Windkraft global und lokal
Walliser Windpark schlägt europäischen Höhenrekord
Alljährlich feiert die Stromerzeugung mit Windkraft zahlreiche Rekorde: bezüglich der installierten Leistung, der Wachstumsrate in gewissen Ländern und dem maximalen Rotordurchmesser, der nun stattliche 180 m beträgt. In keiner dieser Kategorien spielt die Schweiz eine signifikante Rolle. Aber auf dem Griespass im Wallis kann sie trotzdem einen Rekord vorweisen: Der europaweit höchstgelegene Windpark wurde kürzlich in Betrieb genommen.
Die Nutzung der Windkraft zur Stromerzeugung wächst. Die entsprechenden Zahlen sind eindrücklich: Im letzten Jahr wurden gemäss dem Welt-Windenergie-Verband WWEA Windanlagen mit einer Leistung von über 63 GW installiert. Insgesamt waren über 366 GW am Netz. Dies entspricht einem Wachstum von 17,2%. Prozentual war der Zubau in Brasilien mit 46% am Grössten, in absoluten Zahlen belegt China mit knapp 33 GW in 2015 installierter Leistung den klaren Spitzenplatz.
Auch die finanzielle Seite dieses Ausbaus ist eindrücklich: Laut dem Europäischen Windenergie-Verband Wind Europe wurden im für Europa wichtigen Offshore-Bereich alleine im ersten Halbjahr 2016 Investitionen von 14 Milliarden Euro zugesagt. Sieben neue Projekte haben in diesem Jahr die Zusage für Investitionen erhalten, was einer installierten Leistung von 3,7 GW entspricht. Fast drei Viertel dieser Investitionen beziehen sich auf das Vereinigte Königreich. In Europa sind nun 11,5 GW im Meer installiert, in 82 Windparks auf elf Länder verteilt.
Um diesen Windkraftausbau möglichst wirtschaftlich durchführen zu können, wurden auch die Windturbinen grösser, denn der Ertrag steigt quadratisch zum Rotordurchmesser. Die aktuell grösste Windkraftanlage mit Getriebe ist die Vestas V164 mit einer Gesamthöhe von 220 m und einem Rotordurchmesser von 164 m. Diese 8-MW-Turbine ist für den Offshore-Einsatz konzipiert. Die aktuell grösste direktangetriebene Anlage – auch für Offshore-Anwendungen – ist die Siemens SWT-8.0-154, eine 8-MW-Anlage. Den Rekord bei der grössten Turbine hält die Adwen AD-180 mit 180 m Rotordurchmesser.[1]
Die Kleinwindkraft spielt in diesem Kontext zahlenmässig eine marginale Rolle. Ihr Anteil beschränkt sich auf rund 2‰ der weltweit installierten Windkraft. Ende 2014 betrug die registrierte Nennleistung der global installierten Kleinwindkraftwerke 830 MW. Das Wachstum war aber auch hier beträchtlich: 10,9% im Jahr 2014.[2, 3]
Schweizer Situation
Heute, nach Abschluss der Installation der drei neuen Anlagen auf dem Griespass, sind in der Schweiz 37 Gross-Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 67 MW installiert. Insgesamt betrug gemäss Suisse Eole die Jahresproduktion 2015 103 GW h, also weniger als 2 ‰ des Schweizer Gesamtstromverbrauchs.
Im grössten Schweizer Windpark auf dem Mont Crosin und dem Mont Soleil wurden in den letzten Wochen die Arbeiten an vier neuen Turbinen des Typs Vestas V112 abgeschlossen, die ältere Modelle ersetzen. Statt je 2 MW liefern sie nun je 3,3 MW und sind somit die leistungsstärksten in der Schweiz. Sie steigern künftig die jährliche Produktion von 50 auf 70 GW h. Der Windpark wird von der Gesellschaft Juvent SA betrieben, an der die BKW zu 60% beteiligt ist.
Windkraft in den Alpen
In den alpinen Regionen findet man diverse Windparks. Ende 2015 waren von den österreichischen 1119 Windenergieanlagen (insgesamt 2,4 GW ) rund 80 alpine Anlagen am Netz. 2014 war mit einem Windkraftzubau von 411 MW das bisher stärkste Ausbaujahr Österreichs.
In der Steiermark werden hauptsächlich alpine Höhenlagen genutzt, in Niederösterreich und dem Burgenland, dem Schwerpunkt der österreichischen Windenergienutzung, werden hingegen primär die Ebenen ausgebaut. In Oberösterreich sind Installationen in Höhen über 1600 m grundsätzlich nicht gestattet.
In Oberzeiring (Steiermark) wurde 2002 Österreichs bisher höchster Windpark auf 1900 m ü. M. errichtet. Er umfasst derzeit 13 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 23 MW.
Höchstgelegener Windpark Europas
Auf dem Griespass im Obergoms wurde im Sommer 2016 beim gleichnamigen Stausee aus dem Jahr 1965 auf rund 2500 m ü. M. der europaweit höchstgelegene Windpark gebaut. Man entschied sich für diesen Standort, weil hier der elektrische Anschluss bereits vorhanden war, der die Leistung der Francisturbine von 9,5 MW ins Tal bringt.
Seit 2011 ist dort eine 2,3-MW-Pilotanlage installiert, die ihren Dienst zuverlässig leistet – und besonders im Winter Energie liefert, wenn die Luft wegen den tiefen Temperaturen dichter ist und die Wasserkraft weniger produziert. Rotorblattheizungen, die sowohl vom Netz als auch durch Eigenenergieversorgung gespeist werden können, sorgen für enteiste Turbinen und optimale Produktionsbedingungen. Nun wurden drei weitere Windanlagen der gleichen Leistungsklasse des Herstellers Enercon hinzugefügt, die aber einen Rotordurchmesser von 92 m statt der 70 m der Pilotanlage haben. Die Erfahrungen mit der Pilot-anlage haben gezeigt, dass ein grösserer Rotor auf dem Griespass problemlos betrieben werden kann und einen deutlich höheren Ertrag bringt.
Ursprünglich war man bezüglich Rotordurchmesser zurückhaltend, weil man von ähnlichen Voraussetzungen wie auf dem Gütsch bei Andermatt ausging, später aber feststellte, dass die Spitzen-Windgeschwindigkeiten des Gütsch auf dem Griespass bei Weitem nicht erreicht werden.
Im Gegensatz zur Pilotanlage, deren Turm aus Betonelementen besteht, weisen die neuen Windenergieanlagen einen Stahlturm auf. Stahlelemente ermöglichen einen raschen Aufbau (Verschraubung) und sind bei einem späteren Abbau wiederverwertbar. Der Aufbau jeder neuen Anlage auf dem Griespass dauerte rund eine Woche.
Wie auf dem Gütsch werden auf dem Griespass getriebelose Ringgeneratoren eingesetzt. Im Gegensatz zu den Gütsch-Anlagen, die geringere Leistungen (1 x 600 kW und 3 x 900 kW) aufweisen, liefern die Gries-Anlagen bei Windgeschwindigkeiten zwischen 14 und 25 m/s ihre Nennleistung von je 2,35 MW.
Eine Besonderheit der elektrischen Infrastruktur auf dem Gries ist der 20-MVA-Transformator, der die Wasser- und Windkraft ins 65-kV-Mittelspannungsnetz einspeist. Er verfügt über einen 5-kV-Anschluss für die Wasserkraft und einen 20-kV-Anschluss für die vier Windanlagen. Da der Installationsort, die Kaverne des früheren 10-MVA-Transformators, vorgegeben war, musste der Transformator kompakt gebaut werden – doppelte Leistung bei ähnlichem Platzbedarf. Obwohl er deutlich effizienter ist als sein Vorgänger, ist nun eine Kühlung mit Wasser aus dem Griessee erforderlich. Eine Luftkühlung war unter diesen Platzverhältnissen nicht mehr möglich.
Ein beschwerlicher Weg
Der Weg zur Inbetriebnahme des Windparks war anspruchsvoll und zäh: bereits am 15. Oktober 2007 beschloss der Gemeinderat von Ulrichen, eine Absichtserklärung zum Windpark zu unterzeichnen. Vier Monate später stimmte die Ur- und Burgerversammlung dem Betrieb des Windparks zu. 2012 beschloss die Urversammlung die nötige Anpassung des Baureglements und genehmigte den Detailnutzungsplan. Die Homologation des Reglements und des Plans erfolgte Ende 2013 durch den Staatsrat des Kantons Wallis. Am 2. Mai 2014 erfolgte die öffentliche Auflage des Baugesuchs für die drei zusätzlichen Windanlagen.
Am 11. November 2014 verständigten sich der Entwickler SwissWinds Development GmbH und der WWF Oberwallis auf zusätzliche Massnahmen zum Schutz von Fledermäusen und Vögeln. Dabei werden im Frühling und im Herbst die Anlagen unter gewissen Verhältnissen in der Nacht abgestellt, um besonders die geschützte Bulldog-Fledermaus, die dann diese Gegend überquert, nicht zu gefährden. Zugvögel hat es auf dem Griespass kaum, es kommen ab und zu Schneehühner vor. Für eine Testperiode von drei Jahren werden nun Mikrofone an den Windanlagen installiert, um vorbeifliegende Fledermausarten zu erfassen. Nebst den technischen Massnahmen unterstützt der Betreiber, die Gries Wind AG, auch einen Fond zur Sanierung von Strommasten, die Zugvögel gefährden.
Vorbereitende Infrastrukturarbeiten wie das Errichten der Fundamente wurden bereits 2015 durchgeführt, damit der durch die klimatischen Verhältnisse auf dieser Höhenlage vorgegebene kurze Zeitraum im Sommer 2016 für den Bau des Windparks ausreichte: Auf dem Griespass konnte der Schnee erst ab dem 13. Juni 2016 geräumt werden.
Der Transport der Anlagen im Wochentakt erfolgte im Juli 2016 jeweils in der Nacht durch den gesperrten Gotthardtunnel und anschliessend über den Nufenenpass, der einzigen Zufahrtsmöglichkeit zum Griespass. Jede Windanlage benötigte dafür einen Konvoi aus elf Spezialtransportern für die spezifischen Anlagenteile wie Turmteile, Gondelelemente und Rotorblätter. Für das letzte Wegstück waren für den Transport jedes der 11 t schweren Rotorblätter zwei Lastwagen erforderlich. Montiert und ans Netz angeschlossen wurden die Anlagen direkt nach der Installation. Das Richtfest des Windparks fand am 30. September 2016 statt.
Erfahrungen mit alpinen Windanlagen
Mit dem bisher höchstgelegenen Windpark Europas auf dem Gütsch bei Andermatt, einem ehemaligen Artilleriestützpunkt, machte das Elektrizitätswerk Ursern diverse Erfahrungen. 2004 wurde die erste Anlage installiert und seit 2012 sind dort insgesamt vier Windanlagen in Betrieb. [4]
Wie beim Griespass wurde dieser Ort gewählt, weil gewisse Infrastrukturen vorhanden waren, die den Bau und den Anschluss ans Stromnetz vereinfachten. Als ehemaliger militärischer Stützpunkt ist der Gütsch mit einer Zufahrt ausgestattet, die für Panzer ausgelegt war und somit auch dem Transport von Windanlagenteilen standhielt. Zudem war ein Mittelspannungskabel bis zur Anhöhe, auf der die Anlagen stehen, vorhanden.
Die günstigen Windverhältnisse werden dort mit einer der wichtigeren hochalpinen Wetterstationen gemessen. Bei Weststürmen oder Föhn wurden auf dem Gütsch auch schon Werte über 60 m/s gemessen.
Blitzschlag
In den Bergen stellt der Blitzschlag für Windanlagen ein erhöhtes Risiko dar, besonders bei den Flügeln, die gerade oben sind. Sowohl auf dem Griespass als auch auf dem Gütsch hat man damit Erfahrungen gemacht. Während die Blitzeinschläge auf der Gries-Pilotanlage zu keinen Beschädigungen führten, gab es auf dem Gütsch Fälle, die Reparaturen erforderten.
Die Enercon-Rotorblätter sind mit einer leitenden Aluminiumspitze und einem integrierten Kupferleiter ausgestattet. Der Blitz wird mit einer Spitze auf einen Schleifring des Rotorblatts geleitet. Dieser Blitzschutz reicht oft aus, um Blitze schadlos ableiten zu können. Auf dem Gütsch waren aber gewisse Blitzschläge so intensiv, dass beim Übergang von der Spitze auf den Schleifring beträchtliche Löcher entstanden, die repariert werden mussten. Die Spitze lässt sich ausgetauschen.
Durch Blitzschlag beschädigte Turbinenflügel aus Kohlenstofffaser-Laminat lassen sich bei geeigneter Witterung meist vor Ort reparieren. Falls Turbinenflügel aber durch Blitzschlag so stark beschädigt werden, dass sie ersetzt werden müssen, werden alle drei Flügel gleichzeitig ersetzt, damit sie ausgewuchtet werden können. Solche Schäden sind auf dem Gütsch aber noch nie aufgetreten.
Bezüglich Gewicht könnten die 2,5 t schweren Flügel der Gütsch-Anlagen mit einem Helikopter transportiert werden. Aber ihre aerodynamischen Eigenschaften beeinträchtigen das Flugverhalten, denn ein Rotorblatt unter einem Helikopter wird in eine unerwünschte Drehbewegung versetzt.
Noch Potenzial vorhanden
Trotz der anspruchsvollen klimatischen Bedingungen kann der Windpark auf dem Gütsch u.a. dank der Kostendeckenden Einspeisevergütung profitabel betrieben werden. Die Anlagen werden fristgerecht amortisiert werden. Für die älteste Anlage werden Zertifikate verkauft, da die KEV bei der Inbetriebnahme noch nicht existierte. Die drei neueren Anlagen profitieren von der KEV.
Auf dem Gütsch hätte es noch Platz für weitere Anlagen. Im Gegensatz zur guten Sichtbarkeit der Windanlagen auf dem Griespass sind die Anlagen auf dem Gütsch kleiner und einigermassen versteckt, d.h. von Andermatt aus praktisch nicht sichtbar. Erst vom Furkapass her kommend, sieht man die Anlagen in der Ferne. Diese unauffällige, abgelegene Installation der Anlagen, kombiniert mit einem Windkraft-Inforundgang für Wanderer auf dem Gütsch, führt zu einer hohen Akzeptanz unter der Bevölkerung: Über 80% begrüssen diese Art der Elektrizitätserzeugung. Es erstaunt deshalb, dass das Schutz- und Nutzungskonzept des Kantons Uri keinen weiteren Ausbau des Windparks erlaubt, ja sogar auf eine weitergehende Nutzung der Windkraft im Kanton Uri grundsätzlich verzichten will.1)
Links
- www.energieschweiz.ch/page/de-ch/schweizer-windenergieanlagen
- www.suisse-eole.ch
- www.swisswinds.com
- www.igwindkraft.at
- windeurope.org
- www.wwindea.org
Referenzen
[1] www.windpowermonthly.com/10-biggest-turbines.
[2] 2016 Small Wind World Report Summary, WWEA Wind Bulletin, 2 September 2016.
[3] Radomír Novotný, «Urbane Windkraft», Bulletin SEV/VSE 3/2016, S. 30–32.
[4] Radomír Novotný, «Europas höchstgelegener Windpark wird ausgebaut», Bulletin SEV/VSE 11/2012, S. 22–24.
1) Das Schutz- und Nutzungskonzept für erneuerbare Energien im Kanton Uri wurde am 25. September 2012 durch den Regierungsrat genehmigt. Es bildet die Grundlage für die Beurteilung aller zukünftigen Gesuche für die Errichtung von Anlagen zur Produktion von erneuerbaren Energien.
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