Fachartikel Gebäudeautomation , Installationstechnik

Bussysteme fürs Smart Home

Eigenschaften, Anwendungen und Trends

31.07.2017

Ein zentraler Bestandteil des Smart Homes ist das Bussystem, das diverse Geräte miteinander verbindet. Die ersten Bussysteme für die Gebäudeautomation wurden entwickelt, um den Verkabelungsaufwand zu reduzieren und eine bessere Erweiterbarkeit der Systeme zu erreichen. Die Anforderungen an heutige Bussysteme gehen aber darüber hinaus.

Die Vorstellung von einem computergesteuerten Gebäude, das Hausarbeiten wie das Kochen und Reinigen selbstständig erledigt sowie Sicherheits- und Überwachungsfunktionen übernimmt, existiert schon lange. So hat Ray Bradbury 1950 ein automatisiertes Haus beschrieben, welches auch nach dem Ableben seiner Einwohner weiterfunktioniert.[1] In den 1970er-Jahren wurde dann das erste Protokoll zur Vernetzung von Haushaltgeräten entwickelt, X10. Damit nahm die Geschichte des Smart Homes seinen Lauf. Heute wird unter dem Begriff Smart Home die Vernetzung von Haustechnik, Haushaltgeräten und Unterhaltungselektronik zusammengefasst mit den Zielen, die Wohnqualität und Sicherheit in Wohnräumen zu steigern und deren Energieverbrauch zu senken.

Ein wesentlicher Bestandteil des Smart Homes ist das Bussystem. Dabei handelt es sich um ein Kommunikationssystem, das eine Vielzahl von Geräten untereinander verbindet. Die ersten Bussysteme für die Gebäudeautomation wurden entwickelt, um die bis anhin übliche Parallelübertragung von digitalen Signalen sowie die analoge Signalübermittlung zu ersetzen. Dadurch liess sich der Verkabelungsaufwand wesentlich reduzieren und eine bessere Erweiterbarkeit der Systeme erreichen. Die Anforderungen an heutige Bussysteme gehen darüber hinaus. Nebst der Erweiterbarkeit stehen die Interoperabilität – also die Fähigkeit zur Zusammenarbeit von verschiedenen Systemen und Standards – die Zuverlässigkeit und die Echtzeitfähigkeit im Vordergrund. Für Anwendungen im Smart Home werden überdies meist eine einfache Installation und Inbetriebnahme, niedrige Kosten sowie die Kompatibilität zur bestehenden Haustechnik und Elektroinstallation vorausgesetzt.

In diesem Beitrag werden sowohl standardisierte wie auch proprietäre Lösungen berücksichtigt, und einige Trends werden aufgezeigt, welche sich auf diesem Gebiet abzeichnen.

Vergleich

Einen Vergleich unterschiedlicher Bussysteme anzustellen, ist aufgrund der Vielfalt an Lösungen und zugrundeliegenden Technologien schwierig. Hier werden einige etablierte Systeme mit ihren Eigenschaften und Einsatzgebieten vorgestellt (Bild 1).

Bussysteme lassen sich anhand ihres Übertragungsmediums unterscheiden. Daraus lassen sich wichtige Eigenschaften wie der Installationsaufwand, die Flexibilität, die Störanfälligkeit und die Nachrüstbarkeit ableiten. Als Übertragungsmedium dienen dedizierte Steuerleitungen (drahtgebunden), die Luft (drahtlos) oder das 230-V-Wechselstromnetz (Powerline Kommunikation, PLC).

Etablierte Gebäudeautomationssysteme wie KNX oder Dali sowie auch das jüngere free@home setzten ursprünglich auf dedizierte Steuerleitungen. Da diese nur unter bestimmten Umständen zusammen mit Stromleitungen verlegt werden können (siehe [3], §4.4.4.6.3), müssen für diese Bussysteme in der Regel separate Rohre oder Kanäle verlegt werden. Dies verursacht einen erheblichen Installationsaufwand und schränkt die Flexibilität im Vergleich zu den anderen Übertragungsmedien ein. Deshalb werden drahtgebundene Lösungen fast ausschliesslich in Neubauten oder bei umfangreichen Sanierungen eingesetzt. Ein wesentlicher Vorteil drahtgebundener Systeme ist deren hohe Zuverlässigkeit und eine gewisse Datensicherheit. Vor allem bei grösseren und sicherheitsrelevanten Anlagen sind sie deshalb zu empfehlen.

Besser für die Nachrüstung geeignet und auch um einiges flexibler sind PLC-basierte Lösungen wie Digitalstrom und KNX PL. Diese verwenden für die Datenübertragung die bestehenden Stromleitungen, indem sie die Kommunikationssignale der Wechselspannung überlagern. Somit kann überall dort, wo eine Stromleitung vorhanden ist, auch ein Busteilnehmer installiert werden. Dabei müssen keine zusätzlichen Leitungen oder gar Rohre verlegt werden. Als problematisch kann sich bei PLC die Tatsache erweisen, dass auf Stromleitungen generell Rauschen und Störungen vorhanden sind, verursacht z.B. durch hohe Einschaltströme einzelner Haushaltsgeräte, durch den Betrieb von Geräten mit getakteten Netzteilen oder durch äussere Einflüsse. Mittlerweile sind PLC-Bussysteme aber ausgereift und gut gegen solche Störungen abgesichert, sodass ihre Zuverlässigkeit zumindest in kleinen Installationen an diejenige von Bussystemen mit dedizierten Steuerleitungen herankommt.

Am flexibelsten sind Bussysteme mit einer drahtlosen Übertragungstechnologie (Funk). Die meisten funkbasierten Sensoren, Schalter und Taster sind batteriebetrieben und deshalb nicht auf Kabel angewiesen. So können die Geräte dort platziert werden, wo sie benötigt werden. Funkbasierte Systeme eignen sich also optimal für die Nachrüstung. Allerdings entstehen aufgrund des erforderlichen – wenn auch meist seltenen – Batterieaustauschs zusätzlicher Aufwand und Abfall. Hier schafft die Lösung von Enocean Abhilfe: Alle Sensoren und Taster nehmen die Energie aus der Umgebung auf (mechanische Bewegungen, Licht, Tempera-
turunterschiede) und können daher batterielos betrieben werden.

Zu beachten ist bei funkbasierten Lösungen auch die zunehmende Auslastung der Funkbänder. Viele Systeme nutzen das weltweit lizenzfreie 2,4-GHz-Band (ISM), welches auch von WLAN und Bluetooth verwendet wird. In grossen Netzwerken mit mehreren Hundert Teilnehmern treten dadurch Verzögerungen oder gar Störungen in der Kommunikation auf, sodass die Systeme nicht mehr zuverlässig arbeiten. Einige Systeme weichen daher aus auf weniger ausgelastete, dafür nicht weltweit verfügbare Frequenzbänder wie 868  MHz (Europa, Asien) oder 915  MHz (Nord- und Südamerika). Als positiver Nebeneffekt ermöglichen tiefere Übertragungsfrequenzen eine bessere Durchdringung in Innenräumen und grössere Reichweiten. Weil etablierte Anbieter sich dem wichtigen Markt der Nachrüstsysteme nicht entziehen wollen, sind heute auch traditionell drahtgebundene Systeme wie LON, KNX oder Bacnet in drahtlosen (seltener auch PLC) Varianten verfügbar.

Einen repräsentativen Überblick über die Einsatzhäufigkeit der verschiedenen Smart-Home-Bussysteme zu erlangen, ist schwierig. Tendenziell werden in einfachen Nachrüstsystemen, welche von Laien installiert werden können und meist nur eine Handvoll Teilnehmer umfassen, etablierte Technologien wie WLAN oder Bluetooth Smart (seltener auch Zigbee) eingesetzt. Systeme mit mehr Teilnehmern und verteilten Sensoren sind komplexer und erfordern daher mehr technisches Know-how. Am beliebtesten bei versierten Heimwerkern in Europa ist das Funksystem Homematic von eQ-3 [4], aber auch Enocean erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Bei Neubauten dominiert nach wie vor KNX den Markt [5], andere Systeme wie Digitalstrom oder Loxone scheinen aber aufzuholen. In den USA hingegen ist Z-Wave der Marktführer fürs Smart Home. Interessant ist auch, dass im Smart Home weiterhin proprietäre Lösungen vorherrschen. Dies im Gegensatz zur gewerblichen Gebäudeautomation, wo zunehmend offene Standards wie Bacnet, KNX, Dali und LON eingesetzt werden.

Trends

Die Welt der Informatik ist gekennzeichnet durch rasante Entwicklungen und plötzliche, einschneidende Veränderungen. Obwohl sich die Gebäudeautomation nicht mit derselben Geschwindigkeit entwickelt, sind auch bei den Bussystemen für das Smart Home wichtige Neuerungen zu beobachten.

Ein besonderes Augenmerk gilt im Smart Home der Interoperabilität zwischen Systemen verschiedener Hersteller und Arten. Gemäss einer neuen Studie [4] «müssen sich die verschiedenen Anbieter rund ums Wohnen und Bauen miteinander und über ihre Grenzen hinaus […] vernetzen, damit wirklich wertvolle Angebote entstehen».[6] Es ist also zu erwarten, dass sich proprietäre Lösungen vor allem dann durchsetzen werden, wenn diese gegenüber anderen Systemen offen gestaltet sind. Dieser Trend ist auf dem Smart-Home-Markt klar zu beobachten, wo alle wichtigen Anbieter ihre offenen Schnittstellen anpreisen. So kann zum Beispiel das ­Zigbee-basierte Beleuchtungssystem Philips Hue über WLAN an free@home, Digitalstrom oder andere Systeme angeschlossen werden. Weiter bieten immer mehr Bussysteme die Möglichkeit an, direkt mit anderen Bussystemen verbunden zu werden. So lässt sich z.B. Loxone mittels Gateways mit Enocean oder Dali erweitern. Vor diesem Hintergrund wäre beim Smart Home auch eine Entwicklung in Richtung offener Standards zu erwarten. Allerdings lässt sich dies – bis auf den ziemlich verbreiteten Einsatz von KNX und einzelne Bemühungen wie Thread [7] – im Wohnbau bisher nicht beobachten.

Einen zusätzlichen Schritt in Richtung Interoperabilität ermöglicht die Nutzung von etablierten IT-Standards, z.B. Ethernet, TCP/IP und UDP. Damit werden Schnittstellen zu weiteren Anlagen der (Gebäude-) Informatik geschaffen, und es kann auf die bestehende, lokale Netzwerk-Infrastruktur (LAN) zurückgegriffen werden. Dieser Trend, der bereits in den Netzwerkoptionen von Standards wie Bacnet/IP und KNX IP oder mit 6LoWPAN in Funknetzwerken Eingang gefunden hat, dürfte mittelfristig auch bei anderen Bussystemen fürs Smart Home zu beobachten sein.

Weitere Entwicklungen umfassen den zunehmenden Einsatz von drahtlosen Technologien (insbesondere für die Nachrüstung) und das Aufkommen von Middlewares. Dabei handelt es sich um Software-Plattformen, welche verschiedene Systeme zusammenfassen. Beispiele dafür sind iBricks, Apple Homekit und der quelloffene OpenHAB.

Referenzen

[1] R. Bradbury, «There Will Come Soft Rains», The ­Martian Chronicles, Doubleday, 1950.

[2] A. Botthof, T. Heimer, H. Strese, «SmartHome2Market – Marktperspektiven für intelligente Heimvernetzung – 2016», Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), 2016.

[3] Electrosuisse, «Niederspannungs-Installationsnorm (NIN) SEV 1000:2010», Electrosuisse, 2015.

[4] eQ-3, «eQ-3», 20 06 2016, www.eq-3.de/aktuelles/newsreader/eq-3-ist-europas-nr-1-im-smart-home.html (Zugriff am 22. 05. 2017).

[5] BSRIA, «iMAGAZIN», 02 05 2017, i-magazin.at/7989/weltweite-marktstudie-zu-smart-home-gewerblicher-zweckbau (Zugriff am 22. 05. 2017).

[6] K. Frick, D. Tenger, «Smart Home 2030 – Wie die Digitalisierung das Bauen und Wohnen verändert», Gottlieb Duttweiler Institut, Rüschlikon, 2015.

[7] threadgroup.org/About.

Autor
Olivier Steiger

ist Dozent am Institut für Gebäudetechnik und Energie IGE, Hochschule Luzern.

Autor
Lukas Kaufmann

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am iHomeLab, Hochschule Luzern.

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