Fachartikel Gebäudeautomation

Effizienter Komfort

Gebäudeautomation und Nachhaltigkeit

02.03.2018

Das neue Bettenhaus des Stadtspitals Triemli ist das erste Spitalgebäude der Schweiz, das nach Kriterien der «2000-Watt-Gesellschaft» gebaut wurde. Ohne Gebäudeautomation wäre dies nicht möglich gewesen. Ein Blick ins Nervensystem des Gebäudes.

Das 18-stöckige Bettenhaus des Stadtspitals Triemli steht unübersehbar am Fusse des Zürcher Uetlibergs. Trotzdem fügt es sich dank dem Lichtspiel der Fassade elegant in die Umgebung ein. 550 Spitalbetten fasst der Bau und 282 Mio. CHF liess sich die Stadt das Bettenhaus kosten, das heute als Pionierprojekt des nachhaltigen Bauens gilt. Es sei schweizweit das erste Bauvorhaben, das die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft dermassen umfassend erfülle, sagte Hochbauvorsteher André Odermatt an der Eröffnung im Frühjahr 2016.

Drei Jahre Planung und Inbetriebnahme

Damit das Gebäude Energie und Ressourcen spart, sind nicht nur eine zukunftsweisende Architektur und erneuerbare Energieträger nötig, sondern auch viel Elek­tronik. «Ohne eine intelligente Gebäudeautomatisierung ist die 2000-Watt-Gesellschaft nicht realisierbar», ist Thomas von Ah überzeugt. Von Ah ist Geschäftsführer der Viscom Engineering in Affoltern am Albis. Das 40-köpfige Unternehmen war für die Umsetzung der Gebäudeautomation des Bettenhauses verantwortlich – und damit für das Nervensystem und Gehirn des Gebäudes. Es war das bisher grösste Projekt in von Ahs Karriere. Nach zweijähriger Projektierung war er ein Jahr lang mit bis zu zehn Mitarbeitenden vor Ort. Zuerst für sogenannte Datenpunkttests, also zur Kontrolle, ob die Leitungen richtig verlegt wurden. Danach zur Funktionskontrolle der Gebäudeautomation.

Von Ah nimmt uns mit auf einen Rundgang durch die technischen Eingeweide des Gebäudes. Die zwei unterirdischen von insgesamt 18 Geschossen sind komplett für Wärme, Kälte- und Regelungstechnik sowie für die Stromversorgung und Logistik vorbehalten. Unsere Tour startet zuunterst im «Z-1». Von Ah führt uns in einen fahl beleuchteten Raum mit drei hohen, orangen Schränken. Darin befinden sich Dutzende Steuerungen in mehreren Reihen, verbunden durch Hunderte verschiedenfarbiger Kabel. Diese Speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) bilden das dezentralisierte Nervensystem des Gebäudes. Hundert solcher Schaltschränke stehen im Bettenhaus – 50 für die Steuerung von Heizung/Lüftung/Klima und 50 für Licht und technische Geräte auf den Stockwerken. Hinzu kommen über 450 in den Gängen verteilte Boxen mit SPS-Modulen für die Steuerung von Beleuchtung und Temperatur in den Spitalzimmern.

Jede SPS ist mit einer Reihe von Aufgaben und Logiken programmiert. Die Steuerungen sammeln Daten von im Gebäude verteilten Sensoren, steuern Pumpen und Ventile und wandeln Signale zur Auswertung und Visualisierung um. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass sich das Spitalgebäude heute weitgehend automatisch regelt. Eine sichere Stromversorgung ist dafür zentral. Das Spitalareal ist deshalb über zwei Unterwerke redundant am städtischen Mittelspannungsnetz angeschlossen. Bei grossflächigen Stromausfällen springen spitaleigene Generatoren an. Auch die internen Trafostationen wurden redundant realisiert.

Von Ah führt uns an einen Arbeitsplatz neben den Schaltschränken. Auf einem PC fährt er das Gebäudeleitsystem «WinCC OA / PVSS II» hoch, das eigentliche Gehirn des Bettenhauses. 200 000 Softwaredatenpunkte aus dem gesamten Gebäude laufen hier zusammen. Gemeinsam mit seinem Team hat er das System so programmiert, dass Raumtemperatur, Licht und Zimmerbelüftung automatisch den Anforderungen entsprechend gesteuert werden. Für die Kommunikation der Systeme untereinander wurden fast 20  km Glasfaserkabel verlegt. Acht solche PC-Stationen mit dem Gebäude­auto­matisie­rungssystem sind im Triemlispital verteilt. Für jedes Stockwerk kann von Ah einen Plan aufrufen, auf dem sämtliche Regelungen visualisiert sind. Darauf kann er die Ist- und Soll-Werte aller Temperatur- und Druckmesser überwachen und notfalls manuell regeln.

Heizung und Licht

Eine zentrale Funktion der Gebäude­automation ist die Regelung der Heizung und Kühlung. An die Decken wurden dafür Register mit Wasserkapillaren als Wärmetauscher montiert, über welche die Zimmer im Sommer gekühlt oder im Winter beheizt werden. Unterstützt wird die Klimaregulierung durch die kontrollierte Lüftung und einen Lehmverputz, mit dem die Register verkleidet sind. Dieser sorgt für eine natürliche Regulierung von Geruch, Akustik und Luftfeuchtigkeit.

Für die Beheizung stehen im Keller zwei Wärmepumpen, die an ein Erdsondenfeld mit 92 Sonden von 200 m Länge gekoppelt sind. Zusätzlich wurde neben dem Bettenhaus eine neue Heizzentrale mit Schnitzelheizung mit einer Leistung von 2,6 MW gebaut, die mit Holz aus den umliegenden Wäldern befeuert wird. Dadurch werden jährlich 1,5 Mio. l Heizöl gespart. Der Verbrauch an Heizöl und Erdgas konnte um 80% reduziert werden. Dies ist mit ein Grund, wieso dem Gebäude das «Minergie-P-Eco»-Label verliehen wurde. Als redundantes Ersatzsystem und für Spitzen gibt es aber nach wie vor einen Ölkessel.

Die Beleuchtung in den insgesamt 1885 Räumen des Bettenhauses stellte eine weitere Herausforderung für die Automatisierung dar. Weil die Lichtbedürfnisse in Patientenzimmern, Büros und Toiletten unterschiedlich sind, hat von Ahs Team rund 13000 «Digital Addressable Lighting Interface» (Dali) verbaut. Darüber wurden die 8000 LED-Leuchten im Haus den jeweiligen Anforderungen entsprechend programmiert. Zugleich wurden sie energieoptimiert, indem sie sich abhängig vom Aussenlicht selbst regulieren. Laut dem Amt für Hochbauten konnten dadurch 27 % des Stromverbrauchs für die Beleuchtung eingespart werden.

Energiefressende Automation?

Das Potenzial an Energieeinsparungen durch Gebäude­automation ist gross. Rund 40 % des Schweizer Energieverbrauchs entfallen heute nämlich auf den Betrieb (Heizung, Warmwasser, Lüftung, Klima, Geräte, Beleuchtung) von Gebäuden. «Mit einer intelligenten Steuerung und durch Ersetzen von herkömmlichen Leuchten durch LED lässt sich selbst beim Gebäudebestand ohne grossen Aufwand 15 bis 20 % Energie sparen», sagt von Ah. Gleichzeitig fragt man sich jedoch, wie gross der Beitrag der Automation selbst zum Gebäude-Energieverbrauch ist. Laut von Ah liegt er im tiefen einstelligen Prozentbereich. «Die Einsparungen dank Gebäude­auto­matisierung sind um Faktoren höher als der Eigenverbrauch.»

Zu einem etwas anderen Ergebnis kam die Hochschule Luzern in einer Studie von 2016: Die Forschenden verglichen den Anteil des Energieverbrauchs diverser Gebäude­auto­matisierungssysteme an der Gesamttechnik. Fazit: Bei durchschnittlich energieeffizienten Gebäuden beläuft sich der jährliche Stromverbrauch der Gebäude­auto­mation auf ein- bis zweistellige Prozentzahlen des Endenergie­bedarfs der Haustechnik. Für die Autoren alles andere als vernachlässigbar. Laut von Ah ist die Studie in der Branche jedoch umstritten. Kontrovers sind u. a. die Systemgrenzen; vor allem die Unterscheidung, welche Komponenten zur Haustechnik gehören und welche zur Gebäude­auto­mation. Hinzu komme, dass es bisher kaum Vergleichsstudien zum Eigenverbrauch gäbe und die Ergebnisse an keinem grösseren Objekt verifiziert wurden. Das Thema stösst aber auf Inte­resse: 2018 wird die Hochschule Luzern mit dem Bundesamt für Energie und Gebäude­auto­mations-Planern eine weitere Studie zum Energieverbrauch durchführen.

Wärmerückgewinnung über die Lunge

Wir besichtigen nun die Lunge des Gebäudes, welche die gesamte Fläche des 17. Stockwerks einnimmt. Ein Brummen und leichte Vibrationen erfüllen die Halle. Über riesige in Aluminium eingepackte Lüftungskammern und -rohre wird Abluft aus dem Gebäude geleitet und Frischluft hineingeführt. Selbst die Lüftung trägt zur Energieeffizienz bei: Über Wärme­rück­kopplung wird der Abluft Wärme entzogen und über einen Wasser­kreislauf wieder im Bettenhaus verteilt. Die dafür nötigen Steuerungen wurden ebenfalls über SPS automatisiert. Auch die 300 Brandschutz­klappen in den Lüftungs­kanälen werden vom System verwaltet und bei einem Alarm aktiviert. Der technische Dienst kann zudem die Belüftung stets per Mausklick kontrol­lieren und am Bildschirm die Volumen­stromregler ablesen, um sicher­zugehen, dass jedes Zimmer gleich­mässig belüftet ist.

Nach über eineinhalb Jahren Betriebszeit ist von Ah zufrieden mit dem «Metabolismus» des Betten­hauses. Die aufwendige Inbetrieb­nahme habe sich gelohnt, Fehl­funktionen und Alarme seien heute äusserst selten. Danach gefragt, wie wohl sich die Patientinnen und Patienten im Gebäude fühlen, sagt von Ah: «In unserer Branche gehen wir davon aus, dass etwa 30 % der Leute immer etwas am Raum­klima auszusetzen haben. Es wäre mir bisher nicht zu Ohren gekommen, dass es im Triemli mehr sind.»

Autor
Samuel Schlaefli

ist freischaffender Journalist und Redaktor.

  • Werkraum Warteck, 4058 Basel

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