Fachartikel Energienetze , Erneuerbare Energien , Integration ins Netz

An­schluss­kap­pung von Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen

Anlagen bis 30 kVA

30.04.2019

In der Schweiz produzieren immer mehr PV-Anlagen immer mehr Solarstrom. Wird dieser nicht im eigenen Haushalt verbraucht, wird der Überschuss ins Netz eingespeist. Die CKW AG hat untersucht, welche Folgen diese Rückspeisung für ihr Stromnetz hat. Die Analyse zeigt, dass bei kleineren Anlagen eine fixe Kappung der Einspeiseleistung ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist.

Aufgrund der steigenden Anzahl PV-Anlagen wird immer mehr Solarstrom ins Stromnetz eingespeist. Dies wirkt sich auf die Stabilität und Auslastung des Netzes aus, insbesondere auf der Niederspannungsnetzebene, wo PV-Anlagen in der Regel angeschlossen werden. CKW hat in ihrem Versorgungsgebiet im Kanton Luzern simuliert, welche Netzlast die Solarstromproduktion bei einem starken Ausbau verursachen könnte. So identifizierte sie Teilnetze, in denen künftig Spannungsverletzungen auftreten und Transformatoren oder Leitungen überlastet werden könnten.

Maximale Solarstromproduktion

Für die Berechnungen ging CKW von der maximalen als realistisch zu betrachtenden Produktion von Solarstrom aus. Als Grundlage für die Schätzung diente das Solarkataster des Kantons Luzern (vgl. «Solarkataster»). Darin ist für jede Dachfläche angegeben, wie viel Solar­energie darauf einstrahlt und wie gut sich das Dach zur Produktion von Solarstrom eignet. In Kombination mit der Parzellennummer kann damit jedem Hausanschlusskasten jene Leistung zugewiesen werden, die eingespeist werden könnte.

CKW ging davon aus, dass nur die Dachflächen bebaut werden, die im Kataster als sehr gut oder gut geeignet beurteilt sind, wobei CKW für die gut geeigneten Dächer von einer etwas reduzierten Umsetzung ausging. Würden all diese Anlagen gebaut, resultierte eine gesamte Einspeiseleistung von knapp 560 MW.

Kritische Niederspannungsteilnetze

Um die Auswirkungen der eingespeisten Leistung auf die Niederspannungsnetzebene zu simulieren, mussten die Teilnetze genau definiert sein: Ein Teilnetz besteht aus einem Transformator der nächsthöheren Netzebene 6, der ganzen angehängten Niederspannungsnetzebene bis zu allen Hausanschlusskästen, und umfasst alle Leitungen und Verteilkabinen. PV-Anlagen werden an die Hausanschlusskästen angeschlossen.

Ob ein Teilnetz gefährdet ist, beurteilte CKW anhand von drei Kriterien, die auch bei der Berechnung eines Anschlussgesuches einer PV-Anlage gelten. Nicht gefährdet ist ein Teilnetz, wenn keines der folgenden Kriterien verletzt wird:

  • Auslastung der Transformatoren: Ein Transformator der Netzebene 6 darf durch die Gesamtheit der einspeisenden PV-Anlagen nicht über 100 % ausgelastet werden. Dafür wird die Leistung aller potenziellen PV-Anlagen der jeweiligen Transformatorstation zugeordnet.
  • Leitungsauslastung: Wird die Leistung aller potenziellen PV-Anlagen addiert, die ihre Energie durch eine spezifische Leitung abführen, darf die Summe die maximale Belastbarkeit der Leitung nicht überschreiten.
  • Spannungsanhebung: Der Spannungshub durch die Installation einer PV-Anlage darf nirgends 3 % übersteigen (angelehnt an DACHCZ-Weisung [1]). Dies wird, ähnlich wie im Anschlussgesuch, nach den technischen Regeln der DACHCZ-Weisung beurteilt.

Jedes Teilnetz wurde nach einem Punktesystem bewertet, je nachdem, wie oft und wie schwer die drei Kriterien verletzt werden. Zu jedem Kriterium konnte ein Teilnetz bis zu 3 Punkte erhalten. Bei der Auslastung der Transformatoren war die Höhe der Überlastung ausschlaggebend. Die Punkte für die Leitungsauslastung und den Spannungshub wurden aufgrund der Anzahl betroffener Leitungen vergeben. So liessen sich alle 2340 Niederspannungsteilnetze kategorisieren.

Etwas mehr als die Hälfte aller Niederspannungsteilnetze sind «nicht gefährdet». Das heisst, dass keine Leitungen oder Transformatoren überlastet werden. Auch ein zu hoher Spannungshub ist durch eine Einzelanlage nicht zu erwarten, selbst wenn jedes geeignete Dach im Teilnetz mit PV-Modulen bestückt wird. Knapp ein Viertel der Teilnetze sind «leicht gefährdet», 15 % «eher gefährdet». Nur 175 der 2340 Teilnetze sind in diesem Szenario «gefährdet».

Situation mit einer Leistungskappung

Um die Belastung für das Netz zu senken, kann die Einspeiseleistung einer PV-Anlage begrenzt werden. Damit produziert die Anlage allerdings auch weniger Energie. Diese Leistungsreduktion wird auch als Leistungskappung bezeichnet. Das Verhältnis zum Energieverlust ist optimal, wenn die Leistung auf 70 % reduziert wird. Gemäss verschiedenen Studien sinkt damit die produzierte Energie durchschnittlich lediglich um 3 %. Auf dieser Grundlage führte CKW obige Analyse erneut durch mit der Annahme, dass bei jedem Hausanschluss nur noch 70 % der zuvor angenommenen Leistung eingespeist wird.

Das Ergebnis zeigt, dass die Anzahl der gefährdeten Teilnetze bei einer Kappung von 175 auf 21 sinkt. Eher gefährdet sind nur noch weniger als ein Drittel der Niederspannungsteilnetze.

Reduktion des Netzausbaus

Um die ökonomischen Folgen der beiden Varianten mit und ohne Kappung zu vergleichen, bewertete CKW die potenziell nötigen Netzverstärkungen monetär. Die Analyse ergab, dass mit der Kappung der Einspeiseleistung auf 70 % die Kosten für den Netzausbau von 54,3 auf 21,7 Mio. CHF sinken. Andere Untersuchungen ergaben ähnliche Werte: 2014 berechnete eine deutsche Verteilnetzstudie, dass die Kosten für den Netzausbau im Niederspannungs-Bereich um 55 % gesenkt werden können bei einer Reduktion der eingespeisten Energie um etwa 3 %. Dies entspricht, wie erwähnt, etwa einer Kappung der Einspeiseleistung auf 70 %. Auch die vom BFE in Auftrag gegebene Consentec-Studie zur Entwicklung der Netzkosten weist bei einer Begrenzung der Einspeiseleistung massive Minderkosten beim Netzausbau aus.

Möglichkeiten zur Kappung

Um die Einspeiseleistung einer PV-Anlage ins Netz zu begrenzen, gibt es zwei Möglichkeiten: die Anschlusskappung und die betriebliche Kappung. Bei der Anschlusskappung wird ein Wechselrichter eingesetzt, der für die PV-Module auf dem Dach zu unterdimensioniert ist. Bei einer PV-Anlage mit 10 kVA Maximalleistung müsste für eine Anschlusskappung auf 70 % ein Wechselrichter mit 7 kVA installiert werden. Bei der betrieblichen Kappung entspricht die Leistung des Wechselrichters der Maximalleistung der PV-Anlage. Eine Steuerung reduziert die Einspeiseleistung beim Wechselrichter je nach Bedarf und in Abhängigkeit vom aktuellen Netzbetrieb.

Gesamtheitliche Betrachtung der Wirtschaftlichkeit

Für eine umfassende Abschätzung der ökonomischen Folgen betrachtete CKW neben den jährlichen Investitionskosten für den Ausbau des Netzes auch die Entschädigung für die gekappte Energie und die Kosten für die betriebliche Kappung der Anlagen.

Eine Anschlusskappung, zum Beispiel auf 70 % der Leistung, lässt sich einfach umsetzen. Für die betriebliche Kappung ist hingegen eine Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) nötig, welche die Stromproduktion steuert, die aktuellen Leistungswerte misst und verarbeitet und die Anlage regelt (vgl. «Möglichkeiten zur Kappung»). Werden alle, also sowohl die bestehenden als auch die neuen Anlagen nach- oder ausgerüstet, ist für jede Anlage mit jährlichen Kosten in der Höhe von 50 bis 200 CHF zu rechnen. Der Grund für die grosse Bandbreite ist, dass grössere Anlagen zusätzliche Funktionen benötigen und Synergien mit anderen Anwendungen wie Smart Metering oder Eigenverbrauchsoptimierung genutzt werden können.

Mit der Kappung wird Energie abgeregelt – der Ertrag für den Produzenten sinkt. Das untenstehende Bild zeigt die Jahreskosten, wenn die abgeregelte Energie exemplarisch mit 5 Rp. pro kWh vergütet wird. Dieser Vergütungssatz berücksichtigt den Rückliefertarif, die Entschädigung für den Herkunftsnachweis, die effektive Energieerzeugung und den benötigten kleineren Wechselrichter.

Bei Kleinanlagen ist der IKT-Anteil an den Kosten sehr gross. Bei diesen fallen die Investitionen in IKT im Verhältnis zur produzierten Energie stärker ins Gewicht als bei grösseren Anlagen. Es ist daher ökonomisch sinnvoll, keine IKT nachzurüsten und die Kleinanlagen beim Anschluss auf 70 % ihrer Leistung fix zu kappen. Der reduzierte Netzausbau kostet jedes Jahr knapp 1 Mio. CHF weniger als ein Netzausbau ohne Kappung, was Investitionen von über 15,6 Mio. CHF entspricht.

Bei PV-Anlagen zwischen 30 und 100 kVA kostet ein konventioneller Netz­ausbau beinahe so viel wie ein reduzierter Ausbau plus die Entschädigung für die abgeregelte Energie und die IKT. Im Sinne der politischen Absicht, vermehrt Energie aus erneuerbaren Quellen zu produzieren, sollen diese Anlagen nicht generell abgeregelt werden. Ein konventioneller Netzausbau ist hier die einfachste Lösung. Für einzelne Teilnetze kann – je nachdem, wie stark das Netz gefährdet und ob eine IKT vorhanden ist – eine betriebliche Kappung in Betracht kommen. Grosse Anlagen ab 100 kVA müssen beeinflusst werden können, damit ein sicherer Netzbetrieb gewährleistet werden kann. Damit ist bei diesen die Möglichkeit für eine betriebliche Kappung gegeben.

Korrekterweise muss angefügt werden, dass bei mittleren und grösseren Anlagen der Wert für die abgeregelte Energie je nach Vergütungsmodell stark variieren kann. Dabei kann eine Spannweite vom aktuellen Marktpreis an der Börse bis hin zur Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) aus der Anfangszeit entstehen (0–60 Rp. pro kWh). Auch ist schwer vorauszusehen, ob die Leistung überhaupt reduziert werden muss, da nicht bekannt ist, wie viele PV-Anlagen realisiert werden und gleichzeitig einspeisen. Deshalb sind die ausgewiesenen Jahreskosten für die abgeregelte Energie in der Grafik ebenfalls mit dem erwähnten Vergütungssatz von 5 Rp. pro kWh für alle mittleren und grossen Anlagen gerechnet. Weil die effektive Vergütungshöhe variieren kann, sind die beiden Balken im obenstehenden Bild schraffiert dargestellt.

Regulatorische Rahmenbedingungen

PV-Anlagen werden immer zahlreicher, es werden immer detailliertere Messdaten erfasst und der Betrieb lässt sich immer besser optimieren – zum Beispiel mit Eigenverbrauch. Deshalb hat sich das BFE im Rahmen der laufenden Revision des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) dem Thema des flexiblen Betriebs gewidmet. Im Oktober 2018 wurde ein Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung geschickt, in dem Netzbetreiber die Einspeisungen limitiert pauschal abregeln können. Damit würde der Bundesrat in der Verordnung für jede Erzeugungstechnologie den abregel- oder steuerbaren Anteil an den garantierten Nutzungsrechten festlegen.

Aufgrund der technischen und volkswirtschaftlichen Überlegungen ergibt es aus Sicht eines Verteilnetzbetreibers durchaus Sinn, kleinere PV-Anlagen bis 30 kVA beim Anschluss fix auf 70 % zu kappen (Anschlusskappung). Soll die Leistung grösserer PV-Anlagen ab 30 kVA begrenzt werden, ist eine betriebliche Kappung besser geeignet. Der VSE schlägt in seiner Vernehmlassungsantwort vor, diesen Grundsatz auf Gesetzesstufe zu verankern.

Mit einer Kappung werden Netzausbaukosten vermieden. Dies kann als Argument gelten, dass die abgeregelte Energie durch den Netzbetreiber vergütet werden muss. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kann aber auch argumentiert werden, dass eine Kappung in so geringem Umfang unentgeltlich erfolgen darf. Denn mit einer Vergütung kommt die Allgemeinheit für die Entschädigung einzelner Anlagenbetreiber auf und zahlt Energie, die gar nicht erzeugt wird. Zudem findet die Kappung typischerweise zu Zeiten statt, in denen Strom im Überfluss produziert wird und die Preise folglich tief oder sogar negativ sind. Damit lässt sich eine unentgeltliche Kappung ohnehin rechtfertigen. Letztlich ist es eine politische Frage, was höher gewichtet werden soll: die Rentabilität der PV-Anlagen oder die Kosten für den Endverbraucher?

Auszug aus dem Solarkataster Luzern. Die Farben zeigen, wie gut sich ein Dach für eine PV-Installation eignet: rot = sehr gut geeignet (>1100 kWh/m2 pro Jahr); orange = gut geeignet (950–1100 kWh/m2 pro Jahr); gelb = mässig geeignet (800–949 kWh/m2 pro Jahr); blau = schlecht geeignet (200–799 kWh/m2 pro Jahr).

Solarkataster

Um das Potenzial für Solarstrom im Kanton Luzern abzuschätzen, wurde für jede Dachfläche die Energiemenge ermittelt, die pro Jahr in Form solarer Strahlung darauf einwirkt. In Kombination mit der Einstrahlungsleistung pro Fläche im Juni kann damit für alle Dachflächen die maximale Einspeiseleistung errechnet werden. Diese wurde mit folgenden Faktoren korrigiert:
Dachflächen allgemein: In den nächsten Jahren je Gemeinde 0 bis 10 % Zuwachs (nach Lustat).

Flachdächer: 50 % der Fläche kann mit PV-Modulen bebaut werden, da diese häufig mit Aufbauten versehen sind. Für alle anderen Dächer gilt, dass 75 % ihrer Fläche mit PV-Modulen bebaut werden können (Dachfenster, Abstand zum Dachrand).

Der Solarkataster Luzern teilt alle Dachflächen in vier verschiedene Kategorien ein: Von rot für Dächer, die sich sehr gut zur Installation von PV-Anlagen eignen über orange und gelb bis hin zu blau für Dächer, die sich nur schlecht eignen.

Die maximal ins Netz einzuspeisende Leistung wurde mit folgenden Annahmen berechnet: Solarmodule haben einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von 20 %; der Quotient des tatsächlichen Nutzertrags einer Anlage und ihrem Sollertrag beträgt 0,85; gemeinsam mit dem Wirkungsgrad ergibt dies einen Gesamtwirkungsgrad von 17 %; der Gleichzeitigkeitsfaktor der Anlagen beträgt 0,85.

Referenz

[1]   «Technische Regeln zur Beurteilung von Netzrückwirkungen», VSE, 2007.

Autor
André Kübler

ist Leiter Asset Management Netze bei CKW AG.

  • Centralschweizerische Kraftwerke AG, 6002 Luzern
Autor
Nicolas Rudolph

ist Fachverantwortlicher Netzplanung bei CKW AG.

  • Centralschweizerische Kraftwerke AG, 6002 Luzern
Autor
Michael Beer

ist Leiter Markets & Regulation bei der BKW AG.

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