Fachartikel Energiemarkt , Infrastruktur , Produktion

Gut gerüstet in die kalte Jahreszeit

Eine Branchen-Arbeitsgruppe hat Empfehlungen ausgearbeitet, um die Versorgungssicherheit im Winter zu gewährleisten

17.12.2016

Die Nachrichten über die angespannte Netzsituation vor einem Jahr und daraus folgende mögliche Engpässe bei der Energieversorgung überraschten viele. Swissgrid erarbeitete aus diesem Grund Massnahmen, um die angespannte Situation zu entschärfen. Um eine ähnliche Situation künftig zu vermeiden, hat Swissgrid im Rahmen einer Branchenarbeitsgruppe unter Leitung der ElCom gemeinsam mit Marktteilnehmern Empfehlungen bezüglich der Zuständigkeiten für die Versorgungssicherheit unter den aktuellen Rahmenbedingungen ausgearbeitet

Für manchen kam die Meldung von Swissgrid zur angespannten Netzsituation im Dezember des letzten Jahres überraschend. Tatsache war, dass von den am Markt gesamthaft verfügbaren 6 GW Netto-Transferkapazitäten (NTC) in Importrichtung aufgrund von Transformationsengpässen zwischen der 380- und der 220-kV-Ebene je nach Tageszeit lediglich eine Netto-Importkapazität von rund 2 bis 3 GW für Importe zur Deckung der Schweizerischen Nachfrage zur Verfügung standen. Der Stillstand von Beznau hatte eine weitere Verschärfung auf die sichere Verbrauchsdeckung zur Folge, da durch den Wegfall dieses an die 220-kV-Ebene angeschlossenen Kraftwerks weitere Bandenergie auf der 220-kV-Ebene fehlte, über die der Grossteil der Schweizerischen Nachfrage versorgt wird.

Diese fehlende Energie musste unter Umständen durch zusätzliche Produktion oder zusätzliche Importe auf der 380-kV-Ebene ersetzt werden, die ihrerseits wieder über die ohnehin schon ausgelasteten Transformatoren auf die 220-kV-Ebene transformiert werden müssten.

Gemeinsam mit der Branche sowie den benachbarten Übertragungsnetz­betreibern erarbeitete Swissgrid somit Lösungen, um die Versorgung in der Schweiz trotz der potenziell angespannten Energie- und Netzsituation sicherzustellen. Diese Massnahmen trugen zusammen mit mildem, niederschlagsreichem Winterwetter sowie der Wieder­inbetriebnahme des Blocks 2 des Kernkraftwerks Beznau dazu bei, dass sich die Lage gegen Ende des 
Winters 2015/2016 nachhaltig entspannte.

Mittelfristmassnahmen wurden ergriffen

Um eine ähnliche Situation in den folgenden Jahren zu vermeiden, hat Swissgrid im Nachgang zum Winter 2015/16 gemeinsam mit der Branche eine Reihe von Massnahmen eingeleitet und umgesetzt.

Netzseitig hat Swissgrid mit der vorzeitigen Beschaffung eines weiteren 380-/220-kV-Trafos in Beznau begonnen. Darüber hinaus wurden die technische und betriebliche Optimierung relevanter Transformatoren durch den Umbau der Längs- auf Schrägregelung sowie die Überarbeitung der Betriebsvorschriften in Angriff genommen. Während die Transformatoren im Rahmen der bisherigen Längsregelung lediglich zur Steuerung der Betriebsspannung (Blindleistung) eingesetzt werden konnten, können sie durch den Umbau auf Schrägregelung neu auch die Wirkleistung durch den Transformator innerhalb bestimmter Grenzen beeinflussen. Durch den Umbau können die Lastflüsse somit besser austariert werden, wodurch eine gleichmässigere Auslastung der Transformatoren ermöglicht wird.

Die Verteilung der Verantwortung zwischen Swissgrid und den Marktteilnehmern angesichts der aktuell bestehenden gesetzlichen beziehungsweise regulatorischen Rahmenbedingungen wurde in der Branchen-Arbeitsgruppe «Verantwortung Versorgungssicherheit Elektrizität» (AG Verantwortung) [1] geklärt. Der Fokus der Arbeitsgruppe unter der Leitung der Elcom lag dabei insbesondere auf den marktbasierten Beziehungen. Die Klärung darüber hinausgehender Verantwortlichkeiten wie zum Beispiel der Aufgaben von Swissgrid gegenüber dem Bundesamt für wirtschaftliche Landversorgung BWL stand somit nicht im Vordergrund. Komplementäre Fragestellungen wie die Zulässigkeit und Regelung von manuellen Lastabwürfen, das Zuteilungsverfahren bei nicht ausreichender Angebotsmenge in der SDL-Regelleistungsbeschaffung sowie die Verfügbarkeit von Messdaten der Bilanzgruppen wurden in anderen Arbeitsgruppen aufgegriffen.

Die wichtigsten Ergebnisse der AG Verantwortung sind auf Bild 1 dargestellt und werden im Folgenden kurz zusammengefasst. Eine ausführlichere Darstellung ist dem Abschlussbericht der Arbeitsgruppe zu entnehmen.


Die Situation in diesem Jahr: geklärte Aufgabenteilung

Die aktuellen Regelungen bezüglich der Verantwortung für Versorgungssicherheit sind über verschiedene Gesetze, Branchendokumente und Verträge verteilt. Im Rahmen der Arbeitsgruppe wurden diese Regelungen zusammengetragen und ein klares Bild erarbeitet. Dieses führte zu den nachfolgend dargestellten Schlussfolgerungen.

Darüber hinaus wurden manche der aktuellen Regelungen von Teilen der Arbeitsgruppe als problematisch empfunden und diskutiert. Beispielsweise wurde die Zumutbarkeit und Effizienz der aktuellen Regelungen im Fall unzureichender Marktliquidität hinterfragt. Darüber hinaus äusserten Marktteilnehmer einen Bedarf an langfristigen Massnahmen zur Sicherung ausreichender Investitionen. Die Marktteilnehmer wurden daher durch das BFE gebeten, entsprechende Vorschläge an das Bundesamt zu richten.

Swissgrid liefert zusätzliche Informationen zu Engpässen

Aufgrund von Engpässen bei der Transformierung zwischen der 380- und der 220-kV-Ebene steht lediglich ein Teil der Importkapazität zur Deckung der Schweizer Nachfrage zur Verfügung. Diese Tatsache ist den Marktteilnehmern aus dem letzten Winter bekannt. Es fehlten ihnen jedoch Informationen darüber, wie dieser Engpass sowie die NTC an den Schweizer Grenzen sich bei Kraftwerksausfällen oder abweichenden Lastflusssituationen verändern. Im Rahmen der AG Verantwortung  wurde daher vorgeschlagen, dass Swissgrid, ­abgesehen von der bereits in Angriff genommenen Erweiterung der Trafo-Kapazitäten, jeweils zusätzliche Informationen zu den Netzengpässen bereitstellt.

Im Zusammenhang mit dem verlängerten Ausfall des Kernkraftwerks Leibstadt hat Swissgrid daher Anfang Oktober die erste Sechsmonatsprognose für die NTC an den Schweizer Grenzen veröffentlicht [2]. Dies ermöglichte den Marktteilnehmern eine zeitnahe Einschätzung der Auswirkung des Kraftwerksausfalls auf die Übertragungskapazitäten.

Darüber hinaus wird Swissgrid in den kommenden Wochen ein Tool zur Abschätzung der Nettoimportkapazität bei verschiedenen Lastflüssen veröffentlichen. Dieses ermöglicht den Marktteilnehmern, abzuschätzen, wie sich veränderte Marktsituationen auf die Nettoimportkapazität auswirken können.

Marktteilnehmer stellen Energieverfügbarkeit sicher

Falls die Speicherseen vollständig entleert werden, könnte die verfügbare Produktionskapazität unter Umständen nicht ausreichen, um die nach Abzug der Nettoimporte verbleibende Nachfrage zu decken. Die zusätzlichen Informationen durch Swissgrid sollen den Marktteilnehmern dabei helfen, ihre Portfolio-Planung zu optimieren. Swissgrid geht davon aus, dass die Marktteilnehmer die Informationen zu den Netz­engpässen sowie die Auswirkung der Kraftwerksausfälle auf die Energiesituation bei der Bewirtschaftung ihres Stromportfolios berücksichtigen. Gemäss der AG Verantwortung müssen sie sicherstellen, dass sie ihren vertraglichen Lieferpflichten beziehungsweise im Falle der Verteilnetzbetreiber ihren gesetzlichen Grundversorgungspflichten sowie der Verpflichtung zur (bestmöglichen) Ausgeglichenheit gegenüber ihrem Bilanzgruppenverantwortlichen auch in angespannten Situationen nachkommen können.

Insbesondere wurde im Rahmen der AG Verantwortung geklärt, dass die Bilanzgruppen Swissgrid gegenüber auch dann zur bestmöglichen Ausgeglichenheit verantwortlich sind, wenn Importe der Lieferanten und Verteilnetzbetreiber in der Bilanzgruppe zur Aufrechterhaltung des stabilen Netzbetriebes am Vortag gekürzt werden müssen. Bilanzgruppenverantwortliche können diese Verantwortung innerhalb ihrer Bilanzgruppe weitergeben. Hierfür sind Regelungen in privatwirtschaftlichen Verträgen vorhanden oder erforderlich.

Fazit

Für diesen Winter ist die Branche besser vorbereitet. Die Kapazitäten der Transformierung 380/220 kV sind bekannt und die Zuständigkeiten für die Versorgungssicherheit im Rahmen der aktuellen (gesetzlichen) Regelungen geklärt. Der Fokus von Swissgrid liegt auf einem möglichst raschen Netzausbau, auf transparenter Information zu verbleibenden Netzengpässen und der Bereitstellung von Regelleistung. Als Teil einer Absicherungsstrategie hat Swissgrid im Sommer dieses Jahres entschieden, einen Teil der benötigten Regelleistung für das Frühjahr 2017 im Vorfeld zu beschaffen. Die Marktteilnehmer ihrerseits stellen die Verfügbarkeit ausreichender Energiemengen sicher. Wenn jeder seinen Teil beiträgt, startet die Branche gemeinsam gut gerüstet in den Winter.

 

Referenzen

[1]  www.swissgrid.ch, > Aktuell > News vom 29. September 2016
[2] www.swissgrid.ch, > Fachportal > Themenübersicht > Engpassmanagement > NTC-Werte

 

Autor
Christian Winzer

ist Spezialist Marktprodukte & Analysen bei Swissgrid AG.

  • Swissgrid AG
    5080 Laufenburg

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