Fachartikel Konventionelle Kraftwerke

Leistungsschalter in Kraftwerksanlagen

Schaltungskonzepte, Anforderungen und Normen

05.01.2017

Technologische Entwicklungen bei Leistungsschaltern und höhere Kraftwerksleistungen haben die Schaltungskonzepte für Kraftwerke stark verändert. An Generatorschalter werden hohe Anforderungen hinsichtlich Zuverlässigkeit, Standfestigkeit im Betrieb und Ausschaltvermögen gestellt. Die grössten Beanspruchungen treten beim Ausschalten von generatornahen Kurzschlüssen und beim Betrieb unter asynchronen Bedingungen auf. 
In der neuen Norm IEC/IEEE 60271-37-013 sind die für Generatorschalter relevanten Bemessungsgrössen und Prüfungen festgelegt.

Die Stromproduktion erfolgt meist mit rotierenden Maschinen. Der Leistungsbereich der Erzeuger ist sehr gross und reicht von einigen 10 kVA bei Wasserkraftanlagen bis zirka 2 GVA bei Kernkraftwerksblöcken. Meist werden Synchronmaschinen eingesetzt, die in das 50-Hz-Übertragungs- oder Verteil-Netz einspeisen. In Pumpspeicherkraftwerken arbeiten diese Synchronmaschinen sowohl als Generator (Turbinenbetrieb) als auch als Motor (Pumpenbetrieb).

Bei vielen Windkraftwerken und bei neuen Pumpspeicherkraftwerken werden vermehrt auch Maschinenkonzepte mit Frequenzumrichtern und variabler Drehzahl eingesetzt: meistens mit Asynchronmaschinen (double-fed induction machine, DFIM), aber auch mit Synchronmaschinen (converter-fed synchronous machine, CFSM). [1, 2] Der vorliegende Beitrag fokussiert sich auf den Einsatz von Leistungsschaltern in Wasserkraftwerken und in thermischen Anlagen. Die Grundfunktionen solcher Leistungsschalter sind in Tabelle 1 zusammengestellt.

In Kraftwerksanlagen sind Generatoren meist über einen Transformator und einen Leistungsschalter an das Netz angeschlossen. Leistungsschalter können direkt am Generator (Generatorschalter, GLS) und/oder auf der Hochspannungsseite des Maschinentransformators (Hochspannungsschalter, HLS) angeordnet sein (Bild 1).

Schaltungskonzepte

Zunächst waren die Maschinenleistungen stark eingeschränkt (bis 1930 typisch unter 30 MVA). Dies führte dazu, dass bei höheren Kraftwerksleistungen mehrere Generatoren über einen einzigen Leistungsschalter auf eine Kraftwerks-Sammelschiene geschaltet wurden (Bild 2). Zum Einsatz gelangten damals konventionelle, im Netzbetrieb erprobte Ölstrahlschalter und später Druckluftschalter. Solche Anschlusskonzepte sind bei älteren Wasserkraftanlagen auch in der Schweiz immer noch im Einsatz.

Infolge der stetigen Erhöhung der Generatorleistungen wurde Ende der 1930er-Jahre ein Schaltungskonzept entwickelt, bei dem jeder Generator direkt mit einem Maschinentransformator verbunden ist und mit einem Hochspannungs-Leistungsschalter an das Netz angeschlossen wird (Bild 3). Durch die Anordnung des Leistungsschalters auf der Hochspannungsseite des Transformators werden die Betriebs- und Fehlerströme im Hochspannungs-Schalter (HLS) stark reduziert. Die damals erforderlichen Ausschaltleistungen konnten mit der Entwicklung von Hochspannungs-Druckluftschaltern beherrscht werden. Die sogenannte Blockschaltung (unit connection) wurde in den 1940er-Jahren sowohl in thermischen Kraftwerken als auch in grossen Wasserkraftwerken (Beispiel: Kraftwerk Innertkirchen 1, KWO) eingesetzt und als Standardlösung akzeptiert.

Da beim HLS-Konzept ein Leistungsschalter zwischen Generator und Maschinentransformator fehlt, kann bei einem dielektrischen Fehler, der zwischen dem Generator und dem Schalter auf der Hochspannungsseite (HLS) auftritt, ein erheblicher Schaden entstehen. Denn trotz schnellem Öffnen des Hochspannungsschalters (HLS) fliesst in einem solchen Fall, gespeist von der auslaufenden Maschine, über mehrere Sekunden Energie in die Fehlerstelle. Wenn sich der dielektrische Fehler im Innern des Maschinentransformators befindet, kann die dort umgesetzte Energie ausreichen, um den mit Isolieröl gefüllten Transformatorkessel zum Bersten zu bringen. Befindet sich der betroffene Transformator zudem in einem Innenraum oder einer Kaverne, können die Auswirkungen dramatisch sein. Auch wenn solche Fehler äusserst unwahrscheinlich sind, sollte das Risiko durch gezielte Massnahmen reduziert werden:

  • Vollständig gekapselte Generatorausleitungen (bus duct)
    Verzicht auf Eigenbedarfsversorgung direkt ab Generatorausleitung
  • Erhöhtes Isolationsniveau beim Maschinentransformator
  • Maschinentransformatoren mit 3 Einzelpolen
  • Generator-Schnellentregung
  • Ultraschneller Erdungsschalter am Generator (für Fehlerströme kleiner 100 kA).


Aufgrund der positiven Langzeiterfahrungen mit dem HLS-Konzept (> 60 Jahre), werden auch heute noch Kraftwerke mit dieser Schaltungsvariante gebaut, weil damit kosteneffiziente Lösungen mit wenigen Komponenten, kleinem Raumbedarf und geringem Instandhaltungsaufwand möglich sind.

Im Hinblick auf die grossen Generatorleistungen von Kernkraftwerken begann in den 1960er-Jahren die Entwicklung von Generator-Leistungsschaltern (GLS) mit hohem Schaltvermögen, vorerst auf der Basis des bekannten Druckluft-Löschprinzips. Der Generator-Leistungsschalter wird zwischen Generator und Maschinentransformator angeordnet und muss demnach für sehr hohe Ströme ausgelegt sein (Bild 4).

Das GLS-Konzept bietet folgende Vorteile (Bild 4):

  • Verbesserter Schutz der Kraftwerksanlage, insbesondere von Generator und Maschinentransformator bei generatorgespeisten und netzgespeisten Kurzschlüssen
  • Sehr einfache Start- und Stop-Sequenzen
  • Eigenbedarfsversorgung auch bei ausgeschaltetem Generator
  • Vorteilhafte Life-Cycle-Kosten.


In der Entwicklung der Generatorschalter in den 1980er-Jahren wurde als Löschmedium SF6 eingeführt. Damit konnte das Abschaltvermögen signifikant gesteigert, die Zuverlässigkeit erhöht und der Instandhaltungsaufwand stark gesenkt werden. Die aktuelle Generation der SF6-Generatorschalter ist in der Lage, Nennströme bis zu 28 kA bei einer Generatorspannung von 31,5 kV zu führen und Kurzschlussströme bis zu 250 kA sicher auszuschalten. [3]

Neben Generatorschaltern mit den Löschmedien Druckluft und SF6 hat auch der Vakuumschalter im Kraftwerksbereich Einzug gehalten. Mit der heute verfügbaren Vakuumschalter-Technologie können bei Bemessungsspannungen von 24 kV Nennströme bis zu 6 kA (mit Zwangskühlung bis 10 kA) beherrscht und Fehlerströme bis zirka 80 kA ausgeschaltet werden. [4] Diese kompakten und wartungsarmen Schaltgeräte eigenen sich auch für Retrofit-Projekte, wenn ältere Leistungsschalter in Kraftwerksanlagen bei beschränkten Platzverhältnissen ersetzt werden müssen.

Anforderungen an Leistungs­schalter in Kraftwerken

Die Anforderungen an Leistungsschalter in Kraftwerksanlagen unterscheiden sich zum Teil deutlich von denjenigen bei Schalteranwendungen im Netz. Erhöhte Anforderungen ergeben sich aus den speziellen mechanischen, thermischen und elektrischen Beanspruchungen, die sowohl im Betrieb als auch im Fehlerfall auftreten können. In Kraftwerken entstehen die höchsten Schalterbeanspruchungen beim Ausschalten von generatornahen Kurzschlüssen und beim Schalten unter asynchronen Bedingungen, wo stark asymmetrische Fehlerströme mit hohem Gleichstrom-Anteil auftreten und der Schalter unmittelbar nach dem Ausschaltvorgang sehr hohe Spannungsbeanspruchungen aushalten muss. Zwei Beispiele von stark asymmetrischen Kurzschlussstromverläufen sind in Bild 5 dargestellt.

Bei einem generatornahen Kurzschluss wird die Abklingzeitkonstante des Gleichstrom-Anteils im Fehlerstrom hauptsächlich durch die Reaktanzen des Generators und des Maschinentransformators sowie durch die ohmschen Wicklungswiderstände dieser Hauptkomponenten sowie durch die ohmschen Widerstände der Verbindungen zwischen Transformator bzw. Sammelschiene und der Kurzschlussstelle bestimmt. DC-Abklingzeitkonstanten bei generatorgespeisten Kurzschlüssen bewegen sich typisch in einem Bereich von 150 ms bis 400 ms und unterscheiden sich dadurch deutlich von den üblichen Zeitkonstanten im Hochspannungsnetz, die im Bereich von 40 ms bis 60 ms liegen.

Generell erfordert das Ausschalten eines Wechselstroms einen Strom-Nulldurchgang. Bei stark asymmetrischen Fehlerströmen können die Strom-Nulldurchgänge wegen der langsam abklingenden DC-Komponente über mehrere Perioden ausbleiben. [5, 6] Dies ist der Fall bei generatorgespeisten Kurzschlüssen (generator-source short-circuit), netzgespeisten Kurzschlüssen (system-source short-circuit) sowie bei der Generator-Fehlsynchronisation oder beim Schalten unter asynchronen Bedingungen (out-of-phase conditions).

Fehlerfälle mit verzögerten Strom-Nulldurchgängen stellen für Generatorschalter eine kritische Belastung dar: wenn der Fehlerstrom wegen fehlender Nulldurchgänge nicht innerhalb der zulässigen Lichtbogenzeit gelöscht werden kann, wird die Schaltkammer thermisch überlastet oder kann sogar zerstört werden (Schalterexplosion). Bei Schaltfällen mit verzögerten Nulldurchgängen treten auch beim Generator und beim Maschinen-Transformator sehr hohe elektrische und mechanische Beanspruchungen auf. [6]

Die folgenden Ausführungen gelten für das GLS-Schaltungskonzept gemäss Bild 4. Aber auch beim HLS-Schaltungskonzept (Bild 3) muss im Einzelfall sorgfältig geprüft werden, ob ein vorgesehener Hochspannungsschalter die kraftwerkspezifischen Anforderungen erfüllt.

Im GLS-Schaltungskonzept muss der Generatorschalter für eine Dauerbelastung mit dem hohen Betriebsstrom des Generators ausgelegt sein. Bei höheren Generatorleistungen liegen diese Betriebsströme im kA-Bereich. Damit verbunden sind spezielle Anforderungen an die Kontaktsysteme und an die thermische Auslegung (Abfuhr der Verlustwärme). Die erforderliche mechanische Standfestigkeit, welche vor allem durch die Anzahl der Schaltvorgänge bestimmt wird, hängt vom Kraftwerks-Einsatzmodus ab: Grundlast-Betrieb mit wenigen Schaltungen pro Jahr oder Spitzenlast-Betrieb mit mehreren Schaltzyklen pro Tag (bei Pumpspeicherkraftwerken bis zu 2000 Schaltungen pro Jahr). Generell müssen Generatorschalter sehr zuverlässig sein, weil bei einem Schalterversagen die betroffenen Hauptkomponenten Generator und Maschinentransformator stark beschädigt werden können und dadurch ein Kraftwerk für längere Zeit ausfallen kann. Die Fehlerraten von SF6-Generatorschaltern liegen bei 0,0012 major failures pro Jahr, wobei der Schalterantrieb die häufigste Ausfallursache ist. [7]

Für das Ausschaltvermögen eines Generatorschalters und die Festlegung der Bemessungsausschaltströme der übrigen im Kraftwerk eingesetzten Leistungsschalter sind die in Bild 4 aufgeführten Kurzschlussfälle zu betrachten. Im Sinne einer worst-case-Bedingung wird bei diesen Kurzschlussfällen ein gleichzeitig eintretender dreiphasiger Kurzschluss mit direkter metallischer Verbindung zum Erdpotenzial (ohne Lichtbogen) angenommen.

Netzgespeiste Kurzschlussströme ­(Iscsys, Fehlerstelle a in Bild 4) weisen einen konstanten (symmetrischen) Wechselstromanteil auf und sind im Normalfall in der Amplitude grösser als generatorgespeiste Kurzschlussströme, weil die Summe der Kurzschluss-Reaktanz des Maschinentransformators und der Netzimpedanz meist kleiner ist als die subtransienten und transienten Reaktanzen des Generators. Somit bestimmt der netzgespeiste Kurzschlussfall beim Generatorschalter die Bemessung des symmetrischen Kurzschluss-Ausschaltstroms.

Bezüglich der Gleichstromkomponente ist der generatorgespeiste Kurzschlussfall (Iscgen, Fehlerstelle b in Bild 4) kritischer, da die DC-Zeitkonstante im Vergleich zum abfallenden Wechselstromanteil nur sehr langsam abklingt und damit die Wahrscheinlichkeit für fehlende Nulldurchgänge grösser ist.

Bei einem Kurzschlussfehler hinter dem Eigenbedarfstransformator (Fehlerort c in Bild 4) überlagern sich die Fehlerstromanteile der Generatorseite und der Netzseite. Die Amplitude des resultierenden Kurzschlussstroms wird durch die Impedanz des Eigenbedarfstransformators stark reduziert. Trotzdem muss dieser Kurzschlussfall genau untersucht werden. Es ist insbesondere zu überprüfen, ob ein «normaler» Mittelspannungs-Leistungsschalter im Eigenbedarfsabgang fähig ist, allfällige Fehlerströme zu unterbrechen.

Ein Kurzschluss an der Sammelschiene des Kraftwerks (Fehlerstelle d in Bild 4) ist für den Generatorschalter (GLS) wegen der dazwischenliegenden Kurzschlussimpedanz des Maschinentransformators von untergeordneter Bedeutung. Für den Hochspannungsschalter (HLS) kann dieser Kurzschlussfall jedoch kritisch werden, z.B. bei stark untererregtem Generatorbetrieb.

Nach einer Unterbrechung (Löschung) von Kurzschlussströmen treten in Leistungsschaltern über der offenen Schaltstrecke hohe Einschwingspannungen (transient recovery voltage, TRV) mit einem sehr steilen Spannungsanstieg (rate-of-rise of recovery voltage, RRRV) auf. Im Vergleich zu üblichen Schaltfällen im Netz sind bei Leistungsschaltern in Kraftwerksanlagen die Anforderungen zur Beherrschung der TRV und RRRV wesentlich erhöht, weil die Induktivitäten von Generator und Maschinentransformator zusammen mit den Erd-Kapazitäten der Hochstrom- und Hochspannungs-Verbindungen schwingungsfähige Stromkreise mit hohen Eigenfrequenzen bilden. Die Steilheit des Spannungsanstiegs (RRRV) über der Schaltstrecke nimmt mit zunehmender Amplitude des symmetrischen Kurzschlussstroms zu. Damit steigen die Anforderungen an die dielektrische Festigkeit der Schaltstrecke nach dem Ausschalten eines Fehlerstromes mit zunehmender Nennleistung des Generators an.

Die massgebenden Schalter-Beanspruchungen, die sowohl im Normalbetrieb als auch im Fehlerfall in einer spezifischen Kraftwerksanlage auftreten, können mittels Computersimulation ermittelt werden. Dabei werden in der Regel die kritischen Ein- und Ausschaltvorgänge mit Simulationsmodellen auf der Basis von Programmpaketen wie Electromagnetic Transients Program (EMTP), oder Digsilent Power Factory berechnet.

Als Beispiel werden in Bild 5 die berechneten Ausschaltströme für zwei Kurzschlussfälle für einen 100 MVA Generator dargestellt: 3-phasiger Kurzschluss zwischen Generatorschalter (GLS) und Maschinentransformator (Fehlerort  A) und 3-phasiger Kurzschluss auf der Hochspannungsseite des Maschinentransformators (Fehlerort B). In beiden Fällen tritt der Kurzschlussfehler im Nulldurchgang der Spannung an der Phase 1 auf. Der Fehlereintritt im Spannungs-Nulldurchgang ergibt im Kurzschlussstromverlauf dieser Phase den grösstmöglichen DC-Anteil. So beträgt im Fehlerfall A der Grad der Asymmetrie bei Kurzschlusseintritt zirka 100%, bezogen auf den AC-Anteil. Die Kurzschlussströme bei einem Fehler auf der Hochspannungsseite (Fehlerstelle B) fallen deutlich kleiner aus, bedingt durch die Kurzschlussimpedanz des Maschinentransformators.

Zur Beurteilung des Ausschaltvermögens eines Leistungsschalters mittels Simulation (breaking capability study) ist es essentiell, das stark nichtlineare Verhalten des Lichtbogens im untersuchten Schalter im Simulationsmodell zu berücksichtigen. Der Lichtbogen einer Schaltkammer kann in erster Näherung als nichtlinearer ohmscher Widerstand RL(i,t) modelliert werden. Dieser Lichtbogenwiderstand reduziert die Gleichstromzeitkonstante des Fehlerstromes deutlich. Damit treten die Stromnulldurchgänge nach Öffnen der Schaltstrecke (Kontakttrennung) früher auf und der Leistungsschalter kann den Fehlerstrom in der zulässigen Lichtbogenzeit (typisch 40 bis 50 ms) unterbrechen [6]

Bei drehzahlvariablen Maschinensätzen in grossen Pumpspeicherkraftwerken, die auf einer Asynchronmaschine mit elektronischem Frequenzumrichter im Rotorkreis basieren (double-fed induction machine, DFIM), können in gewissen Kurzschlussfällen Fehlerströme mit sehr hohem Grad von Asymmetrie (DC-Anteil bis zu 200%) auftreten. Diese extremen Beanspruchungen übersteigen in einigen Fällen das Ausschaltvermögen der heute verfügbaren Generatorschalter-Technologie. In einer neueren Studie zum Kurzschlussverhalten des DFIM-Konzepts sind die massgebenden Parameter und Systemeigenschaften beschrieben worden [8]:

  • Der Anfangswert der AC-Komponente des Kurzschlussstromes ist von der Grösse des Rotorflusses im Moment des Kurzschlusseintritts bestimmt. Der Rotorfluss ist wiederum von der Maschinenleistung und vom Leistungsfaktor vor Fehlereintritt abhängig. Die Frequenz der AC-Komponente ergibt sich aus dem Rotorschlupf bei Fehlereintritt.
  • Die Zeitkonstante für den Abfall der Wechselstromkomponente wird durch den Widerstand des Rotorkreises beeinflusst. Das Zuschalten eines sogenannten Crowbar-Widerstandes zum Schutz der Leistungselektronik im Fehlerfall führt zu einer schneller abklingenden AC-Komponente und hat zur Folge, dass Stromnulldurchgänge über eine längere Zeitdauer ausbleiben können.
  • Der DC-Anteil beim Kurzschlusseintritt ist nur von der Grösse des Statorflusses im Moment des Kurzschluss­eintritts abhängig. Die Zeitkonstante des DC-Anteils ist durch die Induktivitäten und den Widerstand der Statorwicklung gegeben. Die DC-Komponente ist bei gegebener Statorspannung unabhängig von der Belastung der Maschine.


Die Anforderungen an das Ausschaltvermögen eines Generatorschalters bei drehzahlvariablen Maschinen (DFIM) sind somit wesentlich höher als bei Synchronmaschinen gleicher Leistung. Die Schalter in solchen Pumpspeicherkraftwerken müssen für den extrem hohen Grad von Asymmetrie des Kurzschlussstromes ausgelegt und geprüft sein. Die verzögerten Strom-Nulldurchgänge in solchen Fehlerstromverläufen erfordern einen Schalter mit einer sehr hohen Lichtbogenspannung, um einen Nulldurchgang innerhalb der zulässigen Lichtbogenzeit herbeiführen zu können. Schliesslich muss der Generatorschalter bei drehzahlvariablen Asynchronmaschinen im Kurzschlussfall auch Fehlerströme mit von 50 Hz abweichenden Frequenzen beherrschen (typischer Bereich für Rotorschlupf ± 10%).

Für eine realistische Beurteilung der erforderlichen Schaltereigenschaften für DFIM sollten jedoch auch die im realen Fehlerfall erleichternden Bedingungen berücksichtigt werden: Ein dielektrischer Fehler tritt gewöhnlich in der Nähe des Spannungsmaximums und kaum im Spannungsnulldurchgang ein; ein Fehler ist praktisch immer mit einem Lichtbogen und deshalb mit einer nicht vernachlässigbaren Lichtbogenspannung verbunden. Im Normalfall ist ein Fehlerwiderstand vorhanden, der gleich gross oder grösser sein kann als der Statorwiderstand der Maschine.

Im Gegensatz zum DFIM-Konzept können in Pumpspeicherkraftwerken mit drehzahlvariablen Maschinensätzen, die nach dem alternativen CFSM-Konzept (Converter Fed Synchronous Machine, CFSM) unter Verwendung von Synchronmaschinen und Frequenzumrichter ausgelegt sind, normale Generatorschalter eingesetzt werden. [2] Bei der ersten Anwendung des CFSM-Konzepts im Pumpspeicherkraftwerk Grimsel 2 wird der 100-MVA-Maschinensatz mit dem Leistungsschalter auf der Hochspannungsseite des Maschinentransformators geschaltet und synchronisiert. [9]

Neue Norm für Generatorschalter

Mit der IEC 62271 steht für Hochspannungsschalter ein umfassendes Normenwerk zur Verfügung, welches jedoch vornehmlich auf Schalteranwendungen im Netz ausgerichtet ist. [10] Darin wurden bisher Anwendungen im Kraftwerksbereich explizit ausgeschlossen.

Als einzige internationale Norm für Generatorschalter stand lange nur der IEEE-Standard C37.013 zur Verfügung, der die spezifischen Anforderungen an die mechanischen und elektrischen Eigenschaften von Generator-Leistungsschaltern definiert und festlegt. [11] Basierend auf dieser Grundlage hat eine gemeinsame Arbeitsgruppe von IEC und IEEE nun einen «Dual Logo» Standard für Generatorschalter erarbeitet, der im Oktober 2015 als IEC/IEEE 62271-37-013 publiziert wurde. [12] Diese neue Norm wird künftig für die gezielte Entwicklung, die Spezifikation, die Prüfungen und für die Anwendung von Generator-Leistungsschaltern sowohl für die Herstellerindustrie als auch für die Kraftwerksbetreiber weltweit wegweisend sein.

Die IEC/IEEE 62271-37-013 gilt für alle Drehstrom-Hochspannungs-Generatorschalter mit Spannungen bis 38 kV, die zwischen dem Generator und dem Transformator installiert sind. Die Norm bezieht sich explizit auf Anwendungen in Kraftwerken mit Leistungen von 10 MVA und darüber. Generatorkreise für kleinere Leistungen sowie Anwendungen in Pumpspeicherkraftwerken werden als Spezialanwendungen betrachtet und sind nur ungenügend abgedeckt. In der neuen IEC/IEEE 62271-37-013 fehlen auch die speziellen Anforderungen und Prüfungen für Leistungsschalter bei Anwendungen mit drehzahlvariablen Maschinensätzen.

Wichtige Neuerungen in der IEC/IEEE 62271-37-013 betreffen neben spezifischen mechanischen Anforderungen (z.B. Standfestigkeit bezüglich Schalt­spielen, Erwärmung) insbesondere das Schaltvermögen der Generatorschalter bei stark asymmetrischen Fehlerströmen und das Schalten unter Asynchronbedingungen (out-of-phase conditions). Die Schalterbeanspruchungen bei netzgespeisten und generatorgespeisten Fehlerströmen und beim asynchronen Schalten sind präzise definiert und die Prüfanforderungen sind festgelegt. In der Tabelle  2 werden ausgewählte Prüfanforderungen der neuen IEC/IEEE 62271-37-013 mit der bestehenden IEC 62271-100 verglichen. Bei der elektrischen Beanspruchung des Generatorschalters spielen neben dem Bemessungs-Betriebsstrom (Erwärmung) und dem symmetrischen Bemessungs-Kurzschlussausschaltstrom vor allem die Asymmetrie der Fehlerströme (degree of asymmetry) eine zentrale Rolle (Bild 6).

In der neuen Norm werden zum Nachweis der dielektrischen Festigkeit der offenen Schaltstrecke nach der Stromunterbrechung für netzgespeiste Kurzschlüsse und beim Schalten unter Asynchronbedingungen wesentlich schärfere Prüfbedingungen hinsichtlich der Steilheit der Einschwingspannung verlangt. In einer umfassenden Simulationsstudie sind die neuen Prüfanforderungen für Generatorschalter für unterschiedliche Kraftwerks­typen (Hydro, Gas-Kombi, Thermisch, Nuklear) systematisch untersucht und bestätigt worden. [5]

Electrosuisse / ETG-Kommentar

Die Suche nach der optimalen Schaltanlage

Die Wahl der Topologie einer Schaltanlage ist immer ein Kompromiss zwischen gewünschter Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit und den Kosten (und teilweise auch, ob Komponenten mit der gewünschten technischen Performance verfügbar sind). Wie der Beitrag aufzeigt, können heute neue Schaltanlagenkonzepte mit Simulationen ausgelegt und optimiert werden. Es kann geprüft werden, ob die verfügbaren Komponenten, insbesondere die Leistungsschalter, die nötigen technischen Spezifikationen erfüllen.

Dr. Christian Franck, ausserordentlicher Professor für Hochspannungstechnik an der ETH Zürich und Electrosuisse-Vorstandsmitglied.

 

Referenzen

[1] Cigré Brochure No 483: Guidelines for the Design and Construction of AC Offshore Substations for Wind Power Plants, WG B3.26, 2011.
[2] P. Steimer, S. Aubert, S. Linder, «New Dimensions in Converter Fed Synchronous Machines (CFSM) in Pumped Storage Plants», Hydro 2013 Conference, Innsbruck, Paper 23.02.
[3] G. Cavaliere, R. Kreisel, «Pushing the Limits of Technology», ABB Review, March 2013, S. 20–23.
[4] R. Smeets, J. Jäger, N. Anger, J. Hooijmans: «Test Experience with a New Generator Circuit Breaker based on Vacuum Technology», Cired, 19th International Conference on Electricity Distribution, Vienna, 2007, Paper 0383.
[5] M. Palazzo, M. Delfanti, «New Requirements for the Application of Generator Circuit-Breaker», International Conference on Power Systems Transients, Vancouver, 2013, Paper 13IPST088.
[6] I. M. Canay, D. Braun, G. S. Koeppl, «Fehlende Stromnulldurchgänge bei Fehlsynchronisation von Generatoren», Bulletin SEV/VSE, 1/1998, S. 24–31.
[7] M. Palazzo, D. Braun, G. Cavalliere, K. Dahinden, R. Eberle, W. Kiechl, M. Lakner, «Reliablity Analysis of Generator Circuit Breaker», Cigré Main Session, Paris 2012, Paper A3-206.
[8] A. Marmolejo, M. Palazzo, M. Delfanti, «Challenges for Generator Circuit-Breakers connected with Doubly-Fed Induction Generators», IEEE Conference on Energy Conservation, CENCON 2014, IEEE Catalogue Nr. CFP14CEO-ART, S.128–133.
[9] H. Schlunegger, A. Thöni, «100  MV Full Size Converter in the Grimsel 2 Pumped Storage Plant», Hydro 2013 Conference, Paper 14a.05. 
[10] IEC 62271-1 (2001), High Voltage Switchgear and Controlgear, Part 1: Common Specifications, sowie die weiteren Teile dieser Nomenreihe IEC 62271.
[11] IEEE Std C37.013 (1997) Standard for AC High-Voltage Generator Circuit Breakers Rated on a Symmetrical Current Basis IEEE Std C37.013a (2007): Amendment 1: Supplement for Use with Generators 10-100 MVA.
[12] IEC/IEEE 62271-37-013 (2015): High Voltage Switchgear and Controlgear – Part 37-013: Alternating Current Circuit Breakers.

Autor
Dr. Thomas Aschwanden

ist beratender Ingenieur und Mitinhaber von AF Engineers + Consultants (AFEC) GmbH.

  • AF Engineers + Consultants (AFEC) GmbH
    3807 Iseltwald


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