Verband Fachkräfte , VSE

Prüfungsexperten unter Hochspannung

Experten-Ausbildung

26.05.2017

Rund 170 Prüfungsexperten des Berufs «Netzelektriker/in EFZ» wurden im Auftrag der Trägerschaft Berufsbildung Netzelektriker/in durch das Eidgenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) in einer gemeinsamen Aktion auf das Amt als Prüfungsexperte (PEX) vorbereitet.

Wenn der Begriff «Lebensgefahr» Bestandteil der täglichen Arbeit ist, sind regelmässige Auffrisch-  und Vertiefungs-
kurse zum Qualifikationsverfahren mehr als nur angebracht. Rund 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Sprachregionen der Schweiz besuchten daher die EHB-PEX-Kurse in Chur, Kallnach, Zürich, Penthalaz, Bodio oder Muntelier, um sich über die neuesten Entwicklungen im PEX-Bereich ihres Berufes zu informieren.

Um den neuesten Anforderungen des Arbeitsmarktes zu entsprechen, muss ein Qualifikationsverfahren QV regelmässig angepasst werden. Die QV-Grundlagen werden daher alle fünf Jahre überarbeitet. Die Kommission für Berufsentwicklung und Qualität der Netzelektriker/in EFZ hatte dazu eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Deren Auftrag lautete, das neue Qualifikationsverfahren, die Ausführungsbestimmungen, die Prüfungsaufgaben sowie deren Bewertung zu erarbeiten. Das Ziel war, dass schweizweit der gleiche Massstab angewendet wird und die gleichen Prüfungsaufgaben eingesetzt werden.

Grundlagen erarbeitet

Für die an den PEX-Kursen verwendete «Nullserie» verfassten Autoren aus allen Prüfungsorten Inhalte, bevor sie sie zu einem Gesamtwerk zusammenführten. Die Arbeitsgruppe erarbeitete ausserdem Grundlagen zur Terminkoordination zwischen den Prüfungsorten und sie einigte sich darauf, die schriftliche Prüfung über die Berufskenntnisse jeweils am selben Tag durchzuführen.

Grosse Herausforderungen waren dabei die neuen Schwerpunkte Telekommunikation und Fahrleitungen. Die Arbeitsgruppe musste nicht nur eine Prüfung quasi aus dem Nichts auf die Beine stellen, sondern auch genügend befähigte Personen finden, die als Fachexperten agieren können.

In den PEX-Kursen werden prüfungs­agogische und methodische Grundlagen des QV besprochen und die neuen Unterlagen getestet. Lernende aus dem 2. Lehrjahr stellten sich im Rahmen einer Prüfungssimulation als Protagonisten zur Verfügung, um die Tauglichkeit der neuen Unterlagen unter Beweis zu stellen und um Verbesserungspotenzial aufzudecken und zu beheben.

Praxisorientierte Unterlagen

Netzelektrikerinnen und -elektriker lassen sich in drei berufliche Schwerpunktgruppen einteilen: Fahrleitungsspezialisten, Energiefachleute und Telekommunikationsfachleute. Alle drei verfügen nun neu über praxis-
orientierte QV-Unterlagen, welche den Berufsalltag der Lernenden in Handlungskompetenzbereichen und praxisnahen Lernzielen in unterschiedlicher Komplexität verständlich wiedergeben.

Geprüft wird nicht nur theoretisches Wissen, sondern vor allem die Handlungskompetenz und die Erfahrung der QV-Kandidaten. Anhand von realistischen Aufträgen werden die QV-Kandidaten mit einer Ausgangslage konfrontiert, welche sie auch in der Lehre wirklich bewältigen mussten. Das erworbene Wissen wird auf diese Weise immer wieder mit der praktischen Erfahrung verknüpft und mit dem Prüfungsexperten im Dialog lösungsorientiert behandelt. Material- und Werkzeugkunde runden den Praxisbezug der mündlichen Prüfung ab. Diese Art der mündlichen Prüfung ist ganz neu. Ihr grosser Vorteil ist die Praxisnähe durch konkrete Projekte, wie sie Lernende aus dem beruflichen Alltag kennen.

Praktische Prüfung simuliert

Die Abnahme der praktischen Prüfung – ein typischer Arbeitsauftrag inklusive Endprodukt – fordert dann die PEX nochmals heraus, ihr eigenes Fachwissen jenem der Lernenden gegenüberzustellen. Hier stellt sich dann nicht nur die Frage «Wie hätte ich es gemacht?», sondern auch «Wie lautete der Auftrag, und wurde die Arbeit auftragskonform ausgeführt?» Die Diskussionen um die Bewertung sind das «Salz» jeder praktischen Prüfung. Insbesondere im Schwerpunkt Energie trifft man bei den neuen Aufgabenstellungen der praktischen Arbeit auf viel Bekanntes.

Regionale und sprachliche Unterschiede berücksichtigen

Nun gilt es, das Erlernte in die Praxis des nächsten Qualifikationsverfahrens einzubringen. Dabei müssen auch regionale sowie sprachlich bedingte Unterschiede berücksichtigt werden. Eine der lebenswichtigen Leitlinien der zum Teil gefährlichen Arbeit der Netzelektriker lautet: «Nur gut geschultes Personal kommt auf den Baustellen zum Einsatz.» Die PEX der Netzelektriker können nun das erste QV nach neuen Richtlinien sicher und ohne Gefahr für sich und ihre Lernenden in Angriff nehmen.

Auch Rudolf Schneider, Chefexperte für die Prüfungsregion Bern, zog nach der Tagung in Kallnach ein positives Fazit: «Für mich waren das Interesse, das Engagement und die zahlreichen interessanten Inputs der Prüfungsexperten trotz der vielen Neuerungen sehr motivierend. Die Vorbereitungen der Gruppenverantwortlichen war beispielhaft. So macht mir die Arbeit als Chefexperte sehr viel Freude.»

Autor
Toni Biser

ist  Senior Experte Berufsbildung beim VSE.

  • VSE,  5000 Aarau

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