Fachartikel Energieeffizienz , Gebäudeautomation

Für zukunfts­weisende Gebäude

Energieeffizienzmassnahmen

28.02.2018

Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, muss die Schweiz den Verbrauch fossiler Energieträger drastisch senken. Die Reduktion des Energieverbrauchs von Gebäuden ist ein wichtiger Teil davon, denn über 40% des Verbrauchs fallen im Gebäudebereich an. Wie dieser deutlich und dauerhaft gesenkt werden kann, wird hier aufgezeigt.

Mit Gebäudetechnik lässt sich der Energieverbrauch und damit auch der CO2-Ausstoss einer Immobilie auf zwei Arten senken. Die erste besteht darin, den Energieträger zu wechseln und fossile Brennstoffe wie Öl oder Erdgas durch erneuerbare Energieträger wie Biogas oder Holzschnitzel zu ersetzen. Auch eine Photovoltaikanlage trägt dazu bei, die CO2-Bilanz für den bezogenen Strom zu verbessern. Beim zweiten Ansatz wird die Effizienz gesteigert, um nur noch so viel Energie wie nötig zu verbrauchen. Dafür muss man zunächst die Stromerzeuger und -verbraucher in einem Gebäude analysieren und lokalisieren.

«Connect und Collect»

Bei der Analyse eines Gebäudes inte­ressieren neben dem Verbrauch von Strom, Gas oder Wasser auch die Parameter, die das Wohlbefinden der Menschen im Gebäude beeinflussen. Dazu gehören Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Luftqualität. Das Sammeln der Daten ist je nach Gebäude unterschiedlich komplex. Der Blick auf die Jahresrechnung reicht bei Weitem nicht. Erst hoch aufgelöste Messwerte über eine längere Zeit zeigen, wie sich ein Gebäude verhält, wie sich Temperatur oder Wasserverbrauch ändern, oder wann im Tagesablauf mehr oder weniger Wärme benötigt wird.

Wann wie viel Energie verbraucht wird, hängt auch von der Nutzung des Gebäudes ab. Ein Spital ist rund um die Uhr in Betrieb, braucht fast immer Licht, Wasser und Wärme. Anders ein Bürogebäude, in dem die Menschen an fünf von sieben Tagen während zwölf Stunden pro Tag arbeiten. Läuft die Gebäudetechnik im Bürogebäude ohne Unterbruch, führt das zu einem «Betrieb ohne Nutzen», und die Investition in den Betrieb der Gebäudetechnik trägt nicht zur Wertschöpfung des Unternehmens bei. «Wir gehen davon aus, dass 30% des Stroms in Gebäuden verschwendet wird», schätzt Jürgen Baumann, Experte für energetische Modernisierung und Energiedienstleistungen in der Abteilung BPS von Siemens Building Technologies (BT). «Bei der Wärmeenergie ist es zum Teil noch viel mehr.»

Aus bestehenden Anlagen alles herausholen

Sind die Daten erfasst und die Abläufe analysiert, werden diese bewertet. Wird der gewünschte Komfort mit einem angemessenen Energieeinsatz erreicht? Entspricht der Energieverbrauch der Nutzung des Gebäudes? Um einen Referenzwert zu erhalten, wird wenn möglich der Verbrauch auch mit ähnlichen Gebäuden in der Umgebung verglichen.

Was lässt sich machen, wenn ein Bürogebäude nicht genutzt wird? Kann es in eine Art Standby versetzt werden? Kann ein Raum, ein Gebäudeteil oder das ganze Gebäude ausgeschaltet werden? Ein erster Schritt kann sein, die Lüftung so zu regeln, dass sie nur noch arbeitet, wenn Menschen im Gebäude sind. Auch andere Parameter der bestehenden Gebäudetechnik lassen sich anpassen, wie die Temperatur oder eine Heizkurve. Damit kann meist eine Reduktion des Energieverbrauchs von 20% erreicht werden. In Extremfällen wurden schon über 60% erreicht – ohne in die Gebäudetechnik oder die Gebäudehülle zu investieren.

Technische Neuerungen

Natürlich sind die Energiesparmöglichkeiten mit bestehenden Anlagen oft begrenzt. Zudem werden ältere Anlagen unzuverlässig, Ersatzteile sind knapp und spezifisches Know-how ist beim Lieferanten nicht mehr vorhanden. In solchen Fällen braucht es neue Technik. Bereits mit einfachen Massnahmen lässt sich viel erreichen: Ein Präsenzmelder kann zum Beispiel das Licht im Büro ein- und ausschalten. Der Melder merkt nebenbei auch, wenn jemand das Gebäude zu einer Zeit betritt, zu der niemand da sein sollte. So kann das System auch zur Erhöhung der Sicherheit genutzt werden. Eine andere Variante sind Sensoren, die melden, wenn die Luftqualität nicht mehr genügt und die Messdaten an die Lüftung weiterleiten. Dort sorgt ein Frequenzumrichter dafür, dass die Lüftung anhand dieser Daten genau die nötige Leistung abgibt. Früher hatten Lüftungsmotoren oft zwei Stufen, wobei die erste oft zu wenig leistete und die zweite zu viel. Also bremste man den Luftstrom der zweiten Stufe mit Lüftungsklappen. Energetisch ist das absolut unsinnig.

Kühlmaschinen stehen fast immer im Fokus: Alte Geräte brauchen oft zu viel Strom und verwenden Kühlmittel, die entweder die Ozonschicht angreifen oder bis zu 10 000 Mal klimawirksamer sind als CO2. Der Gesetzgeber zieht diese Stoffe deshalb nach und nach zurück. Oft unterschätzt wird das Thema Sonnenschutz: Im Sommer scheint die Sonne mit über 1  kW/m2 durch die Fenster. Diese Wärme wieder aus dem Gebäude zu bringen, braucht viel Energie. Es macht deshalb mehr Sinn, automatische Blenden zu montieren, dank deren die Sonnenstrahlen draussen bleiben und die Benutzer nicht geblendet werden.

Im und um das Gebäude

Auch ihr eigenes Gebäude hat das Team von Siemens BPS unter die Lupe genommen. «Wir arbeiten in einem Gewerbebau von 1990», beschreibt Baumann. «Damals wurde noch nicht auf eine gute Gebäudehülle geachtet. Mit einer umfassenden Analyse und einer systematischen Modernisierung konnten wir unseren Heizenergiebedarf um über 50% senken. Und das, ohne in die Hülle zu investieren.» Das Gebäude verfügt über einen Zweistoffbrenner. Dieser arbeitet heute mit Gas, das wesentlich klimaschonender ist als Öl. Dank dem reduzierten Wärmebedarf wird der Öltank nicht mehr gebraucht. Damit ist auch der CO2-Ausstoss des Gebäudes um mehr als die Hälfte gesunken. Ein Wert, der mit einer Modernisierung oft erreicht wird.

Solaranlagen werden immer wichtiger, eine PV-Anlage ist heute gleich teuer wie ein Decken des Dachs mit Ziegeln. Eine solare Fassade lässt sich so gestalten, dass man sie nicht als solche erkennt. Mit der dezentralen Stromproduktion werden auch Speicherlösungen immer wichtiger. Zum Thema wird zunehmend auch die Elektromobilität. Über 2,5% der in der Schweiz neu zugelassenen Autos fahren heute zumindest teilweise mit Strom. Es empfiehlt sich deshalb, schon heute eine ausreichende Anzahl an Ladestationen vorzusehen.

Finanzierungsmodelle

Verbraucht ein Gebäude weniger Energie, spart dies viel Geld. «Diesen Effekt nutzen wir mit dem sogenannten Energiespar-Contracting», erklärt Baumann. Das Prinzip ist einfach: Der Anbieter des Energiespar-Contractings finanziert die Massnahmen. Nach deren Umsetzung zahlt der Kunde das Geld mit einem Teil der erzielten Einsparungen zurück. «Ausserhalb der Schweiz gibt es Zehntausende solcher Projekte», sagt Baumann. Siemens bietet das Modell nun auch in der Schweiz an.

Eine weitere Option zur Finanzierung ist das Programm «ProKilowatt» des Bundesamtes für Energie. In Geschäftsbauten sollen sich Modernisierungen innert acht Jahren finanziell rechnen. Gewisse Elemente der Gebäudetechnik amortisieren sich langsamer, zum Beispiel ein Wechsel der Beleuchtung. ProKilowatt vergibt im Wettbewerbsverfahren finanzielle Mittel, mit denen die Amortisationszeit auf unter acht Jahre sinkt, womit Projekte auch wirtschaftlich wieder attraktiv werden.

Die Arbeit geht weiter

Gerade vor dem Hintergrund des Pariser Abkommens überlegen sich viele Immobilienbesitzer, ob ihre Gebäude modernen Ansprüchen noch genügen und für die Zukunft fit sind. Ist ein Umstieg von Öl auf Gas, Holzschnitzel oder eine Wärmepumpe nicht möglich, stellt sich die Frage, ob das Gebäude vor dem Hintergrund der Energiewende noch vernünftig betrieben werden kann.

Bei Energieschleudern stellt sich die Frage, ob eine tiefgreifende Erneuerung oder ein Neubau Sinn machen. Siemens arbeitet auch gemeinsam mit Partnern, die sich auf die Gebäudehülle konzentrieren. «Wird die Hülle ertüchtigt, ist vielleicht eine moderne, energiesparende Gebäudetechnik wie eine Wärmepumpe möglich», erklärt Baumann.

Auch rechtliche Rahmenbedingungen sind ein wichtiges Thema. Wenn jemand das Gebäude optimiert, das er vermietet, bezahlt er als Besitzer die Optimierung, doch die Mieterinnen und Mieter profitieren vom tieferen Energieverbrauch. Als Businessmodell funktioniert das für den Besitzer nicht, auch wenn sich die Investition in die Optimierung rasch amortisiert. Darum haben die kantonalen Energiedirektoren nun eine Vorgabe geschaffen, die Gebäudebesitzer dazu verpflichtet, den Energieverbrauch ihrer Gebäude periodisch überprüfen zu lassen. Auch nach einer ersten Optimierung sind periodische Kontrollen unabdingbar, sonst werden Parameter wieder verstellt und der Effekt verschwindet.

Baumann ist überzeugt: «Die Klimaproblematik wird immer mehr Gewicht erhalten und das Thema damit einen immer grösseren Stellenwert einnehmen.» Der Bundesrat schlägt im neuen CO2-Gesetz vor, dass die Schweiz den CO2-Ausstoss bis 2030 gegenüber den Werten von 1990 halbiert, 30% im In- und 20% im Ausland. «Im Augenblick sind etwa 10 bis 15% erreicht», so Baumann. Und: «Viele einfache Massnahmen sind umgesetzt. Wir müssen uns mittlerweile etwas mehr anstrengen. Deshalb entwickeln wir laufend neue Technologien, die weitere Reduktionen der CO2-Emissionen ermöglichen.»

Autor
Marc Maurer

ist Communication Consultant bei Siemens Schweiz Building Technologies.

  • Siemens Schweiz AG, 8047 Zürich

Kommentare

Bitte rechnen Sie 4 plus 1.