Fachartikel Beleuchtung , Energieeffizienz

LED-Leuchten entwickeln

Eine Synthese aus Erfahrungen und Erfolgsfaktoren

07.11.2017

Wie die meisten kreativen Prozesse ist auch die Entwick­lung einer design­orien­tier­ten Leuchte selten linear. Je mehr Faktoren dieser Entwick­lung man selber kennt und beein­flussen kann, desto klarer lässt sich ein solcher Prozess strukturieren und desto über­zeugender wird das Endprodukt.

Jeder Designer wird sagen, dass er seine Stärken umso besser ein­brin­gen kann, je früher er an einer Entwick­lung beteiligt ist, denn das ganze Potenzial der kreativen Heran­gehens­weise beschränkt sich nicht nur auf die Gestal­tung des Äusseren, sondern setzt mit einem anderen Blick viel früher und hoffent­lich grund­legender an. Erfahrung und Wissen sind hier zwar wichtig, aber wenn sie nur konservativ eingesetzt werden, entsteht selten Neues. Denn Inno­vation entsteht am Schnittpunkt zweier Ebenen, von denen man viel­leicht gar nicht erwartete, dass sie miteinander zu tun haben.

Die Entwicklung einer Leuchte ist aus ver­schie­denen Grün­den interessant. Einerseits, weil man vor der Heraus­for­derung steht, dass der Kunde zunächst einfach Licht für eine bestimmte Situation möchte – und nicht wirklich eine Leuchte, die relativ präsent in Räumen steht oder hängt. Anderer­seits muss die Leuchte relativ kom­plexe technische Anfor­derun­gen erfüllen. Ein gutes Ergebnis erreicht man nur durch eine Integration von Gestal­tung mit lichttechnischen, elektri­schen und mecha­nischen Lösungen. Da «verschmelzen» alle Aspekte zu einem überzeugenden Ganzen.

Lichtvorstellungen umsetzen

Wie bei anderen Produkten gibt es bei der Entwicklung einer Leuchte zahlreiche Heran­gehens­weisen. Manchmal sind die Vorstel­lungen vom neuen Licht schon am Anfang klar definiert, als Lumen­paket mit einer spezifischen Abstrahl­charak­teristik und Lichtfarbe, manchmal sind sie aber nur durch einen emotionalen Anspruch an das Raumerlebnis umschrieben. Natürlich kommen zwischen diesen beiden extremen Positionen alle möglichen Schattie­rungen vor. Ab und zu ist die Leuchte nur für einen spezifischen Raum oder eine konkrete Arbeitssituation bestimmt. Oft wird ein Leuchten­kopf entwickelt, der u.a. aus wirt­schaft­lichen Gründen seine Wirkung in unter­schied­lichen Anord­nungen entfalten soll, zum Beispiel als Tisch-, Steh- oder Decken­leuchte, einzeln oder als multiple.

Technische Entwicklungen

Im Gegensatz zu den Standard­fassungen – der immer noch übliche E27-Sockel geht auf das Jahr 1881 und Thomas Alva Edison zurück – wurden Lampen und Leucht­mittel konti­nuierlich weiter­entwickelt. Mittler­weile werden soge­nannte Retrofit-LED-Lampen für E27 entwickelt.

Mit der LED kamen aber Hersteller aus einem völlig andern Markt, der Halb­leiter­industrie, ins Spiel. Diese Industrie und die herkömm­lichen Lampen­hersteller funktio­nieren jedoch in vielerlei Hinsicht anders, denn die Entwick­lungs­zyklen der Elektro­nik­hersteller sind viel kürzer, die Preise dyna­mischer, Stan­dards volatiler. Aber nicht alle LED-Hersteller haben sich das über Jahrzehnte erarbeitete licht­technische Wissen und das Gespür traditioneller Lampen­hersteller angeeignet. Durch dieses Aufeinan­der­treffen zweier «Welten» entstehen sowohl Chancen wie auch Gefahren.

Die am häufigsten für weisses Licht eingesetzte licht­emittie­rende Diode emittiert eigentlich blaues Licht. Die davor platzierte gelbliche lumines­zierende Schicht (oft auch als Phosphor­schicht bezeichnet) dient als Wellen­längen­konverter und führt zu weissem Licht. Je dicker diese gelbliche Lumines­zenzschicht ist, desto «wärmer» und angenehmer wird das Licht. Gleichzeitig nimmt aber die Lichtausbeute ab. Anfänglich wurden diese gelblichen Schichten möglichst dünn gewählt, um hohe Lumen­ausbeuten zu erreichen. Bei einer rein numerischen lm/W-Kalkulation macht dies natürlich Sinn, aber die Reaktionen der Anwender auf diese ersten bläulichen LED-Genera­tionen waren so negativ, dass das Image dieses Leucht­mittels für längere Zeit Schaden nahm. Wahr­scheinlich haben traditionelle Leucht­mittel- und auch Leuchten­hersteller diese Gefahr schon früher antizipiert und waren deshalb zurück­haltend mit der Einführung solcher nicht ausgereifter Produkte.

Neue Möglichkeiten

Aber nicht nur der anfängliche Blaustich schreckte die Leuchten­hersteller ab, sondern auch die Tatsache, dass nun plötzlich die quasi ewig­gültigen Fassungs­standards ihre Bedeutung verloren haben. Die LED verweigerte sich der Standar­disierung zu Beginn komplett. Die Stan­dardisierungs­bestre­bungen der Zhaga-Organi­sation (www.zhagastandard.org) sind der wohl erfolg­reichste Versuch einer LED-spezifischen Standar­disierung. Die Organi­sation hat zahlreiche Spezifika­tionen («Books») heraus­gegeben, die sich mit Kompo­nenten von LED-Leuchten befassen, beispiels­weise mit Light Engines, Modulen, Arrays und Anschluss­systemen. Die Entwicklung ist aber so dynamisch und die Anwen­dungen so unter­schiedlich, dass die früher um die Standards herrschende Ruhe wohl nie mehr einkehren wird. Und das auch zu Recht, wenn man das Potenzial der neuen Lichtquelle umfas­send optimieren und nutzen will. Leuchten­her­stellern wurde klar, dass die Zeit der Leucht­mittel, die einfach in bestehende Sockel eingeschraubt werden, langsam zu Ende geht.

Das ganze Potenzial der LED zeigt sich erst bei einem gezielten Einsatz, der immer öfter eine speziell ange­fertigte Platine erfordert, die mit gezielt ausge­suchten LEDs bestückt wird. Manch­mal kann diese Platine auch mit einer auf die LED abgestim­mten Kon­stant­strom­quelle bestückt werden. Schalter, Taster oder andere Bedien­elemente bieten sich auch zur Bestückung an und können wegen den kleineren Span­nungen günstiger und kleiner werden. Bei einer selbst entwickelten Elektronik kann man natürlich auch weitere Aspekte definieren, beispiels­weise, ob nach einem Strom­unterbruch, sei es netzseitig oder durch den Schalter, wieder auf die vorherige Dimm­stufe geschaltet werden soll, und ob der Dimm­vorgang in Stufen oder linear erfolgen soll (Flackergefahr durch das Takten). Manchmal ist auch ein Soft-Start oder eine Wärme­über­wachung erwünscht.

Wahl der Lichtquelle

Bei konventionellen Leuchtmitteln war die Auswahl beschränkt. Die Selektion der LED ist hingegen deutlich aufwendiger, denn sowohl die Angebots­vielfalt als auch das Kriterien­spektrum sind grösser geworden. Ein solches Kriterium ist die u.a. in Daten­blättern auf­geführte Licht­ausbeute. Die Schwierig­keit bei der Aus­wahl besteht nun darin, dass kalte LEDs mehr Licht als warme emittieren. Da aber die Temperatur auf dem Chip nach dem Ein­schalten sehr schnell ansteigt, kommt es darauf an, wann die Licht­ausbeute gemes­sen wird. Tempe­ratur­abhängig ist aber nicht nur die Licht­ausbeute, sondern auch der Farbort der LED. Solange Hersteller ihre Mes­sungen nicht unter den gleichen Bedin­gungen ausführen, lassen sich ihre Angaben nur schwer vergleichen.

Ausser­dem ist der Wafer, aus dem die LED-Chips gemacht werden, nicht überall gleich dotiert, was für leicht divergierende Farben bei den ein­zelnen LEDs sorgt. Gewisse Hersteller gleichen diese Farb­schwan­kungen mit unterschied­lich kalibrierten Phosphor­schichten aus. Man kommt aber nicht darum herum, alle LEDs individuell auszu­messen und zu beschreiben, d.h. ein sogenanntes Binning durch­zuführen. Dieses beschreibt für jede LED eine Position im CIE RGB-Farbraum, idealer­weise auf der Kurve eines Schwarz­körper­strahlers. Dabei definieren die MacAdam-Ellipsen Farb­raum­orte, innerhalb derer das menschliche Auge die Unter­schiede nicht mehr wahr­nimmt.

Der Preis einer LED hängt von diversen Faktoren ab: vom Lichtstrom, von der Genauigkeit des Binning, von der Ähnlichkeit mit der Schwarz­körper­strahlung und von der Popularität der Farbtemperatur.

Alle diese Faktoren, inklusive dem Preis, dem Abstrahl­winkel, der Fläche, der Liefer­barkeit und wie lange diese LED noch produziert werden mag, können bei der Evaluation der gewünschten LED berück­sichtigt werden. Aber diese Kriterien genügen noch nicht für eine gute Leuchte, denn bei der Evaluierung des passen­den Leucht­mittels muss die gesamte Leuchtenkonstruktion mitein­bezogen werden.

Gesamtperspektive

Da die LED eine praktisch punkt­förmige Lichtquelle ist, müssen bei der Leuchten­entwicklung zwei weitere Aspekte zwingend berücksichtigt werden: die Blend­proble­matik und die Wärme­abführung.

Ersterer kann man mit Optiken begegnen. Viele LEDs verfügen bereits über eine primäre Optik, die ihre Abstrahl­charak­teristik beeinflusst. Eine sekun­däre Optik kann den Licht­austritt weiter bündeln oder ­lenken. Zudem können Diffusoren, Louvre- oder Loch­raster bzw. andere Flächen als Reflektor, deren Ober­fläche das Licht wieder beein­flusst, eingesetzt werden.

Auch die Letztere ist zentral: das Wärme­mana­gement der nahezu punkt­förmigen LED, die auf kleinstem Raum viel Wärme erzeugt. Je heisser die LED wird, desto schneller altert sie. Werden LEDs mit der richtigen Temperatur betrieben, halten sie normaler­weise extrem lange. Da machen sich Alterungs­erschei­nungen dann eher bei den Betriebs­geräten bemerkbar.

Die Wahl des Platinen­materials ist der erste Schritt zu einem guten Thermo­mana­gement. Bei Low-Power-LED mag FR4 genügen, bei Mid-und High-Power-LEDs bieten sich Aluminium- oder Kupferkern-Platinen an. Diese Platinen sollten mit einem Kühlkörper ausgestattet werden, der mit einem möglichst geringen Wärme­über­gangs­koeffizien­ten montiert wird. Dazu kann man manchmal auf doppel­seitiges, wärme­leitendes Klebe­band zurückgreifen, wobei ein zerstörungs­freies Entfer­nen aber schwierig wird, Schrauben und Wärme­leitpaste (besser nicht im Sichtbereich, da eine nicht sauber aufgetragene Paste den hoch­wertigen Eindruck stört) oder auf eine andere Art spannen. Beim Kühl­körper ist ein möglichst guter Wärme­fluss nötig (durch Querschnitte und Material vorgegeben), eine gute Abgabe der Wärme an die Umgebungsluft (Fläche und Strömungs­verhalten der Luft) und eine möglichst gute Wärme­abstrahlung (keine verspiegelten Oberflächen).

Die LEDs mögen klein sein, aber die Grösse des benötigten Kühl­körpers hängt propor­tional von ihrem Energie­verbrauch ab, und wird darum schnell zum domi­nanten Teil einer Leuchte. Eine geschickte Gestaltung spielt hier eine zentrale Rolle. Der Kühl­körper muss ja nicht wie ein Kühl­körper aus­sehen – vielleicht mutiert er einfach zum Lampen­schirm und erfüllt seinen Zweck auf unauffällige Weise.

Die Beweglichkeit einer Leuchte ist auch sehr wichtig, denn eine bewegliche Leuchte lässt sich flexibler einsetzen. Auch als Verkaufs­argument lässt sich diese Einstell­barkeit nutzen, denn im Laden­lokal oder auf einer Messe zeigen sich die Leute sehr interessiert, sobald man etwas bewegen kann. Sie kann zudem als Abgrenzung zu Billig­her­stellern dienen, denn eine Bewegung, die länger­fristig gut und gleich­mässig funktio­niert, kann nur mit Präzision, hoch­wertigem Material und techni­schem Aufwand erreicht werden.

Bei der Entwicklung kann man auch auf praktische Produk­tions­einheiten achten wie Sockel mit Trafo, Gestänge, Leuchtenkopf, die einzeln her­gestellt und gelagert werden können, und erst am Schluss oder sogar durch den Händler oder Endkunden zusam­men­gebaut werden – wenn möglich ohne Werkzeuge. Gängige Verpackungs­grössen oder Versand­bestim­mungen spielen auch eine Rolle. Werden diese zahl­reichen Faktoren berück­sichtigt und mit einem guten Marketing und aktiven Händlern kombiniert, sind die Aussichten auf Erfolg hoch.

Autor
Michael Niederberger

ist Industriedesigner und Mitgründer der Entux GmbH.

  • Entux, 6003 Luzern

Kommentare

Roman Rieger,

Vielen Dank für den interessanten Artikel. Insbesondere die Gegenüberstellung zwischen Leuchtmitteln E27/ E14 und den in der Leuchtenkonstruktion integrierten LEDs lohnt weitere Überlegungen. Auch die Wärmeproblematik wurde interessant dargestellt. Unberücksichtigt bleibt die Beeinflussung der Netzspannung durch den nicht sinusförmigen Betriebsstrom (Oberschwingungen).

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