Verband CES , Installationstechnik , Sicherheit

Anwendung der SN EN 61439-x

Erläuterungen des Technischen Komitees TK 121B

06.03.2019

Die Restrukturierung und Überarbeitung der sicherheitstechnischen Anforderungen für Niederspannungs­Schaltgeräte­kombina­tionen (SK) wurde mit Herausgabe der Normenreihe SN EN 61439 bereits vor Jahren abgeschlossen. Die mittlerweile erreichte Markt­­akzeptanz der Normreihe ist sehr erfreulich, da sie zur Steigerung der Produkt­­sicherheit und Harmo­nisierung der Lösungen am Markt beiträgt.

Der Aufbau der Normenreihe SN EN 61439 gliedert sich in einen Teil 1 mit allgemeinen Festlegungen sowie den spezifischen Produktnormenteilen 2 bis 7. Um die Anforderungen aus Sicht eines Planers oder Endkunden zu beschreiben, wurde Teil 0 (IEC TR 61439-0) «Leit­faden für die Spezifikation von Schaltgerätekombinationen» erarbeitet.

Teil 5 legt die Anforderungen für SK in öffentlichen Energieverteilnetzen fest. Wie in allen Produktnormen werden generell keine Schutzkonzepte definiert, somit gibt Teil 5 keine Auskunft über die Art und Weise, wie der Sekundärschutz gelöst werden soll. Es wird zwischen Anlagen für Innenraumaufstellung (PENDA-I) und Freiluftaufstellung (PENDA-O) unterschieden.

In Teil 5 bestehen die spezifischen Grundanforderungen darin, dass ein öffentliches Interesse an der Versorgungssicherheit gemäss Stromversorgungsgesetz besteht und die SK aufgrund ihrer Aufstellung generell här-
teren Umgebungsbedingungen standhalten muss. Eine dezentrale und autonome Energieerzeugung verursacht bis dahin nicht bekannte, veränderte Lastprofile und erhöht somit die Anforderung an die Erwärmungs- und Kurzschlussfestigkeit von SK. Zusätzlich wird der Forderung nach einer erhöhten Lebensdauer von SK in öffentlichen Verteilnetzen Rechnung getragen.

Anlagenbetrieb, -wartung und -erweiterung sind zentrale Tätigkeiten an SK in öffentlichen Verteilnetzen. Um sie sicher und effizient umzusetzen, sind auch hierzu die notwendigen anwendungsspezifischen Anforderungen definiert.

Geltungsbereich und Anwendungsbeispiele

Gemäss der Starkstromverordnung (StV) müssen Starkstromanlagen und die daran angeschlossenen elektrischen Einrichtungen nach den Vorschriften der Verordnung und den anerkannten Regeln der Technik erstellt, geändert, instandgehalten und kontrolliert werden.

Als anerkannte Regeln der Technik gelten insbesondere die Normen von IEC und Cenelec. Die SN EN 61439-x wurde auf IEC-Ebene unter anderem mit Vertretern aus der Schweiz erarbeitet und über alle Instanzen übernommen. Die Gültigkeit des Standards ist somit auf internationaler und nationaler Ebene unumstritten.

Folgende Grundsätze bieten eine Entscheidungsgrundlage, ob eine SK nach Teil 2 oder Teil 5 einzusetzen ist:

  • Ist die SK Bestandteil einer Installation nach Niederspannungs-Instal­lations­verordnung (NIV), so kann der Nachweis nach Teil 2 erfolgen.
  • Ist die SK Bestandteil des öffentlichen Versorgungs­netzes, so ist der Teil 5 anzuwenden.
  • Ist die SK Bestandteil von privaten Trans­formatoren­stationen (Indus­trie, Gewerbe), so unterliegt sie dem Teil 2.
  • Bei fabrikfertigen Trafo­stationen nach SN EN 62271-202 kann auch eine SK nach Teil 2 eingesetzt werden. Solche Trafo­stationen eignen sich für die Serien­fertigung und werden in ihrer kompletten Bauform inkl. SK geprüft.

Für die Grenzstelle zwischen Installation und Niederspannungsverteilnetz siehe Praxisbeispiele in der Electro­suisse-Info 3057a, April 2018.

Anwendbare Normen für SK-Innenraumaufstellung

Bei der Erstellung eines Bauartnachweises für eine SK in öffentlichen Verteilnetzen zur Innenraumaufstellung bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  • Der Bauartnachweis für die SK (PENDA-I) erfolgt anhand der SN EN 61439-5.
  • Bei fabrikfertigen Trafo­stationen nach SN EN 62271-202 kann auch eine SK mit einem Bauartnachweis nach SN EN 61439 Teil 2 eingesetzt werden.

Anwendbare Normen für SK Freiluftaufstellung

Die Bauart der SK in öffentlichen Verteilnetzen für Freiluft­aufstellung (PENDA-O) wird nach Regeln der Technik gemäss SN EN 61439-5 nach­gewiesen.

Bauartnachweis nach SN EN 61439-5

Zum Nachweis der mechanischen ­Festigkeit nach SN EN 61439-5 wird zwischen PENDA-I und PENDA-O unterschieden. Die elektrischen Anforderungen einer PENDA-O- und einer PENDA-I-Anlage sind identisch und im Grundsatz vergleichbar mit den Anforderungen aus dem Teil 2.

  • Nachweis der mechanischen ­Festigkeit PENDA-O
    Da die PENDA-O harschen Umgebungsbedingungen standhalten müssen, befasst sich der Grossteil der SN EN 61439-5 mit zusätzlichen mechanischen Anforderungen, damit die Anlage für eine Freiluftaufstellung geeignet ist. Der Bauartnachweis der mechanischen Anforderungen kann nur durch Prüfungen erlangt werden.
  • Nachweis der mechanischen ­Festigkeit PENDA-I
    Im Gegensatz zur PENDA-O ähneln die mechanischen Anfor­derungen der PENDA-I eher denjenigen einer PSC-Anlage, da die Umgebungsbedingungen vergleichbar sind. Die wesentlichen mechanischen Unterschiede zwischen einer PENDA-I-Anlage und einer PSC-Anlage nach Teil 2 sind eine höhere Beständigkeit gegen Korrosion, eine zusätzliche Prüfung auf trockene Wärme und eine strengere Anforderung der Entflamm­barkeit vom verwendeten Material bei der PENDA-I.
  • Nachweis der Erwärmungs- und Kurzschlussfestigkeit
    Die elektrischen Anforderungen bei den PENDAs sind identisch. Im Unterschied zur Erbringung des Bauartnachweises der SN EN 61439-2 (PSC), welche grundsätzlich drei verschiedene und gleichwertige Nachweisverfahren vorsieht, ist bei der SN EN 61439-5 ausschliesslich das Nachweisverfahren durch Anwendung von Prüfung erlaubt. Nach 10.10.2 erfolgt der Nachweis der Erwärmung weiterhin über die Auswahl einer repräsentativen Anordnung. Dies ist identisch für Anlagen grösser 1600 A aus Teil 2. Auch für den Nachweis der Kurzschlussfestigkeit ist es nach 10.11.5 möglich, eine einzige Sammelschienenkonfiguration / Funktionseinheit zu prüfen, wenn die übrigen Sammelschienenkonfigurationen / Funktionseinheiten dieselbe Bauart aufweisen. Bild 1 zeigt, dass dies im Vergleich zum Teil 2 keine massive Verschärfung darstellt.

Anmerkung zum Nachweis durch Prüfung in SN EN 61439- 2/-5

Der Nachweis der Erwärmung muss an einer oder mehreren repräsentativen Anordnungen durchgeführt werden. Die Auswahl der zu prüfenden repräsentativen Anordnungen wird durch den ursprünglichen Hersteller verantwortet. Die repräsentative Anordnung deckt die jeweiligen Gruppen vergleichbarer Funktionseinheiten ab (SN EN 61439-1, Kap 10.10.2.2).

Für den Nachweis der Kurzschlussfestigkeit reicht es aus, eine einzige Funktionseinheit / Sammelschienenkonfiguration zu prüfen, wenn die übrigen Funktionseinheiten / Sammelschienenkonfigurationen dieselbe Bauart (z. B. Schienenquerschnittsform, Sammelschienenhalter etc.) aufweisen (SN EN 61439-1, Kap. 10.11.5). SN EN 61439-1, Tabelle 13 liefert Entscheidungskriterien, ob zusätzliche Prüfungen erforderlich sind.

Einsatz von Geräten bei Anlagenherstellung, -erweiterung und -reparatur

Bei allen Anlagen dieser Normreihe, welche über einen Nachweis der Erwärmungs- und Kurzschlussfestigkeit verfügen, ist insbesondere darauf zu achten, dass nur solche Geräte eingesetzt werden, welche der geprüften Anordnung entsprechen. Unabhängig von der Art der Kurzschlussschutzeinrichtung entfällt beim Einbau einer ungeprüften Kurzschlussschutzeinrichtung der Bauartnachweis. Reparaturen oder Erweiterungen sind somit nur im Rahmen der Bauart zulässig. Bei Unsicherheiten wird empfohlen, mit dem ursprünglichen Hersteller der Schaltgerätekombination Rücksprache zu halten.

Fazit

Normen sind ein Ordnungsinstrument unserer Wirtschaftswelt. Sie werden festgelegt, um die Zusammenarbeit, besonders im technischen Bereich, zu erleichtern. So trägt auch die ­Normenreihe SN EN 61439 zur Produktsicherheit und Harmonisierung der einzelnen Lösungen bei. Die Produktnormteile 2 bis 7 gehen auf individuelle Anforderungen der verschiedenen Einsatzgebiete ein und die Verantwortungen werden klar geregelt. Teil 5 widerspiegelt die aktuellen Regeln der Technik für SK in öffentlichen Energieverteilungsnetzen. Als alternative steht für fabrikfertige Trafostationen eine eigene Norm, die SN EN 62271-202, zur Verfügung.

Autor
Technisches Komitee TK 121B

Der Koordinator bei ­Electrosuisse ist CES-Sekretär André Mingard.

  • Electrosuisse, 8320 Fehraltorf
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