Das Internet der Dinge hat viele Seiten
Forschungstrends und die Praxis von IoT
Sowohl im industriellen als auch im privaten Bereich gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um vom Einsatz des Internets der Dinge zu profitieren. Dabei müssen komplexe Aufgaben – wie das Vereinheitlichen und Zusammenführen von Datensätzen – bewältigt werden. Gelingt dies, kann u. a. die Ressourcen- und Energieeffizienz erhöht werden.
Bulletin: In welchen Bereichen wird sich IoT durchsetzen? In der Industrie oder in privaten Bereichen?
Heike Riel: Ich glaube in beiden. Was schneller kommen wird, werden wir sehen. In der Industrie nimmt die Sensorik immer mehr zu und man lernt nun, diese Daten zu nutzen. Im Privaten fängt es mit Fitness-Trackern und Mobiltelefonen an. Es wird vermehrt Geräte geben, die man am Körper trägt und mit denen man Daten aufnehmen kann. Bei ambitionierten Sportlern ist dies schon lange ein Thema, beispielsweise, um den Puls und die Körperwerte aufzuzeichnen, um das Training zu optimieren. Im Gesundheitssektor wird IoT auch immer mehr kommen, aber die Qualität der Messdaten muss noch besser werden, denn besonders in diesem Sektor ist die Verlässlichkeit der Daten sehr wichtig. Auch im Haushaltsbereich hält die Sensorik Einzug. Die Vernetzung von Sensoren wird hier zunehmen, um verschiedene Bereiche, wie z.B. den Energieverbrauch, zu optimieren.
Und im industriellen Bereich?
Da haben wir viele Projekte, beispielsweise bei der Big-Data-Analyse. Wir nennen es Cognitive Manufacturing. Es geht dabei um Künstliche Intelligenz für Industrie 4.0, also darum, Produktionsprozesse zu verbessern und Ausfälle vorherzusagen, unter anderem mit Digital Twins. Solch ein Zwilling ist die digitale Repräsentation eines physikalischen Systems, zum Beispiel einer Maschine. Man kann mit ihm vorhersagen, wie sich die Prozesskette verhalten wird und den Ertrag, den Energieverbrauch und die Qualität optimieren. Big-Data-Analytics kommt in vielen Bereichen zum Einsatz, auch bei Lithografietools für Wafers. Durch Analyse der Daten mit Deep Learning kann man beispielsweise vorhersagen, wann das Tool ausfällt. Diese Vorhersage ist sehr wichtig, denn bei einem Stillstand verliert man viel Geld. Man kann Anomalien detektieren. Statt Preventive Maintenance mit fixen Wartungsintervallen kommt also nun die Predictive Maintenance mit optimalen Intervallen zum Zug, bei der man das Lebensende jedes Teils spezifisch vorhersagen kann und im richtigen Moment und geplant das Bauteil austauschen kann.
Worum geht es in Ihrem Pairs-Projekt?
Pairs steht für Physical Analytics Information Repository System – einer Big-Data-Plattform, die zeitabhängige Geoinformationen miteinander verbindet und somit die Nutzung dieser Peta-Byte-grossen Daten für komplexe Fragestellungen enorm erleichtert. Wir linken diese Datensätze in Raum und Zeit auf dem Pixel-Level. Es ist sozusagen eine Art Search Engine für zeitabhängige Geodaten inklusive IoT-Daten. Eine komplexe Frage wäre z. B. «Wie gross ist die Auswirkung des Nachtfrosts der letzten beiden Tage auf die Maisfelder in Iowa?» Um die Antwort zu finden, muss man wissen, wo in dem Staat Mais angebaut wird, wo in den letzten zwei Tagen die minimale Temperatur unter dem Gefrierpunkt war und die mittlere relative Luftfeuchtigkeit grösser als 50%. Dies auf manuelle Weise herauszufinden, kann mehrere Wochen dauern.
In Pairs haben wir viele dieser Datensätze wie Satelliten-, Wetter- und Bodendaten schon gespeichert und miteinander verlinkt. Die Arbeit ist eigentlich schon gemacht und die Frage kann in Sekunden / Minuten beantwortet werden. Ursprung dieser Forschung ist ein IoT-Projekt mit einer Weinbaufirma im Nappa Valley. Das Ziel war, IoT zu verwenden, um die Bewässerung der Traubenstöcke zu optimieren. Denn bei einer gleichmässigen Bewässerung erhalten gewisse Orte zu wenig Wasser, andere hingegen zu viel. Durch die Berücksichtigung von Boden-, Wetter- und Einstrahlungsdaten konnte man die Qualität der Trauben verbessern, den Ertrag um 20% steigern und den Wasserverbrauch senken.
Zur Person
Heike Riel ist IBM Fellow und Director of IoT Technology and Solutions bei IBM Research. Sie ist verantwortlich für ein breites Portfolio von Forschungsaktivitäten in den Naturwissenschaften und den mathematischen Wissenschaften, um mit künstlicher Intelligenz erweiterte IoT-Lösungen zu entwickeln.
- IBM Research Zurich, 8803 Rüschlikon
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