Meinung Energiemarkt , Regulierung , VSE

Marktdesign muss im Ein­klang mit der ES 2050 stehen

Eine Einschätzung dreier BFE-Studien von Ende 2017

13.12.2017

Am 21. Mai 2017 sagte die Schweizer Stimmbevölkerung ja zur Energiestrategie 2050 des Bundes, und damit ja zu deren Zielen und zum Erhalt und zum Ausbau der Wasserkraft. Die Wasserkraft wurde im Vorfeld der Abstimmung als die tragende Säule der Energiestrategie 2050 dargestellt. Nicht zuletzt deshalb wurde sie vom VSE im Abstimmungskampf unterstützt.

Die Ziele der Energiestrategie 2050 lassen sich nicht allein durch die Phase I erreichen; es muss eine Phase II folgen. Für diese Phase II war das Klima- und Energielenkungssystem (KELS) vorgesehen, das in den Räten jedoch keine Gnade fand und abgelehnt wurde. Seither kam von Seiten Bund kein neuer Vorschlag mehr.

Stattdessen rückte das Thema Versorgungssicherheit beim Strom in den Vordergrund und im November 2017 wurden vom Bundesamt für Energie drei Studien dazu vorgelegt: eine zur Versorgungssicherheit, eine zum zukünftigen Strommarktdesign und eine zur wirtschaftlichen Situation von Schweizer Energieversorgungsunternehmen.

Im Wesentlichen sagen diese Studien, dass mit einer Einbindung der Schweiz in den EU-Binnenmarkt und einer vollständigen Strommarktöffnung die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und das Thema Eigenversorgung damit unwesentlich sei. Weiter reiche der Energy-Only-Markt (EOM) aus, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, allenfalls könnte noch eine strategische Reserve eingeführt werden. Schliesslich stehe es gut um die finanzielle Lage der Schweizerischen Energieversorgungsunternehmen. Nur gerade zwei grosse Produzenten hätten nachweislich Schwierigkeiten, sich im heutigen Umfeld über den Strommarkt zu finanzieren.

Die Resultate und Empfehlungen dieser Studien decken sich in wesentlichen Punkten nicht mit den Einschätzungen des VSE. An dieser Stelle sollen jedoch nicht die Studien selber, sondern die Konsequenzen einer Umsetzung der oben genannten BFE-Empfehlungen ausgeleuchtet werden.

Zunächst bedeutet eine vollständige Marktöffnung, dass alle Endverbraucher den günstigsten Strom beziehen können, also zum Beispiel auch Kohlestrom aus Deutschland. Das widerspricht jedoch den Absichten und CO2-Reduktionszielen des Pariser Klimaschutz-Abkommens, welches die Schweiz unterzeichnet hat. Die Energieversorgungsunternehmen werden bei einer vollständigen Marktöffnung weniger in den Ausbau der Erneuerbaren investieren, da diese Investitionen nicht mehr gesichert sind über die Kunden in der Grundversorgung. Bei sinkenden Strompreisen werden in der Tendenz auch weniger Effizienzdienstleistungen nachgefragt. Warum soll ich sparen, wenn der Strom fast nichts kostet? Beides widerspricht den Zielen der ES  2050, welche mehr erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz fordert.

Zusammenfassend können im Moment nur Energieversorgungsunternehmen mit grundversorgten Kunden die Ziele der ES 2050 und des Pariser Klimaschutz-Abkommens weiterverfolgen, denn Vorschläge für eine Phase II der Energiestrategie 2050 liegen nicht vor. Aber genau diese Anstrengungen werden durch die Vorschläge des Bundes nun torpediert.

Die Lage für Energieversorgungsunternehmen mit eigener Produktion und grundversorgten Kunden wird sich jener von Energieversorgungsunternehmen ohne grundversorgte Kunden angleichen, also verschlechtern. Damit werden EVUs wie oben gezeigt zurückhaltender in ihrem Investitionsverhalten und im schlimmsten Fall auf Erneuerungs- und Ersatzinvestitionen bei Kraftwerken verzichten. Das wiederum kann die Fähigkeit zur Eigenversorgung in der Schweiz verringern. Für den VSE ist die Fähigkeit zur Eigenversorgung jedoch wesentlich. Einerseits wird seit 2007 vergeblich um ein Stromabkommen gefeilscht und der Kontext dafür hat sich eher erschwert. Ein baldiger Abschluss scheint noch nicht greifbar. Anderseits geht der VSE davon aus, dass bereits ab 2025 die Exportfähigkeit der für die Schweiz relevanten Länder, allen voran Deutschland und Frankreich abnehmen wird, und im schlimmsten Fall sind auch diese Länder auf Importe angewiesen. Ein Strom­abkommen zwischen der Schweiz und der EU würde daran nichts ändern.

Zusammenfassend gilt es festzuhalten, dass die bisherigen Untersuchungen des VSE jenen des Bundes widersprechen und das vom Bund vorgeschlagene Marktdesign den Zielen der ES 2050, welche der VSE unterstützt, nicht gerecht wird.

Was es jetzt braucht, ist ein integraler Ansatz, um das Marktdesign, die Phase II der Energiestrategie 2050 sowie die Erreichung der CO2-Reduktionsziele gemeinsam anzugehen.

Autor
Stefan Muster

war bis 30. September 2018 Bereichsleiter Wirtschaft und Regulierung des VSE.

  • VSE, 5000 Aarau

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