Asut unterzieht das IoT einem Reality-Check
IoT-Konferenz, 25. August 2022 im Kursaal Bern
In den letzten Jahren war die Euphorie um das Internet der Dinge (IoT) kaum zu bremsen. Höchste Zeit also, sich dessen Nutzen und Mehrwert einmal gründlich anzusehen. Unter dem Titel «Reality Check for IoT» zeigte die diesjährige IoT-Konferenz des Schweizerischen Verbandes der Telekommunikation Asut an zahlreichen konkreten Beispielen auf, wo sich das IoT bereits bewährt. Und wo es sein Potenzial erst noch ausschöpfen muss.
Das Internet der Dinge (IoT) hat die Hype-Phase hinter sich gelassen: Diese Feststellung stand im Zentrum der Konferenz, die am 25. August 2022 im Kursaal Bern stattfand. Zwar mag das IoT nicht ganz alle Versprechen gehalten haben: So gibt es heute anstelle der erwarteten 50 Mia. «nur» 12 Mia. IoT-Geräte weltweit. Aber es hat die digitale Schweiz einen grossen Schritt vorwärtsgebracht. Und das kann, angesichts der kritischen Weltlage – Stichwort: Klimaerwärmung und Energiekrise – matchentscheidend sein. Martin Bürki, Vorstand Asut und Chef von Ericsson Schweiz, zeigte sich in seinem Grusswort jedenfalls davon überzeugt, dass es mithilfe des IoT gelingen werde, mehr Effizienz in Systeme zu bringen und mit Ressourcen sorgsamer umzugehen.
IoT im Dienst der Wirtschaftlichkeit
Ein Beispiel dafür stellte Adriana Grüschow, Business Development Manager, Zühlke Engineering AG, vor: Smarte IoT-Sensoren, Datenfusion und AI-basierte Analytik machen es möglich, kritische Verkehrsinfrastrukturen vorausschauend zu warten. Zum Beispiel dort, wo manuelle Inspektionen vor Ort nicht mehr ausreichen, um ein in die Jahre gekommenes und zunehmend belastetes Schienennetz instand zu halten. Damit können erhebliche Kosten für Bahn und Passagiere vermieden werden, denn Weichenausfälle verursachen heute global 400'000 Verzögerungsstunden. Mit IoT-basierten Vernetzungslösungen können auch der Individualverkehr oder das Flottenmanagement wirtschaftlicher und komfortabler gestaltet werden. Darüber referierte Nicolas Noth, CMO des Startups autoSense, dessen Mission es ist, ein ganzheitliches Schweizer Mobilitäts-Ökosystem aufzubauen. Schon heute ist jedes neue Fahrzeug ab Werk vernetzt und produziert somit viele Daten: autoSense nutzt sie, um seinen Kunden via autoSense-App bedarfsgerecht nahtlosen Zugang zu den Produkten und Dienstleistungen seiner Partnerunternehmen zu bieten: Zum Beispiel einem Garagenservice oder dem Schadenfallassistenten einer Versicherung.
IoT für eine nachhaltigere Zukunft
Eine ganze Reihe weiterer Praxisbeispiele zeigte, dass Vernetzung, Sensoren, Daten, intelligente Algorithmen und IoT-Ökosysteme nicht nur Prozesse effizienter machen und innovative, neue (Plattform-)Geschäftsmodelle ermöglichen: Sie führen auch zu mehr Nachhaltigkeit. Florian Trösch, Head Transit Management and Digital Eco-Systems, Schindler Aufzüge AG, sieht das IoT als Wegbereiter für Städte, Gebäude und Lebensräume, die sich den Bedürfnissen und Ansprüchen von Menschen und Umwelt anpassen. Wie das konkret aussehen kann, erläuterte Jonas Wirz, Advanced Engineering IoT Expert bei der Schurter AG. Deren IoT-fähiges «Power Entry Module» ermittelt via Cloud, ob Geräte in öffentlichen Gebäuden gebraucht werden, und schaltet sie andernfalls komplett aus – kein Detail angesichts der Tatsache, dass jährlich in der Schweiz bis zu 9,4 TWh elektrische Energie durch Geräte im Standby-Modus verbraucht werden. Ganz generell erlaubt das IoT, laut Lena-Katharina Gerdes, Senior Consultant und Sustainable Finance Lead, AWK Group AG, das effiziente Sammeln und Analysieren der Daten, die nötig sind, damit die angesichts der Klimakrise unumgängliche Nachhaltigkeitstransformation angestossen werden kann. Städte können beispielsweise mithilfe der Bewegungsprofile von elektrischen Fahrzeugen die Ladeinfrastruktur dort ausbauen, wo die Nachfrage am höchsten ist; Smart Farms Sensoren einsetzen, um Pestizide und Dünger gezielt zu dosieren.
Vernetzte Dinge helfen den Menschen
Auch in der Arbeitswelt etabliert sich das IoT. In der Langzeitpflege, erleichtert es mit seinen Möglichkeiten der Alarmierung, Personenortung, Verhaltenserkennung oder Zutrittskontrolle den Gesundheitsfachpersonen schon seit Jahren die Arbeit und macht Zeitressourcen für die eigentliche Pflege frei, wie Tobias Britz, CEO SmartLiberty AG, darlegte. Edith Schmid, CCO des Startups epyMetrics, zeigte, wie mithilfe von Wearables bei Schwerarbeitern im Industrieumfeld körperliche Stressfaktoren frühzeitig erkannt, Arbeitsunfälle und damit gesundheitliche Schäden und teure Produktionsausfälle verhindert werden können. Schmid berichtete, dass sich die Zahl der Arbeitsunfälle seit Jahren auf einem Plateau hält und Experten davon ausgehen, dass eine weitere Verbesserung der Arbeitssicherheit nur durch die Vernetzung der Mitarbeitenden zu erreichen sei. Paolo Bergamo, CEO des Startups OverIT, und Alexander Lehrmann, Director Business Development and Innovation bei Sunrise, sprachen darüber, wie durch die Vernetzung auch im Aussendienst eine ganz neue Welt entsteht: Dank einer Augmented-Reality-Brille haben Service-Techniker vor Ort die Hände zum Arbeiten frei und doch innerhalb Sekunden Zugriff auf eingeblendete Wissensdatenbanken oder Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Ausserdem können sie bei Bedarf die Kollegen in der Zentrale beiziehen, die auf ihren Bildschirmen das gleiche sehen, wie der Techniker durch seine Brille.
Hindernisse abbauen
Zu Beginn der IoT-Konferenz fiel die Aussage, das IoT habe bisher nicht alle Versprechen gehalten. Angesichts des offensichtlichen Nutzens einer Technologie, die die Dinge sprechen, bzw. quantitative und qualitative Daten austauschen lässt, und es damit möglich macht, Verbraucherbedürfnisse in Echtzeit zu analysieren und die Qualität von Abläufen und Systemen laufend zu verbessern, stellt sich die Frage: Warum eigentlich nicht? Für Thomas Scheibel, CEO der Heliot Europe GmbH, sind es eine «babylonische Technologieverwirrung», zu hohe Preise und die Angst vor Cyberattacken, die einer wirklich umfassenden Vernetzung bisher im Weg stehen. Denn für grossvolumige Anwendungen seien IoT-Lösungen heute viel zu teuer, zu stark von Batterien abhängig und ihrer enormen Angriffsfläche wegen zu anfällig für Cyber-Attacken. Dazu komme ein verwirrliches Angebot an verschiedenen IoT-Funktechnologien; kein Wunder also, dass selbst grundsätzlich interessierte Unternehmen zurzeit noch zögern. Trotzdem spricht Scheibel von einer Zeitwende: Die bereits begonnene Marktkonsolidierung, Skalierung und Technologiekonvergenz werden die Preise für IoT-Projekte sinken lassen. Und gleichzeitig mausert sich das IoT angesichts steigender Energiekosten, immer komplexerer Lieferketten und strengeren Compliance-Auflagen immer mehr zur unverzichtbaren Lösung.
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