Fachartikel Hardware , Installationstechnik , Sicherheit

EMV-Grenzwerte neu festlegen?

Zu hohen kumulierten Störpegeln entgegenwirken

29.01.2018

Da die Störquellen­dichte kontinuierlich zunimmt und die Störquellen oft breitbandig sind, stellen sie bezüglich der elektro­magne­tischen Verträglichkeit eine Heraus­forderung dar – sogar dann, wenn alle einzelnen Stör­pegel die aktuellen EMV-Normen einhalten. Es wäre deshalb sinnvoll, die Normen der verän­derten Realität anzupassen.

In den letzten Jahren hat der generelle Störpegel im HF-, VHF- und UHF-Bereich stark zugenommen und beeinträchtigt zunehmend den Empfang schwächerer Signale. Dies ist aber nicht nur eine Folge der zunehmenden Funkanwendungen, sondern auch der zunehmenden, eigentlich drahtgebundenen Anwendungen mit dauernd vorhandenen breitbandigen Signalen, die auf dafür nicht geeigneten Leitungen übertragen werden. Solche Dauerstörer sind unter anderem Power-Line-Communication-Geräte (PLC) oder VDSL-, VDSL2- und G.fast-Geräte für schnelles Internet in der Nachbarschaft. Auch unter der steigenden Zahl von Schaltnetzteilen für elektronische Geräte, PV-Anlagen und LED-Beleuchtungen gibt es etliche Dauerstörer. Künftig dürften weitere, wie das drahtgebundene und drahtlose Laden von Elektrofahrzeugen, hinzukommen.

Normensituation

In heutigen EMV-Normen wird meist die maximal zulässige Störung betrachtet, die von einem einzelnen Störer ausgehen darf, damit gerade noch keine unzumutbaren längeren Beeinträchtigungen von Funkdiensten auftreten. Sie berücksichtigen bei ihren Grenz­werten mögliche Worst- Case-Situationen nicht, sondern geben oft massive Erleichterungen aufgrund von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen wie der Unwahrscheinlichkeit einer grossen Störquellendichte und der Unwahrscheinlichkeit, dass Störer und Störopfer gleichzeitig in Betrieb sind und zufällig auf gleicher Frequenz arbeiten. In den entsprechenden elek­tromagnetischen Verträglichkeitstests wird praktisch immer nur ein Einzelgerät im Labor getestet.

Die Störquellendichte ist inzwischen aber stark gestiegen, denn ein heutiger Haushalt verfügt über zahlreiche ­dauernd im Betrieb stehende, am Netz (und oft auch an anderen Leitungen) angeschlossene Geräte mit intern schaltender Elektronik, die häufig mit breitbandigen Signalen arbeitet. Die in vielen Normen aufgrund von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen enthaltenen Erleichterungen bei den Grenzwerten tragen der heutigen Realität nicht mehr genügend Rechnung. Die Grenzwerte vieler EMV-Emissionsnormen müssten zur Gewährleistung eines mit früher vergleichbaren Funkschutzes deutlich reduziert werden. Dies gilt nicht nur für Grenzwerte von Feldstärken, sondern auch für geleitete Störungen in allen Frequenzbereichen oberhalb von 150 kHz, mindestens aber für Frequenzen über 3 MHz, wo bereits relativ kurze Kabel oder Leitungen als Antennen wirken können.

Simulation

Ein online verfügbarer Beitrag hat die gegenüber der Testsituation auftretende Erhöhung der wirksamen Störung simuliert.[1] Aus den Simulationen kann geschlossen werden, ob und um wieviel die Grenzwerte bei Einzelgeräte-Tests gesenkt werden müssten, um den gleichen Schutz empfindlicher Funkdienste wie früher zu gewähr­leisten.

Für die Simulationen wurden rauschartige, unkorrelierte Störquellen angenommen, die sich auf alle Frequenzen innerhalb der Bandbreite des am Dipol angeschlossenen Empfängers verteilen. Anstelle der Feldstärken wurden deshalb die Störleistungen der einzelnen Störquellen überlagert (addiert). Angesichts der zunehmenden Anzahl breitbandiger Übertragungsverfahren dürfte diese Annahme ziemlich realistisch sein.

Die durch den Autor im zwei- und im dreidimensionalen Fall durchgeführten Simulationen haben gezeigt, dass beim Auftreten von vielen verteilten, nahen Störquellen eine wesentliche Anhebung des generellen Störniveaus erfolgt. Schon bei wenigen benachbarten Störern können Störungsanhebungen von 6 dB bis 10 dB auftreten, in und um Gebäuden mit vielen Störquellen sogar bis 20 dB und mehr. Dies wird heute auch bei Messungen im Feld und im realen Funkbetrieb in der Praxis immer wieder festgestellt.

Empfehlung

Die heute verwendeten EMV-Normen basieren meistens auf veralteten Annahmen. Bei der heutigen Situation mit häufig kumulierten Störungen aus zahlreichen verteilten, lange strahlenden Störquellen in der Nähe der Störopfer sollten die Grenzwerte deshalb um mindestens 10 dB – oder besser um 12 dB – reduziert werden, um den gleichen Funkschutz für empfindliche Verbindungen via Radio wie früher zu erreichen.

Autor
Dr. Heinrich Häberlin

ist Electrosuisse/CES-Mitglied. Mitarbeit im TK 77B – EMV – HF-Phänomene und HPEM sowie im Internationalen Sonderkomitee für Funkstörungen TK CISPR.

  • 3423 Ersigen/BE
  • HB9AZO

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