Rückschau Beleuchtung , Energieeffizienz , Hardware

Auf dem Weg zum optimalen Licht

Licht 2018 vom 9. bis 12. September 2018 in Davos

09.09.2018

Der Auftakt kam aus der Architektur. In seiner Keynote stimmte der Architekt Mike Guyer das Publikum auf die Licht-Thematik ein, indem er anhand von bekannten Gebäuden erläuterte, welche Wirkung Licht entfalten kann. Eigentlich war dies ein doppelter Auftakt, denn am späteren Nachmittag führte er Interessierte durch das Davoser Kirchner-Museum und erläuterte dessen architektonisches Konzept. Bei der Beleuchtung der Ausstellungsräume wurde auf das sogenannte Davoser Kaltdach zurückgegriffen, ein Flachdach, das über den Ausstellungsräumen einen Zwischenraum bildet, in den das Tageslicht von der Seite hineinströmen und dann nach unten in die Ausstellung diffundieren kann. Diese Lösung umgeht das in alpinen Gegenden verbreitete Problem, dass bei Deckenfenstern die winterliche Schneedecke das Licht blockiert. Mit innen montierten, von aussen kaum wahrnehmbaren Lamellenstoren lässt sich zudem die Helligkeit steuern. Nach oben abstrahlende Fluoreszenzröhren ergänzen das Tageslicht auf sanfte Weise.

Die zweite Keynote tauchte dann in die Wissenschaft der Lichttechnologien ein. Tran Quoc Khanh, Professor an der TU Darmstadt, wies darauf hin, dass vor einem Jahr erste HCL-orientierte LED-Leuchten und IoT eingeführt wurden. Smart Lighting sei die Kombination von Konnektivität mit der HCL-Lichttechnik. Die entsprechenden Daten liegen dann in der Cloud und können ausgewertet werden, um beispielsweise die Nutzerpräferenz zu ermitteln und Modelle daraus abzuleiten. Human Centric Lighting besteht für ihn aus drei Komponenten: aus der Sehleistung (Sehschärfe, Kontrast), den visuellen Effekten wie Farbsättigung und Farberinnerung sowie den nichtvisuellen Effekten, wie Wohlbefinden, Stimmung oder Wachheit. Er machte darauf aufmerksam, dass die Trennung von nichtvisuellen und visuellen Effekten eigentlich nicht zulässig ist, denn sie sind zwei Aspekte einer Sache. Die nichtvisuelle Wirkung ist gemäss P. Boyce, 2016, eigentlich eine Erweiterung der Effekte des Lichts.

Khanh teilte dann die HCL-Kenngrössen auf in die sofort bemerkbaren Wirkungen Sehleistung und Farb­qualität sowie die langfristigen Wirkungen, z. B. die nichtvisuelle melanopische Wirkung. Erstere lassen sich mit emotionalen Aspekten (Raumwirkung) beschreiben. Er stellte die Frage, welche neuen Metriken die HCL-Qualität beschreiben und aus welchen bisherigen Kenngrössen diese synthetisiert werden können. Dann schlug er vier Stufen der Betrachtung vor: Helligkeit, Sehklarheit, Farbqualität und Szenenpräferenz, d. h. den Raumeindruck. Zwei Erkenntnisse schlossen seine Betrachtungen ab: Erstens, je höher die Helligkeit ist, desto grösser ist auch der circadiane Effekt. Zweitens, die Farbwiedergabe und die melanopische Wirkung hängen nicht voneinander ab.

Dann wurde es lokaler. Prof. Werner Schmutz stellte das Davoser World Radiation Center vor, das einzige Zen­trum seiner Art weltweit. Das Zentrum bietet einerseits die Dienstleistung des Weltstrahlungszentrums an, andererseits wird bezüglich der Wechselwirkung der Strahlung mit dem Erdklima geforscht, Stichwort Treibhauseffekt und Sonne-Erde-Beziehung.

Er erläuterte den Treibhausgaseffekt und das Strahlungsgleichgewicht der Erde, wobei bei Ersterem das Wasser in der Atmosphäre die Hauptrolle spielt, moduliert durch die anderen treibhaus­aktiven Gase. Auch die Strahlung der einspeisenden Sonne ist nicht konstant. Da lautet seine Forschungsfrage, wie stark die Sonneneinstrahlung von 1361 W/m2 schwankt. Bezüglich der langfristigen Veränderung können noch keine Angaben gemacht werden. Der Welt- Energieverbrauch pro Jahr beträgt 166000 TWh, diese Energie wird von der Sonne in einer Stunde an die Erde geliefert. Sein Fazit: «Es kommt genügend Energie, wir müssen sie nur nutzen.» Mittlerweile sei für die meisten Wissenschaftler klar, dass die rund 0,8 °C globale Erwärmung der letzten 30 Jahre von der Menschheit verursacht wurde. Die globale Erwärmung könnte künftig bis zu 0,5 °C abgeschwächt werden, wenn die Sonne ihre Strahlung reduziert, wie es auch in der Vergangenheit schon vorgekommen ist. In anderen Worten: Die Sonne könnte uns helfen, unsere Klimaziele zu erreichen. Aber Prognosen der Sonneneinstrahlung für die nächsten 500 Jahre basieren auf der Statistik der Vergangenheit, physikalisch lässt sich die Temperaturentwicklung nicht prognostizieren. Wir müssen die Sonneneinstrahlung weiterhin messen, um ihre Entwicklung bestimmen zu können.

Nach den Keynotes musste man sich entscheiden: Vier parallele Streams boten Präsentationen zu Architekturthemen, zur Innenbeleuchtung, zur Aussenbeleuchtung sowie zu Forschung und Entwicklung.

Die Aussenbeleuchtung wird intelligent

Im Aussenbeleuchtungs-Stream fing Benjamin Szemkus, Programmleiter Smart City beim BFE, mit dem Statement an, dass es bei Smart City vor allem um Menschen geht, nicht um Technologien. Mit dem Lebensalltag hätten die Smart-City-Visionen aber oft wenig zu tun. Zudem ist die Thematik breit und es gibt eine Unmenge an Definitionen. Für Szemkus ist eine Smart City eine fortschrittliche, vernetzte Stadt, die sich durch eine hohe Lebensqualität und einen effizienten Ressourceneinsatz auszeichnet, dank einer intelligenten Verknüpfung von Stakeholdern und Infrastruktursystemen. Smart City soll als Entwicklungskonzept die Zukunftsfähigkeit urbaner Regionen verbessern. Dabei sollen die Bürger involviert werden, damit sie schonender mit Ressourcen umgehen. Er ging auf die Entwicklung von der technologiegetriebenen Smart City 1.0 bis zu heutigen Konzepten, bei denen die menschlichen Bedürfnisse die Ausgangslage bilden. Rund 18 Schweizer Städte entwickeln aktuell konkrete Smart-City-Projekte oder arbeiten an entsprechenden Konzepten. Dabei ist es wichtig, die Bevölkerung mit einzubeziehen. Das Motto lautet: Keine Stadt ist zu klein, um eine Smart City zu werden. Kleinere Städte haben sogar den Vorteil, dass sie flexibler sind und schneller entscheiden können, da nicht so viele Departemente involviert werden müssen.

Thomas Blum, Projektleiter bei Schréder, präsentierte den Stand der Technik bei der intelligenten Strassenbeleuchtung. Sie ist eines der sichtbaren Elemente einer Stadt und darum eines der Elemente, bei dem Veränderungen schnell bemerkt werden. Er ging auf Erfahrungen mit dynamischer Strassenbeleuchtung ein: Bei viel Verkehr hat man keine Einsparungen, und bei wenigen Benutzern pro Stunde einen Disko-Effekt, der von den Anwohnern nicht geschätzt wird. Zufriedene Anwohner sollten aber das Ziel sein, auch bei normgerechter Beleuchtung. Er erläuterte, wie dies zum Konzept der volumengesteuerten Strassenbeleuchtung führte. Eine Prototypinstallation wurde im August 2015 in Urdorf erstellt und die Daten ausgewertet. Nach über einem Jahr wurde im Vergleich mit den gleichen LED-Leuchten über 30% Energie und Lichtimmissionen eingespart. Verkehrsvolumen- gesteuerte Anlagen haben den Vorteil, dass beispielsweise erhöhter Verkehr auch nach den gewöhnlichen Zeiten zu einem vollen Einschalten der Leuchten führt und somit die Sicherheit gesteigert wird. Ein weiterer Vorteil ist, dass man bei Smart-City-Anwendungen auf eine konventionelle Verkehrszählung verzichten kann, denn die Daten der intelligenten Beleuchtung können auch für die Verkehrsplanung eingesetzt werden. Dafür werden verschiedene Technologien – mit ihren Vor- und Nachteilen – verwendet, beispielsweise Edge Computing und Cloud Computing.

Jörg Haller, EKZ, ging dann auf die Rolle der öffentlichen Beleuchtung in der digitalen Stadt ein, heute und in der Zukunft. Die Smart City soll helfen, die Lebensqualität zu steigern und Ressourcen effizienter zu nutzen. «Aber warum ist die öffentliche Beleuchtung im Smart-City-Konzept so spannend?», so seine Frage. Gerade durch aktuelle Entwicklungen könne die Beleuchtung einen Beitrag zur Reduktion von CO2 leisten und gleichzeitig für andere Funktionen eingesetzt werden – wie gesteigerte Sicherheit, Messung von Umweltdaten oder WLAN auf öffentlichen Plätzen. Die Standardisierung der Schnittstellen ist dabei wichtig. Wenn sich die Lichtbranche da nicht einig wird, werden künftig andere Akteure die Smart City bestimmen. Zudem werden Lichtmasten zu Trägern von Smart-City-Lösungen. Dabei muss definiert werden, wer wofür verantwortlich ist. Das Laden von Fahrzeugen an Laternenmasten ist in der Schweiz mit dem bestehenden Netz aber nicht möglich, da das Netz nicht dafür ausgelegt ist. Zudem sind heute oft die Masten während des Tages spannungslos. Anpassungen sind hier also nötig. In Deutschland sind die Masten am gewöhnlichen Verteilnetz angeschlossen, was Ladelösungen ermöglicht.

Schliesslich ist auch die Kommunikation zentral, denn sie bildet das Rückgrat einer Smart City. Da stellt sich die Frage nach der optimalen Technologie bezüglich Reichweite, Bandbreite, Kosten, usw. In Europa scheint es beim Thema Smart City eher um Nachhaltigkeit zu gehen, in anderen Ländern, beispielsweise in China, stehen eher Überwachungsfunktionen («Big Brother») im Vordergrund. Als Planer braucht man deshalb beim Einsatz von Kameras Sensibilität, da es sonst ein Gefühl des Überwachtwerdens auslösen kann. Sein Fazit: «Smart City ist keine Utopie, viele Lösungen sind bereits Realität.»

Forschung in Bewegung

Im Forschungs-Stream stellte Peter Bodrogi der TU Darmstadt eine neue Methode vor, bei der die Seheigenschaften Helligkeit und Sehklarheit statt der konventionellen Leuchtdichte für die Bewertung der Beleuchtung von Innenräumen eingesetzt werden, denn diese Aspekte tragen zum Wohlbefinden bei. In einem Versuch gaben Personen ihre Eindrücke an, die sie bei 25 verschiedenen Beleuchtungsstärken und anderen variierten Aspekten erfahren haben. Man stellte fest, dass die Helligkeit und die Sehklarheit nicht mit Hilfe der Beleuchtungsstärke oder der Leuchtdichte alleine vollständig beschrieben werden können, sondern auch nichtvisuelle Aspekte berücksichtigt werden müssen.

Weitere Vorträge befassten sich mit der Frage, ob nichtvisuelle Effekte richtungsabhängig sind. Bisher wurde empfohlen, das Licht möglichst flächig von oben scheinen zu lassen. Neuere Erkenntnisse zeigen ausserdem, dass Wirkungen von horizontal eintreffendem Licht aus Schläfenrichtung intensiver sind als von Nasenrichtung. Die vertikale Beleuchtung, beispielsweise Tageslicht aus Fenstern, weckt die Aufmerksamkeit stärker als eine Deckenbeleuchtung. Klar wurde bei den Vorträgen, dass zwar gewisse Erkenntnisse bereits gewonnen wurden, aber dass einige Thesen noch empirisch untersucht werden müssen und noch einige Fragen offen sind.

Die Dienstagsthemen

Der Londoner Künstler Matt Clark eröffnete den zweiten Konferenztag. Er arbeitet oft mit Licht, denn es ist für ihn ein sehr emotionales Medium. Im Leben ist vieles in Bewegung, im Fluss, deshalb schafft Matt Clark Kunstwerke, die dynamisch sind und oft auch die Anzeige von Informationen einbeziehen. Er entwickelte eine Live-Lichtshow für die Band Massive Attack, bei der Licht als Medium eingesetzt wird, um Informationen zu vermitteln. An einem Konzert haben sie ein grosses Display mit Kurznachrichten aus dem Internet aufgestellt, die mit einem selbst entwickelten Algorithmus ausgewählt und kurz angezeigt wurden. Man wusste also nicht, womit man konfrontiert wird. Die Kombination von News mit Musik stellt ein Medium dar, das zum Nachdenken anregt. Zudem stellte Matt Clark auch ein mittels Schrittmotoren angetriebenes Pendelsystem mit Leuchten vor, das auch in der Pariser Oper für Ballettaufführungen eingesetzt wurde und den Szenen eine ungeahnte Dynamik verlieh.

Auch das Autolicht wird adaptiver und intelligenter

Die zweite Keynote des Dienstags befasste sich auch mit Design – mit dem dem des Autolichts. Rainer Neumann erläuterte auf unterhaltsame Weise, wie sich das Autolicht in den letzten fünfzehn Jahren verändert hat. Heute will man mit den Leuchten Individualität erreichen; die früheren Standard- Leuchten werden abgelöst durch durchgestaltete Leuchten mit LEDs. Halogenleuchten nehmen kontinuierlich ab und die LEDs in gleichem Tempo zu. Der Xenon-Anteil sinkt auch stetig, obwohl es verglichen mit Halogen etwa doppelt so viel Licht bietet. Die Frage der Lichtintensität ist aber heute nicht mehr zentral, denn man hat adaptive Systeme. Man befasst sich eher mit Zusatzfunktionen, die heutige Systeme deutlich komplexer machen. Neumann stellte einige der neuen Funktionalitäten vor, beispielsweise das Advanced Frontlight System, bei dem das Licht dem Kurvenverlauf folgt, und den Adaptive Driving Beam, der Komfort bringt, da Gegenverkehr erkannt und das Licht für die anderen Verkehrsteilnehmer punktuell ausgeblendet wird. Das Fernlicht auf der Fahrerseite ist dabei immer noch vorhanden und die Sichtbarkeit wird deutlich verbessert. Tiere oder Fussgänger können dadurch schon früh entdeckt werden. Die Kamera detektiert die Streubreite und das Licht wird optimal eingestellt. Als spannende Entwicklung erwähnte er die digitalen Mikrospiegel-Chips, die derzeit erforscht werden. Mit ihnen können Symbole auf die Fahrbahn projiziert werden, die beim Rückwärts-Herausfahren andere Verkehrsteilnehmer warnen können.

Licht in Gebäuden

Im Innenbeleuchtungsteil ging Herbert Plischke, Professor an der Hochschule München, auf die Frage ein, ob die Aussagen von Studien zu nicht-visuellen Lichtwirkungen am Arbeitsplatz aus wissenschaftlicher Sicht «signifikant» und «relevant» sind. Sie seien zwar relevant, aber nicht signifikant. Wissenschaftliche Aussagen sind schwer zu treffen, da von den 2844 gefundenen Beiträgen lediglich fünf Studien die wissenschaftlichen Mindestanforderungen erfüllen. Sein Fazit: Da es nur Studien von niedriger Qualität gibt, werden weitere Studien benötigt, um präzisere Aussagen machen zu können. Das Erschwerende sei, dass das Thema sehr komplex ist, denn es gibt viele Input-Faktoren: Tageszeit, Bestrahlungsstärke, räumliche Verteilung, Lichthistorie (Dauerlicht, Impulslicht), Alterseffekte, wie die Verengung der Pupille im Alter. Es gibt zudem bereits vor dem Rezeptor im Auge eine Filterwirkung. Auch in der Retina gibt es eine Verarbeitung, bei der man noch nicht weiss, wie stark sich das Melatonin auswirkt. Nach der Verarbeitung durch das Gehirn wird der Output gemessen: die Schlafqualität, die Leistungsfähigkeit, die Wahrnehmungsveränderung, die Stimmung, der Stress, möglicher Schmerz. Die neuronale Verarbeitung wird aber auch durch andere Faktoren beeinflusst. Diese Komplexität führt dazu, dass Studien oft fehlerbehaftet sind. Für künftige Studien sollten tageslichtäquivalente Masse wie α-opic DIE als Input obligatorisch sein, denn dies sind ­Fotorezeptor-gewichtete Inputs.

Der Leuchtenoptik-Entwickler Jürgen Nevoigt ging anschliessend auf die phosphorkonvertierenden LEDs ein und auf die Optiklösungen in der ­Praxis. Unerwünschte gelbe Farbränder tauchen manchmal bei Leuchten mit Optiken auf, was besonders bei der Beleuchtung von Weissware oder weis­sen Wänden auffällt. Solche Farbinhomogenitäten hängen von der Chipbauform ab und werden durch die Optik weiterprojiziert. Um dies zu reduzieren, kann man bei Optiken die Oberflächen rauer machen, bei totalreflektierenden Optiken macht sich der Color-over-Angle-Effekt bemerkbar. Facetten können hier helfen, die Beleuchtungsverteilung zu beeinflussen. Die Volumenstreuung mit Streupartikeln ist auch möglich, wenn man Effizienzverluste in Kauf nimmt.

Das Licht für den Menschen

Human Centric Lighting ist im kommen. Dabei stehen nicht nur die circa­dianen Aspekte des Lichts im Fokus, sondern das Schaffen einer funktionalen, emotional ansprechenden Beleuchtungssituation. Die meisten Technologien sind da, nun geht es darum, im Gespräch mit der Bevölkerung für die Aussenbeleuchtung oder den Mitarbeitenden für die Innenbeleuchtung die Lichtbedürfnisse zu klären und entsprechende statische oder dynamische Lichtlösungen zu finden. Um lebenswertere Städte zu schaffen und ein konzentriertes, ermüdungsärmeres Arbeiten zu ermöglichen.

Autor
Radomír Novotný

ist Chefredaktor des Bulletins Electrosuisse.

  • Electrosuisse
    8320 Fehraltorf

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