Fachartikel Erneuerbare Energien , Integration ins Netz , Konvergenz

Energiespeicher in der Forschung

Erforschung neuer Technologien in der Schweiz

04.01.2017

Um den drohenden Klimawandel zu stoppen, muss der Ausstoss von CO2 reduziert werden. Dies wird auf Ebene der Nationalstaaten mit unterschiedlichen Ansätzen angestrebt. Wie Dänemark und Deutschland schliesst die Schweiz die Option Kernenergie aus, was den Ausbau der regenerativen Energieerzeugung bedeutet. Das Leistungsvermögen erneuerbarer Quellen – Sonne, Wind, Wasser – wird als ausreichend erachtet, um die Schweiz mit Energie versorgen zu können. Eine Speicherung der Elektrizität aus Wind und Sonne ist aber nötig, um die Produktion dem Verbrauch anzupassen.

Die Elektrizitätsproduktion aus Wind und Sonnenenergie ist naturgemäss starken zeitlichen Schwankungen unterworfen, was unabdingbar mit der Fähigkeit der Energiespeicherung verbunden ist. Dabei sind sowohl Kurzzeitspeicher für den Bereich Minuten bis Stunden, als auch saisonale Speicher von Bedeutung. Im frühen Ausbaustand der Erneuerbaren reichen Kurzzeitspeicher aus, bei steigendem Anteil erneuerbarer Energien werden saisonale Speicher wichtig. Die Analyse des Energieeinsatzes moderner Industriegesellschaften zeigt, dass die Hälfte der Primärenergie zur Wärmeerzeugung eingesetzt wird (Bild 1), wobei die Gebäudeheizung einen grossen Anteil hat.

Heute kommerziell verfügbare Energiespeicher sind Kurzzeitspeicher wie Batterien, wasserbasierte Wärmespeicher oder Pumpspeicher. Es besteht noch ein grosses Potenzial, aber auch Notwendigkeit, für Forschung und Entwicklung im Bereich der saisonalen Energiespeicher.

Das Schweizer Kompetenzzentrum für Energieforschung für Wärme- und Elektrizitätsspeicherung ist ein Zusammenschluss von 23 akademischen Gruppen, die mit ihren individuellen Kompetenzen zur Entwicklung von zukünftigen Speicherlösungen beitragen. Die Bandbreite der betrachteten Technologien umfasst die (Weiter-)Entwicklung von Batterien auf Lithium- und Natriumbasis, Erzeugung und Speicherung von Wasserstoff und niedermolekularen Kohlenwasserstoffen auf Grundlage von Wasser und Kohlendioxid. Eine separate Arbeitsgruppe entwickelt Wärmespeicher sowohl für den industriellen als auch für den häuslichen Bereich auf Basis von Speichermaterial für fühlbare Wärme, latenter Wärme und Sorptionswärme. Um das Thema ganzheitlich zu verstehen, werden die einzelnen Technologien im Zusammenspiel eines Systems von einem interdisziplinären Team betrachtet. Diese Gruppe geht den Fragen rund um Ökobilanzen, Lebensdauer, Zuverlässigkeit und Sicherheit der Speichertechnologien nach.

Der Reifegrad der betrachteten Technologien reicht von der grundlegenden Materialentwicklung bis hin zu Systemprototypen. Dementsprechend gibt es mittel-, länger- und langfristige Entwicklungsprojekte.

Elektrische Energie

Die Sekundärbatterie ist die einzige Möglichkeit, grosse Mengen an elektrischer Energie über einen nahezu beliebig langen Zeitraum zu speichern. Für die stationäre Speicherung hat sie folgende Vorteile: keine bewegten Teile, ein einstufiger und nahezu reversibler Prozess, eine gute Skalierbarkeit durch modularen Aufbau und eine einzigartige Dynamik im Ansprechverhalten. Die grössten Nachteile sind die Kosten, die Lebensdauer und die Sicherheit. Deshalb ist die Batterie als Speicher für regenerative Energien besonders als Kurzzeitspeicher (Minuten bis Stunden) geeignet. Die hohen Investitionskosten verlangen eine möglichst hohe Zyklenfrequenz, was durch Dienste wie Peakshaving und Frequenzausgleich erreicht wird.

Bei einem massiven Einsatz der Li-Ionen-Technologie als Energiespeicher auf Netzebene ist mit einem deutlichen Kostenanstieg für Batterien zu rechnen, da die Rohstoffpreise für Lithium und Kupfer (Elektroden-Kontaktschicht) wegen der dadurch steigenden Nachfrage die Volumeneffekte der Massenfertigung auf die Preisentwicklung überkompensieren werden.

Neben der Verbesserung heutiger Li-Ionen-Systeme durch gezielte (Nano-) Strukturierung der Elektroden ist die Entwicklung von Natrium-Ionen-Zellen mit den Eigenschaften heutiger Li-Ionen-Zellen ein längerfristiges Ziel, denn stationäre Anwendungen könnten dadurch kostengünstiger werden. Aber die Materialien für Anode, Kathode und Elektrolyt können nicht direkt von der Lithium-Ionen-Zelle übernommen werden, sondern es müssen neue gefunden werden. Im letzten Jahr konnten erste Erfolge mit einer Vollzelle, ausgestattet mit einer Natrium-Vanadium-Kathode und einer Cobalt-Zinn-Anode, erzielt werden.

Thermische Energie

Wie Batterien kommen Wärmespeicher ohne nachgelagerten Umformungsschritt der gespeicherten Energieform in die genutzte Energieform aus, was aus Effizienzgründen vorteilhaft ist. Derzeit werden Wärmespeicher in der Industrie dafür eingesetzt, den Gesamtwirkungsgrad von Systemen durch Optimierung der Wärmeflüsse zu steigern. Im häuslichen Bereich dienen Wärmespeicher zur Einbindung thermischer Sonnenkollektoren in den Brauch- und Heizwasserkreis. Häufig werden dabei isolierte Wassertanks genutzt, die für Speicherzeiten von Stunden bis hin zur saisonalen Speicherung ausgelegt sein können. Diese Speicher sind einfach und kostengünstig, haben aber eine geringe Speicherdichte und einen kleinen Temperaturbereich, der durch die Dampfdruckkurve des Wassers nach oben und durch den Gefrierpunkt nach unten hin beschränkt ist. Dies eignet sich für industrielle Prozesse nur bedingt. Als Alternativen kommen mineralische Speichermaterialien in Betracht, die für Temperaturen von 500°C bis 1000°C geeignet sind. Muss das Speichermedium transportiert werden, kommen Salzschmelzen zum Einsatz.

Neben der Wärmespeicherung in Form von fühlbarer Wärme (die Temperatur des Speichermediums verändert sich bei Wärmeübergang wie bei einem Wasserbad) gibt es auch die latente Wärme (das Speichermedium behält die Temperatur bei, obwohl Wärme ausgetauscht wird, wie bei schmelzendem Eis). Eine Besonderheit, die in diesem Kompetenzzentrum betrachtet wird, ist die Kombination der fühlbaren mit den latenten Wärmespeichern. Dadurch wird das Beste aus beiden Systemen kombiniert. Die geringen Kosten des Speichermediums für fühlbare Wärme zusammen mit dem temperaturkonstanten Wärmeübergang der latenten Wärmespeicher ermöglichen eine ökonomisch interessante Lösung. Besonders für die Entwicklung von Latentwärmespeichern für hohe Temperaturen (1000°C) bedarf es einer intensiven Materialentwickung, was eine Spezialität innerhalb des ­SCCER ist.

Chemische Energie

Die ökonomische Herstellung und Speicherung von Wasserstoff ist eine Herausforderung, die eng mit der Energiewende verbunden ist. Attraktiv ist Wasserstoff aufgrund seiner vielseitigen Herstellungs- und Verwendungsmöglichkeit. Im Kontext der Emanzipation von fossilen Energieträgern stellt der Wasserstoff einen wichtigen Rohstoff dar, denn er ist die Grundlage, um aus Kohlendioxid flüssige oder gasförmige Treibstoffe zu machen, die den heutigen Kraftstoffen sehr ähnlich sind und in Verbrennungsmaschinen ohne technische Veränderungen eingesetzt oder unbegrenzt (saisonal) gelagert werden können. Es ist attraktiv, ungenutzte regenerativ erzeugte Elektrizität zur Erzeugung von Wasserstoff einzusetzen, da die Rohstoffe Wasser und Strom in diesem Fall nahezu kostenlos sind.

Heute wird Wasserstoff meist durch thermochemische Prozesse aus den preisgünstigen fossilen Rohstoffen Öl und Erdgas hergestellt. Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Elektrolyse heute wegen den teuren Elektrolyseanlagen unbedeutend.

Innerhalb des SCCER wird nach edelmetallfreien Katalysatoren für die Wasserstofferzeugung gesucht, sowohl für die klassische Elektrolyse als auch für die direkte Wasserstofferzeugung aus Licht. Die langfristige Vision sind Sonnenkollektoren, die nicht Wärme oder Strom, sondern Wasserstoff mittels Photoelek­trolyse herstellen. Als vielversprechend haben sich Molybdänsulfid-basierte Katalysatoren herausgestellt, die nun zu technisch nutzbaren Dünnschichtfilmen verarbeitet werden müssen, ohne ihre herausragenden Eigenschaften zu verlieren. Dies ist eine der derzeit grössten Herausforderungen auf dem Weg zu einem technisch nutzbaren System.

Neben der Erzeugung ist auch die Speicherung des Wasserstoffs ein Feld mit grossem Entwicklungspotenzial, denn die gravimetrische Energiedichte ist sehr hoch (33,3 kWh/g) und dreimal grösser als die des Benzins, andererseits ist die volumetrische Energiedichte gering und abhängig von der Form der Speicherung (gasförmig, 200 bar: 0,53 kWh/l) und damit fünfmal geringer als Erdgas unter gleichen Bedingungen. Flüssig gespeichert liegt die volumetrische Energiedichte noch immer bei einem Faktor drei unter der von Benzin. Es wird angestrebt, den Wasserstoff unter milden Bedingungen mit möglichst gros­ser Dichte zu speichern. Hierzu bieten sich niedermolekulare organische Verbindungen wie Formaldehyd oder Ameisensäure an, die über katalytische Prozesse aus Kohlendioxid und Wasserstoff leicht herzustellen, aber auch wieder leicht zersetzt werden können und flüssig sind. Im Rahmen des ­SCCER werden Katalysatorsysteme entwickelt, die diese Verbindungen reversibel erzeugen und abbauen können.

Einen Schritt weiter geht die Synthese der bereits erwähnten Kohlenwasserstoffe aus CO2, Wasser und (elektrischer) Energie. Derzeit wird dieser Ansatz in Methanisierungsanlagen im Pilotmassstab eingesetzt. Der Prozess basiert auf der Sabatier-Reaktion und ist auf die Verfügbarkeit von Wasserstoff angewiesen, der meist mittels Elektrolyse erzeugt wird. Bei Temperaturen bis zu 400°C mit Hilfe von Katalysatoren auf Basis von Metall(-oxiden) wird Methan erzeugt. [1] Die visionäre Weiterentwicklung dieser Idee ist es, direkt aus Wasser und Kohlendioxid Kohlenwasserstoffe (und nicht nur Methan) zu gewinnen. Die hierzu innerhalb des Kompetenzzentrums untersuchten Ansätze umfassen die Metall-organische Katalyse zur CO2-Reduktion sowie die direkte elektrochemische Umsetzung von CO2 und Wasser zu Methan, Ethen, ­Methanol und anderem (Bild 2). Der Vorteil des ersten Ansatzes liegt in der Möglichkeit, hochselektive Katalysatoren unter milden Prozessbedingungen einsetzen zu können, was sich positiv auf die Kosten und die Anlagengrösse auswirkt. Die direkte elektrochemische Reduktion von CO2 ist von der technischen Anwendung noch weiter entfernt, jedoch konnte die Machbarkeit nachgewiesen werden. Nun wird die Selektivität und Haltbarkeit der Elektroden optimiert. Langfristig sollte es damit möglich sein, Grundchemikalien der organisch-chemischen Industrie aus überschüssiger Elektrizität zu gewinnen.

Systembetrachtung

All diese Technologien entfalten ihren Wert erst, wenn sie in einem System zusammenwirken. Deshalb ist es nötig, theo­retische und praktische Systemanalysen bezüglich ökonomischen, gesellschaftlichen und umweltrelevanten Aspekten durchzuführen. Ein konkretes Beispiel dafür ist die Energy System Integration (ESI) Platform am Paul Scherrer Institut (Bild 3).

Die in dieser Arbeitsgruppe betrachteten Fragen umfassen Sicherheitsanalysen, Fertigungsprozesse, insbesondere für Batterien, sowie das Studium von Geschäftsmodellen, die sich aus der Energiewende ergeben. Es ist schon heute klar, dass es Veränderungen geben wird, denn die traditionellen Strukturen von zentraler Elektrizitätserzeugung geraten unter Druck. Das klassische Geschäftsmodell der Pumpspeicher hat aufgehört zu existieren, der Betrieb grosser unflexibler Anlagen hat an Rentabilität eingebüsst. Gleichzeitig existieren juristisch europaweit grosse Lücken, denn das Thema und der Begriff «Energiespeicher» sind in der Gesetzgebung nicht definiert.

Solange es nicht klar ist, ob der Betrieb eines Speichers den Verbrauchern oder den Erzeugern zuzuordnen und tariflich entsprechend zu behandeln ist, ist es unmöglich, belastbare Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die Rechtssicherheit ist unerlässlich, um Investitionen der privaten Wirtschaft im Bereich Forschung und Entwicklung von Energiespeichern zu rechtfertigen. Um in 15 Jahren erneuerbare Energie speichern zu können, ist es dringend notwendig, mit der Entwicklung jetzt zu beginnen. Ideen und Methoden sind in der Forschungslandschaft vorhanden, jedoch könnte der Wille zur Umsetzung grösser sein. Wenn der Gesetzgeber die Definitionslücken schliesst, würden auch die notwendigen Investitionen folgen.

Referenz

[1] S. Rönsch et al., «Global reaction kinetics of CO and CO2 methanation for dynamic process modeling», Chemical Engineering & Technology, 12, 2015.

Autor
Dr. Jörg Roth

ist Koordinator SCCER Heat & Storage.

  • Paul Scherrer Institut
    5232 Villigen
Autor
Prof. Dr. Thomas J. Schmidt

ist Leiter SCCER Heat & Storage.

  • Paul Scherrer Institut
    5232 Villigen

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