Kommentare

Stefan Fassbinder,

Dieser Beitrag verwundert mich. Ich lese dort, eine Freileitung könne etwa fünf- bis siebenmal mehr Energie (gemeint ist vermutlich Leistung) übertragen als ein Kabel. Das Wesentlichste dessen, was ich bisher an Informationen über Hoch-/Höchstspannungskabel und Freileitungen an Informationen sammeln und daraus zum Teil selbst errechnen konnte, lässt sich tabellarisch zusammenstellen – siehe Tabelle bei den Leserbriefen in Bulletin 1/2024. Was aber wurde in dem Beitrag wie und womit verglichen?

Je nach Wetterbedingungen, lese ich weiter, könnten Freileitungen für einige Zeit massiv überlastet werden, was bei Hochspannungskabeln überhaupt nicht möglich sei. Soweit deckt sich dies exakt mit meinen bisherigen Kenntnissen, steht jedoch im krassen Widerspruch zu der Angabe, Freileitungen hätten geringere Übertragungsverluste als Kabel, denn die fraglos bessere, wirkungsvollere Kühlung der Freileitungen kann man ebenso gut als optimale Energieverschwendung betrachten. «Besser» relativiert sich hier.

Weiter wird postuliert, Druckluftkabel könnten viermal mehr Energie übertragen als herkömmliche Hochspannungskabel. Für meine Begriffe steht dies dort als reine Behauptung; zu wenig wird über die Randbedingungen gesagt. An einer Stelle ist von «Leiterquerschnitten über 2000 mm²» Aluminium die Rede. In diesem Bereich – aber mit Kupferleitern – liegen Hoch- und Höchstspannungskabel auch. Wenn man von der gleichen Stromdichte ausgeht – was mir denkbar erscheint, aber im Beitrag ebenso wenig Erwähnung findet –, ist die Verlustleistung im Druckluftkabel schon mal um die Hälfte höher. Wenn sie «viermal mehr Energie transportieren können als herkömmliche Hochspannungskabel» und dann auch noch «geringere Verluste» aufweisen, müssen die Leiterquerschnitte weit über 12'000 mm² liegen. Es fehlen diesbezüglich aber alle Eckpunkte für eine grobe Einordnung, wie sie sich ein Leser gewünscht hätte. So, wie es dort als reines Postulat steht, erscheint fast nichts plausibel. Inwieweit die neue Flanschtechnik ein Privileg der Druckluft gegenüber SF6 sein soll, erschliesst sich mir auch nicht. Luft entweicht noch eher als SF6.

Insofern muss es auch als Nachteil (aller GIL einschliesslich Druckluft) gesehen werden, dass der Druck ständig überwacht und erforderlichenfalls nachgefüllt werden muss. Als einen Vorteil hinsichtlich der Zuverlässigkeit und «Wartungsarmut» kann ich das nicht sehen. Ganz nebenbei wundert mich dann noch, dass die Schweizer Medien suggerieren, die Versorgungssicherheit hinge nur von genügend Kraftwerks­kapazität ab. Bei uns in Deutschland beobachte ich das Gegenteil: Wenn es irgendwo hapert, dann fast immer am Netzausbau. Der Aspekt, dass die Leistung, die man übertragen und verteilen möchte, unter Umständen in dem Moment, wenn man sie braucht, gar nicht verfügbar ist, fällt hierzulande gern mal unter den Tisch.

Walter Holaus,

Zur Flanschtechnik möchte ich präzisieren, dass aktuelle GIS/GIL-Flanschdesigns verschraubte Flansche mit je zwei Dichtstellen pro Flansch haben und je einem O-Ring je Dichtstelle, siehe auch Cigre Paper: Walter Holaus, «Pressurized Air Cables – a new technology for sustainable energy transmission 12 kV – 420 kV». Eine typische Installation hat also sehr viele Flansche, wie man auf dem Bild bei den Leserbriefen in Bulletin 1 / 2024 gut erkennt. Druckluftkabel haben hingegen keine Schrauben pro Flansch, nur eine Dichtstelle je Flansch und zwei O-Ringe pro Dichtstelle. Das ist funktional definitiv besser und kosteneffizienter.

Wir sehen die Drucküberwachung als Vorteil, da ein einziger Überwachungsparameter eine integrale Aussage über den OK-Zustand der gesamten Kabelanlage gibt.

Noch ein Hinweis zur Versorgungssicherheit: Druckluftkabel ermöglichen einen rascheren Netzausbau, da kritische Abschnitte unterirdisch geführt werden können. Der bessere Brandschutz erlaubt die Benutzung von bestehenden Tunneln. Die niedrigeren äusseren Magnetfelder erlauben Trassen in sensiblen Bereichen. Höhere Nennströme und tiefere Verluste (siehe erwähnte Tabelle) ermöglichen höhere Übertragungsleistungen. Der Ersatz von SF6 mit Druckluft ermöglicht überhaupt erst einen Einsatz, da SF6 (und andere PFAS-Gase) in der EU verboten werden. Deshalb sehen wir Druckluftkabel als die wichtigste (einzige) Technologieoption zur Beschleunigung des Netzausbaus.

Stefan Fassbinder,

Gewöhnlich wird ein Kabel nicht für 400 A bemessen, weil es im Betrieb stets einen Strom von 400 A tragen muss, sondern weil es eventuell sein könnte, dass es irgendwann einmal in seinem Leben für ein paar Stunden im Jahr mit 400 A belastet werden könnte, wenn überhaupt. Vielmehr wird der Strom im Jahresmittel irgendwo bei 80 A liegen. Somit ist es gegenüber dem «üblichen» Betriebsstrom schon um den Faktor 5 überdimensioniert, und dann soll man es noch einmal um den Faktor 12 vergrössern? Ich bin sehr für die Verlust-Reduktion, wie Sie vielleicht wissen, doch was sagen die Kaufleute dazu, wenn ein Kabel für 5000 A dort verlegt werden soll, wo der Strom eventuell mal 400 A erreichen könnte? Die werden dann wieder mal die Techniker für verrückt und realitätsfremd erklären.

Die Netze werden normalerweise schon mit sehr viel Reserve ausgelegt. In Deutschland wird der Netzverlust vom Maschinentrafo bis zum Haushaltszähler mit etwa 5% angegeben. In der Schweiz ist es nicht viel mehr (Deutschland und die Schweiz sind hier vorbildlich). Von diesen Verlusten entfällt nur etwa die Hälfte auf sämtliche Kabel und Freileitungen aller Spannungsebenen; die andere Hälfte fällt in Transformatoren an. Würden aber alle 110-kV-Freileitungen ständig voll belastet, so gingen jeweils auf 71 km Länge schon 10% der Leistung verloren. Dieser Vergleich zeigt, wie weit die «normale» Belastung von den höchstzulässigen 682 A entfernt ist. Diese nun auch noch auf 3000 A «aufzubohren» kann sich kaum rechnen – auch dann nicht, wenn der Strom (hoffentlich) noch erheblich teurer wird (damit die Energiewende endlich zum Selbstläufer wird).

Es mag viele gute Gründe für den Einsatz von Druckluftkabeln geben, aber die noch weitergehende Verbesserung der Energie-Effizienz der Netze über das system-immanent vorhandene Niveau hinaus ist nur eine kleine Zugabe am Rande, mehr nicht.

Bitte addieren Sie 1 und 2.