Meinung Erneuerbare Energien , Regulierung , VSE

Vernetzen und speichern – aber wie verkaufen?

Meinung zur Gestaltung der Verbrauchstarife

28.09.2017

Von einer «dritten industriellen Revolution» spricht der Ökonom Jeremy Rifkin. Und meint auch die Art, wie wir künftig unseren Strom mit Erneuerbaren selbst produzieren. So weit sind wir zwar noch nicht. Doch neben der rein zentralen Energieversorgung gewinnt die dezentrale Versorgung an Bedeutung. An ihre Stelle dürften zunehmend vernetzte, flexible Strukturen treten – und «Speicherung» bekommt eine neue Bedeutung. Die Technologien der nahen Zukunft heissen Sektorkopplung oder Energy Hubs: Einheiten, die unterschiedliche Energieformen wie Strom, Erdgas und Fernwärme optimal und bedarfsgerecht einsetzen können, indem sie diese ineinander umwandeln, speichern und bei Bedarf wieder abgeben.

Doch wie wird abgerechnet, wenn Konsument und Produzent nicht mehr zu trennen sind? Wie wird diese Energiezukunft des 21. Jahrhunderts konkret bezahlt? Herkömmliche Verbrauchstarife sind ungeeignet für diese dezentrale Stromzukunft, die grosse Investitionen in die Energieinfrastruktur erfordert. Denn Netztarife nach Verbrauch schaffen falsche Anreize und sind ein Relikt der 1980er-Jahre. Mit meiner PV-Anlage kann ich mich derzeit jederzeit aus der Finanzierung des Energiesystems ausklinken, indem ich fast alle meine Kilowattstunden selbst produziere. Das Netz nutze ich nur bei Bedarf. Es liefert mir trotzdem jederzeit die gewünschte Leistung, ohne dass ich für diese diesen ergänzenden Nutzen bezahlen muss.

Die Netze der Zukunft werden nicht von selber «smart». Wirtschaftliche Anreize für smarte Strukturen würden vielmehr durch günstige politische Regulation geschaffen. Das Resultat sollten Netztarife sein, die stärker von der verfügbaren Leistung abhängen. Denn auch die Netzkosten entstehen ja gemäss der gebotenen Leistung – nicht gemäss der Menge an Energie, die ein Kunde bezieht. Die Zielgrösse bei rein zentralen Energiesystemen war früher der Preis pro Kilowattstunde. Heute und morgen steht bei zunehmend dezentralen Systemen und Sektorkopplung die grösstmögliche Flexibilität im Fokus – nicht die Energiemenge. Flexibel sein muss nun auch die Politik. Denn die neue Energiewelt verlangt nach «smarten Tarifen».

Autor
Michael Frank

ist Direktor des VSE

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