Wake-up Call und fährt zum Einsatzort. Über die Incident-Management-App, eine cloudbasierte Plattform von Axpo, erhält der Service-Mitarbeiter alle relevanten Informationen und Checklisten. Er wird von der App zur Störung navigiert. Die Plattform koordiniert bei Bedarf auch die Kommunikation zwischen Energieversorger, Behörden und der Bevölkerung.

Einheitliche Prozesse

Naturereignisse wie Stürme, Blitzschlag und Starkregen mit einhergehendem Hochwasser treten immer häufiger auf. Dies kann zu Stromausfällen, Gas- oder Wasserunterbrüchen führen. Im Störungsfall helfen einfache und einheitlich strukturierte Vorgehensweisen. Digitale, cloudbasierte Plattformen zeigen Vorteile in Bezug auf Verfügbarkeit, einfache Kommunikation und Informationszugang. Über die App können Störungen manuell oder automatisch durch das Leitsystem gemeldet werden.

Der Dispatcher in der Netzleitstelle erfasst die Details zur Störung: Welcher Teil der Netzinfrastruktur ist betroffen? Welche Auswirkungen hat die Störung? Der Standort des jeweiligen Netzelements ist bereits in der App hinterlegt. Der Dispatcher kann den genauen Ort ergänzen, beispielsweise bei einer Stromleitung mastgenau den Abstand der Störung bis zum nächstgelegenen Unterwerk. Neben der Spannungsebene und der Art der Störung, ob es zum Beispiel ein Erdschluss oder ein Kurzschluss zwischen den Phasen gab, kann der Dispatcher entsprechende Signaldaten zu der Störung hinterlegen.

Pikettdienst aufbieten

Die Netzleitstelle bestimmt nun, wer als ausführende Person zur Störung aufgeboten wird. Die Kontaktdaten der ausführenden und zu informierenden Personen sind für jedes einzelne Netzelement bereits hinterlegt. Der Service-Mitarbeiter, unterwegs oder vor Ort, startet mit einem Klick einen Anruf oder eine E-Mail und kontaktiert so beispielsweise den Fachsupport. Vordefinierte Orts- und Infrastrukturdaten sowie Kontakte sind wichtig, damit eine Störung rasch behoben werden kann. Auch zusätzliche Relais-Daten sind zur schnelleren Problemlösung in der App hinterlegbar. Die Netzleitstelle oder der Melder ergänzt den Incident mit unterstützenden Dokumenten, beispielsweise Checklisten oder Bilder.

Für eine schnelle und umfassende Schadensmeldung können vor Ort Bilder gemacht und in der Incident-Meldung hinterlegt werden. Der Mitarbeiter meldet über die App zurück, was die Ursache der Störung war, ob es zu einem Schaden gekommen ist und ob die Störung behoben werden konnte. Das Ergebnis der Leitungskontrolle fliesst ebenso in die Dokumentation ein, welche später automatisch über den Betriebsbericht bedarfsweise ausgegeben wird. Störungsstatistiken können als CSV-Dateien manuell oder über API-Schnittstellen automatisch exportiert werden.

Die App informiert automatisch alle internen zuständigen Personen sowie auch die Netzkunden und Partner. Nicht zuletzt erhält der technische Fachsupport, der für die Schutzsysteme der Netzelemente zuständig ist, alle Informationen zum Vorfall. Anhand der ermittelten Signaldaten und der Schadensmeldung analysiert der technische Fachsupport, ob die Schutzsysteme korrekt gearbeitet haben.

Kommunikation ist entscheidend

Die koordinierte Kommunikation ist ein entscheidender Faktor. Nicht nur intern, sondern auch im Dreieck zwischen Energieversorger, Behörden und Bevölkerung. Über die Incident-Management-App wird automatisch die intern verantwortliche Kommunikationsstelle benachrichtigt, die wiederum die externen Stellen per E-Mail informiert.

Wichtig ist ein Single Point of Contact (Spoc), damit klar ist, wer zuständig ist. Die Störung kann über die App gleichzeitig an alle Beteiligten per SMS, E-Mail oder Wake-up Call übermittelt oder per Link geteilt werden. Die Kommunikation ist für alle transparent. Wobei es zwei verschiedene Kommentarfelder gibt: ein öffentliches für Kunden und Partner und ein internes nur für den Infrastrukturbetreiber. Letzteres dient im Besonderen dem Austausch des Fachsupports mit dem Ziel, die Störung schnell zu beheben. Gleichzeitig dienen die Kommentarfelder der Verfolgung der Störungsmeldung, bis diese abgeschlossen ist.

Statusübersicht für die Priorisierung

Der Zeitpunkt und die bisherige Dauer einer Störung sind essenziell für die schnelle Zuordnung ihrer möglichen Konsequenzen (Kritikalität) mit einhergehender Priorisierung. Für die Netzleitstelle bietet die App eine Statusübersicht aller Störungen. So können die Dispatcher in der Netzleitstelle die Störungen priorisieren und den Service-Technikern entsprechende Anweisungen geben.

Im geschilderten Fall des Blitzeinschlags bei Oftringen konnte der Bereitschaftsdienst die Instandhaltung als Fachsupport zurate ziehen. Nach einer Ölprüfung des Trafos wurde dieser zeitnah wieder in Betrieb genommen. Die App koordinierte dabei die Kommunikation zwischen Netzleitstelle, Service-Techniker und Fachsupport.

Die Incident-Management-App wurde von Axpo zusammen mit dem Informatikdienstleister Garaio Labs entwickelt. Die Applikation ist webbasiert und damit unabhängig von den Endgeräten. In der Praxis wird die App durch Nutzerfeedback und Domänenwissen stetig weiterentwickelt und kann über Schnittstellen in bestehende Systeme integriert werden.

Autor
Jürg Dietiker

ist Leiter Netzleitstelle bei der Axpo Grid AG.

  • Axpo Grid AG, 5401 Baden

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