Akzeptanz von erneuerbaren Energien
Erfolgsfaktoren für Infrastrukturprojekte
Die Energiestrategie 2050 des Bundesrats erfordert einen deutlichen Ausbau der Produktion erneuerbarer Energie. Die Akzeptanz entsprechender Technologien ist unerlässlich, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Was aber ist unter «Akzeptanz» zu verstehen und welchen Aspekten dieses Phänomens ist im Hinblick auf die Ausgestaltung des Energiesystems besondere Beachtung zu schenken?
Die Schweiz befindet sich auf dem Weg in eine herausfordernde Energiezukunft. Um den damit verbundenen Veränderungen zu begegnen, hat der Bundesrat die Energiestrategie 2050 erarbeitet. Sie bietet unter anderem die rechtliche Grundlage für die Massnahmen zur Förderung von erneuerbaren Energien. Um die in der Energiestrategie formulierten Ziele zu erreichen, gilt es nun, für die Energiepolitik und die Energiewirtschaft Wege zu finden, wie auf gesellschaftspolitischer und lokaler Ebene mehrheitsfähige Ansätze gefunden werden und wie Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien am Markt bestehen können. In diesem Zusammenhang spielt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Akzeptanz von erneuerbaren Energien eine wichtige Rolle. Es ist zwar kaum bestritten, dass Akzeptanz ein entscheidender Faktor für den Erfolg oder Misserfolg von Infrastrukturprojekten im Bereich der erneuerbaren Energien ist. Doch was verstehen wir unter Akzeptanz und welche Aspekte dieses Phänomens sind für die schweizerische Energiezukunft von besonderer Bedeutung? Diesen Fragen wird im vorliegenden Artikel nachgegangen.
Allgemein positive Einstellung und lokaler Widerstand
Der Ausbau der erneuerbaren Energien und damit die Frage nach deren Akzeptanz werden aktuell vielfältig thematisiert und diskutiert. Ausgangspunkt ist oft ein vermeintlicher Widerspruch: So steht die Schweizer Bevölkerung dem Ausbau der erneuerbaren Energien grundsätzlich positiv gegenüber. Dies bedeutet aber nicht, dass die Akzeptanz für konkrete Anlagen zur Produktion von erneuerbarer Energie auf lokaler Ebene regelmässig hoch ausfällt. Vielmehr sehen sich spezifische Projekte zum Bau von Wasserkraftwerken oder Windanlagen oft mit einer starken Opposition konfrontiert. Einige wurden deshalb sogar bereits gestoppt. In der Forschung wird dieser Widerspruch zwischen der allgemein hohen Akzeptanz von Technologien zur erneuerbaren Energiegewinnung und der deutlich geringeren Akzeptanz von konkreten Infrastrukturprojekten vor Ort häufig diskutiert.[1]
Die Forschung versuchte, diese Diskrepanz in früheren Jahren oft mit der Nimby-Metapher zu erklären. Nimby bedeutet so viel wie «Not In My Back Yard» (Nicht in meinem Hinterhof) und besagt, dass Bürgerinnen und Bürger Infrastrukturprojekte häufig nur dann befürworten, wenn diese nicht im eigenen unmittelbaren Umfeld gebaut werden. In der wissenschaftlichen Gemeinschaft herrscht heute aber ein breiter Konsens darüber, dass der Nimby-Erklärungsansatz zu kurz greift. Es gibt nämlich durchaus Infrastrukturprojekte, welche auf Zustimmung bei der regionalen Bevölkerung gestossen sind. Um zu erklären, warum die einen Infrastrukturprojekte erfolgreich realisiert werden, während andere scheitern, braucht es somit einen Ansatz, der differenzierter auf das komplexe Zusammenspiel zwischen ökonomischen, politischen und psychologischen Einflussfaktoren eingeht.[1, 2]
Das Konzept der sozialen Akzeptanz
Die einschlägige Literatur setzt sich seit Jahren mit dem Konzept der Akzeptanz in Gesellschaft und Politik auseinander. Akzeptanz wird gar als Wesensmerkmal der schweizerischen Politik verstanden.[3] Im Bereich der erneuerbaren Energien entwickelten Forschende um Professor Rolf Wüstenhagen das Konzept der sozialen Akzeptanz.[4] Danach sind es die drei Dimensionen sozio-politische Akzeptanz, lokale öffentliche Akzeptanz und Marktakzeptanz, welche die Akzeptanz gegenüber Projekten zur Realisierung von erneuerbaren Energieanlagen beeinflussen.
Die Dimension der sozio-politischen Akzeptanz betrifft die generelle Zustimmung von politischen Entscheidungsträgern, wichtigen Stakeholdern und der Bevölkerung sowohl zu Gesetzesvorschlägen (z.B. Lenkungsabgabe, kantonale und kommunale Richt- und Nutzungsplanung, Gebäudevorschriften) wie auch zu neuen Technologien (z.B. Windenergie, Geothermie). Die sozio-politische Akzeptanz ist damit die allgemeinste und breiteste Dimension der Akzeptanz.
Die zweite Dimension ist jene der lokalen öffentlichen Akzeptanz. Sie spricht die Zustimmung der lokalen Bevölkerung, der lokalen Stakeholder sowie der lokalen Behörden zu konkreten Standortentscheidungen und Infrastrukturprojekten an (z.B. Kleinwasserkraftwerke, Ausbau von Stauseen). Auf dieser Ebene spielen insbesondere Faktoren wie die wahrgenommene Verfahrensgerechtigkeit (fairer Entscheidungsprozess, frühzeitiger Einbezug der lokalen Bevölkerung), die gesellschaftliche Verteilungsgerechtigkeit (faire Kosten-Nutzen-Verteilung) sowie das Vertrauen der Bevölkerung (in prozessführende Behörden und Akteure) eine wichtige Rolle.
Die dritte Dimension ist jene der Marktakzeptanz. Sie beschäftigt sich damit, wie der Markt die Innovationen aufnimmt (z.B. Adsorptionswärmepumpen). Es geht um Mechanismen, welche die Diffusion von Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien auf dem Markt beschleunigen respektive hemmen können. Entscheidend sind einerseits Konsumentinnen und Konsumenten, welche eine Technologie als solche annehmen und zahlungsbereit sein müssen, und andererseits Investorinnen und Investoren, welche deren Nutzung fördern wollen. Weitere wichtige Akteure, die zur Marktakzeptanz beitragen, sind Energieversorgungsunternehmen, Stromnetzbetreiber, Finanzinstitute und Industrieunternehmungen.
Wovon hängt die lokale Akzeptanz ab?
Unterschiedliche Studien haben gezeigt, dass die sozio-politische Akzeptanz von Technologien zur erneuerbaren Energiegewinnung allgemein hoch ist.[5] Die Unterstützung von konkreten Infrastrukturprojekten vor Ort, und damit die lokale öffentliche Akzeptanz, fällt hingegen häufig tiefer aus. Um das Spannungsfeld zwischen der generellen Akzeptanz erneuerbarer Energien und dem Scheitern vieler lokaler Projekte zum Bau von erneuerbaren Energieanlagen aufgrund fehlender oder mangelnder Akzeptanz zu erforschen, haben Studierende der Universität Luzern zwei konkrete Kleinwasserkraftprojekte genauer untersucht. Die Frage war, welche Faktoren sich fördernd respektive hemmend auf die Realisierung der konkreten Projekte auswirkten.
Methodik und betrachtete Projekte
Im Rahmen der Untersuchung wurden ein realisiertes Kleinwasserkraftprojekt in der Gemeinde Grafschaft (VS) und ein nicht realisiertes Kleinwasserkraftprojekt in der Gemeinde Grindelwald (BE) näher betrachtet. In beiden Fällen wurden neben einer Literatur- und Presserecherche mehrere Interviews mit involvierten Personen geführt, um einzelne Faktoren herauszuarbeiten, die für den Erfolg respektive den Misserfolg der betrachteten Projekte verantwortlich waren.
Zwei Projekte
Gemeinde Grafschaft (VS)
2008 wurde das Konzessionsgesuch zum Bau eines Laufwasserkraftwerks am Walibach in der Gemeinde Grafschaft eingereicht. Projektiert wurde eine Anlage mit einer installierten Gesamtleistung von 3,5 MW und einer Jahresproduktion von rund 13 GWh. Das Projekt stiess anfänglich auf Kritik. Man konnte sich aber einigen und das Kraftwerk konnte 2014 in Betrieb genommen werden.
Gemeinde Grindelwald (BE)
In der Gemeinde Grindelwald haben das Elektrizitätswerk Grindelwald und die Projektgruppe Sol-E Suisse AG 2007 eine Sondierung vorgenommen, um dessen Eignung für Kleinwasserkraft zu prüfen. Daraufhin wurde eine Anlage mit einer installierten Leistung von 0,85 MW und einer Jahresproduktion von rund 3 GWh projektiert. Schon früh war das Projekt lokalem Widerstand von Seiten der Wirtschaft und des Tourismus ausgesetzt. 2010 wurde das Projekt aufgrund zu starken Widerstands sistiert.
Es versteht sich von selbst, dass auf der Basis eines Vergleichs von lediglich zwei Fällen keine allgemeingültigen Aussagen gemacht werden können. Dennoch ist es spannend festzustellen, dass sich aus den zwei Fällen vier Faktoren herauskristallisieren lassen, welche die lokale öffentliche Akzeptanz positiv respektive negativ beeinflussten:
Beteiligungsverhältnisse: Ist eine Gemeinde selbst an einem Infrastrukturprojekt beteiligt, so ist die lokale Bevölkerung dem Projekt gegenüber positiver eingestellt. Die lokale öffentliche Akzeptanz fällt entsprechend höher aus. Dies kann damit zusammenhängen, dass die Bevölkerung das Kosten-Nutzen-Verhältnis positiver einschätzt, wenn sie an einem Projekt beteiligt ist oder sich daran beteiligen kann.
Information und Kommunikation: In den betrachteten Fällen hat sich gezeigt, dass ein frühzeitiger Einbezug der lokalen Bevölkerung eine wichtige Bedingung für das Zustandekommen eines Projekts ist. So hat es sich bewährt, dass die Betreiber und die Gemeinden den Dialog mit der lokalen Bevölkerung aktiv gesucht haben. Wichtig war auch, dass bereits im Projektentwicklungs- und Planungsstadium (z.B. mittels Offenlegung von Rentabilitätsberechnungen) offen und transparent kommuniziert wurde. Lokale öffentliche Akzeptanz hängt massgeblich mit der Kommunikationspolitik der Investoren zusammen.
Relevanz von Promotoren mit lokaler Verankerung: Das Engagement eines oder mehrerer Promotoren mit lokaler Verankerung (z.B. der Gemeindepräsidentin oder desGemeindepräsidenten) kann den Fortgang eines Projekts stark fördern – oder es auch zu Fall bringen. Ein Promotor beziehungsweise eine Promotorin kann das Vertrauen der Bevölkerung in die prozessführenden Behörden und Akteure massgeblich beeinflussen. Dieses wiederum ist ausschlaggebend für die lokale öffentliche Akzeptanz.
Standortwahl: Selbstverständlich ist für die Realisierung von Infrastrukturprojekten im Bereich der erneuerbaren Energien und damit für die lokale öffentliche Akzeptanz auch die Standortwahl von grosser Bedeutung. So hat sich in einem der untersuchten Projekte gezeigt, dass die touristische Relevanz eines Wasserfalls aktiven Widerstand gegen ein Projekt hervorrufen und ein Projekt in der Folge zu Fall bringen kann. Auf der anderen Seite zeigt sich am Beispiel der Windenergie im Jura, dass das positive Image erneuerbarer Energien auch als Argument zur Steigerung der touristischen Attraktivität einer Region genutzt werden kann.
Akzeptanz als Herausforderung und Chance
Für die zukünftige Ausgestaltung der Schweizer Energiepolitik ist die lokale öffentliche Akzeptanz von zentraler Bedeutung. In der Regel lassen sich entsprechende Projekte nur realisieren, wenn die lokale Bevölkerung einem konkreten Standort zustimmt. Die verfügbaren Forschungsergebnisse machen deutlich, dass Beteiligungsverhältnisse mit lokaler Verankerung, ein aktiver und früher Einbezug der lokalen Bevölkerung in den Planungsprozess sowie eine umfassende transparente Kommunikation massgeblich zur lokalen öffentlichen Akzeptanz beitragen, diese aber nicht garantieren. Vor diesem Hintergrund stellen sich zwei Fragen, welche bisher nicht abschliessend geklärt werden konnten:
Erstens bleibt offen, wie mit der «schweigenden Mehrheit» umgegangen werden soll, also mit denjenigen, die sich öffentlich weder positiv noch negativ äussern.[6] Soll dieser Teil der lokalen Bevölkerung aktiviert werden, um eine spätere Opposition zu minimieren, oder soll in klassischer direktdemokratischer Tradition ausschliesslich mit den politisch Aktiven zusammengearbeitet werden?
Zweitens ist zu klären, ob es bei der Ausscheidung von geeigneten Standorten nicht zweckmässig wäre, von Beginn weg auch das Potenzial lokaler Interessengruppen einzubeziehen. Damit sind nicht nur Gruppen gemeint, von welchen Widerstand zu erwarten ist. Angesprochen sind auch mögliche Partner aus Tourismus und anderen Wirtschaftskreisen, welche die Realisierung eines Projekts unterstützen können. Es stellt sich zudem die Frage, ob es nicht erfolgversprechend wäre, im Rahmen kantonaler oder kommunaler Richtplanungen oder bei der Entwicklung von Schutz- und Nutzungsstrategien zu Beginn des Prozesses nicht wie bisher in erster Linie technische Aspekte (z.B. Gefälle, Ausbau- und Restwassermenge usw.) zu berücksichtigen, sondern auch Akzeptanzüberlegungen anzustellen.
Die offenen Fragen machen deutlich, dass die Realisierung der Energiestrategie 2050 nicht nur von der Beantwortung technischer, sondern auch von gesellschaftlichen Fragen abhängen wird. Etliche Projekte der Nationalen Forschungsprogramme 70 «Energiewende» und 71 «Steuerung des Energieverbrauchs» beschäftigen sich daher unter anderem mit der Akzeptanz von erneuerbaren Energien.
Auch wenn die Akzeptanz auf lokaler Ebene oft ein Hindernis bei der Realisierung von Infrastrukturvorhaben darstellt, so lässt sich insgesamt doch feststellen, dass es Wege gibt, dieses Hindernis zu überwinden: Denn die lokale Bevölkerung ist – entgegen der Annahme des Nimby-Phänomens – nicht grundsätzlich gegen den Bau von Anlagen zur Produktion von erneuerbarer Energie im eigenen unmittelbaren Umfeld eingestellt. Es bewährt sich aber, wenn im konkreten Fall frühzeitig Akzeptanzüberlegungen angestellt, lokale Partner integriert und die Bevölkerung angemessen in den Prozess einbezogen werden. Der verstärkte Fokus auf sozialwissenschaftliche Fragen – insbesondere in der Planungsphase – ist eine Chance für die Realisierung von Infrastrukturprojekten und damit für die schweizerische Energiezukunft!
Referenzen
[1] Maarten Wolsink, «Undesired reinforcement of harmful ‘self-evident truths’ concerning the implementation of wind power», Energy Policy 48, 2012, S. 83–87.
[2] Patrick Devine-Wright, «Rethinking Nimbyism: The role of place attachment and place identity in explaining place-protective action», Journal of Community and Applied Social Psychology 19(6), 2009, S. 426–441.
[3] Fritz Sager, Karin Ingold und Andreas Balthasar, Policy-Analyse in der Schweiz. Besonderheiten, Theorien, Beispiele, NZZ-Verlag, 2017.
[4] Rolf Wüstenhagen, Maarten Wolsink und Mary Jean Bürer, «Social acceptance of renewable energy innovation: An introduction to the concept», Energy Policy 35(5), 2007, S. 2683–2691.
[5] Stiftung Risiko-Dialog, Die Stromzukunft der Schweiz: Erwartungen der Bevölkerung und Präferenzen bei Zielkonflikten. Ergebnisse einer repräsentativen Online-Befragung, 2015.
[6] Petra Schweizer-Ries, Irina Rau und Jan Zoellner, Aktivität und Teilhabe – Akzeptanz erneuerbarer Energien durch Beteiligung steigern, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, 2010.
Die Autoren bedanken sich bei Silvan Andraschko, Martin Jehli, Oliver Schaltegger und Silvio Wobmann für ihr Engagement und ihre Arbeit im Rahmen des Seminars Energiepolitik an der Universität Luzern.
Kommentare