Aus der Not eine Tugend gemacht
Sanierung Kraftwerk Dietikon
2003 ersuchte EKZ den Kanton Zürich um eine Konzessionserneuerung. Die Rahmenbedingungen veränderten sich während dieses Prozesses stark. Also packte EKZ die Gelegenheit beim Schopf und sanierte nicht nur das Kraftwerk, sondern baute auch ein neues Dotierkraftwerk. Ausserdem setzte das Unternehmen auch umfassende ökologische Massnahmen um.
Die Geschichte des Kraftwerks Dietikon reicht weit zurück. 160 Jahre weit, um genau zu sein. Damals – man schrieb das Jahr 1857 – liess der Ständerat Heinrich Boller bei Dietikon einen Kanal bauen, um die Kraft des Limmat-Wassers zum Betrieb einer Weberei zu nutzen. Wurde die Wasserkraft vorerst «nur» mechanisch genutzt, um über eine Welle 230 Webstühle anzutreiben, produzierte sie ab 1888 nach dem Einbau von Turbinen auch elektrischen Strom, mit dem die Fabrik beleuchtet wurde.
Bald versorgte das Wasserkraftwerk auch andere Betriebe mit Strom. Das Wehr wurde über die ganze Flussbreite verlängert, um die Wasserkraft zu erhöhen, und 1894 genehmigte der Regierungsrat ein neues Maschinenhaus mit drei Turbinen, die ausschliesslich der Stromproduktion dienten. Im gleichen Jahr errichtete man die erste Fischtreppe am Stauwehr.
EKZ baute das Kraftwerk aus
1908 ging das Kraftwerk an EKZ über, welche die Anlage in den 1930er-Jahren stark ausbaute. 1931 erteilte der Regierungsrat die Konzession zum Betrieb des Kraftwerks. Ende 2011 lief diese aus, und weil Konzessionserneuerungen erfahrungsgemäss viel Zeit in Anspruch nehmen, hatte EKZ bereits 1999 das Verfahren zur Erneuerung dieser Konzession angestossen. 2003 beantragte das Unternehmen schliesslich offiziell die Verlängerung der Konzession. Weil das Verfahren aber aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen der zahlreichen involvierten Stellen und Institutionen nicht mehr innerhalb der Konzessionsdauer abgeschlossen werden konnte, beantragte EKZ 2009 eine Konzessionsverlängerung bis 2016.
Während diese Konzessionsverlängerung beim Kanton bearbeitet wurde, veränderten sich Gesetzeslage und Marktumfeld tiefgreifend. Der Strommarkt wurde teilweise liberalisiert, eine neue Restwasserbestimmung sowie die KEV waren in Kraft getreten, so dass EKZ die ursprüngliche Planung revidierte und beschloss, die bestehenden Anlagen in der Zentrale zu sanieren und zusätzlich ein Dotierkraftwerk am Wehr zu erstellen. Die Baubewilligung dazu – eine logische Folge der per 1. Januar 2017 um 60 Jahre verlängerten Konzession – erhielt EKZ im Oktober 2017.
Zwei parallele Baustellen
Die Sanierung des bestehenden Werks umfasste den Ersatz der bestehenden zwei Kaplanturbinen. Die neu verbauten modernen Kaplanturbinen sind fischfreundlich, was die teilweise Anpassung der Saugrohre nötig machte. Parallel zur Erneuerung der beiden Maschinengruppen baute EKZ auch das erwähnte Dotierwerk mit einer fischfreundlichen Kaplan-Rohrturbine. «Der Betrieb zweier paralleler Baustellen war eine grosse Herausforderung», erklärt Alfredo Scherngell, Leiter Wasserkraft bei EKZ und Gesamtprojektleiter Erneuerung Kraftwerk Dietikon.
Anstelle des bestehenden Vertikalrechens installierte EKZ beim Kraftwerkseinlauf einen fischfreundlichen horizontalen Feinrechen mit 20 mm Stababstand. Mit einer Fläche von über 200 m2 handelt es sich um einen der grössten Horizontalrechen im deutschsprachigen Raum. Auch beim Dotierkraftwerk sorgt ein horizontaler Feinrechen vor dem Kraftwerkseinlauf dafür, dass keine grösseren Fische in die Turbine gelangen. Diese sollen so in Richtung Hauptkraftwerk wegschwimmen, wo sich die Fischabstiegshilfe befindet.
Dem Fischschutz und generell ökologischen Anliegen trug EKZ bei der Sanierung stark Rechnung. Entsprechende Auflagen sind auch Bestandteil der Konzessionserneuerung. So gehört beispielsweise die EKZ-Insel zum Naturschutzgebiet der Dietiker und Geroldswiler Auen. Zahlreiche bedrohte und geschützte Vogelarten brüten auf der Insel. Nun wurden die linksseitige Uferauflandung und der Inselspitz beim Steg abgetragen, um das Ufer neu zu strukturieren. Ab sofort gilt «Betreten verboten» für das Naturschutzgebiet: Der Weg der Limmat entlang wurde in diesem Abschnitt aufgehoben. Damit ein Spaziergang entlang der Limmat aber weiterhin möglich ist, liess EKZ einen Holzsteg erstellen, welcher den Unterwasserkanalweg mit der historischen Fachwerkbrücke verbindet.
Uferbereich wurde renaturiert
Bislang war die Limmat im Staubereich des Kraftwerks stark kanalisiert. Im Zuge der Kraftwerkssanierung wurden nun diverse ökologische Massnahmen vorgenommen. Unter anderem wurden die Ufer der Limmat vor und nach dem Stauwehr über weite Strecken wieder naturnah gestaltet. Dazu wurden diese abschnittsweise abgeflacht, steiler gemacht, mit Kiesbänken ausgestattet oder mit gruppierten Blocksteinen neu gestaltet. Ziel dieser Massnahme war, Wasserpflanzen, Fischen, Vögeln, Reptilien und Säugetieren wieder eine natürliche Umgebung anzubieten, in der sie sich ansiedeln und leben können.
Besonderes Augenmerk lag auch auf den Fischen respektive deren Möglichkeiten, das Kraftwerk unbeschadet zu passieren. Zur bestehenden Fischaufstiegshilfe beim Wehr kamen im Zuge der Kraftwerkssanierung zwei zusätzliche Aufstiegshilfen hinzu, und zwar je eine beim Haupt- und beim Dotierkraftwerk. Es handelt sich in beiden Fällen um einen sogenannten Multistruktur-Schlitzpass. Die Trennwände mit den Schlitzen zwischen den einzelnen Becken sind dabei so angeordnet, dass kleinere Becken und grössere Ruhebecken sich abwechseln. Diese sind zudem versetzt angeordnet, was zu einer geschwungenen Hauptströmung führt. Die Aufstiegshilfe wurde aus Betonplatten konstruiert und der Boden mit grossen und kleinen kantigen Steinen belegt, um die Fliessgeschwindigkeit zu reduzieren.
Zeitpläne wurden eingehalten
Alfredo Scherngell ist zufrieden mit dem Projektverlauf: «Wir konnten unsere Zeitpläne, trotz zusätzlicher Baumassnahmen, einhalten und haben nun zwei schöne, neue Kraftwerke, die jährlich 20 GWh produzieren und damit rund 4500 Haushalte mit Strom versorgen.» Es ist nicht unüblich, dass bei Projekten in dieser Grössenordnung gewisse Umstände erst nach Beginn der Arbeiten erkannt werden können. In diesem Fall war die Wasserhaltung nicht ganz einfach, wie Alfredo Scherngell erklärt: «Es existiert zwar ein Kanalabschluss oberhalb des Kraftwerks. Dieser war aber im Jahr 1955 zuletzt benutzt worden. Das machte uns im Vorfeld etwas Sorgen.» Da die Hauptbauarbeiten aber im sehr trockenen Jahr 2018 stattfanden, habe der Kanalabschluss nie einem richtigen Hochwasser standhalten müssen. «Insgesamt bin ich überzeugt, dass wir bis zum Ende der Konzession im Jahr 2079 viel Freude mit den neuen Anlagen haben werden», fügt Alfredo Scherngell zufrieden an.
Naherholung und Badezugang zur Limmat
Schliesslich wurde die Kraftwerkssanierung auch dazu genutzt, die Limmat bei Dietikon für Badewillige zu erschliessen, indem das Ufer abgeflacht wurde. Das Vorland des Bahnhofs Glanzenberg wurde zur «Allmend Glanzenberg» umgestaltet. Dieser Park mit einem Hartplatz mit Tischen, Bänken, Feuerstellen sowie einem Frischwasseranschluss bietet nun reichlich Platz für Erholungssuchende. Auch eine Liegewiese sowie ein Spielrasen sind vorhanden. Zwei Wege verbinden die Allmend mit dem Bahnhof Glanzenberg. EKZ hofft, dass die Gummiboot-Kapitäne, welche im Sommer jeweils von Zürich her kommen, vermehrt bei der Allmend aussteigen und mit dem Zug nach Zürich zurückfahren werden. «Nicht, weil wir sie nicht in Dietikon haben möchten», betont Alfredo Scherngell, «sondern weil es zu gefährlichen Situationen kommen kann, wenn die Gummiboote zu nahe an die Kraftwerksanlagen geraten.»
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