Auf dem Weg zum Rechnen mit Licht
Optische Logikschaltkreise
Elektronische Transistoren sind die Grundbausteine jeder Logikschaltung in Computern. Durch ihre Verkleinerung konnte ihre Anzahl pro Fläche etwa alle zwei Jahre verdoppelt werden (Mooresches Gesetz). Zudem wurden sie durch die Verkleinerung schneller. Diese Dennard-Skalierung kam etwa 2005 an ihre Grenzen. Stellen optische Komponenten eine Alternative dar?
Als die Dennard-Skalierung anfing zu stagnieren, hat das Interesse an Komponenten und Designs zugenommen, die sich fundamental von elektronischen Transistoren unterschieden. Auf künstliche Intelligenz (KI) zugeschnittene Hardware, In-Memory-, Analog- und Quantencomputer könnten alle Teil der Zukunft der Computertechnologie sein. Darüber hinaus beschäftigen sich Forscher seit vielen Jahren mit der Frage, wie photonische oder optische Komponenten für die künftige Infrastruktur zur Informationsverarbeitung genutzt werden können.
Das Prinzip
Durch die Nutzung der ultrahohen Schwingungsfrequenz von Lichtwellen im Vergleich zu elektronischen Signalen im Gigahertz-Bereich haben optische Computer das Potenzial, Aufgaben hundertmal schneller zu erledigen als heutige Technologien. Zudem würden optische Geräte, die mit nur wenigen Photonen arbeiten, die erforderliche Schaltenergie pro Bit unter die Attojoule-Grenze senken, was etwa 10 bis 100 Mal niedriger wäre als bei den derzeitigen kommerziellen elektrischen Transistoren.
Versuche, rein optische Computer zu entwickeln, werden seit etwa 50 Jahren unternommen. Dabei ist das Schalten von Licht mit Licht die zentrale Herausforderung. Die Tatsache, dass Photonen nicht miteinander wechselwirken und nur sehr wenig mit der Materie interagieren, ist zwar das herausragende Merkmal für den Erfolg optischer Kommunikationskomponenten, die das Rückgrat des Internets bilden, stellt jedoch ein grosses Hindernis für die Durchführung logischer Operationen dar. Die benötigten Wechselwirkungen zwischen den Photonen müssen durch ein geeignetes Material vermittelt werden.
Unser Ansatz besteht darin, Materialien zu verwenden, die diese Wechselwirkungen nicht nur vermitteln, sondern sogar verstärken, indem sie die sogenannte starke Licht-Materie-Kopplung ausnutzen. Dabei wird ein optischer Mikrohohlraumresonator mit einem stark absorbierenden, leuchtenden Material gefüllt und die Resonanz des Hohlraums in der Nähe der Wellenlänge des Absorptionsmaximums des Materials eingestellt. Dann kann die Substanz Licht absorbieren, das schnell wieder in den Hohlraumresonator emittiert wird. Der Absorptions-Emissions-Zyklus wiederholt sich viele Male und ist so schnell, dass man nicht unterscheiden kann, ob es sich bei der Anregung um ein Photon oder ein Exziton (so werden die optischen Anregungen in Form von Elektron-Loch- Paaren im Material genannt) handelt – tatsächlich ergibt es eine Mischung aus beidem, sogenannte Exziton-Polaritonen. Dabei handelt es sich um Quasiteilchen, die die Eigenschaften von optischen Feldern mit den elektronischen Anregungen des aktiven Materials kombinieren. Wenn die Dichte der Exziton-Polaritonen im Hohlraumresonator hoch genug ist, können sie ein kollektives Verhalten zeigen und ein Polariton-Bose-Einstein-Kondensat (BEC) erzeugen, in dem diese Exziton-Polaritonen über Dutzende von Mikrometern in Phase schwingen und kohärentes Licht aussenden. Mit einem speziellen Polymer als aktivem Material ist es sogar möglich, diesen exotischen Zustand der Materie bei Raumtemperatur zu beobachten [1].
Ultraschneller rein optischer Raumtemperaturtransistor
Unter Verwendung solcher Polaritonenkondensate wurde der weltweit erste kaskadierbare, volloptische Transistor, der bei Raumtemperatur mit einer Schaltzeit von weniger als einer Pikosekunde arbeiten kann, von unserem Team und unseren Projektpartnern im Jahr 2019 demonstriert [2]. Dies wurde durch die Verwendung von «injizierten» Polaritonenkondensaten erreicht, bei denen ein schwacher Signalstrahl in den Hohlraumresonator eingestrahlt wird. Diese «Seed-Photonen» lösen einen lawinenartigen Prozess aus und zwingen das Polariton- Kondensat, das von einem starken «Pump»-Strahl gespeist wird, mit der gleichen Phase und Frequenz wie der Signalstrahl zu schwingen. Auf diese Weise kann das schwache Eingangssignal das viel stärkere Ausgangssignal des Polaritonenkondensats steuern – ganz ähnlich wie das kleine Signal am Gate eines elektrischen Transistors den viel grösseren Source-Drain-Strom steuert. Im Gegensatz zu seinen elektrischen Pendants schaltet dieser rein optische Transistor jedoch in weniger als einer Pikosekunde. Seine 6500-fache optische Signalverstärkung innerhalb von wenigen Mikrometern ist 330-mal grösser als die Verstärkung, die seine anorganischen optischen Halbleiteräquivalente erreichen. Dies entspricht einer optischen Nettoverstärkung von 10 dB pro Mikrometer und ist ein wichtiger Faktor, um die Bauelemente so kompakt wie möglich zu halten, d. h. nur wenige Male so gross wie die Wellenlänge des Lichts.
Von einzelnen Transistoren zu einem logischen Gatter
Die starke Verstärkung ist unerlässlich, um Kaskadierbarkeit zu ermöglichen, d. h. die Fähigkeit, mit dem Ausgang eines Transistors die Eingänge mehrerer anderer Transistoren anzusteuern, was für logische Gatter erforderlich ist, bei denen die Transistoren seriell angeordnet sind. Die Funktionsweise eines logischen Gatters durch kaskadierte Verstärkung wurde durch die Verknüpfung von drei Polaritontransistoren auf demselben Chip demonstriert, indem die vertikal emittierten Ausgänge von zwei «Eingangstransistoren» kombiniert und auf den Chip zurückgeführt wurden, wobei die Eingänge in einen «Ausgangstransistor» eingespeist wurden. Abhängig von den «Pump»-Bedingungen für den Ausgangstransistor wurden ODER- und UND-Logikfunktionen implementiert.
Steigerung der Effizienz – ein Photon schaltet sie alle
Bei den Experimenten im Jahr 2019 lag der Schwerpunkt auf dem ultraschnellen Schalten. Dem Energieverbrauch des Transistors, der bei etwa einem Pikojoule für die Eingangsstrahlen lag, wurde damals weniger Aufmerksamkeit geschenkt. In jüngerer Zeit wurden optimierte Experimente durchgeführt, in denen wir gezeigt haben, dass man das Schalten eines optischen Transistors bei nahezu der kleinstmöglichen Einheit von Lichtenergie – der Energie eines einzelnen Photons – erreichen kann [3]. Ermöglicht wurde dies durch die Verwendung sehr kleiner Lichtstrahlen, wodurch die Fläche des Transistors um Grössenordnungen reduziert werden konnte. Darüber hinaus wurden die Wellenlänge und die Geometrie des Pumpstrahls angepasst, um den Wirkungsgrad weiter zu erhöhen, und es wurden Detektoren mit erhöhter Empfindlichkeit installiert, um wesentlich schwächere Signale erfassen zu können. Infolgedessen konnte dieser optische Transistor mit weniger als einem Attojoule an seinem Gate-Eingang betrieben werden, während die meisten aktuellen elektrischen Transistoren Dutzende von Attojoule zum Schalten benötigen.
Auf dem Weg zur Integration
Die Verdrahtung von Transistoren ist äusserst wichtig, um kompakte und hochintegrierte Logikschaltungen zu ermöglichen. Bei elektrischen Halbleitertransistoren wird dieser entscheidende Integrations- und Skalierungsschritt durch Schichten von metallischen Verbindungen erreicht, die die Transistoren auf dem Chip miteinander verbinden. In der Optik werden in der Regel Wellenleiter verwendet, um optische Bauteile auf einem Chip zu verbinden. Da die Siliziumtechnologie die ausgereifteste Plattform ist, wären Wellenleiter aus Silizium vorzuziehen. In dem Wellenlängenbereich, in dem unsere optischen Transistoren arbeiten (sichtbares Licht), absorbiert Silizium das Licht jedoch sehr stark, was zu grossen Signalverlusten führt. Glücklicherweise kann die Nanotechnologie helfen, dieses Hindernis zu umgehen, indem man Gitter mit hohem Brechungsindexkontrast (HCGs) einsetzt, um das Absorptionsproblem zu lösen [4]. Ein HCG besteht aus winzigen Siliziumpfeilern, die so aneinandergereiht sind, dass sie eine zaunartige Struktur bilden, die das Licht am Entweichen hindert. Die Säulen haben einen Durchmesser von nur etwa 150 nm und sind so positioniert, dass Lichtwellen, die durch sie hindurchgehen, destruktiv mit dem Licht interferieren, das durch die Zwischenräume hindurchgeht, wodurch effektiv jegliches durchgehende Licht ausgelöscht wird. Dies führt zu einer Situation, in der sich das Licht innerhalb des Wellenleiters, aber grösstenteils ausserhalb der Siliziumpfosten ausbreitet, was zu Verlusten von nur 13% über eine Entfernung von einem Millimeter bei einer Wellenlänge von 550 bis 650 nm führt. Zum Vergleich: In einem herkömmlichen, reinen Silizium-Wellenleiter ohne HCGs würden die Verluste über nur 0,01 mm 99,7% betragen. Der nächste Schritt besteht für uns nun darin, eine effektive Lichteinkopplung von den Wellenleitern in die Resonatoren der volloptischen Transistoren zu entwerfen. Dies kann dann dazu benutzt werden, integrierte Schaltkreise zu bauen, die in der Lage sind, komplexere volloptische Logikfunktionen auszuführen.
Verwendung von Perowskit-Nanokristallen
Die Möglichkeit, einen optischen Transistor mit einem einzigen Photon zu schalten, ist zwar bereits ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu nützlichen volloptischen Schaltkreisen, aber es muss noch viel mehr getan werden. So wird der gesamte Energieverbrauch des derzeitigen Bauelements nicht durch die Eingangssignale, sondern durch den erforderlichen Pumpstrahl dominiert, der zur Erzeugung des Polariton-BEC verwendet wird. Hier sind neue Klassen von optoelektronischen Materialien von Interesse, um das derzeit verwendete leuchtende Polymermaterial zu ersetzen. Neuartige kolloidale Bleihalogenid-Perowskit-Nanokristalle, sogenannte «Quantum Dots» (QDs), haben besondere Bedeutung erlangt, da sie eine einzigartig starke intrinsische Licht-Materie-Wechselwirkung besitzen [5]. Dadurch wird die Emission von Licht 10- bis 1000-mal schneller, d. h. mit mehr Photonen pro Zeiteinheit, als bei jeder anderen Art von QD, und diese aussergewöhnliche Helligkeit unterstreicht ihr Potenzial für zukünftige Beleuchtungs- und Displayanwendungen. Zudem lassen sich ihre Eigenschaften durch Veränderung ihrer Zusammensetzung und Grösse genau steuern, was mit einer relativ einfachen und kostengünstigen chemischen Synthese einhergeht und eine einfache nasschemische Verarbeitung ermöglicht.
Eine neue Quanten-Lichtquelle
Neben der ausserordentlich starken Licht-Materie-Wechselwirkung weisen die Perowskit-Nanokristalle zwei weitere herausragende Eigenschaften auf: Sie behalten die quantenmechanische Kohärenz über sehr lange Zeiträume bei, und im Gegensatz zu anderen QDs sind die Emissionswellenlängen von einzelnen Nanokristallen nahezu identisch. Im Idealfall können diese Eigenschaften die einzelnen Nanokristalle in einem Ensemble «kooperieren» lassen, wodurch das Ganze mehr als nur die Summe seiner Teile wird. Wenn man die Nanokristalle zu «Superkristallen» anordnet (eine periodische Anordnung von Nanokristallen, die oft als «Supergitter» bezeichnet wird) [6], können Supergitter von QDs im Gegensatz zu einem zufälligen Ensemble von fluoreszierenden Quantenpunkten, das unkorrelierte Photonen mit einer gewissen Verzögerung aussendet, Emission von korrelierten Photonen nahezu instantan erzeugen, was auch als «Superfluoreszenz» bezeichnet wird. Aufgrund dieses quantenoptischen Effekts synchronisieren sich die Nanokristalle innerhalb des Supergitters nach ihrer Anregung spontan selbst, bevor sie in den Grundzustand zurückkehren, was zur gleichzeitigen Emission aller Photonen in einem hellen Lichtpuls innerhalb weniger Pikosekunden nach der Anregung führt.
Tatsächlich verhalten sich die Nanokristalle gemeinsam wie ein einziger riesiger Emitter, der an das Polariton-BEC in den optischen Transistoren erinnert, aber ohne die Notwendigkeit eines optischen Mikroresonators. Zudem bietet die Fähigkeit, hochkorrelierte Photonen auf so einfache Weise zu erzeugen, neue und faszinierende Perspektiven für die Grundlagenforschung sowie für künftige Durchbrüche in der photonischen Quantentechnologie. Diese hellen Quantenlichtquellen haben das Potenzial, für Quantencomputer, quantenverschlüsselte Kommunikation und Quantensensoren mit aussergewöhnlicher Genauigkeit nützlich zu werden.
Verbund aus verschiedenen Nanokristallen
Die Idee, Nanokristalle zu grösseren, regelmässigen Supergittern zusammenzusetzen, um die Eigenschaften der einzelnen Nanokristalle zu übertreffen, kann noch weiter vorangetrieben werden, indem verschiedene Arten von Nanokristallen kombiniert werden. Bei diesen binären oder sogar ternären Zusammensetzungen werden zwei oder drei verschiedene Nanokristallarten gemischt. Durch die mittels der Synthese kontrollierbaren Form der Nanokristalle und der sie umgebenden Liganden kann eine ganze Bibliothek von «Superkristallen» geschaffen werden, die es sogar ermöglicht, Superkristalle vom Perowskit-Gittertyp aus Perowskit-Nanokristallen zusammenzusetzen [7]. Solch ein neuartiger Verbund ermöglicht eine völlig neue Ebene der Kontrolle, um die Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie für künftige Anwendungen masszuschneidern. Obwohl noch einige Herausforderungen im Hinblick auf die Materialstabilität und die Integration in photonische Geräte zu bewältigen sind, scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann diese neuen «Meta-Materialien» für den Bau effizienterer rein optischer Transistoren eingesetzt werden können.
Strahlende Aussichten für optische Schaltungen
Derzeit befinden wir uns noch in einer frühen Phase, in der die Grundlagen für eine neue Generation von rein optischen Logikbausteinen erforscht werden. Die jüngsten Fortschritte bei den Polariton-Transistoren, der Silizium-Photonik und den Perowskit- Quanten-Nanomaterialien stimmen optimistisch, dass damit eine Plattform für die Verwirklichung optischer Schaltkreise geschaffen werden kann. Es wird jedoch wahrscheinlich noch einige Jahre dauern, bis wir das Stadium der Grundlagenforschung hinter uns gebracht haben und mehr Gewissheit über die Technologie und ihre Aussichten für reale Anwendungen besteht. Die Verheissung eines spektakulären Sprungs in der Schaltkreisgeschwindigkeit und möglicher Folgeanwendungen in der optischen Kommunikation oder der photonischen Quantentechnologie lässt jedoch auf weitere wissenschaftliche und technologische Durchbrüche auf diesem Weg hoffen.
Referenzen
[1] J. D. Plumhof, T. Stöferle, L. Mai, U. Scherf, R. F. Mahrt, Room-Temperature Bose–Einstein Condensation of Cavity Exciton–Polaritons in a Polymer, Nature Materials 13, 247, 2014.
[2] A. V. Zasedatelev, A. V. Baranikov, D. Urbonas, F. Scafirimuto, U. Scherf, T. Stöferle, R. F. Mahrt, P. G. Lagoudakis, A Room-Temperature Organic Polariton Transistor, Nature Photonics 13, 378, 2019.
[3] A. V. Zasedatelev et al., Single-Photon Nonlinearity at Room Temperature, Nature 597, 493, 2021.
[4] D. Urbonas, R. F. Mahrt, T. Stöferle, Low-Loss Optical Waveguides Made with a High-Loss Material, Light: Science & Applications 10, 15, 2021.
[5] M. A. Becker et al., Bright Triplet Excitons in Caesium Lead Halide Perovskites, Nature 553, 189, 2018.
[6] G. Rainò, M. A. Becker, M. I. Bodnarchuk, R. F. Mahrt, M. V. Kovalenko, T. Stöferle, Superfluorescence from Lead Halide Perovskite Quantum Dot Superlattices, Nature 563, 671, 2018.
[7] I. Cherniukh et al., Perovskite-Type Superlattices from Lead Halide Perovskite Nanocubes, Nature 593, 535, 2021.
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